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Zur Soziologie des Konstruierens

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FS II 97-114

Zur Soziologie des Konstruierens

von Friedrich Glock*

* Friedrich Glock ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Technik und Gesellschaft der TU-Wien

Projektgruppe Mobilität

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50, 10785 Berlin

Tel. 030-25491-0, Fax 030-25491-209

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Inhalt

ABSTRACT 5

SUMMARY 6

EINLEITUNG 7

1. KONSTRUIEREN, ENTWERFEN, DESIGN 9

2. KONSTRUKTIONS- UND ENTWURFSMETHODIKEN 11

2.1. Technikgestaltung in der Ingenieurausbildung 13

2.2. Phasenschemata, Methodiken und Methoden 14

2.3. Konstruktionsmethodiken im Maschinenbau 16

2.4. Entwurfsmethoden in der Informatik 18

2.5. Kritik an den Konstruktions- und Entwurfsmethodiken 21

3. EMPIRISCHE KONSTRUKTIONSFORSCHUNG 23

3.1. Konstruieren als Problemlosen - der kognitive Ansatz 23

3.2. Charakteristika technischen Problemlösens 27

3.3. Technische Kreativität 28

3.4. Empirische Untersuchungen - Methode der Protokollanalyse 28

3.5. Empirische Untersuchungen im Software Design 31

4. KRITIK AM KOGNITIVEN ANSATZ 33

4.1. Probleme des Modells rationalen Handelns 34

4.2. Das Zweck-Mittel-Schema 35

5. METHODOLOGISCHE UMORIENTIERUNG 37

5.1. Das Konzept der Situation 37

5.2. Kontexte 45

6. DESIGN ALS SOZIALER PROZEß 56

6.1. Rahmen 56

6.2. Modulationen 56

6.3. Konstruieren als Modul 56

7. KONSTRUIEREN ALS ZIELINTERPRETATION 5 8

8. (KONSTRUKTIONS-) HANDELN UND BEDEUTUNG 63

9. DESIGN ALS INTERAKTION 69

10. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 76

11. LITERATUR 79

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Abstract

Konstruieren und Entwerfen sind zentrale Tätigkeiten alltäglicher Praxis von Technikern und ihre Ergebnisse - technische Produkte - oft von eminenter gesellschaftlicher Bedeutung.

In den Ingenieurwissenschaften gibt es seit langem Bemühungen die Vorgänge beim Konstruieren zu verstehen und v.a. das Interesse sie rational zu durchdringen, sowohl um sie lehrbar zu machen wie auch sie zu rationalisieren bzw. auch zu simulieren. In jüngster Zeit wurde begonnen, Konstruktionsprozesse empirisch zu untersuchen und es etabliert sich eine Konstruktionswissenschaft. Insoweit Konstruktionswissenschaft erforscht, wie Gestaltungs- und Konstruktionsprozesse empirisch verlaufen, kann sie als Sozialwissen­

schaft aufgefaßt und betrieben werden. In der sozialwissenschaftlichen Technikforschung hat dies noch wenig Berücksichtigung gefunden, obwohl sich gerade Konstruieren als ein Kern der Ingenieurtätigkeit als interdisziplinäres Forschungsfeld anbietet und eine oft beklagte Kluft zwischen Ingenieur- und Sozialwissenschaft zu überbrücken verspricht.

In dieser Arbeit wird aufgrund vorliegender Untersuchungen auf Unzulänglichkeiten der in der empirischen Konstruktionsforschung bislang dominierenden Modelle zweckrationalen Handelns und des kognitiven Ansatzes hingewiesen und eine methodologische Umorien­

tierung vorgeschlagen. Technikgestaltung wird bis in den Mikrobereich des Konstruierens als sozialer Prozeß aufgefaßt und interaktionstheoretisch zu beschreiben versucht.

Konstruieren wird nicht als ausschließlich technisches und zielgesteuertes, sondern als zielinterpretierendes Handeln konzipiert. Verstehen und Auslegung von Zielen und damit nicht nur Problemlosen sondern auch Problemkonstituierung beim Konstruieren wird her­

vorgehoben. Vorgeschlagen wird ein interpretativ rekonstruierender Ansatz, der Konstruk­

tionsprozesse mit sozialwissenschaftlichen Konzepten der Situation bzw. situativen Han­

delns, Kontexte und Rahmen begreift. Der Ansatz zielt auf eine verstehende Rekonstruktion kultureller Rahmungspraktiken wie auch fallspezifischer Kontexte. Er soll zu einem v.a.

auch von Ingenieuren geforderten besseren Verständnis von Konstruktionsprozessen bzw.

einer Konstruktionswissenschaft beitragen und als Reflexionsanregung von praktischem Nutzen für die an Gestaltungsprozessen Beteiligten sein.

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Summary

Design as the central activity of everyday engineering practice often produces outcomes of significant importance for society. In almost every engineering discipline efforts have been made to comprehend these activities for the purpose of teaching design systematically, rationalizing design process in practice, and simulating it. Design processes have become the subject of empirical research and an emerging science of design. To the extent that design research studies empirical processes, it can be pursued as a social science. The sociology of technology has scarcely taken everday design into consideration, although this field of research could provide great opportunity to bridge the often-lamented gap between the engineering and the social sciences.

In this paper dominant models of purposeful action and the cognitive approach in design theory are criticized because for their inadequacy at explaining empirical results in design research. A methodological reorientation of the sociological perspective to design research is proposed which would conceive the design processes as social interactional processes.

Other than requirement regulated feedback loops, design processes are regarded as requirement-interpretative activities in which not only problem-solving but also problem- constitution through understanding and interpreting clients' wishes are crucial.

An interpretative reconstructive approach is suggested and sociological concepts of situation, situated action, contexts and frames are suggested for describing design processes. This approach aims to reconstruct cultural framing practices as well as case- specific contexts. The benefits are, on the one hand, a better understanding of design processes as a design theory and, on the other hand, designers might benefit from the results by becoming more reflective in their practice.

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Einleitung

"Manchmal - in den Wissenschaften oft, in der Kunst immer - weiß man über Probleme erst nach ihrer Lösung Bescheid. ”

(Bateson, 1990, S. 353)

Unsere Welt ist bekanntlich voll von technischen, künstlich hergestellten Dingen, die eine 'Infrastruktur' für gesellschaftliches Leben bilden, und viele davon werden von Technikern entworfen und konstruiert.

Galt die Aufmerksamkeit der Sozialwissenschaften bis vor kurzem vorwiegend den Folgen und Auswirkungen von Technik auf die Lebensformen in dieser Welt, so hat sich Sozialwissenschaftliche Technikforschung in den letzten Jahren zunehmend den Entstehungszusammenhängen von Technik zugewandt. Verabschiedet wurde die lange Zeit dominierende Auffassung einer autonomen, nach Eigengesetzlichkeit verlaufenden Technikentwicklung. Nicht bloß die sozialen, kulturellen usw. Folgen und Auswirkungen einer voranschreitenden Technik gilt es zu erforschen oder zu antizipieren, sondern auch umgekehrt, die Entstehung und Ausformung von Technik in einem Netz gesellschaftlicher Kontexte wird Untersuchungsgegenstand. Es setzt sich die Auffassung durch, daß 'Technik als sozialer Prozeß' (Weingart, 1987) zu begreifen ist.

Bisherige Untersuchungen, die die Entstehungszusammenhänge von Technik erforschten, interessierten sich vorwiegend, aufgrund ihrer massiven gesellschaftlichen Folgen, für spektakuläre Basiserfindungen historisch mehr oder weniger weit zurückliegender Fälle.

Weniger in den Blick kommen Entwicklungsprozesse, wie sie alltäglich in tausenden von Entwicklungsabteilungen, Planungs- und Konstruktionsbüros als 'normal technology' oder

’’normal design” (Vincenti, 1990) vor sich gehen.

In dieser Arbeit wird versucht, Überlegungen und Konzepte aufzugreifen, die es erlauben sollen, Technikgeneseforschung bis in den Mikrobereich aktueller Entwicklungsprojekte auszudehnen und jene Prozesse zu untersuchen, durch die technische Artefakte hervorgebracht werden. Ausgegangen wird von der Frage: Wie gehen Techniker und andere am Technikgestaltungsprozeß Beteiligte vor? - Wie kommen die Produkte des Prozesses, die (entworfenen) technischen Artefakte, zustande? Damit geraten zentrale Tätigkeiten von Ingenieuren in den Blick: Entwerfen, Konstruieren bzw. Designing, und es ergeben sich Überschneidungen von Wissenschaften, die bisher voneinander nur wenig Kenntnis genommen haben: der Sozialwissenschaft und der, bisher hauptsächlich in den Ingenieursdisziplinen entwickelten, Konstruktionswissenschaft.

