Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen DIE GLOSSE
von der Grünen Alternativen Partei abgeschafft wird, dürfte das Pro- blem „Versuchstiere" bei der Machtübernahme durch die An- hänger der krausen Logik gleich mitgelöst werden. Was mit den Versuchstieren gemacht wird, ist nämlich keine sanfte Technologie.
Das hat sich inzwischen herumge- sprochen, und deshalb erfreuen sie sich nun des besonderen Inter- esses von professionellen Zivilisa- tionskritikern. Dabei kann es eine Ratte natürlich nicht mit einem Robbenbaby aufnehmen — aber das ist weiter keine Schande, denn mit dem kann es auch ein Men- schenbaby nicht aufnehmen.
Es ist jetzt gewiß nur noch eine Frage der Zeit, und auch das Hühnchenkillen, Rehleinschießen, Schweinchenstechen und Kälb- chenschlachten wird sehr verpönt sein. Dann verhungern die Men- schen allmählich, und nur die Rindviecher bleiben zurück.
Auch das wäre ein schönes Bei- spiel für die Gültigkeit des Prin- zips von dem Survival of the Unfit- test. Rudi von Poldenko
Überfordert
Immer nach vier Minuten ertönt bei der Sachverständigenbefra- gung in Emil Obermanns Fernseh- sendung „Pro und Contra" die Glocke, der andere Anwalt ist
„dran"; die Zeit drängt ja, eine Live-Sendung darf nicht überzie- hen. Und so konnte man beim Thema „Patientenaufklärung —Ju- risten überfordern die Ärzte"
(ARD, 14. April 1983) gar nicht recht zum Kern der Sache vorsto- ßen. Auch die Contra-Juristen waren nicht der Meinung, daß die Rechtsprechung eine „totale Aufklärung" des Patienten über al- le Behandlungsrisiken verlange.
Laut Präsident des Bundesge- richtshofes, Professor Dr. jur.
Gerd Pfeiffer, genügt beim Blind- darm sogar ein banaler Hinweis darauf, daß eben jede Operation ein Risiko trage. Bei kosmetischen
Operationen, bei neuen Methoden oder bei unsicherem Erfolg müsse die Aufklärung allerdings umfas- sender sein.
So kamen Professor Dr. jur. Hel- mut Narr, Justitiar der ärztlichen Körperschaften in Südwürttem- berg, und der Erlanger Professor Dr. med. Ludwig Demling auch nicht dazu, die wesentlichen Ursa- chen der heutigen unbefriedigen- den Situation herauszuarbeiten, nämlich die Tatsache, daß Anwälte auf eine angeblich mangelhafte Aufklärung ausweichen, wenn sie im Frontalangriff der Kunstfehler- klage gegen einen Arzt nicht recht weiterkommen. Die Folgen: Die Ärzte werden in eine defensive Medizin gedrängt, „das Krank- heitsrisiko wird letzten Endes dem Arzt angelastet" (Professor Narr), die psychologischen Aspekte im Verhältnis zwischen Patient und Arzt werden ausgeklammert, und
— dieser wichtige Hinweis kam vom Präsidenten der Bundesärzte- kammer, Dr. Karsten Vilmar — die Krankenhausträger sehen sich veranlaßt, den Arzt zu hundertpro- zentiger, schematisierter „Aufklä- rung" zu verpflichten, womöglich per Formular und gegen Quittung, um sich — den Krankenhausträger
—selbst gegen etwaige Haftungs- ansprüche abzusichern. Wie soll da eine Atmosphäre für ein vertrau- ensvolles Gespräch entstehen?
Wahrscheinlich hielten sich die Verantwortlichen für mutig, als sie dieses „heißes Eisen" anpackten.
Mutiger wäre es gewesen, einen Arzt und einen Juristen das Thema gründlich miteinander ausdisku-
tieren zu lassen.
Die „Jury" — 25 Bonner Bürgerin- nen und Bürger — hatte vorher mit 16:9 der These zugestimmt „Juri- sten überfordern die Ärzte". Die Endabstimmung ergab 8:17, aber nach Obermanns Rechnung hat- ten nicht acht, sondern sogar zehn Mitglieder der Jury im Verlauf der Sendung ihre Meinung geändert, und dies sei in der Geschichte von
„Pro und Contra" ein Rekord.— Na und? gb
Der Ton, der die Musik macht
Wer einmal genau darauf achtet, der wird feststellen, daß in der me- dizinischen Literatur die Begriffe
„Krankengut" oder „Patienten- gut" heute viel seltener vorkom- men als früher. Nun war sicherlich mit dieser Bezeichnung nie eine Geringschätzung des kranken Menschen beabsichtigt. Allmäh-
ich hat sich aber wohl doch die Erkenntnis durchgesetzt — viel- eicht angetrieben von einer be- sonders kritischen jüngeren Gene- ration —, daß „Krankengut" sich fatal mit „Menschenmaterial" as- soziieren läßt. Es muß doch wirk- lich bessere Ausdrücke geben.
In ähnlicher Weise verschwinden allmählich „Standespolitik" und
„Standespolitiker"; die unschö- nen Steigerungen zu „Standes- funktionären" oder gar „Standes- fürsten" findet man kaum noch.
Man fühlt wohl, daß solche Begrif- fe nicht mehr in die Zeit passen.
Die Vilmars oder Muschalliks oder Hoppes sind ja auch keine barok- ken Potentaten, sondern sie sind schlicht durch demokratische Wahl legitimierte Vertreter ihrer Berufskollegen und für diese tätig.
Sie haben es gar nicht nötig, etwa durch „Standesdünkel" ihre gan- ze Berufsgruppe angreifbar zu machen.
Eine willkommene Entwicklung (an der übrigens für die Ärzte- schaft tätige und auch andere Journalisten nicht geringen Anteil haben).
Irgendwo hieß es dieser Tage:
„Gerade bei der (Sowieso-)Krank- heit ist der Arzt auf die Mitarbeit seines Patienten angewiesen, ganz gleich, ob es um Prävention, Therapie oder Rehabilitation geht." Das stimmt sicherlich; es stimmt wohl bei jeder Krankheit.
Aber ob man das nicht auch um- gekehrt ausdrücken kann? Denn es ist doch auch der Patient, der darauf angewiesen ist, daß sich der Arzt um ihn bemüht —oder? gb Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 18 vom 6. Mai 1983 83