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Archiv "The Survival of the Unfittest" (06.05.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

DIE GLOSSE

The Survival of the Unfittest

1859 hat Charles Darwin sein epo- chales Werk „Von der Entstehung der Arten" veröffentlicht und dabei das Selektionsprinzip des „Survi- val of the fittest" bekannt gemacht.

Nur im Zeitalter eines hemmungs- losen Kapitalismus konnte dieses Prinzip überhaupt formuliert wer- den und Anerkennung finden, während heute jedes Schulkind auf Anhieb erfaßt, daß das Selek- tionsprinzip erschreckend unso- zial ist und auf einem bedauerli- chen Mangel an Solidarität mit den Schwachen beruht. Es verletzt ja in unerträglicher Weise den Gleichheitsgrundsatz, und es steht — wenn man es einmal strikt auf den Menschen bezieht — spe- ziell im eindeutigen Widerspruch zum Geist des Grundgesetzes. Für einen emanzipierten Bundesbür- ger läge es da nahe, sofort verwal- tungsgerichtliche Schritte in die Wege zu leiten — etwa in Form einer einstweiligen Verfügung ge- gen .die Mutter Natur, denn auch elterliche Bande halten uns heute nicht davon ab, unsere Rechte zu reklamieren.

Ein solcher Rechtsstreit dürfte bei dem grundsätzlichen Charakter des Gegenstandes durch alle In- stanzen gehen. Ich möchte des- halb den nachfolgenden Überle- gungen eine erhebliche Bedeu- tung zuschreiben, weil sie dies al- les vermeiden und überdies Ko- sten sparen helfen. Als Ergebnis von sorgfältigen Beobachtungen habe ich nämlich ein neues Selek- tionsprinzip entdeckt, das den Schwachen in wünschenswerter Weise auf Kosten des Starken schützt: The Survival of the Unfit- test.

Das Prinzip hat vorerst eine be- sondere Bedeutung im menschli- chen Sozialleben, also in Politik, Gesundheitswesen, auf dem Bil- dungssektor usw., ließe sich aber gewiß mit etwas gutem Willen auf die ganze Biosphäre übertragen.

Um zu verdeutlichen, was über-

haupt gemeint ist, denke man nur einmal an ein entscheidendes Ziel der fraulichen Selbstverwirkli- chung, also an die Legalisierung der Abtreibung. Mit ihrer Hilfe wer- den aus sozialer Indikation junge, lebensfähige und gesunde Unge- borene abgesaugt oder sonstwie getötet. Es ist hingegen nicht ge- stattet, aus sozialer Indikation die Alten, Kranken und Schwachen abzusaugen oder sie sonstwie zu töten: Der Unfitte überlebt daher, und der Fitte wird eliminiert.

Hat einer die gefährliche Klippe der Abtreibungsperiode glücklich umschifft und steht im Mittelalter des Lebens, also mitten im eigent- lichen Struggle of Life, so kann es ratsam sein, um des lieben Überle- bens willen, krank zu werden. Dies ist nur scheinbar paradox. In Wirk- lichkeit bestehen gute Chancen für eine Heilung. Und in jedem Fall kann man danach als schwerbe- hindert anerkannt werden. Man wird dann bevorzugt angestellt, ist unkündbar, bekommt einen Frei- fahrschein für die Bahn und Steuererleichterungen.

Für den Fall eines Studiums sollte man am besten in der Schule gar nicht erst viel lernen, sondern so- fort auf soziale Härte ausgehen (je härter, desto besser). Man kann beispielsweise, ohne die Gefahr von disziplinarischen Weiterun- gen fürchten zu müssen, heute ein Jahr in der Oberprima fehlen und dann unter sehr starkem Frust lei- den. Das ergibt einen erstklassi- gen psychologischen Härtefall, der dazu verwendet werden kann, zum Studium der kooperativen Sozialökologie zugelassen zu wer- den. Da kann jeder mitreden, und geistige Fitness wirkt sich eher nachteilig aus, weil allzu differen- ziertes Nachdenken das Abfassen von eingängigen Parolen stört.