Dieses Untersuchungsfeld scheint geeignet, eine oft konstatierte Kluft zwischen den Sozial- und Technikwissenschaften zu überbrücken und auf Untersuchungsergebnisse zu zielen, die für die Tätigkeit von Ingenieuren relevant sind. Die verfolgte Untersuchungsfrage richtet sich weniger auf die Ergebnisse der Ingenieurarbeit, also auf (entworfene) Produkte, technische Artefakte, Systeme etc. und enthält sich Aussagen darüber, wie diese sein sollten. Auch wird nicht versucht, Aussagen darüber zu machen, wie Ingenieure Vorgehen sollten; keine weitere Methodik wird vorgeschlagen. Gefragt wird vielmehr danach, wie

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Technikgestaltungs- bis hin zu Konstruktionsprozessen vor sich gehen, wie sie verstanden und beschrieben werden können.

Um Gestaltungsprozesse besser zu verstehen wird versucht sie als soziale Prozesse zu be­

schreiben und dafür eine Beobachtungssprache vorzuschlagen. Argumentiert wird, daß diese Fragestellung ein sinnvoller Gegenstand sozialwissenschaftlicher Technikforschung ist, der sich mit Technikwissenschaft überschneidet und ein interessantes Feld (zwangloser) interdisziplinärer Forschung ist.

Bisherige Forschungen auf diesem Gebiet werden kurz dargestellt, aus ihrer Kritik wird eine soziologische Beobachtungssprache vorgeschlagen und einige Konzepte zur Diskussion gestellt.

• Zunächst soll die Aufmerksamkeit auf ein Forschungsfeld gerichtet werden, das in den Ingenieurdisziplinen von Interesse ist, dem die sozialwissenschaftliche Tech­

nikforschung aber bisher kaum Aufmerksamkeit gewidmet hat.

• Dem folgt eine kurze Darstellung von Ansätzen, die in den Ingenieurwissen­

schaften entwickelt wurden; Phasenschemata, Entwurfsmethodiken, Vorgehens­

pläne.

• Neuere Ansätze empirischer Konstruktionsforschung und einige Untersuchungs­

ergebnisse werden referiert und die

• der empirischen Design-Forschung zugrundeliegenden Modelle und deren metho­

dologische Position werden kritisiert.

• Eine methodologische Umorientierung bzw. ein qualitativ, interpretativer Ansatz in der Design-Forschung wird vorgeschlagen.

• Konzepte werden skizziert die geeignet erscheinen, Vorgänge in empirisch be­

obachtbaren Gestaltungs- und Konstruktionsprozesse zu beschreiben. Angestrebt bzw. in Aussicht gestellt werden Verfahren, solche Prozesse in der Praxis fall­

spezifisch zu rekonstruieren und so zu einer empirischen Konstruktionswissen- schaft beizutragen. Der Nutzen für die Praxis könnte darin bestehen, daß fallspe­

zifische Rekonstruktionen die am Prozeß Beteiligten zur Reflexion über ihre (routinierte) Vorgehensweise anstoßen, um so den Gestaltungsprozeß - und damit auch deren Produkte - ggf. zu modifizieren.

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1. Konstruieren, Entwerfen, Design

Ein wichtiger Tätigkeitsbereich von Ingenieuren, sowohl für Unternehmen wie darüber hinaus für die Gesellschaft, ist das Konstruieren, Entwerfen und Gestalten - engl.: 'De­

signing' - von Technik. Der Begriff Design ist etwa so unscharf wie der der Technik. Auf Überschneidungen mit künstlerischem Schaffen, mit dem Design assoziiert wird (Ferguson, 1992), wenn man vom ’’Schaffen des Ingenieurs” (Hüning, 1987) spricht, kann hier nicht eingegangen werden. In der Literatur wird Konstruieren mit Tätigkeiten und Begriffen wie Probleme lösen, Entscheidungen treffen, Wissenschaft anwenden, Kreativität und Vorstellungs vermögen, heuristische Suche, lernen, Muster aus wählen und anpassen, Menschen behandeln, Verhandeln zwecks Erzielung befriedigender Lösungen, Daten sammeln und verarbeiten, zeichnen und berechnen, Bedürfnisse befriedigen u.v.a.m. in Zusammenhang gebracht. Ebenso gibt es eine Unzahl von Defini­

tionsversuchen, wie sie z.B. in Hubka und Eder (1992, S.17f.) zusammengestellt werden.

Eine quasi 'offizielle' Begriffsbestimmung wird in den VDI-Richtlinien vorgenommen:

’’Konstruieren ist das vorwiegend schöpferische, auf Wissen und Erfahrung gegründete und optimale Lösungen anstrebende Vorausdenken technischer Erzeugnisse, Ermitteln ihres funk-tionellen und strukturellen Aufbaus und Schaffung fertigungsreifer Unter­

lagen. Als Teil des Entwickeins umfaßt es das gedankliche und darstellende Gestalten, die Wahl der Werkstoffe und Fertigungsverfahren und ermöglicht eine technisch und wirtschaftlich vertretbare stoffliche Verwirklichung. Konstruieren vollzieht sich in den zwei wohl zu kennzeichnenden, aber nicht streng zu trennenden Phasen Entwerfen und Ausarbeiten.” (VDI-Richtlinie 2223).

Von einigen Autoren wird der Prozeßcharakter hervorgehoben: ’’Design is a process ... a course of action for the development of an artefact or a system of artefacts; including the series of organizational activities required to achieve that development. Design is also concerned with use, with marketing and production considerations and a wide range of technical and engineering resources and requirements. However, above all it is concerned with a methodology.” (Gorb and Dumas, 1987, S.151).

’’Churchman defines design broadly as a process for prescribing objects and relationships to achieve some intended purpose, noting that the designer must assume or acquire knowledge about the thinking of the set of clients or users of the ultimate system.” (zit. n.

Walz D. et. al., 1987. pp. 83 - 99).

Hervorzuheben ist die Beziehung von Design zum Begriff der Handlung: ’’Jeder ist ein Designer, der Abläufe ersinnt, um bestehende Situationen in erwünschte zu verwandeln.”

(Simon, 1990, S.95), eine nahezu idente Beschreibung wie die von Kempski zum Hand­

lungsbegriff: ’’Handeln ist die Transformation einer Situation in eine andere.” (Kempski, 1964, S.297), womit ein handlungstheoretischer Zugang nahegelegt wird. Konstruieren materieller Artefakte ist nach Simon nicht grundsätzlich davon verschieden, einem Kranken Medikamente zu verschreiben oder eine Wohlfahrtspolitik für einen Staat ent­

werfen. Entwerfen ist, so verstanden, ein Kern beruflicher Tätigkeit.

Konstruieren bzw. Ingenieurtätigkeit darüber hinaus, läßt sich auch als organisieren oder konfigurieren einer Ordnung auffassen. ’’Engineering I take to be defined ... as the practice of organizing the design, production, and operation of an artifact or process ...”

(Vincenti, 1992, S.4). Der Gesichtspunkt der Herstellung einer Ordnung legt nahe, Kon­

struieren mit konstruktivistischen Ansätzen wie der Theorie der Selbstorganisation zu konzipieren. Neuere Systemtheorien, die das Paradigma der Selbstorganisation aufge­

nommen haben und speziell solche, die sie mit semiotischen Ansätzen verbinden

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(Fleissner und Hofkirchner, 1996), könnten die Tätigkeit des Konstruierens neu konzep- tualisieren.

Der Wortherkunft nach kommt Konstruieren von construere (lat.), das Aufeinander­

schichten und Zusammenfügen von vorliegenden und hervorgebrachten Stücken zu einem Gebilde, das einen Sinn macht. In der Umgangssprache wird das Wort oft in dem Sinn verwendet als man z.B. sagt, jemand konstruiere einen Zusammenhang (wo viel­

leicht gar keiner besteht). Ein konstruierter Zusammenhang ist offenbar ein solcher, der zunächst nicht evident ist, der gedacht werden muß und so Dinge in Beziehung setzt, die ansonst zusammenhangslos blieben. Ein gedachter Zusammenhang, wie z.B. zwischen einer Absicht und einer Handlung, wird als konstruiert angesehen.

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2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken

In den, im vorigen Jht. entstandenen industriellen Großbetrieben wurde Konstruieren als eigenständiger Arbeitsbereich aus der Fertigung ausdifferenziert. Die Gestaltung der Produkte wurde weitgehend aus der Werkstatt herausgelöst und in die neu geschaffenen Konstruktionsbüros verlegt. Neben praktischen Kenntnissen im Umgang mit dem Pro­

dukt gewannen theoretische Kenntnisse und zeichnerische Darstellungsweisen an Bedeutung für die Tätigkeit in den Konstruktionsabteilungen, die zunehmend von aka­

demisch gebildeten Ingenieuren wahrgenommen wurden. Diese Ausdifferenzierung eröffnete neue Möglichkeiten (siehe auch Kap. 6), führte aber auch zu Schwierigkeiten.

