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Heft 2 November) 14. Jahrgang 2004

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14. Jahrgang 2004

(2)

Österreichische Zeitschrift für Physikalische Medizin und Rehabilitation 14. Jahrgang, 2004, Heft 2

Organ des Berufsverbandes Österreichischer Fachärzte für Physikalische Medizin und Rehabilitation

Schriftleiter: K.Ammer, Wien Wissenschaftlicher Beirat:

T. Bochdansky, Feldkirch, A. Falkenbach, Badgastein, A. Guth, Bratislava, O. Knüsel, Valens, H. Mayr, Wien Chr. Prager, Wien O. Rathkolb, Wien

55 Möglichkeiten der Magnetfeldtherapie: Theorie und Ergebnisse

K.Ammer

62 Diagnostik und Physikalische Therapie des vertebragenen Schwindels

2S. Brandstätter

68 Bericht über das 12. Symposium Morbus Bechterew in Bad Gastein

E.Feldtkeller

71 Wirksamkeit der Trainingstherapie - Ergebnisse ausgewählter systematischer Reviews der Cochrane Library

K. Ammer

78 Fach- und Gegenfachausbildung in der Schweiz

für österreichische Ärzte in Ausbildung zum Facharzt für Physikalische Medizin

K. Hohenstein

79 Veranstaltungen

54 Instruktionen für Autoren

(3)

Instruktionen für Autoren

Manuskripte müssen dem Schriftleiter zugesandt wer- den und dürfen noch nicht veröffentlicht sein. Mit der Annahme der Arbeit gehen alle Rechte an den Heraus- geber über.

Verantwortlicher Schriftleiter:

Prof. DDr. Kurt Ammer Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Physikalische Diagnostik, Hanuschkrankenhaus, Heinrich Collinstraße 30, A-1140 Wien,Österreich, Telefon: (1) 914-97-01 Fax: (1) 914-92-64

Publiziert werden:

Editorials Übersichten Originalien Kasuistiken Berichte über interessante Veranstaltungen und Pub- likationen aus dem Gebiet Physikalische Medizin und Rehabilitation Mitteilungen des Berufsverbandes Österreichischer Fachärzte für Physikalische Medizin und Rehabilitation Veranstaltungshinweise

Es ist auf eine klare Gliederung der Beiträge vorzugs- weise in der Form: Einleitung, Methode, Ergebnisse, Diskussion, Literatur zu achten. Jeder Arbeit ist eine Kurzfassung in Deutsch (maximal 400 Wörter) und Englisch (maximal 400 Wörter) voranzustellen.

Tabellen und Abbildungen sollen gesondert dem Manu- skript beigelegt werden. Legenden werden auf einem Ex- trablatt beigegeben.

Literaturangaben sind auf einem gesonderten Blatt er- beten und sind in alphabetischer Reihenfolge aufzulis- ten. Die Literaturzitate werden durchnummeriert; im Text werden nur die entsprechenden Nummern an- gegeben.

Die Einreichung der Arbeit auf Diskette unter Angabe des verwendeten Systems ist möglich und erwünscht.

Ein Ausdruck des Textes ist der Diskette beizulegen.

a.) Zeitschriftenzitate

Name der Verfassers, Vorname(n) (abgekürzt), vollstän- diger Titel der Arbeit, abgekürzter Titel der Zeitschrift, Jahr; Band: Seitenzahlen,

z.B:

Schuh A: Ausdauertraining bei gleichzeitiger Kälte - adaptation: Auswirkungen auf den Muskelstoffwech- sel. Phys Rehab Kur Med 1991; 1: 22- 28

b.) Buchzitate

Name des Verfassers, Vorname(n) (abgekürzt), vollstän- diger Titel der Arbeit, Herausgeber, Titel des Buches, Verlag, Jahr. Ort, Seitenzahlen,

z.B.

Ziskin MC, Michlovitz SL:Therapeutic Ultrasound. In:

Michlovitz SL (ed): Thermal Agents in Rehabilitation.

