Die Information:
Bericht und Meinung AUS DER RECHTSPRAXIS
Zehn „Prüfsteine"
des DGB
Rechtzeitig vor der Bundestags- wahl präsentierte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) einen detaillierten Katalog von Forderun- gen an die Adresse der „Parlamen- te und Regierungen, an politische Parteien und ihre Kandidaten".
Diese zehn „DGB-Wahlprüfsteine"
— übrigens eine erweiterte Neu- auflage der acht Prüfsteine von 1972 — haben eine doppelte Auf- gabe: Sie sollen einerseits die poli- tischen Parteien veranlassen, die Arbeitnehmerrelevanz ihrer Politik darzustellen („Was haben sie für die Arbeitnehmer getan, und was werden sie in absehbarer Zukunft tun"), andererseits sollen die Orga- nisierten durch diesen Forderun- genkatalog aufgerufen werden, ihre Wahlentscheidung entspre- chend der Haltung der politischen Parteien zu arbeitnehmerrelevan- ten Fragen zu treffen.
Die sozial- und gesundheitspoliti- schen Forderungen des DGB rei- chen vom Prüfstein Nr. 1: Vollbe- schäftigung über Bildungsreform, soziale Sicherung, Gleichberechti- gung der Frauen, Kontrolle wirt- schaftlicher Macht, Mitbestimmung bis hin zur „Friedenssicherung".
Die Finanzierungsprobleme der ge- setzlichen Krankenversicherung sollen nicht etwa durch einen Lei- stungsabbau „gelöst" werden, son- dern durch gesetzliche Maßnah- men, die „unmittelbar an den Ursa- chen der Kostensteigerungen" an- setzen sollen. Unter dieser Devise tauchen alte DGB-Hüte wie etwa die nach Ausdehnung der Versiche- rungspflicht auf alle Arbeitnehmer auf, um so endlich „das Solidari- tätsprinzip zu verwirklichen". Als vorrangig bezeichnet der Gewerk- schaftsbund die Ausdehnung der Früherkennungsuntersuchungen auf Herz-, Kreislauf- und Stoff- wechselerkrankungen. Dabei wird geflissentlich verschwiegen, daß Früherkennungsprogramme auf Herz-Kreislauf-Krankheiten zwar technisch machbar und auch ärzt-
lich durchführbar sind, daß sie aber den Etat der Krankenversi- cherung jährlich mit weiteren 3,3 Milliarden DM belasten würden, wenn nur die notwendigsten Para- meter bei den Versicherten über- prüft würden.
Nicht verwundern kann die alte DGB-Forderung, einen „unabhängi- gen sozialärztlichen Dienst zur ein- heitlichen sozialmedizinischen Be- urteilung erkrankter und behinder- ter Arbeitnehmer und ihrer Famili- en" zu schaffen, ohne zu prüfen, ob andere, weniger aufwendige Maßnahmen das gleiche Ziel errei- chen würden und patientengerech- ter arbeiten könnten, weil sie keine zentralistische Organisation ä la DGB heraufbeschwören würden.
Mitbestimmungsambitionen enthüllt die DGB-Forderung, die soziale Krankenversicherung gegenüber den Vertragspartnern zu stärken, damit diese angeblich erst in die Lage versetzt wird, „gleichberech- tigt über die Ausgaben und die Strukturen der medizinischen Ver- sorgung mitzubestimmen". HC
—ZITAT
Gegen einheitlichen sozialmedizinischen Dienst
„Gesellschaftspolitisch wi- derspricht ein einheitlicher sozialmedizinischer Dienst dem in der Bundesrepublik Deutschland bewährten Prin- zip eines gegliederten Sozial- und Krankenversicherungssy- stems in einer pluralistischen Gesellschaft und kann infol- ge der damit verbundenen Zentralisierung einschließlich des Machtzuwachses in der Behördenstruktur durchaus als eine Art Vorstufe zu einer Einheitssozialversicherung und einer sozialisierten Staatsmedizin gesehen wer- den."
Hanna Neumeister, CDU, in:
Deutschland-Union-Dienst Nr.
132/1976
Streitwert
bei Kündigungs- schutzprozeß eines Chefarztes
Im Kündigungsschutzprozeß eines Chefarztes ist bei der Streitwertfest- setzung nicht nur von den effekti- ven Gehaltsbezügen auszugehen;
sind dem Chefarzt vertraglich er- tragreiche Nebentätigkeiten unter Einsatz von Personal und Ausstat- tung des Krankenhauses gestattet (Kassenambulanz, berufsgenossen- schaftliches Durchgangsverfahren und Privatpraxis), so ist die Einräu- mung dieser Betätigungsmöglich- keit angemessen zu bewerten.
LAG. Hamm, Beschluß vom 29. 1. 1976, 8 Ta 116/75. Veröffent- licht in „Anwaltsblatt" 26/1976
Religionszugehörigkeit und Krankenhaus
Die Befragung von Patienten in ei- nem Städtischen Krankenhaus nach der Religionszugehörigkeit zur Erleichterung des Rechts der Religionsgesellschaften auf seel- sorgerische Betreuung im Kran- kenhaus verstößt nicht gegen das Grundrecht auf negative Bekennt- nisfreiheit, wenn die Beantwortung dem Befragten freigestellt wird und unter zumutbaren Voraussetzungen abgelehnt werden kann.
Bundesverwaltungsgericht, Be- schluß vom 23. 7. 1975 (VII B 1141 74)
Geschwindigkeit
am Fußgängerüberweg
Kraftfahrer müssen sich dem Fuß- gängerüberweg mit mäßiger Ge- schwindigkeit nähern. Eine Ge- schwindigkeit von 40 km/h unmit- telbar vor dem Überweg ist zu hoch!
Oberlandesgericht Düsseldorf, Ur- teil vom 13. Dezember 1973, abge- druckt in „Deutsches Autorecht"
1974 Seite 160 DÄ
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 32 vom 5. August 1976 2057