„Der Gewinn lag darin, daß jetzt ‘intelligentere Produkte’ hergestellt wurden, der Ver­

lust, daß ihre Fertigungsfreundlichkeit zu geringe Beachtung fand.“ (König, 1989, S.188). Die ‘Rationalisierungsbewegung’ (Taylorismus) um die Jahrhundertwende trug zu einer weiteren Differenzierung (Arbeitsvorbereitungsbüros) und Bürokratisierung der Industriebetriebe bei.

Zur gleichen Zeit - Mitte des vorigen Jht.s - findet man in den Ingenieurwissenschaften Ansätze zur Reflexionen darauf, wie Ingenieure beim Konstruieren Vorgehen. Wichtige Impulse gingen von Deutschland aus, wo u.a. versucht wurde, den Erfahrungsrückstand gegenüber der englischen Industrie durch ’Verwissenschaftlichung’ zu kompensieren.

Redtenbacher (1809 - 1863) hat als erster deutscher Technikwissenschaftler Konstruieren als Prozeß aufgefaßt und eine ‘Methode der Verhältniszahlen’ entwickelt. Bereits bei dieser Methode handelt es sich „ ... um einen Versuch, die beim Konstruieren ‘intuitiv’

verfolgte Praxis rational zu rekonstruieren und damit lehrbar zu machen.“ (König, 1994, S.243). Reuleaux (1829- 1905) versuchte mit der ‘theoretische(n) Kinematik’ eine

‘Theorie des Maschinenwesens’, d.h. eine theoretische Durchdringung der Maschinen­

technik. Die Versuche waren stark von sozial motiviert. „Die Technischen Hochschulen und die Hochschullehrer orientierten sich in dieser Zeit einerseits an der rechtlichen und sozialen Stellung der Universitäten, andererseits theoretisch und methodologisch an den Standards der etablierten Universitätswissenschaften ...“ (ebd., S.244). Diese Entwick­

lung wurde von der sog. ‘Praktikerbewegung’ (v.a. Riedler, 1850- 1936) als Über- theoretisierung kritisiert und führte zu einem ‘Methodenstreit’ im Maschinenbau.

‘Der Konstruktion’ wird in deutschen Unternehmen - im internationalen Vergleich - schon früh ein großes Gewicht bei der Produktgestaltung eingeräumt und den Konstruk­

teuren eine hohe theoretische Qualifikation attestiert (König, 1989). Bereits in der um die Jahrhundertwende in Deutschland einsetzende Debatte über amerikanische Produktions­

verfahren (vgl. Dienel, 1993) wurde auf Probleme hingewiesen. „Konstrukteure mit ungenügender Werkstatt-erfahrung mögen erfinderisch und betriebsam sein, aber sie werden für den Werkbesitzer leicht teuer. Die Mißerfolge der deutschen akademisch gebildeten Ingenieure nach dieser Richtung in den Vereinigten Staaten sind so allgemein bekannt, daß ... (sie) gleichbedeutend (sind) mit verwickelten und kostspieligen Kon­

struktionen.“ (VDI 53, 1909, zit. n. König, 1989, S.191). Der amerikanische Maschinen­

bau hatte seine Stärke in günstigeren Preisen bei kleineren und mittleren, in hoher Stück­

zahl gebauten Maschinen, der deutsche bei Großmaschinen und hoher Flexibilität gegenüber Kundenwünschen. König führt die Herausbildung dieses Unterschiedes auf unterschiedliche ‘Mentalitäten’ zurück - die kulturelle Vielfalt der Einwanderer hat dazu beigetragen, Sonderwünsche zurückzustellen und Massenproduktion zu akzeptieren.

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Zu sehr ähnlichen Feststellungen kommt Moritz in eine aktuellen Untersuchung, die den deutschen mit dem japanischen Werkzeugmaschinenbau vergleicht. „Die Konstruktions­

abteilungen deutscher Werkzeugmaschinenfirmen haben eine sehr viel größere Defini- tions-macht über das entstehende Produkt als ihre japanischen Pendants. ... Kosten­

planung ... nimmt im Denken und in der täglichen Arbeit der Konstrukteure weniger Raum ein als in Japan.“ (Moritz, 1996, S. 180).

Mit der zunehmenden Verbreitung und Wichtigkeit der Ingenieurtätigkeiten und der stei­

genden Zahl auszubildender Ingenieure in unserem Jh. erfuhr die Konstruktions­

forschung neuen Aufschwung und praktische Relevanz. Wie sich in verschiedenen Län­

dern bzw. Kulturen Unterschiede der Stellung ‘der Konstruktion’ in Unternehmen und auch der Ausbildung der Ingenieure beobachten lassen, so gibt es verschiedene Ansätze und ‘Schulen’ der Konstruktionsmethodik bzw. -forschung. Übersichten geben z.B.

Hubka und Eder, 1992 und Müller, 1990.

In Großbritannien wird ‘der Konstruktion’ seit den 1960er Jahren größere Aufmerksam­

keit gewidmet. Der ‘Feilden Report’ kam zu der Auffassung „... many products, in which historically Britain excelled, are now losing ground in world markets, it is probably because the design of these products is failing to satisfy the costumer.“ (Feilden, 1963).

Systematische Ansätze des Konstruierens gab es in Großbritannien bis dahin nicht. Im Zuge einer Reform der Ingenieurausbildung an der Universität Cambridge wurde nach konsistenten Modellen gesucht und besonders Werke deutscher Konstruktionsforscher übersetzt - z.B. Pahl und Beitz, 1984. In der Zwischenzeit hat sich eine rege Forschung entwickelt, die u.a. in den Zeitschriften ‘Design Studies’ (Butterworths) und ‘Journal of Engineering Design’ (Carfax) zum Ausdruck kommt.

In Nordamerika kommen Beiträge zur Konstruktionsforschung vorwiegend aus Gebieten wie Systemtheorie, Entscheidungstheorie, Operations Research, Kreativitätsforschung u.a. Dem Konstruieren selbst wird weniger Bedeutung beigemessen; „... Konstruktion war (und ist) einfach abgetan und die notwendige Arbeit anderen Methoden unterge­

ordnet. ... Das Ziel dieser Methodiken ist, erneuerte und verbesserte Produkt schneller und wirtschaftlicher auf den Markt zu bringen.“ (Eder, 1994, S.191). Konstruktions­

forschung wurde erst 1985 durch eine Initiative der National Science Foundation aner­

kannt die frühere Ansätze aber eher ablehnt.

In Japan findet man v.a. Bemühungen um „einen vollständigen Algorithmus des Konstru­

ierens auf den Digitalrechnern übertragbar zu machen“ (Hubka, 1992, S.52). Während in Japan vorwiegend produktspezifische Methoden entwickelt wurden, sind allgemeine Konstruktionsmethoden (siehe unten) weitgehend unbekannt. „Weder gibt es solche Methoden bisher in Japan, noch viel es mir leicht, die grundsätzlichen Gedankengänge dieser heuristischen Konstruktionsansätze und besonders die Bedeutung von Vorgaben wie ‘Suche nach einem physikalischen Prinzip’ oder ‘Erzeugen möglichst vieler Lö­

sungen’ meinen japanischen Gesprächspartnern nahezubringen.“ (Moritz, 1996, S.155).

Französische Literatur zur Konstruktionsmethodik ist vorwiegend auf die Lehre ausge­

richtet und wird von Professoren an technischen Mittelschulen in Form von Lehrbüchern herausgegeben.

Wichtige Anregungen zur Untersuchung des Konstruierens gingen vom deutschen Sprach-raum aus, wo Autoren wie Bischoff, Hansen, Leyer, Lohmann, Rodenacker, Wörgerbauer u.a., die als erfahrene Konstrukteure in Lehrämter berufen waren, ’’...ihr eingebrachtes Wissen unter verschiedenen Motiven, Ambitionen bzw. ordnenden

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Aspekten phänomenologisch durchforsteten und, durchaus idealisierend, aufschrieben, wie sie bei der Lösung ihrer Pro-bleme vorgingen. So wollten sie ihre Erfahrungen in analoge Arbeitsfelder transferierbar und vor allem lehrbar machen.” (Müller, 1990, S.84).

Im Maschinenbau und in der Feinwerktechnik war man bis in die 1960er Jahre bemüht, Konsfruktionssystematik(en) zu entwickeln. Eine eingehendere Übersicht der histo­

rischen Entwicklung im deutschsprachigen Raum gibt die Studie von Müller (1990).

In der ehemaligen DDR hat die Konstruktionsforschung eine eigenständige Entwicklung genommen (für eine Zusammenstellung siehe Müller, 1988, 1990), wo u.a. die ‘Neuerer- Bewegung’ auf eine Erneuerung der Denkweise zur Förderung von Innovation zielte und v.a. Werke russischer Autoren (z.B. Altschuller's Idee eines ‘Erfindungsalgorithmus’) auf griff.