FA.Davis, 1986, Philadelphia, p.141-176,

Von Text und Abbildungen werden den Autoren An- drucke zur Korrektur zugesandt.

Jeder Autor erhält 20 Sonderdrucke seiner Arbeit kostenlos.

DieÖsterreichische Zeitschrift für Physikalische Medizin und Rehabilitationerscheint 2 mal jährlich.

Ein Jahresabonnement kostet 24 Euro.-, ein Einzel- heft 15 Euro..

Für Mitglieder des Berufsverbandes Österreichischer Fachärzte für Physikalische Medizin und Rehabilitation ist die Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag inkludiert.

Uhlen Verlag Wien, Ingeborg Machyl, Fachzeitschriftenverlag

Gusenleithnergasse 28a/1, A-1140 Wien ÖZPMR, Österr Z.Phys Med Rehabil ISSN-1026-079X

(4)

Möglichkeiten der Magnetfeldtherapie: Theorie und Ergebnisse

Kurt Ammer

Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Physikalische Diagnostik, Wien Thermal Physiology Laboratory, School of Computing, University of Glamorgan, Pontypridd, UK

Einleitung

Die Behandlung mit magnetischen Feldern hat eine lange Tradition und ist eben so lange in ihrer Wirkung umstritten. Franz Anton Mesmer behandelte im 18.

Jahrhundert in Wien und Paris alle möglichen Be- schwerden.Mit seinem therapeutischen Magneten ver- suchte er den gestörten “animalischen” Magnetismus zu korrigieren. Wiederholt wurde seine Therapie von der damaligen Schulmedizin als unwirksam qualifi- ziert. Auch wenn die therapeutischen Versprechen mancher heutiger Magnetfeldtherapiegeräte ähnlich klingen, haben elektromagnetische Felder in der Medi- zin zur Diagnostik und Therapie ihren Platz gefunden.

Es muss drauf hingewiesen werden, dass die Intensität aber auch die Frequenzen der eingesetzten Felder be- trächtlich varieren (Tabelle 1). Die Kenntnis dieser physikalischen Größen ist notwendig, um die Wirk- mechanismen von magnetfeldern auf den menschli- chen Organismus verstehen zu können. Immer dann, wenn durch die Magnetfelder ausreichend intensive elektrische Ströme induziert werden, könne die phy- siologischen Phänomene durch die bekannte Aktions- potential induzierenden Wirkungen des elektrischen ZUSAMMENFASSUNG

Intrazellulare biophysikalische Phänomene werden in der komplexen Anpassung lebender Organis- men an die Umweltbedingungen vermehrt beach- tet und untersucht. Elektromagnetischen Feldern kommt im Molekularbereich eine Bedeutung in der Anbahnung biochemischer Reaktionen zu.

In einer Reihe von Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Zellsuspensionen und Zellkulturen unter dem Einfluss gepulster elektromagnetischer Felder veränderte Protein und Enzymkonzentra- tionen zeigen. Diesen Grundlagenergebnissen ste- hen weit weniger eindrucksvolle klinische Untersu- chungen gegenüber. Die klinische Wirksamkeit der Therapie mit elektromagnetischen Feldern bei Ar- throsen ist auf Grund der methodischen Mängel der vorhandenen Studien nicht gut abgesichert. Etwas günstiger sind die Ergebnisse bei der Förderung der Frakturheilung. Hier stützt die Mehrzahl der Stu- dien für eine eindeutig Überlegenheit der Magnet- feldtherapie gegenüber einer Scheinbehandlung.

Die Heilung von Pseudarthrosen, die verzögerte Frakturheilung und die Wirbelkörperfusion können durch diese Therapie gefördert werden.

ABSTRACT

Intracellular biophysical phenomena are now fre- quently investigated in the complex adaptation of living organisms to environmental conditions.