Auch wer nicht fit ist in konventio- neller Logik, hat damit Chancen für den sozialen Aufstieg: Er wird etwa Abgeordneter der Grünen Al- ternativen Partei. Diese folgt (wie schon ihr Name sagt) einer alter- nativen Logik, der sogenannten

krausen Logik oder „curled lo- gic", die im Unterschied zur nor- malen Logik von inneren Wider- sprüchen lebt. Sie erhält hier- durch aber offenbar ihre Attraktivi- tät, besonders für Hochschulab- solventen. Die jüngst als Wahlpro- gramm zusammengestellten Wi- dersprüche zur Bildungspolitik se- hen z. B. so aus:

Keine Eingangsvoraussetzungen;

keine Studiengebühren;

kein Studiengeld;

Abschaffung der Studienordnung;

kostendeckendes Bafög mit An- passungsklausel;

keine Leistungsnachweise;

nur noch sinnvolle Arbeit;

keine Kraftwerke, keine Großtech- nologie;

mehr finanzielle Mittel für alterna- tive Hochschulprojekte;

keine militärische Forschung, son- dern Frauenforschung;

etc. etc.

Das Geld für all dies wird ge- druckt, nicht einfach verdient.

Letzterer Vorgang ist den Protago- nisten der grünen Logik nämlich weitgehend unbekannt und spielt deshalb auch eine völlig unterge- ordnete Rolle in ihrem Denken.

Dem vorstehenden Programm ha- ben im Frühjahr 1983 2,2 Millionen Deutsche zugestimmt — wie ge- sagt, schwerpunktmäßig in Uni- versitätsstädten, z. B. speziell im Assistentenghetto einer süddeut- schen Stadt 26 Prozent: Frucht der Bildungsreform. Der Praxisbe- zug des Studiums geht offensicht- lich inzwischen so weit, daß kein nüchternes Denken mehr gefor- dert wird.

Da unter anderem auch DDT & Co, das ist die chemische Industrie, 80 Heft 18 vom 6. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen DIE GLOSSE

von der Grünen Alternativen Partei

abgeschafft wird, dürfte das Pro- blem „Versuchstiere" bei der Machtübernahme durch die An- hänger der krausen Logik gleich mitgelöst werden. Was mit den Versuchstieren gemacht wird, ist nämlich keine sanfte Technologie.

Das hat sich inzwischen herumge- sprochen, und deshalb erfreuen sie sich nun des besonderen Inter- esses von professionellen Zivilisa- tionskritikern. Dabei kann es eine Ratte natürlich nicht mit einem Robbenbaby aufnehmen — aber das ist weiter keine Schande, denn mit dem kann es auch ein Men- schenbaby nicht aufnehmen.

Es ist jetzt gewiß nur noch eine Frage der Zeit, und auch das Hühnchenkillen, Rehleinschießen, Schweinchenstechen und Kälb- chenschlachten wird sehr verpönt sein. Dann verhungern die Men- schen allmählich, und nur die Rindviecher bleiben zurück.

Auch das wäre ein schönes Bei- spiel für die Gültigkeit des Prin- zips von dem Survival of the Unfit- test. Rudi von Poldenko

Überfordert

Immer nach vier Minuten ertönt bei der Sachverständigenbefra- gung in Emil Obermanns Fernseh- sendung „Pro und Contra" die Glocke, der andere Anwalt ist

„dran"; die Zeit drängt ja, eine Live-Sendung darf nicht überzie- hen. Und so konnte man beim Thema „Patientenaufklärung —Ju- risten überfordern die Ärzte"

(ARD, 14. April 1983) gar nicht recht zum Kern der Sache vorsto- ßen. Auch die Contra-Juristen waren nicht der Meinung, daß die Rechtsprechung eine „totale Aufklärung" des Patienten über al- le Behandlungsrisiken verlange.

Laut Präsident des Bundesge- richtshofes, Professor Dr. jur.

Gerd Pfeiffer, genügt beim Blind- darm sogar ein banaler Hinweis darauf, daß eben jede Operation ein Risiko trage. Bei kosmetischen

Operationen, bei neuen Methoden oder bei unsicherem Erfolg müsse die Aufklärung allerdings umfas- sender sein.