Kesselring, einer der Gründer moderner Konstruktionsforschung, beklagt, ”... daß wir über die Ursachen ingenieurmäßigen Schaffens und insbesondere auch über den eigent­

lichen technischen Schöpfungsakt wenig Gültiges wissen. ... Wohl der größte Mangel besteht darin, daß das technische Schaffen noch so willkürlich, so sehr ... vom Zufall abhängig ist und zwar hinsichtlich seiner Zielsetzung als auch der Durchführung. ... Not tut aber, das technische Geschehen so zu lenken, daß einmal das Geschaffene sich sinn­

voll in unser Dasein einordnet, zum anderen der Schöpfungsakt selbst so verläuft, daß das einzelne aus dem Ganzen und in der Zielsetzung des Ganzen entsteht.” (Kesselring, 1954, S.lf.). Er fordert eine Methode, d.h. eine 'Bewußtseinstechnik' bzw. einen Satz von Regeln, wie beim Konstruieren vorzugehen sei, ein Ansatz, der in den Konstruktions­

methodiken weiterhin verfolgt wird.

Die Ingenieurtätigkeit hat nach Kesselring ”... das Ziel ..., auf möglichst rationelle Weise neuartige und bessere Erzeugnisse zu schaffen. ... Rationalisieren heißt in wört­

licher Übertragung vernunftgemäß handeln... (bzw.) ein gestecktes Ziel mit geringstem Aufwand zu erreichen...” (ebd., S.197). Den 'eigentlichen technischen Schöpfungsakt' sieht Kesselring an die kreative Tätigkeit des Konstrukteurs gebunden und diese Fähig­

keit sei eine angeborene Persönlichkeitseigenschaft.

2.1. T ech n ik g esta ltu n g in d e r In g e n ieu ra u sb ild u n g

Die (akademische) Ingenieurausbildung wird oft wegen ihrer 'Praxisfeme' kritisiert. Ein Grund wird darin gesehen, daß die Ausbildung in den Ingenieurwissenschaften das 'Ver­

halten' von Objekten thematisiert, nicht jedoch die Arbeits- und Vorgehensweise der Ingenieure selbst. Nicht gelehrt wird, wie Konstruieren, Entwerfen und Gestalten vor sich geht. (z.B. Ferguson, 1992; Ekardt, 1977; Schön, 1983; Simon, 1990). Anforderungen an Ingenieure in der Praxis bestehen aber nicht nur hinsichtlich theoretisch-analytischer Kenntnisse, sondern auch an Handlungskompetenz - darin liegt der Unterschied zwischen Ausbildung und Berufspraxis.

Seit die Ingenieurausbildung in den Bannkreis der Universitätskultur geriet (Gründung der Ecole Poly technique), wird, unter den Normen akademischen Ansehens, den forma­

lisierbaren und lehrbaren Themen der Vorzug gegeben und praktische Probleme des Designs erscheinen als „intellektuell zu schwach, intuitiv, informell und kochbuch­

mäßig.” (Simon, 1990, S.96). ”Es fehlt an Konstruktionswissen” (Hubka und Eder, 1992, S.35); Konstruieren gilt als Kunstfertigkeit, als 'Art of Engineering Design' (Schön, 1983, S.171) und nicht systematisch lehrbar. In den Ingenieurdisziplinen haben die

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Naturwissenschaften die 'Wissenschaften vom Künstlichen' verdrängt und ihre Charak­

terisierung als angewandte Naturwissenschaft versucht das nur zu vertuschen. Speziell in den USA wurde „die Technik ... zugunsten der Wissenschaft vernachlässigt, wobei die Betonung auf Forschung und wissenschaftliche Reinheit gelegt wurde.“ (Eder, 1994, S.191).

Diese Zuordnung hat die sozial- und geisteswissenschaftliche Reflexion der Technik genauso eingeschränkt, wie das Selbstverständnis der Techniker.

’’Die Berufsschulen werden gerade in dem Maße ihre Verantwortung wieder aufnehmen, in welchem sie eine Wissenschaft vom Entwerfen entdecken können, einen Körper intel­

lektuell gesicherten, analytischen, zum Teil formalisierbaren, zum Teil empirischen, lehrbaren Wissens vom Entwurfsprozeß.” (Simon, 1990, S.97). Simon hält eine solche Wissenschaft für möglich und bereits im Entstehen, wie z.B. das im Zusammenhang mit den Computerwissenschaften entwickelte 'systems engineering' und die Theorien des Managements.

2.2. P h a se n sc h e m a ta , M e th o d ik e n u n d M eth oden

Gestaltungsprozesse sind aus verschiedensten Interessen von Forschem, Theoretikern und Praktikern zum Gegenstand von Beschreibungen gemacht worden. Vielen dieser Beschreibungen ist gemeinsam, daß sie den Gestaltungsprozeß zu strukturieren versu­

chen und in unterschiedliche Phasen teilen. Neben den unten angeführten Entwurfs- und Konstruktionsschemata in den Ingenieurwissenschaften sind die eng damit verwandten Phaseneinteilungen der Literatur zur Projektorganisation zu erwähnen.

Auch in der eher ökonomisch oder sozialpsychologisch orientierten Innovations­

forschung, die den umfassenderen Prozeß von der Erfindung bis zur gesellschaftlichen Nutzung einer Innovation untersucht, werden diese Prozesse in Phasen unterteilt. Ein Beispiel ist das Modell von Uhlmann (1978), in dem er sechs Phasen im Innovations­

prozeß unterscheidet:

1. Grundlagenforschung 2. Angewandte Forschung 3. Technische Entwicklung 4. Produktentwicklung 5. Produktion

6. Nutzung

Eine ähnliche, nur vierstufige Phasenteilung technischer Entwicklungsprozesse referiert Ropohl (1990, S.127), wobei er die Aktivitäten und Resultate der jeweiligen Phasen angibt:

Aktivität 1. Wissenschaftliche Forschung 2. Technische Konzipierung

3. Techn.-wirtschaftliche Realisierung 4. Gesellschaftliche Verwertung

Resultat Kognition Invention Innovation Diffusion

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In nahezu allen Ingenieurdisziplinen lassen sich Überlegungen finden, wie Ingenieure bei der Gestaltungsarbeit vorgehen (sollen). Ein allgemeiner Vorgehensplan wird in der VDI-Richtlinie 2221 formuliert. Dieser Vorgehensplan soll branchenübergreifend gelten und

Phasen

Phase I

X Y

Phase il

v

P h a s e 111

Generelles Vorgehen beim Entwickeln und Konstruieren

1

Ph ase IV

v

Quelle.: VDI - Richtlinie 2221

betont die Gemeinsamkeiten bei der Produktentwicklung bzw. den Konstruktionspro­

zessen im Maschinenbau, der Feinwerktechnik, der Schaltungs- und Softwareentwick­

lung wie auch der Planung verfahrenstechnischer Anlagen. Der Vorgehensplan sieht eine grobe Strukturierung des Konstruktionsprozesses in vier Phasen: Planen, Konzipieren, Entwerfen, Ausarbeiten, und sieben Arbeitsschritte vor, die so allgemein gehalten sind, daß produkt- und untemehmensspezifische Vorgehensvarianten darunter gefaßt werden können. Den allgemeinen Arbeitsschritten können detaillierte Arbeitsabläufe jeweils zugeördnet werden. Stärker als in der VDI-Richtlinie 2222 wird der iterative Charakter der Abfolge der Arbeitsschritte betont.

Aus dem allgemeinen Schema sollen Vorgehenspläne für einzelne Branchen spezifiziert werden. Die verschiedenen (Lehr)Bücher zur Konstruktionsmethodik gehen i.a. von ähnlichen Phasenschemata aus, beschreiben die auszuführenden Arbeitsschritte und emp­

fehlen dafür gegebenenfalls Methoden.

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”A design methodology is a set of techniques based on a concept. The originator of a methodology has a particular idea in mind that he or she perceives as a useful way to get things done.” (Capron, 1986, S. 236). Unter Methode wird eine Menge von Vorschriften verstanden, deren Ausführung eine zweckmäßig erachtete Operationsfolge unter gege­

benen Bedingungen hinreichend sicherstellt, d.h. einen Prozeß festlegt, der zu vollziehen ist, um ein Ziel zu erreichen. Methoden erheben Anspruch auf Invarianz gegenüber einer Klasse auszuführender Prozeduren, wobei angenommen wird, daß es Problemsituationen mit einer Menge gleicher Merkmale gibt. Methoden sollen ’’unabhängig von der Person ... stets in gleicher Weise wirken.” (Österle, 1981, S.66). Das 'Leitbild' von Konstrukti­

onsmethoden besteht oft darin, einen Algorithmus anzustreben, der personenunabhängig, d.h. ohne Bezug auf personenbezogenes Wissen, Können und Erfahrung, durchgeführt und im weiteren auf Maschinen simuliert werden kann. ”Es wäre unrealistisch, derartige Methoden abzulehnen, da eine Formalisierung in größerem Umfang nicht in Sicht ist.

