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Konstruieren als Zielinterpretation

Im Dokument Zur Soziologie des Konstruierens (Seite 71-76)

In Übereinstimmung mit empirischen Befunden jüngerer Konstruktionsforschung und der kritischen Auseinandersetzung mit methodologischen Annahmen dieser Untersuchungen wurde ein nicht-teleologischer Ansatz aufgegriffen, der Konstruktionshandeln nicht von vorgegebenen Zielen her zu beschreiben versucht, sondern von den mit Erfahrung erworbenen - vorreflexiven - Fertigkeiten, Fähigkeiten, Routinen, Praktiken. Ein situati­

ver Ansatz ermöglicht, die Gleichsetzung von Konstruieren mit dem kognitiven Konzept des Problemlösens zu überwinden und v.a. auch Problemkonstitution in der Untersu­

chung zu berücksichtigen.

Fertigkeiten, Gewohnheiten, Routinen (in ihrer Struktur) als implizites Wissen wurden mit dem Konzept der Kontexte und Rahmen verbunden. Rahmungswissen und -prakti- ken, ermöglichen es Konstrukteuren implizit bzw. ‘intuitiv’ (typische) Zusammenhänge bzw. Kontexte zu erkennen ordnend einzubringen um so problematische Situation zu rahmen, zu verstehen und (voraussichtlich lösbare) Problemstellungen zu (er)finden. Die in einer (Sub)Kul-tur ‘vorhandenen’ und durch Sozialisation in dieser Kultur erworbenen Rahmen (praktiken) organisieren die Erfahrung bzw. erzeugen spezifische Perspektiven von denen (Konstruktions) Handlungen ihren Ausgang nehmen.

Das Konzept der Rahmen und Kontexte erlaubt es weiters, Konstruktionsforschung an rezente sozialwissenschaftliche Technikforschung anzuschließen, wie in Exkursen hin­

gewiesen wurde.

Modulationen bzw. die sie erzeugenden Transformationsmethoden, v.a. die Darstellung im Medium von Zeichnungen ermöglichen eine spezifische Zuwendung, indem (Konstruktions) Handlungsschritte protokolliert werden und von Konstrukteuren oder auch anderen ausgelegt werden können.

Es wurde ferner darauf hingewiesen, daß an Designprozessen zumeist mehrere Beteiligte in Interaktion eine problematische Situationen in (technische) Problemstellungen trans­

formieren. Der Gestaltungsprozeß durchläuft also eine Reihe von Transformationen:

Wünsche, Bedürfnisse, etc. werden beschrieben, Problemstellungen formuliert, Anfor­

derungen schriftlich in Pflichtenheften fixiert, meist werden gleichzeitig Skizzen ange­

fertigt usw. Die Auslegung der Wünsche bzw. Konstruktionsziele läßt sich nun weiter verfolgen, womit sich Konstruktionsforschung vorwiegend beschäftigt: der konstruie­

renden Tätigkeit am Zeichenbrett.

Konstruktionsziele

In den Phasenschemata der Konstruktions- und Entwurfsmethodiken wird als erste Arbeitsphase gefordert, die Problemstellung und die Konstruktionsziele zu präzisieren.

Es werden eine Reihe wichtiger Ratschläge und 'check-lists' gegeben, die sinnvollerweise zu beachten sind, wobei jedoch nicht gesagt wird, wie diese Ratschläge auszuführen sind - das Wissen und die Fertigkeiten werden vorausgesetzt. Für die frühe Phase ist, “...

da die außerhalb des Konstruktionsbereichs formulierte Aufgabe in vielen Fällen nicht alle zur Darstellung des Problems benötigten Informationen enthält ..., enge Fühlung­

nahme zwischen dem Auftraggeber bzw. Initiator und der für die Konstruktion zuständi­

gen Stelle (erforderlich). Eine Phase weiterer Informationsgewinnung ist nötig.

Daher muß geklärt werden:

- Um welches Problem handelt es sich eigentlich?

- Welche oft nicht ausgesprochenen Wünsche und Erwartungen bestehen?

- Sind die in der Aufgabenstellung angegebenen Bedingungen echt?

- Welche Wege sind für die Entwicklung frei?” (Pahl und Beitz, 1993, S.152).