So kamen Professor Dr. jur. Hel- mut Narr, Justitiar der ärztlichen Körperschaften in Südwürttem- berg, und der Erlanger Professor Dr. med. Ludwig Demling auch nicht dazu, die wesentlichen Ursa- chen der heutigen unbefriedigen- den Situation herauszuarbeiten, nämlich die Tatsache, daß Anwälte auf eine angeblich mangelhafte Aufklärung ausweichen, wenn sie im Frontalangriff der Kunstfehler- klage gegen einen Arzt nicht recht weiterkommen. Die Folgen: Die Ärzte werden in eine defensive Medizin gedrängt, „das Krank- heitsrisiko wird letzten Endes dem Arzt angelastet" (Professor Narr), die psychologischen Aspekte im Verhältnis zwischen Patient und Arzt werden ausgeklammert, und

— dieser wichtige Hinweis kam vom Präsidenten der Bundesärzte- kammer, Dr. Karsten Vilmar — die Krankenhausträger sehen sich veranlaßt, den Arzt zu hundertpro- zentiger, schematisierter „Aufklä- rung" zu verpflichten, womöglich per Formular und gegen Quittung, um sich — den Krankenhausträger

—selbst gegen etwaige Haftungs- ansprüche abzusichern. Wie soll da eine Atmosphäre für ein vertrau- ensvolles Gespräch entstehen?

Wahrscheinlich hielten sich die Verantwortlichen für mutig, als sie dieses „heißes Eisen" anpackten.

Mutiger wäre es gewesen, einen Arzt und einen Juristen das Thema gründlich miteinander ausdisku-

tieren zu lassen.

Die „Jury" — 25 Bonner Bürgerin- nen und Bürger — hatte vorher mit 16:9 der These zugestimmt „Juri- sten überfordern die Ärzte". Die Endabstimmung ergab 8:17, aber nach Obermanns Rechnung hat- ten nicht acht, sondern sogar zehn Mitglieder der Jury im Verlauf der Sendung ihre Meinung geändert, und dies sei in der Geschichte von

„Pro und Contra" ein Rekord.— Na und? gb

Der Ton, der die Musik macht

Wer einmal genau darauf achtet, der wird feststellen, daß in der me- dizinischen Literatur die Begriffe

„Krankengut" oder „Patienten- gut" heute viel seltener vorkom- men als früher. Nun war sicherlich mit dieser Bezeichnung nie eine Geringschätzung des kranken Menschen beabsichtigt. Allmäh-

ich hat sich aber wohl doch die Erkenntnis durchgesetzt — viel- eicht angetrieben von einer be- sonders kritischen jüngeren Gene- ration —, daß „Krankengut" sich fatal mit „Menschenmaterial" as- soziieren läßt. Es muß doch wirk- lich bessere Ausdrücke geben.

In ähnlicher Weise verschwinden allmählich „Standespolitik" und

„Standespolitiker"; die unschö- nen Steigerungen zu „Standes- funktionären" oder gar „Standes- fürsten" findet man kaum noch.

Man fühlt wohl, daß solche Begrif- fe nicht mehr in die Zeit passen.

Die Vilmars oder Muschalliks oder Hoppes sind ja auch keine barok- ken Potentaten, sondern sie sind schlicht durch demokratische Wahl legitimierte Vertreter ihrer Berufskollegen und für diese tätig.

Sie haben es gar nicht nötig, etwa durch „Standesdünkel" ihre gan- ze Berufsgruppe angreifbar zu machen.

Eine willkommene Entwicklung (an der übrigens für die Ärzte- schaft tätige und auch andere Journalisten nicht geringen Anteil haben).

Irgendwo hieß es dieser Tage:

„Gerade bei der (Sowieso-)Krank- heit ist der Arzt auf die Mitarbeit seines Patienten angewiesen, ganz gleich, ob es um Prävention, Therapie oder Rehabilitation geht." Das stimmt sicherlich; es stimmt wohl bei jeder Krankheit.

Aber ob man das nicht auch um- gekehrt ausdrücken kann? Denn es ist doch auch der Patient, der darauf angewiesen ist, daß sich der Arzt um ihn bemüht —oder? gb Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 18 vom 6. Mai 1983 83

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