Electromagnetic fields play a role in initiation of biochemical reactions ont the molecular level. A number of studies has provided evidence, that cell suspensions and tissue cultures present with alte- red concentrations of proteins and enzymes under the influence of pulsed electromagnetic fields. Re- sults from clinical trials are less impressive compa- red to the findigs of basic research. The efficacy of elctromagnetic field therapy for osteoarthritis re- mains unclear due to methodological flaws of pub- lished studies. Results related fracture healing are more promissing. The majority of studies supports the superiority of magnetic field therapy to sham treatment. Healing of fracture non-union and aug- mentation of spinal fusion can be achieved by elec- tromagentic therapy.

TABELLE 1

A. INTENSITÄTEN VON MAGNETFELDERN Magnentresonanztomographie Tesla Transkraniale Magnetfeldstimulation Tesla

Mittelfrequente Ströme µTesla

Radiofrequenzen µTesla

Niederfrequente

Magnetfeldtherapie µTesla bis mTesla B. FREQUENZEN

ELEKTROMAGNETISCHER FELDER ELF (extremely low frequencies): bis 300 Hz VLF (very low frequencies): 300 Hz bis 100 kHz RF (radiofrequencies): 100 kHz bis 300 GHz Microwaves: 300 MHz und 300 GHz

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Stromes erklärt werden z.B. bei der transkranialen Magnetfeldstimulation.

Beträchtlich schwieriger wird es, wenn man den Me- chanismus der Stimulation von Zellen erklären möch- te. Berg 1999 sowie Gartzke & Lange 2002 haben eine Reihe von biophysikalischen Mechanismen aufgelistet, die dafür in Frage kommen.(Tabelle 2). Ein Prozess, dieelektro-konformationelle Bindung, ist an hohe Feldstärken gebunden, 2 Modelle, dieCyclotron Re- sonanzund dieparametrische Resonanz, sind phy- sikalisch problematisch und 4 weitere Mechanismen, diePolarisationskraft, dieBildung freier Radikale, dieImpedanz eines Zellverbandes und dieoszilla- torische Barrier-Aktivierung, sind nur beschränkt brauchbar. Die restlichen 4 Modelle sind geeignet, zel- luläre Veränderungen durch elektromagnetische Fel- der vorauszusagen.UnterZeeman- Ladungszustän- dewird der Zeemann-Stark Effekt auf die Bindungs- Parmeter zwischen Liganden und Rezeptor unter Ein-

fluss eines sinusförmigen elektromagnetischen Fel- des verstanden. Die Larmor Prezessionbeschreibt die veränderte Bewegung eines geladenen Teilchens (Ca++- Ion) an der aktiven Seite eines Enzyms (z.B.

Calmodulin-Ausnehmung). Dieparametrische Ver- stärkungberücksichtigt kohärente Bedingungen der Energieübertragung entsprechend der Fröhlich-Glei- chung.

Berg hat bereits 1995 die optmalen Parameter für Fre- quenz, elektrische Feldstärke, Stromstärke und Mag- netfeldstärke zusammengestellt (Tabelle 2). Die Ab- solutwerte sind mit Ausnahme der Frequenz sehr nie- der und liegen bei der Magnetfeldstärke nahe dem Erdmagnetfeld von 0,4mT.

Ionenübertragung über Microvili

Besonders die Ionenübertragung über Microvili und die damit verbundene Modifikation der zytoskeletta- len Diffusion-Barrier stellt ein interessantes Modell Tabelle

THEORIEN DER ELEKTROSTIMULATION VON ZELLEN (nach, 1,2) a Elektro-konformationelle Bindung hohe Feldstärke

b Oszillatorische Barrier-Aktivierung beschränkt brauchbar c Zeeman Ladungszustände Voraussagewert

d Larmor Prezession Voraussagewert

e Cyclotron Resonanz physikalisch problematisch f Parametrische Resonanz physikalisch problematisch g Polarisationskraft beschränkt brauchbar h Impedanz eines Zellverbandes beschränkt brauchbar i Bildung freier Radikale beschränkt brauchbar j Parametrische Verstärkung Voraussagewert k Ionenübertragung über Microvili Voraussagewert