Eine vollständige Algorithmierung ... ist als (vielleicht unerreichbares) Fernziel zu sehen.” (ebd., S.67). Insoweit vorliegende Methoden diesem Anspruch nicht gerecht werden, ist festzuhalten, daß vom Konstrukteur Interpretationsleistungen verlangt wer­

den, die die Methodiken selbst nicht enthalten.

2.3. K o n stru k tio n sm e th o d ik e n im M a sch in e n b a u

wurden aus den oben erwähnten Konstruktionssystematiken entwickelt. Einen histori­

schen Überblick der Entwicklung findet man bei Hubka und Eder (1992). Für eine Zusammenstellungen aktueller Konstruktionsmethodiken siehe z.B. Müller (1990). Pahl und Beitz (1993), die Autoren eines bekannten Konstruktionslehrbuches, verstehen unter Konstruktionsmethodik ’’konkrete Handlungsweisen zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme, die sich aus den Erkenntnissen der Konstruktionswissenschaft und der Denkpsychologie, aber auch aus den Erfahrungen mit unterschiedlichen Anwendun­

gen ergeben haben. Hierzu gehören Ablaufpläne zur inhaltlichen und organisatorischen Verknüpfung von Arbeitsschritten und Konstruktionsphasen, Regeln und Prinzipien (Strategien) zur Beachtung und Verwirklichung von generellen und speziellen Ziel­

setzungen sowie Methoden zur Lösung einzelner Konstruktionsprobleme oder -teilauf- gaben.” (Pahl und Beitz, 1993, S .ll f.). Durch planmäßig methodisches Vorgehen soll Konstruieren einsichtig und lernbar werden, ”... aus dem Unbewußten in zweckmäßige Bahnen und Vorstellungen (gelenkt und)... eine wirksame Rationalisierung des Kon­

struktions- und Fertigungsprozesses (er)möglich(en).” (ebd., S.12). Es werden Vor­

gehenspläne entwickelt, “... die für den allgemeinen Lösungsprozeß beim Planen und Konstruieren technischer Produkte als verbindlich und für die konkreteren Konstruk­

tionsphasen als Vorgehenshilfen anzusehen sind.” (ebd., S.76). Die Vorgehenspläne sollen vorgeben, was prinzipiell zu tun ist, wobei die Vorschläge an die jeweilige Pro­

blemlage anzupassen sind. Es handelt sich um operative Handlungsempfehlungen, ”...

die der Logik des ... notwendigen technischen Handelns und der schrittweisen Lösungs­

entwicklung folgen.” (ebd.) Nach Müller (1990) handelt es sich um Prozeßmodelle, die geeignet sind, das Vorgehen rational zu beschreiben und damit die Komplexität des Pro­

zesses erfaßbar und durchschaubar zu machen. Konstruieren wird als eine Form all­

gemeinen Problemlösens (siehe unten) aufgefaßt, und als solches ist Konstruktions­

handeln zielgerichtetes Handeln. Konsequenterweise steht dann am Beginn der Vor­

gehenspläne die Forderung der Klärung der Aufgabenstellung, die “Zielsuche”

(Ehrlenspiel et.al., 1994, S.38), Problem- oder Zielformulierung.

(15)

Arbeitsschritte beim Planen und Konstruieren

Information: Anpassen der Anforderungsliste

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*

Optimierender Herstellung

Q.: Pahl und Beitz, 1993, S.81

(16)

“Die Problemformulierung beinhaltet die Festlegung der Ziele, die in Anforderungs­

listen... dokumentiert werden. Diese bilden die Grundlage für die folgenden Arbeits­

schritte. Deshalb sind die richtigen Zielvorgaben Voraussetzung für erfolgreiche Pro­

blemlösungen.” (ebd.).

2.4. E n tw u rfsm eth o d e n in d e r In fo rm a tik

wurden seit den 1970er Jahren durch die stürmische Entwicklung und die (manchmal enttäuschenden) Erfahrungen mit komplexeren Systementwicklungen (siehe z.B.:

Brooks, 1994) angeregt und haben unter Titeln wie 'Systems Engineering', 'System Design', 'Software Engineering' u.ä. zur einer Reihe von Methodenvorschlägen geführt.

Wie in der Konstruktionslehre handelt es sich um Vorschläge, wie beim Entwurf von Programmen bzw. ganzer Informationssysteme günstigerweise vorzugehen sei - ”How to do your job” (Capron, 1986, S.16). Zentrales Anliegen ist auch hier die Lehrbarkeit der Systemgestaltung und die Rationalisierung in der Praxis. Wie das hier herausgegriffene amerikanische Beispiel zeigt, wird - zwar unabhängig, aber wie in den Konstruktions­

methoden im Maschinenbau - versucht, den Gestaltungsprozeß in Phasen zu unterteilen.

Capron geht vom Konzept des 'System life cycle' aus. ’’Today, most systems people would agree with the concept of the systems life cycle. But they do not always agree on the nature or sequence of the cycle steps. In fact, they do not even agree on the number of the steps in the cycle.” (Capron, ebd.). Er schlägt folgende Phaseneinteilung für den Entwurf von Informationssystemen vor:

1. Preliminary investigation - Determine the problem.

2. Analysis - Understand the existing system.

3. Design - Plan the new system.

4. Development - Do the work to bring the new system into being.

5. Implementation - Convert to the new system.

(Capron, 1986)

Zum Vergleich wird eine Einteilung in sieben Phasen aus einem anderen Lehrbuch ange­

führt:

1. Requirements specifications identification

2. Preliminary conceptual design and system architecture specification 3. Logical design and system architecture implementation

4. Detailed design and testing 5. Operational implementation 6. Evaluation and modification 7. Operational deployment.

(Sage and Palmer, 1990)

In den meisten Methodenbücher werden nun die einzelnen Arbeitsphasen genauer beschrieben und dafür Methoden vorgeschlagen. Verschiedentlich wird vermerkt, daß eine klare Trennung zwischen den Phasen vom Projektstart bis zur Implementierung nicht möglich ist. Im Unterschied zum Maschinenbau trifft man in der Informatik häufi­

(17)

ger auf die Ansicht, daß Systemgestaltung als ein soziales System aufzufassen ist, dessen phasenmäßige Beschreibung eine idealtypische Konstruktion darstellt.

Entwurfsziele und Problemklärung stehen, wie in den Vorgehensplänen im Maschinen­

bau, am Beginn des Prozesses. Capron gibt ein einfaches Beispiel, um die Schwierig­

keiten anzudeuten. ’’Suppose that someone asks your advice on what car to buy. You quickly size up the person and pop out the answer: 'Well, you look like the sporty type to me. How about a red XKE?' You might wish you had been less hasty when you discover that the potential buyer is an active outdoor person with four children - perhaps a van could be more suitable. As simplistic as this example is, it illustrates the ridiculous position into which analysts sometimes put themselves: They design solutions when they do not understand the problems (m.H.). ... Analysts must understand the system before they can do anything to improve it. ... Analysts m u s t out what is going on (m.H.).

Toward that end, they must turn to the user.” (ebd., S.19). Capron weist Systemanalytiker darauf hin, daß es zunächst darum geht, ein Problem zu verstehen, ja überhaupt erst her­

auszufinden ist, was in einer 'Situation überhaupt los ist', er fragt aber nicht, wie Designer zu einem Verständnis kommen. Das kleine Beispiel zeigt auch, daß Designer neben ihrem Fachwissen auf Alltagswissen zurückgreifen, um eine Situation zu verstehen.

Entwurfsziele können sich auf Verschiedenes beziehen, wie die Anforderungen an die Funktionen eines Informationssystems, Benutzerfreundlichkeit, Kosten, Flexibilität usw.

Häufig wird empfohlen (z.B. Österle, 1981), den Entwurf zunächst auf ein Ziel - zumeist Korrektheit als Voraussetzung anderer Ziele - auszurichten und andere Ziele in die Be­

wertung auszulagem. Die Prüfung eines Programmes auf Korrektheit setzt nun eine Spezifikation voraus, die das Problem korrekt beschreibt, womit die Schwierigkeiten in die Spezifikation vorverlagert werden (vgl. Zemanek, 1983). Inhaltliche Kriterien der Korrektheit, wie Konsistenz zwischen den 'Bedürfnissen der Auftraggeber' und der Spe­

zifikation, die angeben, wie genau die Vorstellung der vom Informationssystem Betrof­

fenen mit dem Entwurf übereinstimmen, wird formal gar nicht und informal als nur schwer feststellbar betrachtet. ’’Funktionale Eindeutigkeit impliziert semantische Klar­

heit, d.h., die Interpretation des Entwurfsergebnisses ist für alle Betroffenen gleich. Dies ist nur erreichbar, wenn die Spezifikation in einer Sprache abgefaßt ist, die syntaktisch und semantisch formal beschrieben ist.” (Österle, 1981, S.51). Diese Beschreibung rekurriert auf eine Auffassung von Bedeutung, die Konsens (über die Bedeutung von Entwurfsergebnissen) in einer formalen Sprache denkt, d.h. in einer Sprache, in der Be­

deutungen eindeutig fixierbar sind. Eine empirische Untersuchung von Gestaltungprozes­

sen kann demgegenüber darauf achten, wie Interpretationen und Bedeutungen in den untersuchten Fällen Zustandekommen.