In der 'Fühlungnahme' der Gestalter bzw. des Konstrukteure-Teams mit Auftraggebern etc., also in einem sozialen Prozeß wird mit der Frage - "Um welches Problem handelt es sich eigentlich?” - eine 'Situationsdefinition' ausgehandelt bzw. die problematische Situation gerahmt. Es wird eine Problemsicht oder -Stellung 'konstruiert' und damit auch die Konstruktionsziele, d.h. die Richtung, in der die Situation zu verändern sei. Das heißt aber noch nicht, daß die Konstruktionsziele dadurch präzisiert sind, sondern es ist damit eher eine Richtung, ein Entwicklungspfad, ein "end in view” (Dewey, zit.n. Joas, 1992) eingeschlagen.

Konstruktionsziele sind, wie andere Handlungsziele, zwangsläufig mehr oder weniger vage, (siehe Kritik am Zweck-Mittel-Schema, oben). Selbst in Organisationen können die Entwurfsziele nicht aus den Organisationszielen deduziert werden. So wird beispiels­

weise in der ”... entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre (gefordert) ... die Ziele des Entwurfes wie jedes betriebliche Handeln aus den Globalzielen der Unterneh­

mung in Form einer Zielhierarchie abzuleiten. ... (Allerdings sind) praktikable Verfahren zur Ableitung einer Ziel-Mittel-Hierarchie kaum vorhanden (bzw. eine sich) ... zwingend ergebende Ableitung von Entwurfszielen nicht bekannt.” (Österle, 1981, S.47).

Auch im Bauwesen handelt es sich immer um “... notwendig unvollständige Definitionen von Entwurfsaufgaben und Interdependenzen zwischen Nutzungsplanung und Entwerfen ... Ein Großteil der Lösungsbeschränkungen ergibt sich nur als Antwort auf Fragen, die erst im Laufe des Entwurfsprozesses gestellt werden können.... Der Entwurfsprozeß muß zugleich als Problemkonstituierungs- und als Problemlösungsprozeß verstanden werden.

Dies gilt für Entwurfsprobleme in ihrer Gesamtheit und in ihren Details.” (Ekardt, 1977, S.109 f.). Oder allgemeiner formuliert: ’’Die Aufgabenstellung (wird) im allgemeinen während des Problemlöseprozesses entwickelt ... bis sie mit der Lösung erlischt.”

(Müller, 1990, S.145). Die Ziele sind dann 'präzisiert', wenn die 'Mittel' bzw. die 'Lösung' vorliegen! Und so auch in der Informatik: ”... a complete set of requirements may never exist for a system until it is implemented.” (Belford et.al.; zit.n. Österle, S.43).

Eine eindeutige Zielbeschreibung ist zugleich die Lösung! Die in den Konstruktions- und Entwurfsmethodiken empfohlene Zielpräzisierung am Beginn des Konstruktionsprozesse muß daher zwangsläufig ungenau bleiben.

Die Bedeutung der in der Zielformulierung verwendeten Begriffe ist nicht eindeutig festlegbar. ’’Häufig weiß der Auftraggeber nicht exakt, was er eigentlich will (soll oder darf). Es wird vage oder überschwenglich formuliert, nicht selten werden überschweng­

liche Einschränkungen geltend gemacht und damit unlösbare Probleme formuliert....

(Der Konstrukteur muß sich) sein eigenes Bild machen ... und bringt von Anfang an eigene Erkenntnisse und Erfahrungen ein. ... Er weiß, was gehen könnte und was nicht, welche Schwierigkeiten zu erwarten und wie sie zu bewältigen sind. (Zielpräzisierung ist) ein dem gesamten Bearbeitungsprozeß gleitend überlagerter Vorgang.” (Müller,

1990, S.145).