Tabelle 2

Optimale Bedingungen für die elektromagnetische Stimulation (nach Berg, 4) F=Frequenz. B= Magnetfeldstärke E=elektrische Feldstärke, i=Stromstärke

f/Hz B/mT E/mVcm -1 i/mAcm -2

Synthesis DNA RNA Proteins

15-75 60-72 15-150

0.1-10 0.1-4 0.1-2

> 0.1

> 0.1

> 0.1

> 0.25

> 0.03

> 0.03 Enzyme activity

Dehydrogenases Proteinkinase Alc Posphatase Ornithine deacrboxylase

(Na,K)-ATPpase

50-60 50-60

>30 50-72

1000

4-10 0,1-8 1,8

>0,1 -

>1 -

>0,006 1 20000

>0,1 - - - _ Tranport

Ca++influx 3-75 0,1-22 >0,1 >0,016

(6)

dar (Gartzke & Lange 2002). Folgende Prozesse wer- den beschrieben:

Kontraktion, Sekretion, Modulation des Membranpo- tentials, und Zellwachstum werden über den Phospho- lipase C-gekoppelte Ca++ Signalweg über Depolyme- risation und Reorganisation der Actinfilamente aus ge- löst. Eine hypo-osmotische Schwellung der Zelle ver- kürzt die Mikrovili über Aktivierung des regulatori- schen K+ und Cl- Effluxes. Die Exposition gegen- über lipophilen Substanzen ändert die physikalischen Eigenschaften der Zellmembranen und führt in den Mikrovili zu einer Lösung der Membran vom Zytoske- lett als Ausdruck einer Aktivierung des Ca++ Ein- stroms. Nun können geringe mechanische Kräfte z.B.

des vorbeiströmenden Blutes an den Endothelzelle die Ionenleitung durch Mikrovili aktivieren. Auch Licht und Klänge haben in speziellen Zellen Einfluss auf die Microvili. Möglicher Weise sind elektromagnetische Felder in weiterer Mechanismus,der die Diffusionbar- riere und den Einstrom des externen Ca++ ins Zyto- plasma modifiziert. Dies wird durch die polyelektro- lytische Natur der Diffusionbarriere der Mikrovili er- leichtert. Der hohe Widerstand gegenüber einen Ein- fluss von Ca++ und Mg ++ erlaubt es einen extrem steilen Ca++ Gradienten von 1:104 zwischen in- tra-und extrazellularem Raum aufrecht zu erhalten und bei Rezeptoraktivierung und daraus folgender

Umorganisation der Struktur der Microvili einen ra- schen Ca++ Einstrom zu gewährleisten

Als mit den Mikrovili assozierte Transportmechanis- men gelten die Ezrin/Radixin/Moetin (ERM) Protei- ne, K-Kanäle, epitheliale Na-Kanäle, Anion-Kanäle der Erythrozyten, Insulin-sensitiver Glukose Trans- porter GluT4, Na/K-ATPase und Na/H Austauscher.

Galvanovskis & Sandblom (3) haben 1998 ein Modell der Entstehung von Ca++ Oszillationen beschrieben (Abbildung 1). Dabei aktiviert ein externer Reiz einen Zellrezeptor R und bedingt die Produktion of InsP3 (X) über Aktivierung von G-Protein (Gp) und die Phosphatidylinositol-spezifischc Phospholipase C (PLC).