Entwerfen wird zumeist als permanenter Prozeß von (rationalen) Entscheidungen (z.B.

ebd., S.37) im Sinne einer ”Ziel-Mittel-Hierarchie” aufgefaßt. Der Gestaltungsprozeß bildet dabei eine Hierarchie von Entscheidungen, in denen Anforderungen in Lösungen umgesetzt werden. Für die Anforderung beispielsweise, 'ein Materiallager für einen Betrieb zu führen' ist die Entscheidung 'Computerunterstützung' eine Lösung, ein Mittel, das gleichzeitig für die nächste Verfeinerungsstufe (top-down) eine Anforderung darstellt usw., bis zur Ebene elementarer Lösungen - zumeist Statements einer Programmier­

sprache.

Eine der einflußreichsten Entwurfsmethoden - und längere Zeit inoffizieller Industrie­

standard - wurde das strukturierte Entwerfen (structured design). Es handelt sich um

(18)

einen modularen top-down Ansatz, der eine hierarchische Vorgehensweise der schritt­

weisen Verfeinerung vorschreibt:

- beginnend auf der höchsten Ebene mit der Klärung des Problems (dem Gesamtbild des zu entwerfenden Systems), um dann

- die Gesamtfunktion eines Informationssystems in Teilfunktionen zu zerlegen und - diesen Vorgang mit den Teilfunktionen solange zu wiederholen, bis der Entwurf auf der

Ebene elementarer Operatoren und Datentypen angekommen ist.

Diese Methode setzt allerdings voraus, ”... daß die darin benutzten zusammengesetzten Funktionen und Datentypen als Konzepte bereits vorhanden sind. Man kann keinen abstrakten Begriff bilden, wenn dieser nicht bereits aus anderen Zusammenhängen (Literatur, Erfahrung etc.) bekannt ist oder wenn man ihn nicht in der konkreten Situation durch Abstraktion aus seinen Elementen (also von oben nach unten) gewinnen kann. ...

Der Top-down-Entwurf ist damit in genau jenem Maße möglich, in dem die Strukturen des Systems aus Analogien vorher abschätzbar sind.” (ebd., S.94). Allgemeine Erfahrungen und Fachkenntnisse ermöglichen Strukturierungsansätze. Je mehr Inno­

vation ein Entwurf erfordert, desto mehr muß von der Top-down-Vorgehensweise abge­

wichen werden. “Ein reiner Top-down-Entwurf ist nicht möglich. Er würde bedeuten, daß die Struktur (eines Informationssystems) ... von vornherein im Detail determiniert wäre, ... also in irgendeiner Form schon vorliegen müßte. Es ist gerade das Merkmal des Entwurfs, daß zahlreiche zusammengesetzte Komponenten jeweils erst geschaffen werden müssen. Häufig geschieht das in der Revision übergeordneter Ebenen, wenn auf einem tieferen Detailierungsniveau festgestellt wird, daß die gewählte Struktur im kon­

kreten Fall nicht paßt. Top-down-Vorgehen ist gleichbedeutend mit der Übertragung be­

kannter Strukturen auf ein spezielles Informationssystem. Daraus folgt, daß ihre Wirk­

samkeit stark vom Erfahrungsschatz des Entwerfers abhängt.” (ebd., S.95).

Man halte fest, daß, soweit Lösungen für ein Problem noch nicht bekannt sind - und das trifft ja gerade auf Entwurfsprobleme zu - vom Modell notwendigerweise abgewichen werden muß. Die eigentliche Tätigkeit, das Finden einer lösbaren Problemstellung, wird somit in diesem Vorgehensmodell nicht erfaßt. Daher kann methodisch angeleitetes Ent­

werfen auf 'Erfahrung' und 'Intuition' nicht verzichten, wiewohl es dafür keine Konzep- tualisierung bereitstellt.

Österle führt weitere fünfzehn bekannte Entwurfsmethoden an, von denen die meisten die Top-down-Vorgehensweise als Verfahrensbestandteil enthalten und stellt- wenig überraschend - fest, ’’daß es keine Methode gibt, deren Strukturierung auch nur an­

nähernd bis zu einer Algorithmisierung reicht.” (ebd., S.183). Man könne überhaupt den Eindruck gewinnen, die Methoden seien bloß Beschreibungen, wie Systemanalytiker intuitiv vorgehen und aus Intro- oder Retrospektion entwickelt worden. ’’Wedekind bezeichnet die Vorstellung von einem phasenmäßigen Ablauf eines sozialen Systems - und das ist die Systemgestaltung - als idealtypisch.” (ebd. S.18). Systemgestaltung, wie Entwurfsprozesse überhaupt, als soziale Prozesse aufzufassen, ist eine These dieses Bei­

trags; allerdings wird argumentiert, daß Typenbildungen erst aus der empirischen Unter­

suchung von Vorgehensweisen zu rekonstruieren sind.

Im Bereich der Informatik wird von vielen Autoren die Auffassung vertreten, daß Designprozesse als soziale Prozesse aufzufassen sind (z.B. Nygaard, 1986; Winograd und Flores, 1989). Ausgehend von dieser Prämisse wurden verschiedene Verfahren vor­

geschlagen, wie z.B. 'partizipatives Systemdesign' sowie Methoden zu deren Unter­

stützung, wie etwa 'rapid prototyping', die v.a. in Skandinavien (z.B. Floyd, 1989, 1992) -

(19)

u. a. im Anschluß an den 'sociotechnical system design'-Ansatz der Tavistock-Schule (z.B. Mumford, 1985) - entwickelt wurden.

2.5. K ritik a n d en K o n stru k tio n s- u n d E n tw u rfsm eth o d ik en

Die vorgeschlagenen Methodiken wurden - vielleicht mit Ausnahme der Informatik - sowohl in der Ausbildung wie in der Praxis kaum angenommen. Konstruktionsprozesse verlaufen in der Praxis vorwiegend nach Erfahrung mit ähnlichen Problemen, intuitiv, sehr spezifisch und produktnah. Mitte der 1980er Jahre sprach man in der Konstruktions­

forschung im Maschinenbau von Krise und Stagnation (siehe z.B. Rutz, 1985). ”Es hat sich als ungeheuer schwierig, um nicht zu sagen als faktisch unmöglich erwiesen, in praxi Verhaltensweisen der Ingenieure durchgreifend und dauerhaft methodenorientiert zu ändern.” (Müller, 1990, S.97). Man kann hier eine Parallele zum Handeln in Organi­

sationen sehen. Wie in Organisationen immer wieder Handlungen beobachtet werden können, die vom idealtypisch vorgeschriebenen Handeln abweichen, weicht Konstruk­

tionshandeln von idealtypischen Methodiken ab. Die Vorgehens weisen in der Praxis sind weitgehend routinisiert und deshalb schwer zu ändern. Gefordert wird daher, methodengerechtes Konstruieren bereits in der Ausbildung einzuüben. ’’Solange metho­

denbewußtes Problemlosen nicht durchgängiges Unterrichtsprinzip der ganzen Ausbil­

dung, aller daran beteiligten Disziplinen, ist, wird die Lage nicht grundlegend zu ändern sein!” (ebd., S.98).

Konstruktionsmethodiken sind präskriptiv und können daher empirisch nicht widerlegt werden; sie schlagen vor, wie Designer Vorgehen sollen. Da der Konstruktionsprozeß nicht rational durchdrungen ist - und vermutlich auch nicht werden kann -, handelt es sich jeweils um (verschiedene) Vorschläge, wobei es nahezu soviele Phasenschemata wie Autoren gibt. Die meisten Ablaufpläne haben sich in einem bestimmten Bereich bewährt, verlieren aber durch Verallgemeinerung an Nützlichkeit. ’’Die Grundlagen dieser Modelle reichen von tiefsinnigen philosophischen Spekulationen ... bis hin zu konkreten Erfahrungen von Praktikern ... Eines scheint allen verfügbaren Modellen gemeinsam zu sein: den Gütekriterien der empirischen Soziologie ... genügen sie wohl alle nicht.”

(Zündorf und Grunt, 1982, S.36).

Es werden Arbeitsschritte vorgeschlagen, aber es kann nicht gesagt werden, wie diese durchzuführen sind; dies wird an Fähigkeit, Erfahrung und Wissen beim Konstrukteur vorausgesetzt. Diese Schemata stellen eine Art von 'check-list' zur Verfügung, die De­

signer daran erinnern, wichtige Gesichtspunkte bei der Arbeit nicht zu übersehen.