Die (Konstruktions-) Ziele sind am Beginn des Konstruktionsprozesses nicht genau vor­

gegeben, daher gerät man mit der Beschreibung von Konstruktionsprozessen nach dem

Modell des zweckrationalen Handelns in Schwierigkeiten. Rationale, d.h. optimale Mit­

telwahl setzt gegebene Ziele voraus die die Vergleichsparameter abgeben bzw. an denen der Mitteleinsatz meßbar wird. In diesem Modell sind die Ziele zu bestimmen, um Han­

deln erklären zu können. Konstruktionsforschung im Erkenntnisinteresse, Konstruk­

tionsprozesse rational zu erklären und zu 'rationalisieren', ist gezwungen, die den (Konstruktions-) Handlungsprozeß steuernden Ziele zu bestimmen, zu suchen bzw. zu (re)konstruieren (siehe z.B. von der Weth, oben). Es wird angenommen, daß die Ziele (der Auftraggeber, die 'Bedürfnisse der Gesellschaft' etc.) schon ('objektiv') vorliegen, die es zu erfassen gilt. "'Ziel der Präzisierung einer Aufgabenstellung ist, die ... Problem­

situation im Bewußtsein des verantwortlichen Bearbeiters (Teams) möglichst klar und adäquat abzubilden.” (Müller, 1990, S.145). Die Problemsituation wie das Ziel liegen bereits vor und sind - nach der Abbildtheorie (Müller bezieht sich explizit auf den logi­

schen Positivismus des Wiener Kreises) - im Bewußtsein zu repräsentieren. Die subjek­

tive Abbildung kann, aus welchen Gründen immer (wie Grenzen der Informationsverar­

beitungskapazität, Überlagerung mit anderen Zielen etc.), abweichen, es wird aber ange­

nommen, daß die 'Tatsachen' (z.B. die Constraints) der Situation wie die Ziele vorliegen, feststellbar sind und im Bewußtsein adäquat abbildbar seien.

Das Modell zweckrationalen Handelns ist zwangsläufig normativ und wurde auch als

’’normatives Paradigma” (Wilson, 1973) bezeichnet. Wenn die Situation (die Bedingun­

gen) und die Ziele adäquat erfaßt wurden, kann, wenn es Lösungen gibt, die rationale bzw. optimale Mittelkombination zur Erreichung der Ziele bestimmt werden. Von diesem Ideal können Subjekte mehr oder weniger abweichen, sie handeln dann unter 'bounded rationality' (Simon). Konstruktionsmethoden, die sich an diesem Paradigma orientieren, sind daher zwangsläufig normativ bzw. präskriptiv.

Diese Denkweise liegt vielen sozialwissenschaftliche Theorien zugrunde, so auch jenen, die Handeln kausalanalytisch mittels Einflußgrößen wie Dispositionen, durch Sanktionen abgestützte Erwartungen u.ä. zu erklären suchen; die Handlung ist Resultante der Ein­

flußfaktoren.

Das Modell zweckrationalen Handelns scheint einer extremen Ausprägungsform von Handeln zu entsprechen, dh. jener, in der die (von außen bestimmten) Ziele soweit vor­

gegeben sind, daß sie für das Handeln genaue Instruktionen festlegen. Die Ziele sind dann 'außer'- oder 'oberhalb' des Handlungsprozesses fixiert und der Handlungsprozeß - wie auch der Handelnde selbst - werden zum Mittel. Die Form von sozialer Beziehung, die diesem Modell am nächsten kommt, ist die hierarchische Befehlsform. Handeln nach einem von außen (genau) vorgegebenen Ziel entspricht der Ausführung eines (programmierbaren) Befehls. Das Ziel-Mittel-Schema dieses Modells entspricht einem Handeln unter Zwang, sei es Fremd- oder Selbstzwang. Ein vorgegebenes Ziel ’’...regt nicht dazu an, die Intelligenz in der gegebenen Sachlage zu verwerten, sondern ist ein von außen gegebener Befehl, dies und das zu tun.” (Dewey, 1949, zit. n. Joas, 1992, S.227). Der Handelnde, selbst ein Mittel, ist dann der Verantwortung für die ihm vorge­

gebenen Ziele entbunden. Diese Argumentation gilt auch für Techniker, wenn ihre Tätig­

keit nach diesem Modell gedacht wird.

Es scheint nun aber nicht angebracht, (Konstruktions-)Handeln nach diesem Modell zu denken.

