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eulich hat es uns erwischt:Es passierte der Super- Gau, das, was uns nächte- lang nicht schlafen lässt – uns ereilte ein Fehlerproto- koll der Bundesversicherungs- anstalt für Angestellte (BfA) (mindestens 0,55 Euro Porto).
Für alle, die sich darin nicht auskennen: Nach Abschluss der stationären Rehabilita- tion erhalten Rentenversi- cherungsträger und unter an- derem vorbehandelnde und nachbehandelnde Kollegen einen Abschlussbericht. Die- ser ist ein Monsterbericht – in seinem Umfang für einen ge- stressten Praktiker unlesbar –, ausgeheckt und vorgeschrie- ben von Gremien, die längst dem Klinikalltag entwachsen sind. Wir wissen, dass auch bei der BfA kein Mensch den Be- richt liest, dafür gibt es Com- puter, die locker erkennen, wo ein Kreuz fehlt, eine Zahl nicht eingetragen ist und viel-
leicht auch Urgroßmutters entzündeter Hallux valgus in der Familienanamnese nicht auftaucht, weil diese an ande- rer Stelle als an der vorge- schriebenen erscheint. Dabei waren wir soooo stolz, dass wir unseren armen jungen Pa- tienten mit ausgedehnten Ver- brennungen und doppelseiti- ger Oberschenkelamputation mit Prothesen versorgt und auf
die Beine bekommen haben.
All das ist ausführlich beschrie- ben mit zig Diagnosenummern unterlegt, aber ein entschei- dendes Feld blieb unausge- füllt – die Körpergröße. Des- halb also das Fehlerprotokoll.
Nun haben wir das Fehler- protokoll ausgefüllt zurück- geschickt (Porto wieder 0,55 Euro). Wir hatten dabei ein
ganz schlechtes Gewissen, denn welche Zahl sollten wir eintragen? Größe mit Pro- these, Größe ohne Prothese?
Eigentlich ist es schnurzegal, auch in diesem Fall wertet der Computer aus, allerdings wissen wir nicht, ab welcher Größe der Rechner Alarm schlägt, vielleicht 230 cm?
Im Ernst: Armes deutsches Gesundheitswesen, wenn das so weiter geht mit diesem und vielem anderen unerträg- lichen bürokratischen Auf- wand. Frank Berthold
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anche Geldanleger sind schlauer als andere.An- dere wiederum glauben das nur. Sich 14 Prozent Zin- sen einzuverleiben, während andere mit Bundesschatzbrie- fen darben, gehörte auf Party- gesprächen jahrelang zum Ausweis cleveren Verhaltens.Bonds aus Argentinien,Süd- afrika, Venezuela waren die Zauberinstrumente auf dem Weg des schnellen Reichtums, und dass ein gewisser Börse- bius oft genug vor hochriskan- ten Fremdwährungsanleihen warnte, blieb für diese Klien- tel ohne Belang. Zu sehr lock- ten die hohen Renditen, ohne große Reflexion auf die Frage, ob der Schuldner überhaupt willens und in der Lage sei, das Kapital am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen.
Die Arglosigkeit hat sich im Fall Argentinien als sträflich leichtsinnig herausgestellt. Das Land ist pleite und stellte
schon vor einiger Zeit die Zah- lungen auf Anleihen ein, ein- fach so. Hektische Verhand- lungen folgten, und in der Zwi- schenzeit verdiente sich man- che Interessengemeinschaft zur Rettung der Anleger noch ei- nige Euro extra, will heißen, dem schlechten Geld wurde noch gutes hinterhergeworfen.
Neuerdings bietet die Repu- blik Argentinien den Inhabern von Staatsanleihen im Rahmen der Umschuldung den Um- tausch in Wertpapiere mit mehreren Wahlmöglichkeiten (sieben) an, die allesamt durch abenteuerliche Laufzeiten von 2003 bis 2045 auffallen, nebst schäbigen Zinsen ab 2004.
Das Vorhaben ist insgesamt ein Witz, wenn es für die Be-
sitzer der Anleihen nicht so traurig wäre. Die Quote von ungefähr 25 Prozent auf den Nominalbetrag riecht nach starkem Tobak, und wenn mich nicht alles täuscht, haben Schuldnerländer seit Jahrzehn- ten (zuletzt im russischen Za- renreich) nicht mehr gewagt, eine solche mickrige Rate an- zubieten, und darüber hinaus müssen die Bondholder noch auf die aufgelaufenen (!) Zin- sen verzichten.
Ob es sich lohnt, auf dieses rücksichtlose Verhalten Argen- tiniens mit einer Nichtannah- me des Angebots und der Hoffnung auf Nachbesserung zu reagieren, ist schwer zu be- antworten, eine, wenn auch nur leichte, Nachbesserung halte
ich aber durchaus für möglich.
Wer das nervlich nicht aushält, kann die Anleihe auch über die Börse verkaufen.
Das Erlebte ist übrigens ein Triumph für die Finanzwissen- schaft, und den gesunden Menschenverstand sowieso.
Die Theorie sagt in etwa, dass Emittenten mit einem hohen Bonitätsrisiko dem Kapital- markt auch höhere (Zins)Prä- mien bieten müssen, um über- haupt konkurrenzfähig zu sein.
Die optisch höheren Renditen werden vielfach als „Zitter- prämien“ bezeichnet. Betrof- fene können sich somit im- merhin zugute halten, als Pro- banden der Forschung einen handfesten Dienst erwiesen zu haben, wenn das selbst erlebte Zittern nebst kaputtgegange- nem Geld auch wehtun mag.
Beobachter lernen aus alle- dem (hoffentlich), Hochzinsan- gebote von heute argwöhnisch zu beäugen, trotz aller Gier. ) S C H L U S S P U N K T
[80] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 5⏐⏐4. Februar 2005
Fehler in einem Monsterbericht
zu Argentinien-Anleihen
Fracksausen
Börsebius
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