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Guido Görres (1805-1852) - Das Narrenhaus von Wilhelm Kaulbach

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GUIDO GÖRRES (1805-1852)

DAS NARRENHAUS VON WILHELM KAULBACH

Gestochen von H.März nebstIdeen über Kunst und Wahnsinn

o. O., o. J. [Regensburg 1836]

Sonderdruck aus dem Morgenblatt für gebil­

dete Stände 1835, Nr. 215ff.

FDH-FGM, Bibi. II L C/k 8

Literatur: Busch1985,S. 133-233; Scheitler 1999, S. 171-213;Waldvogel 2007.

Wilhelm Kaulbachs ,Narrenhaus“ ist der sehr gezielt eingesetzte Erstling des Künstlers, mit dem ersofortAufmerksamkeit erregte. The­ maund Wirklichkeitsanspruchwaren fürdie deutsche Kunst dererstenHälfte des 19.Jahr­

hunderts ungewöhnlich. DieZeichnung des ,Narrenhauses“entstand 1830. Verhandlun­

genmit Cotta über den Druck und seinen Vertrieb zerschlugen sich. So übernahm Kaulbach diePlanung der Reproduktionund des Vertriebes in Eigenregie undmit einem hohen finanziellen Risiko. Der Münchner Stecher Heinrich MärzunternahmdenNach­

stich, Kaulbachs Freund, der Darmstädter Verleger Jakob Felsing 1835den Druck.Kaul­ bach ließ 800Exemplare auf verschiedenen

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Papiersorten zu unterschiedlichen Preisen drucken. Allesin allemverausgabte er mehr als 1000 Gulden, das Risiko war immens.

Guido Görres ausführliche Besprechung und Reflexion über Kunst und Wahnsinn im ,Morgenblatt“ gleichnachErscheinen des Sti­

ches wurde bei Kaulbach verschiedentlich nachgefragt, so dass erüberlegte, sie dem Ver­

trieb des Stiches gesondert beizulegen. Er fragte Freunde,die mehrheitlich abrieten. Sie sahen die kultur- undreligionspolitischeDi­ mension der Besprechungund waren über­ zeugt, dass sie kaum durch Kaulbachs Stich gedeckt sei,zudem vermeinten sie, dieDar­ stellungKaulbachs spräche für sich. Kaulbach entschied sich dennoch, den Text mit zuver­ treiben,ließ ihn in der hohen Auflage von850 Stückwiederum auf eigeneKosten drucken.

Der Stich und wohl auch die Kombination von Stichund Interpretation wurdenein un­ mittelbarer Erfolg, so dass Cotta 1836 dann doch denVertrieb übernahm. 200 Exemplare mussten nachgedruckt werden und schon 1836hatte Kaulbach seineUnkosten gedeckt.

Guido Görres’Text ist stockkonservativ und betreibt katholische Propaganda. Dass Kaul­

bach,überzeugter Protestant, sich für Görres’

Position einspannen ließ,ist verblüffend und bedarf der Erklärung. Kaulbach warmitGui­

do Görres befreundet, in Kaulbachs Haus lernte Görres seine Braut kennen. Kaulbach besuchte den Eos-Kreis vonGuido Görres’ Vater Joseph Görres, der nach früher Revolu­ tionsbegeisterung zumVerfechtereinerka­

tholischen Erneuerungsbewegung geworden war und jedeForm von Liberalismus mit aller Macht bekämpfte-wie sein Sohn auch. Zum Eos-Kreisgehörten auch Kaulbachs Lehrer Peter Cornelius oder König Ludwigs Leibarzt Nepomuk von Ringseis. Der Kreis agitierte gegenCottas Zeitschriften .Inland“und .Aus­ land“, konnte aufGrund der Ereignisse der Revolution von 1830 bei König Ludwig I.

punkten, der ein Übergreifen derrevolutio­ nären Unruhen aufBayernbefürchtete und dieAbsichten der Reformer in Cottas Zeit­

schriften befördert sah. Als Neureuthervon Cotta 1830/31 nach Paris geschicktwurde, um ArabeskenumRevolutionslieder zu ent­ werfen,führte dies nichtnur zu Goethes hef­ tigerKritik(s. Kat. Nr. 129), sondern zu Lud­ wigs jahrelangerUngnade demKünstler ge­ genüber,was diesen in finanzielle Schwierig­ keiten brachte undeine Karriere in Staats­

diensten weitgehend verhinderte. Kaulbach war berechnenderund wohl auch in gewis­

sem Sinne opportunistisch. Erversprach sich von den Eos-Kontakten offizielle Förderung.