Die Infragestellung der Probatheit des Modells zweckrationalen Handels zur Beschrei­

bung von Konstruktionsprozessen heißt nun nicht, daß diese als 'irrational' zu betrachten sind. Zu dieser Schlußfolgerung kommt man eher im Modell rationalen Handelns, wenn

es darum geht, routiniertes wie auch kreatives Vorgehen zu erklären. Worauf es vielmehr ankommt, ist zu sehen, daß Konstruktionsprozesse zwar zielorientiert, aber nicht zielge­

steuert sind, d.h. Konstruktionshandeln nicht von den Konstruktionzielen her, also teleo­

logisch erklärt werden kann.

Im kybernetischen Modell wird die Auffassung zielgesteuerten Handelns im Plan ausge­

drückt, in dem die Instruktionen für den Handlungsverlauf vor bzw. außerhalb der Handlung festgelegt wird (siehe oben). Ausgegangen wird davon, daß die von Auftrag­

gebern, Nutzem, der Gesellschaft etc. wünschenswerte und zu erreichende Situation sich so genau bestimmen läßt - die Konstruktionsziele vorliegen -, daß sie im Konstruktions­

prozeß als Test für einen operate-Schritt dienen kann.

Dagegen läßt sich nun der Einwand erheben, daß sich die wünschenswerte, künftige Situation nicht so genau vorherbestimmen läßt, daß sie Testkriterien für jeden Schritt angeben könnte. Könnten die Kriterien für jeden operate-test angegeben werden, dann bestünde kein Problem, es ließe sich genau angeben, wie z.B. das zu konstruierende Gerät aussehen soll, und das ist ja schon die Lösung! Eine Schwäche des kognitiven Ansatzes bei der Untersuchung von Konstruktionsprozessen liegt m.E. darin, daß (eindeutig) definierte Ziele angenommen werden. Genau das trifft aber für Konstruk­

tionsprobleme nicht zu! Solange keine 'Lösung’ vorliegt, kann auch das Konstruktionsziel nicht vollständig bekannt sein. Die in den psychologischen Experimente zum Problem­

losen verwendeten Beispiele (siehe z.B. Hussy, 1993) zeichnen sich dadurch aus, daß die Ziele definiert sind und damit die Lösungen - wenn auch nicht der Versuchsperson - schon bekannt sind, ein für die Konstruktionsforschung uninteressanter Fall gut definier­

ter 'Probleme'.

Wenn nun die Ziele vorher nicht genau vorliegen können, dann läßt sich Konstruktions­

handeln auch nicht als zielgesteuertes Handeln konzipieren und somit ist ein teleolo­

gisches Handlungsmodell infrage gestellt. Nach welchen Zielen sollte sich ein Hand­

lungsschritt richten, wenn das Ziel nur vage bekannt ist - bekannt sein kann?

Ein Konstruktionsproblem zeichnet sich gerade dadurch aus - und man kann es geradezu als eine Definition des Begriffs Konstruieren heranziehen -, daß die Konstruktionsziele nicht schon eindeutig vorliegen, noch nicht definiert sind.

Der Konstruktionsprozeß kann daher nicht zureichend als ein zielgesteuerter, sondern ist als ein zielauslegender, zielinterpretierender und zielgenerierender Prozeß aufzufassen.

Vorgeschlagen wird daher, Konstruktionshandeln nicht mit teleologischen Handlungs­

modellen als zielgesteuertes Problemlösehandeln zu konzipieren, sondern als einen ziel­

interpretierenden und zielschaffenden Handlungsprozeß mit einem hermeneutisch rekonstruktiven Ansatz zu untersuchen.

Damit treten 'vorreflexive Strebungen', wie Fertigkeiten, Routinen, d.h. implizites Wis­

sen, Rahmenpraktiken und Konventionen in das Zentrum der Fragestellung, auf deren Hintergrund Interpretationsleistungen erfolgen und die es zu erschließen gilt.

Auch in den angeführten Methodiken wird darauf hingewiesen, daß Konstruktionshan­

deln in der Erfahrung der Konstrukteure seinen Ausgang nehmen muß. Die Methoden setzen immer einen Ansatz voraus, der 'intuitiv' getroffen werden muß (vgl. Ekardt, 1977;

Österle, 1981), d.h. ein implizites Wissen um (mögliche) Lösungen, die es aber noch nicht gibt. Erwartungsgemäß wird in den empirischen Untersuchungen 'Erfahrung' der

Konstrukteure als zentrale 'Variable' für den Verlauf von Konstruktionprozessen nach­

gewiesen.