InsP löst den Ca++Einstrom,n b, ins Cytosol aus dem InsP –sensitiven Ca++Reservoir aus, wobeibeine Sät- tigungfunktion darstellt. Der Ca++Einstrom ins Cyto- sol öffnet Ca++ -Kanäle des InsP -insensitiven internen Ca-Reservoir Y mit der Folge einer raschen Ca-Freiset- zungn3, die als Erhöhung der intrazellulären Ca Kon- zentration Z sichtbar wird. Außerdem sind noch fol- gende Ca-Ströme beteiligt: über Lücken in der Zell- membran n0bzw. durch die Membran des internen Re- servoirs kfY. Ein Pumpmechanismus für Ca++ ins externe Medium ist kZ, undn2bezeichnet den aktiven Transport ins interne Reservoir. InsP wird über eine Phosphatase in Phosphatidylinositol 1,4-biphosphate (PtdInsP) umgewandelt.

Abbildung 1

Modell der Entstehung von Ca++Oszillationen [3]

(7)

Auch mechanische Kräfte etwa Scherkräfte, wenn sie intermittierend auftreten, besitzen eine stimulative Wir- kung auf eine Reihe von Organen wie etwa dem Endot- hel des Gefäßsystems oder bei der Gewebereparatur insbesondere bei der Frakturheilung. Es konnte ge- zeigt werden, dass die kapazitive Koppelung, die in- duktive Koppelung und die mechanische Stimulation von Knochenzellen zwar unterschiedliche Ansatz- punkte an der Zelloberfläche, aber eine idente intra- zeluläre Synthesemechanismen besitzen (4).

Untersuchungen an Zellen und Gewebekulturen In einer Reihe von Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Zellsuspensionen und Zellkulturen unter dem Einfluss gepulster elektromagnetischer Felder veränderte Protein und Enzymkonzentrationen zei- gen.

Im Folgenden stehen Aussagen über Ergebnisse des Stoffwechsels von Knochen und Gelenkknorpel im Mittelpunkt.. An Osteoblasten der Ratte konnte ge- zeigt, werden, dass die Konzentration knochengestal- tender Proteine (bone morphogenetic proteins-BMP) durch Behandlung mit elektromagnetischen Feldern um das 2-bis 4- Fache erhöht wurde (6).

In Osteozyten ähnlichen Zellen konnte gepulste elek- tromagnetische Felder die Aktivität der alkalischen Phosphatase erhöht werden, ohne jedoch die Zellzahl oder die Osteocalcinbildung zu verändern (7). Der Wachstumsfaktor Transforming Growth Factor beta-1 (TGF-b1) und Prostglandin E2 wurden vermehrt ge- funden und auch die NO2- Bildung war verändert. Die Ergebnisse stützen die stimulierende Wirkung von ge- pulsten elektromagnetischen Feldern auf die Synthe- seleistung von Knochenzellen.

Die Behandlung von Fibroblasten aus gesunder Haut mit einem gepulsten Magnetfeld einer Frequenz von 20 Hz und einer Feldstärke von 7-6mT über 14 Tage bei täglicher 12-stündiger Anwendung führte über An- stieg einer vom zyklischen AMP abhängigen Protein- kinase zu einer raschen Ausdifferenzierung der Zellen (8). Fibroblastenkultuuren, die 2-16 Minuten lang ei- nem gepulsten Magnetfeld mit 50 Hz und 20mT aus- gesetzt waren, boten eine Verminderung der Aktivität der Superoxiddismutase und der Catalase (9). Damit sollte die Magnetfeldbehandlung mit einer verstärkten Bildung von freien Radikalen einhergehen und damit entzündungsfördernd wirken.

Tierexperimentelle Studien

Die enchondrale Knochenbildung konnte in einem ge- eignetem Tiermodell gesteigert werden (10) Bei Meer-

schweinchen, die spontan eine Arthrose der Kniege- lenke entwickeln, konnte durch eine Magnetfeld thera- pie die Progression der Degeneration des Gelenkknor- pels verhindert und biochemische Marker des Knor- pelstoffwechsels erhöht werden (11).

An einem Hundemodell konnte eine japanische Grup- pe zeigen, dass bei einem Knochendefekt der Tibia die Behandlung mit gepulsten Magnetfeldern auch bei Therapiebeginn 4 Wochen nach Setzen der Läsion die Kallusbildung signifikant erhöht (12).