Zunehmend wurde deutlich, daß Verläufe von realen Entwurfsprozessen noch wenig erforscht und verstanden werden und auch noch keine geeignete Beobachtungssprache für empirisches 'desing research' entwickelt wurde. Ein besseres Verständnis von Kon­

struktions- und Entwurfsprozessen wird allgemein als günstige Voraussetzung erachtet, diese methodisch und maschinell (z.B. CAD) zu unterstützen, wie auch ein wertvoller Beitrag zur Ingenieurpädagogik. Dies wird auch von Methodikern angemerkt: “Solange man über das Problemlöseverhalten von Menschen nicht näher Bescheid weiß, sind all­

gemeine Ablaufpläne ... mit Vorsicht zu genießen.” (Ehrlenspiel, et.al., 1994, S.51). Eine

’’Voraussetzung für die Entwicklung einer Entwurfsmethode ist ein grundlegendes Ver­

ständnis des Entwurfs und das Wissen um die Wirkungsweise vorhandener Entwurfs­

methoden.” (Österle, 1981, S.27). Es stellt sich allerdings das grundsätzliche Problem, wie Entwurfsprozesse beschrieben werden können, wie auch die ’’Frage nach der geeig­

(20)

neten wissenschaftlichen Arbeitsweise.” (ebd.). Die vorliegende Beitrag versucht auf diese Frage eine Antwort vorzuschlagen.

In Anlehnung an Hubka und Eder (1992), die für die Konstruktionswissenschaft drei

‘Zielgebiete’ angeben: Praxis, Wissenschaft, Unterricht, kann man zusammenfassend sagen, daß sich das Erkenntnisinteresse vieler Ansätze der Konstruktionsforschung darauf richtet,

• den Konstruktionsprozeß rational vermittelbar (lehrbar) zu machen,

• in der Praxis zu rationalisieren sowie

• methodisch wie auch maschinell zu unterstützen und darüber hinaus

• zu simulieren.

(21)

3. Empirische Konstruktionsforschung

3.1. K o n stru iere n a ls P ro b lem lo sen - d e r k o g n itiv e A n sa tz

Simon (1969) war einer der ersten, der eine empirische Wissenschaft vom Entwerfen, eine 'Science of the Artificial' vorschlug, die nach seiner Auffassung Gesetz- bzw.

Regelmäßig-keiten beim Entwerfen und Konstruieren suchen sollte. Konzentrierte sich die Konstruktionsforschung lange Zeit hauptsächlich auf das zu konstruierende Produkt, auf Maschinenelemente, analytische Hilfsmittel, Methodenbaukästen u.a., wird jetzt von einer neuen Phase der Konstruktionsforschung und einer ’’notwendige(n) Umorientierung vom technischen Objekt zum gedanklichen Prozeß ... ” (Ehrlenspiel und Dylla, 1991, S.

43) gesprochen.

Mit dem Aufkommen der Computertechnologie und der Möglichkeit, Informationen maschinell zu verarbeiten, schien sich eine Technik abzuzeichnen, mit der auch geistige Prozesse simulierbar sein könnten. Kybernetische Maschinen dienen als Modell der Informationsverarbeitung und gewannen großen Einfluß in der Psychologie, wo sie zur sog. kognitiven Wende beitrugen. Der von Newell, Shaw und Simon (1959) im Rahmen der künstlichen Intelligenzforschung vorgestellte 'General Problem Solver' hatte in Aus­

sicht gestellt, Konstruktionsprozesse mit Computern zu unterstützen und darüber hinaus die Hoffnung geweckt, sie simulieren zu können. Damit wurde dem empirischen Design­

research (v.a. in den USA) ein Weg gewiesen, der im Gefolge dominierend wurde und die Forschungsfrage auf die Algorithmierbarkeit bzw. kybernetischen Modellierbarkeit von Konstruktionsprozessen richtete. „Elegante Algorithmen für die Berechnung oder Darstellung sowie wissenschaftliche Beobachtung von Studenten (oder manchmal Kon­

strukteure) bei konstruktiven Teilarbeiten scheinen den Hauptteil der Forschungsansätze (in den USA) auszumachen.“ (Eder, 1994, S. 191).

Aufgrund der Interessen der Konstruktionsforschung an der Rationalisierung von Kon­

struktionsprozessen ist es durchaus naheliegend, den Konstruktionsprozeß als (individuellen) kognitiven Prozeß zu konzipieren und mit dem Ansatz der kognitiven Psychologie zu untersuchen.

Denken, soweit damit ein Ziel verfolgt wird, wird in der kognitiven Psychologie mit 'Pro­

blemlosen' gleichgesetzt. ’’Mit zielgerichtet ist gemeint, daß die geistigen Abläufe auf das Erreichen eines definierten (m.H.) Ziels ausgerichtet sind.” (Hussy, 1993, S.16). Verein­

facht läßt sich die konzeptionelle Form so darstellen:

Konstruieren = Problemlosen = Denken = Informationsverarbeitung

Problemlosen: Ein Problem, aus der Sicht des kognitiven Ansatzes, besteht darin, daß sich jemand in einer unbefriedigenden Situation (einem Ist- oder Anfangszustand) befin­

det und diese Situation in einen Soll- oder Zielzustand zu verändern wünscht, wobei Hindernisse und Barrieren überwunden werden müssen. ’’Ein Individuum ist mit einem Problem konfrontiert, wenn es etwas tun möchte, aber nicht unmittelbar weiß, welche Handlungsabfolge zu diesem Zweck auszuführen ist. ... Vor ein Problem gestellt sein bedeutet (zumindest), daß dem Problemloser ein gewisser Grad an Information zur Ver­

fügung steht: Informationen darüber, was gewünscht wird, welches die Bedingungen sind, welche Werkzeuge und Verfahren bereitstehen, mit welcher Ausgangsinformation

(22)

und mit welchem Zugriff auf Mittel begonnen werden kann. Der Problemloser verfügt über eine Interpretation dieser Information - das ist genau die Interpretation, die uns einen Teil der Information als Ziel, einen anderen als Randbedingung usw. bezeichnen läßt.” (Newell und Simon, 1972, S.72L; zit.n. Winograd und Flores, 1989, S.48).

Unterschieden werden gut und schlecht definierte Probleme, charakterisiert durch:

- gut / schlecht definierter Anfangszustand, d.h. der Problemloser kennt / kennt nicht alle wesentlichen Merkmale einer Ist-Situation (Diagnoseproblem).

- gute / schlechte Verfügbarkeit des Problemlösers über Operatoren, mit denen die Barriere überwunden werden kann. Beim (technischen) Problemlosen werden die Operatoren in eine Wirkpaarung mit den Operanden gebracht - ’’dem relativ elemen­

taren Glied jedes technischen Verfahrens” (Müller, 1990, S. 6 u. 62). Operanden sind stoffliche, energetische und/oder informatorische Objekte, die von Natur aus gegeben oder technisch erzeugt werden. Welche Operatoren Konstrukteure kennen und wie gut sie ihre Anwendung beherrschen, hängt von ihrem Wissen und ihrer Erfahrung ab.

- gut / schlecht definierter Zielzustand, d.h. es kann / kann nicht entschieden werden, ob ein bestimmter Zustand ein Zielzustand ist oder nicht. In geschlossenen Systemen, wie z.B. dem Schachspiel, ist genau definiert, wann ein Zielzustand erreicht ist. Bei ande­

ren Problemen, wie bei Entwurfsaufgaben, können die Zielzustände nicht klar defi­

niert werden. Über solches Problemlöseverhalten ist wenig bekannt. ’’Der Großteil der psychologischen Forschung beschäftigt sich mit Problemen mit gut definiertem Ziel­

zustand.” (Huber, 1983, S.63). ’’Design problems are inherently ill-defined, and as such possess poorly specified initial conditions, allowable operations and goals.”

(Eckersley, 1988, p.87). Problemlosen mit unscharf formulierten Zielen bedarf

’’...dauerndes Abwägen und Beseitigen von Widersprüchen, bis ein akzeptables Ergebnis zur Erfüllung wünschenswerter Ziele entsteht.” (Pahl und Beitz, 1993, S.58).

Ähnlich unterscheidet Ehrlenspiel (1995) Konstruktionsprobleme nach klaren / unklaren Zielen und bekannten / nicht bekannten Mitteln (Wissen, Können, Sachmittel) und erhält so vier Problemtypen:

- Aufgaben (einfache Varianten- und Anpassungskonstruktionen), - Mittelprobleme (Konstruktionen mit sich widersprechenden Zielen), - Zielprobleme (Produkt-Anforderungen nicht zu ermitteln),

- Ziel- und Mittelproblem (Anforderungen und Lösungen unklar).

Ausgegangen wird von der Vorstellung eines Problemraumes, der 'Raum' zwischen Ist- und Zielsituation, der in einem Netzwerk die möglichen alternativen Zwischenzustände in Knoten und die Menge der Operatoren, die die Zustände ineinander überführen, als Kanten abbildet. Problemlosen besteht dann im Suchen eines Lösungspfades im Pro­

blemraum, von einem (unerwünschten Anfangs-) Zustand zu einem (erwünschten Ziel-) Zustand. Angenommen wird, daß es einerseits einen 'objektiven' Problemraum gibt, der die möglichen Zustände und die Operatoren enthält, und andererseits einen 'subjektiven' Problemraum, der- je nach Kenntnis und Informations-Verarbeitungs-Kapazität des Problemlösers - einen mehr oder weniger großen Teilbereich des objektiven Problem­

raumes umfaßt.