Im Hause von Görres ging auch Clemens Brentanoeinund aus,der ab 1833in Mün­ chen weilte.Kaulbachkannte Brentano über den Philologen und Görres-Vetter Ernst von Lasaulx bereits aus Bonn, alserdort mit an­

deren Cornelius-Schülern an den Fresken der Bonner Universität arbeitete. Zum Zeitpunkt der Schrift vonGuidoGörreszuKaulbachs .Narrenhaus“ war Brentano auchmehrfach Gast inKaulbachs Haus.Der Umgangmuss

342 VIII. VERZWEIGUNGEN UND ARABESKE VIELFALT

Originalveröffentlichung in: Busch, Werner ; Maisak, Petra ; Weisheit, Sabine (Hrsgg.): Verwandlung der Welt : die romantische Arabeske, Petersberg 2013, S. 342-343

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vertrautgewesen sein, bis Brentano anfing, KaulbachsFrau zum .richtigen, katholischen Glauben bekehren zu wollen, worauf Kaul­

bach ihn drastisch desHauses verwies. Gör- resin seinem Text nutzte Kaulbachs Darstel­ lung zueinemreligiös-moralischen Feldzug gegenFormen zeitgenössischenLiberalismus1, sah Wahn weitgehend als selbstverschuldet an, als Ergebnisverwerflichen Lebenswan­

dels, deklarierte die Großstädte Paris und London zu verführerischenMistpfützen,die seelische Krankheit hervorriefen. DerMate­

rialismus der Gegenwart schien ihm nur durch religiöse und moralische Besinnungzu steuern zu sein. Immerhin wirdman aber sa­

gen müssen, dass die Typenvon Wahnsinni­ gen, dieGörres in Kaulbachs Gestalten sieht, inAbsprache mit diesemgeprägt worden sein müssen. Inwieweit dieViten, die Görresden Wahnsinnigen beilegt und diederen Zustand erstausgelöst haben,gänzlich von Kaulbach unterschrieben werden konnten,mussoffen­

bleiben. DennKaulbach, was hiernichtaus­

geführt werdenkann,rekurriert bei seinen Fi­ guren aufkünstlerische,vor allem aber litera­

rische Traditionen.Das kommt mitGörres’ Annahmen nicht wirklich zur Deckung.

Kaulbach hat ein interessantes Titelblattzu Görres1 Schriftentworfen, das nicht ohne die Kenntnis von Neureuthers frühenArabesken zudenken ist, schließlich war auch Neureu­

therCornelius-Schülerund mit Kaulbach zu­ sammen an Ludwigsgroßen Ausmalungspro­

jekten beteiligt- als derjenige,der nachRaf­

faels Vorbild die dekorativen Rahmen und

Einfassungen gestaltete. Das Titelblatt ver­ wendet zwei Techniken: Schrift undarabeskes Ornament erscheinen im Kupferstich, die szenischeDarstellung des Titelblatts benutzt Lithographie. Die Schreibmeisterschnörkel fassen dieTextpassagen oben undunten in symmetrischerForm, einAffeundeinFrosch turnen in den Ranken, Mückenschwirren he­ rum, diegrößte hat sich oben genau inder Mitte auf dem Schnörkel niedergelassen, ihr Stich solltreffen.Das Bild zeigt zwei bemän­

telteHerren in einem Boot unter einem gro­

ßen Narrenhut, auf demeine Eule mit Spiegel sitzt. Der Linke der beiden, von Büchernbe­ gleitet, schreibt, der Rechte, mit einer Zei­

chenfederin der Hand undeiner Zeichen­ mappe rieben sich, schläft. Es sind Guido Görres - bei der AbfassungseinesTextes- und Kaulbach, der bereits seine Schuldigkeit getan hat und das Resultatvon Görres’ Tätig­

keit entsprechendabwartet. Das von Wellen umgebeneSchiff haben wir als Narrenschiff des Lebens zubegreifen, dennunter der Dar­

stellungfinden wir auf einemSchriftband fol­ genden Spruch: „Zwey Narren unter einem Hut / derDritte sie beschauen thut“.Er stammt von ClemensBrentano,wie dieser selbst viel­ fach kolportiert hat. Er berichtet aus seiner Jugend, er habe ohne jedeinnere Neigung im Kaufmannsbüroseines Vaters arbeiten müs­

sen, sei schließlich miteiner Auseinanderset­ zung um einverlorenes FassZucker mit ei­ nem englischen Handelspartner befasstgewe­ sen und, des Streites müde, habe er schließ­ lich unter die Unterschrift eine Zeichnung

von zwei sich grimmig anschauenden Köpfen unter einem großenHut gekritzeltundbesag­ ten Vers darunter gesetzt. Damit sei seine Lehrlingszeit zu einem abrupten Endegekom­ men. So originelldasTitelblatt ist, der leicht­

herzigeTon, der GuidoGörres, Kaulbach und ClemensBrentanoverbindetund auf dielite­

rarische Narrenschifftradition eines Sebastian Brantrekurriert, will nicht wirklich zu Görres’

Text,aber auch nichtzu KaulbachsStichpas­

sen. Sohabenwir letztlichdrei verschiedene Positionen,arabesk vereint, doch ohnedass die Widersprüche aufgehobenwären. W. B.

KAT. NR. 171-177 343

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