Beim Kaninchen kann die Magnetfeldtherapie (75 Hz, 1,6mT, 6 Stunden täglich durch 3 Wochen) das Ein- wachsen von Hydroxyapatit-Implantaten am Femur- kondyl fördern (13). Diese Ergebnisse könnten Be- deutung für die Endoprothetik haben.

Die Förderung der Wirbelfusion durch elektromagne- tische Felder an Hunden (14,15,16) und am Kaninchen untersucht (17) und kein ausreichender Effekt auf die Fusionsförderung gefunden.

Klinische Studien am Menschen

Diesen Grundlagenergebnissen stehen weit weniger eindrucksvolle klinische Untersuchungen gegenüber.

Die klinische Wirksamkeit der Therapie mit elektro- magnetischen Feldern bei Arthrosen ist auf Grund der methodischen Mängel der vorhandenen Studien nicht gut abgesichert. (Tabelle 2). Einerseits ist nicht immer klar, ob mit der elektrischen oder der magnetischen Feldkomponente behandelt wurde, andererseits sind die Patientenkollektive zu klein, um die beobachtete Überlegenheit gegenüber einer Plazebobehandlung abzusichern.

Etwas günstiger sind die Ergebnisse bei der Förde- rung der Frakturheilung. Hier stützt die Mehrzahl der Studien für eine eindeutig Überlegenheit der Magnet- feldtherapie gegenüber einer Scheinbehandlung (23, 24). Die Heilung von Pseudarthrosen, die verzögerte Frakturheilung und die Wirbelkörperfusion können durch diese Therapie eindeutig gefördert werden. Dies trifft vor allem dann zu, wenn ausreichend elektrische Ströme induziert werden, wie die guten Ergebnisse der direkten Elektrostimulation zur Förderung der Wir- belfusion zeigen (Tabelle 3)

Diskussion

Unabhängig von positiven Ergebnissen klinischer Stu- dien, bleibt es fraglich, ob der gemutmaßte Wirkungs- mechanismus gepulster Magnetfelder über behauptete Feldintensitäten und Impulsfolgen zum Tragen kommt.

Bei der Vielzahl von Grenzflächen unterschiedlichster Gewebe eines lebenden Organismus, sind Verzerrun-

(8)

gen und Intensitätsveränderungen elektromagnetischer Felder selbstverständlich. Außerdem scheinen bestimm- te Zellorganellen generell imstande zu sein, zufällig auftretende externe Reize dahingehend zu nützen, ihre Funktion in ihrer Intensität zu modifizieren. Gerade beim Knochengewebe ist es nur so erklärbar, dass so- wohl mechanische Reize als auch elektrische und mag- netische Felder zu ähnlichen Effekten führen.

Auch die Dauer der Therapie ist in den vorhandenen Studien ganz unterschiedlich. Berücksichtigt man die Lebensdauer der untersuchten Tierspezies, scheinen

hinsichtlich gewünschter Effekte am Knochen und Gelenkknorpel nur Dauerstimulationen über Monate die gewünschte Wirksamkeit zu entfalten. Dies ist auch durch die klinischen Ergebnisse in der Human- medizin gestützt.

Schlussfolgerung

Das wirksame physikalische Agens der Magnetfeld- therapie ist weiterhin unbekannt. Ionenkanäle und molekulare „Motoren“ sind wahrscheinliche Ziel- strukturen der Magnetfeldtherapie. Die Veränderun- gen nach Magnetfeldtherapie sind auf zellulärer Ebe- Tabelle 2

Therapie der Arthrose

Zelluläre Effekte Tierexperiment Klinischer Versuch

Steigerung der Proteoglykansynthese am hyalinen Knorpel von Hühnern

Förderung der Chondozyten- differenzierung bei der Ratte

Vermindert kurzfristig Schmerz und Behinderung (18)

Verbessert die Symptomatik von Ko- xarthrosepatienten 6 Monate lang

(19)

Vermindert die Ausprägung der Ar- throse bei Meerschweinchen

Ist der Wirksamkeit einer Kombinati- on von Krankengymnastik und Kurz-

welle bei Koxarthrosepatienten signifikant unterlegen (20) Vermindert kurzfristig Schmerz und

Bewegungseinschränkung bei dege- nerativer Wirbelsäulenerkrankung

(21)

Vermindert kurzfristig die Beein- trächtigung im täglichen Leben und

verbessert die Kniefunktion (22).