Wenn Konstruieren wesentlich als zielinterpretierender Prozeß anzusehen ist, indem es auch darum geht, Situationen zu verstehen, dann ist die Erforschung der Konstruktions­

prozesse, also die Konstruktionsforschung, auch als Sozialwissenschaft zu betreiben. Die techniksoziologische These von der 'sozialen Konstruktion der Technik' läßt sich dann bis in den Mikrobereich der Technikentstehung verfolgen.

Die mehr oder weniger vagen Konstruktionsziele stellen Konstrukteure in eine Situation, ihre Vorgehensweise und der Prozeß verlauf sind damit aber nicht erklärbar. Konstruk­

tionsprobleme haben eine paradoxe Struktur, Ziele zu erreichen, die nur unvollständig gegeben sind. Die Paradoxie wird aufgrund impliziten Wissens in Form von Fertigkeiten, Perzeptionsgewohnheiten, Erfahrung usw. aufgelöst und aus der Problemspannung ent­

stehen neue Handlungsvarianten. Ausgehend von Routinen, Erfahrungen, Intuitionen und 'Gefühl' vor dem Hintergrund eines unproblematisch erscheinenden Vorwissens um das, was gerade ist, ermöglicht es Konstrukteuren, die Deutungsleistungen zu erbringen, zumeist ohne bewußt auf sie aufmerksam zu werden. Viele Handlungen sind vor der Handlung nicht mental repräsentiert und enthalten Züge des Spontanen. Typische Lösungsmuster, die in einer Branche gleichsam 'institutionalisiert' (Linde, 1972) sind von Bedeutung und ”... gehen als unhinterfragte ... Prämissensetzungen in die Kalküle der Handelnden ein, ja sind sogar ein wesentlicher Markierungsposten zur Entwicklung von Handlungsstrategien.” (Knie, 1994, S. 254).

Wünsche und Bedürfnisse, Anforderungen und Konstruktionsziele müssen verstanden und gedeutet, interpretiert werden. Insofern sind Gestaltungsprozesse hermeneutisch, interpretierende Prozesse und nicht grundsätzlich verschieden von anderem Handeln. The

” ... difference between design and everything else is largely explicable in terms of understanding the domain ... social process and the convention of practice.” (Coyne and Snodgrass, 1991, S.129). Schön kommt aufgrund seiner Untersuchungen zu einer ähn­

lichen Ansicht: ’’Patterns of reasoning were found to be ... not significantly different from reasoning in everyday life.” (Schön, 1988, S.181).

Konstruktionshandeln richtet sich, wie anderes Handeln, nach den Bedeutungen, die die Dinge in einer Situation haben. ’’Der Mensch lebt in einer Welt voller Bedeutung.”

(Mead,1987, Bd.2, S.347). Und Bedeutung haben die Dinge immer nur in Kontexten (Bateson) und Rahmen (Goffman). Die Bedeutung der Dinge steht nicht 'objektiv' fest, sondern wird im Konstruktionshandlungsprozeß, nach den Umständen und Gegeben­

heiten in der Situation durch Handeln aufgebaut und soweit festgelegt, wie es die prak­

tische Verständlichkeit erfordert. D.h., die Bedeutung der Dinge ist von den Gegeben­

heiten - auch der 'Mittel' - in einer Situation nicht unabhängig. Wie für Handeln allge­

mein, gilt auch für Konstruktionshandeln die Reziprozität von Zielen und Mitteln. ’’Die Dimension der Mittel ist ... nicht neutral gegenüber der Dimension der Ziele. Indem wir erkennen, daß uns bestimmte Mittel zur Verfügung stehen, stoßen wir erst auf Ziele, die uns vorher gar nicht zu Bewußtsein kamen. Mittel spezifizieren also nicht nur Ziele, sie erweitern auch den Spielraum möglicher Zielstellung” (Joas, 1992, S.227). Insofern ent­

hält jeder Konstruktionsprozeß auch ein Moment des Erfindens (Ferguson, 1992) und ist 'wirklichkeitsschaffend' (Ropohl, 1990).

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