(23)

Erfolgt die Suche eines Lösungspfades systematisch, dann handelt es sich um einen Algorithmus; gibt es keine systematischen Pläne, oder sind sie zu aufwendig und unpraktikabel, wird auf Heuristiken zurückgegriffen. So z.B. auf die von Simon vorge­

schlagene hierarchische

Beispiel für einen Problemraum

O p e ra to r e n : Op 1, Op 2 , Op 3 , Op 4 , Op S • A n fa n g s zu ­ s ta n d Zft, Z i e lz u s t a n d Z w is c h e n zu s tä n d e Z ^ , Z . , . . . .

Dekomposition von Entwurfsproblemen in überschaubare Einheiten, auf der die Top- down-Methoden basieren. Beginnend auf der höchsten Ebene werden die Ziele entfaltet, bevor zur darunterliegenden Ebene übergegangen wird. Heuristische Pläne werden oft für selbstverständlich genommen, sodaß nicht bewußt wird, daß viele alternative Lösungs­

pfade gar nicht in Betracht gezogen wurden. Die Lösungssuch-Pläne werden nach der sog. TOTE-Einheit entworfen, die, nach der kybernetischen Hypothese des kognitiven Ansatzes, das “Grund-element des Verhaltens” (Miller, et.al., 1973, S.34) bildet. In einem Rückkopplungskreis wird eine Vorgefundene Situationen mit einem angestrebten Zielzustand verglichen (Testphase, T); wenn eine Differenz vorliegt, wird auf die Situa­

tion eingewirkt (Handlungs- oder Operations-phase O) und das Ergebnis wird neuerlich überprüft (T); die Schleife wird verlassen (Exit, E), wenn Ist- und Sollsituation überein­

stimmen.

(24)

Operate Operation zur

Veränderung des gegebenen

Zustandes

Diese Übereinstimmung kann durch Überführung der Zustände oder durch Revision des Sollzustandes erreicht werden. Der Sollzustand fungiert als Vergleichselement, das den intentionalen Prozeß steuert. TOTE-Einheiten können in sich weitere TOTE-Einheiten enthalten, also hierarchisch geschichtet sein. Das TOTE-Schema dient vielen Vor­

gehensplänen der Konstruktionsmethodik als Modell der Vorgehenszyklen im Kon­

struktionsprozeß (z.B. Ehrlenspiel, 1995; Pahl und Beitz, 1993).

Zentrales Konzept des kognitiven Ansatzes ist der ’’Plan: Jede vollständige Verhaltensbe­

schreibung sollte so weit gehen, daß sie als Folge von Instruktionen dienen kann. Das heißt, sie sollte die Charakteristika eines Plans haben, der die vorgeschriebene Reihe von Handlungen so steuert, daß sie in der richtigen Reihenfolge ausgeführt werden. ...

'Plan'... (meint) überdies eine Hierarchie von Instruktionen ...

Für einen Organismus ist ein Plan im wesentlichen dasselbe wie ein Programm für den Computer...” (Miller, et.al., 1973, S.25). Handeln wird als ein Gefüge zielgerichteter Operationen angesehen, das von Plänen gesteuert wird, die die Befehle zur Ausführung der einzelnen Schritte geben.

Der Suchvorgang als Modell für Problemlosen und Denken setzt voraus, daß Suchende imstande sind zu erkennen, wonach sie suchen. Sind dafür genügend Prüfkriterien vor­

handen, ist das Problem 'wohldefiniert'. Schlecht definierte Probleme, wie es Konstruk­

tionsprobleme sind, können nicht mit einer endlichen Zahl von Schritten erreicht werden und es gibt keine zureichenden Prüfkriterien. Es könnten dann u.a. Lösungen vorliegen, ohne daß sie als solche erkannt würden. Darüber hinaus weiß man oft nicht, ob ein oder welches Problem vorliegt, noch was eine Lösung sein könnte. “Zuerst ist uns nicht klar, worin es (das Problem) besteht, oder welche Prüfkriterien durch eine Lösung erfüllt sein müßten. Ein wichtiger Teil des Denkens geht in diesem Stadium vor sich, in dem wir das Problem definieren, und es ist nicht ersichtlich, daß das Suchmodell die beste Art der Erklärung für dieses Denken bietet.” (ebd., S.167) Solche Situationen sind unsicher und verwirrend. 'Problemloser' setzen sich dann mit der Situation auseinander und versuchen ein “Bild” (ebd., S.168) von der Problemlage herzustellen, in dem erst die Prüfkriterien festgelegt werden.' ’’Häufig aber wird das Problem erst klar und gut definiert und das Prüfverfahren für die Lösung erst in dem Augenblick einsichtig, wo auch die Lösung gefunden wird.” (ebd., S.168). Konstrukteure haben ’’irgendwann im Konstruktions­

prozeß” in Abhängigkeit von ihrer Vorstellungskraft und Erfahrung (d.h. v.a. ähnlicher Probleme) ein mehr oder weniger diffuses “Vorstellungsbild” (Ehrlenspiel, et.al., S.22) von dem zu konstruierenden Artefakt als ganzem, in dem die Details zumeist noch unklar

(25)

sind. Der Konstruktionsprozeß verläuft dann als ständiger Wechsel zwischen dem Gan­

zen und Details (Rutz, 1985). Tendenziell neigt die Arbeitsweise beim Konstruieren zum Festhalten an Bekanntem, also Vorbildern, bekannten Teillösungen und Technologien und deren Anpassung an eine gegebene Situation.

3.2. C h a ra k teristik a tec h n isc h e n P ro b lem lö sen s

Müller (1990) charakterisiert Bearbeitungsprozesse beim Entwerfen folgendermaßen:

1. Bei der Entwurfsarbeit soll eine (technische) Funktion gefunden werden, ’’...die vor­

liegende bzw. potentielle Bedürfnisse erfüllen könnte. ... Sowohl der Schluß vom Bedürfnis auf die Funktion als auch von der Funktion auf das funktionserfüllende System sind reduktiver Natur.” (Müller, 1990, S.10). Reduktive Schlüsse sind un­

sicher und nur mehr oder weniger plausibel; Lösungen müssen daher gesucht werden.

2. Beim Entwerfen ist über das Vorgefundene hinauszugehen. Vorliegende Erkenntnisse und Erfahrungen werden genutzt, es muß aber auch dort fortgesetzt werden, wo diese fehlen. Ebenso werden die vorliegenden Erfahrungen darüber, wie zu entwerfen ist, überschritten. ’’Ein Entwicklungsauftrag sollte einmalig sein, sonst wäre er nicht zu erteilen. Deshalb ist im allgemeinen die Vorgehensweise, wenigstens teilweise, neu zu finden.” (ebd.). ”To design is to invent.” (Ferguson, 1992, S.12).

3. Problemlösungen sind durch gedankliche Vorwegnahme nach Wirkprinzip, tech­

nischer Anordnung, des Herstellungs- und Anwenderkontexts in einer Dokumentation zu entwikkeln, bis die Fertigung und Inbetriebnahme gesellschaftlich akzeptiert wer­

den können. Bei Entwurfsproblemen handelt es sich um praktische Probleme, die mehrdimensional (Ropohl, 1990) komplex sind und einer Vielzahl von Anforderungen genügen müssen (Funktion, Herstellung, Transport, Einsatz, Bedienung, Recycling u.a.). Die Anforderungen sind vernetzt, teilweise qualitativ und daher nur abschätzend überprüfbar, z.T. voneinander abhängig oder auch widersprüchlich, sodaß Polyopti­

mierung gefordert ist. ”In jedem Entwurf bleibt ein Rest 'Kunst'.’’(Müller, S.10).

4. Beim Entwerfen sind Kenntnisse mehrerer Wissensgebiete nötig. ’’Der Ingenieur ist Spezialist der Vielfalt.” (ebd., S .ll).

5. Technische Entwürfe sind nicht vollständig berechen- und rational durchdringbar.

Auch an konkreten technischen Dokumentationen bleibt ein Rest von Unbestimmtheit, weil

- unter unvollständiger Information zu entwerfen ist,

- Polyoptimierung unter gegenläufigen Anforderungen unsicher ist,

- Bestimmungen nicht eindeutig festzulegen sind und nur abschätzend erfolgen können und

- nicht alle Merkmale und Eigenschaften eines technischen Systems rational überdacht werden können.

’’Der Ingenieur kann also im allgemeinen nicht korrekt sagen, wie gut oder wie schlecht sein Entwurf ist, wie weit er ihn rational durchdacht und den Rest der Unbestimmtheit überlassen hat.” (ebd.). ’’Vom Ingenieur wird schöpferische Arbeit gefordert.” (ebd., S.16).

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