Tabelle 3

Förderung der Wirbelfusion

A: Pulsierende Magnetfelder (nach 25)

Zelluläre Effekte Tierexperiment Klinischer Versuch

Fördert Endothelwachstum Erhöht BMP2 und BMP4 Erhöht den Transforming Growth Faktor

Keine signifikante Erhöhung der Fusionsrate bei Hunden (14,15, 16)

und bei Kaninchen (17)

13 Patienten , Fusionsrate 77% (26)

195 Patienten

Fusionsrate 92%, radiologisch gesi- chert 50%, 4 Jahre später 24% (27) B.Kombination elektrischer und magnetischer Felder (nach 25)

Zelluläre Effekte Tierexperiment Klinischer Versuch

Fördert den transmembranen Transport von Calcium Erhöht Prostaglandin E2

und aktiviert Calmodulin Erhöht den Transforming Growth Factor

RCT 201 Patienten Fusionrate V:64% K: 43%

(Linovitz RJ et al)

Fusionsrate V:84% K: 64% (28)

(9)

ne und im Tierexperiment teilweise reproduzierbar.

Die Ergebnisse der klinischen Studien stehen zum Teil im Widerspruch zu den Resultaten der Grundlagen- forschung.

Literatur

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20. Singer F, Schieler K.Erfahrungen mit pulsieren-der nieder- frequenter elektromagnetischer Energie bei der Behandlung Tabelle 3

C.Implantierte Geräte zur konstanten Galvanisation (nach 25)

Zelluläre Effekte Tierexperiment Klinischer Versuch

Galvanotaxis Polarisation von Membranen

Erhöhung des PH-Wertes Erhöhung des Sauerstoffpartialdrucks

Signifikante höhere Fusionsrate nach Stimulation bei Schweinen (29) und bei Hunden(30)

82 Patienten, Fusionrate V: 91%

historische K:81% (31) RCT V: 31Pat K: 31 Pat Fusions-

rate V:81% K:54% (31) Fusionsrate V:95% K: 75% (32)

Fusionsrate V:96% K:85% (33) Fusionsrate V:95% K: 87% (34)

Fusionsrate 91-93% (35) PEMF Fusionsrate 85%, Konstante Galvanisation 67%, Nicht behandelte

Kontrollen 86% (36)

(10)

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Korrespondenzadresse des Autors OA. Prof Dr med Kurt Ammer PhD Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Physikalische Diagnostik im Hanuschkrankenhaus, Heinrich Collinstr 30,.1140 Wien

Email. Kammer1950@aol.com

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Diagnostik und Physikalische Therapie des vertebragenen Schwindels

Silvia Brandstätter

Institut füe Physikalische Hedizin im Hanuschkrankenhaus (Vorstand: Prim.Dr.S.Brandstätter) Wien

Einleitung

Die Existenz eines vertebragenen Schwindels ist um- stritten, da es keine Erkrankung des Bewegungs- und Stützapparates mit dem Leitsymptom Schwindel gibt.

Die Diagnose eines zervikogenen Schwindels ist damit eine Verlegenheitsdiagnose.Arnold und Ganzer (1) schieben diesbezüglich 1990, dass „die zervikalen Af- ferenzen sehr schlecht repräsentiert sind im vestibulä- ren Kerngebiet und daher eine Störung leicht von anderen Systemen kompensiert werden kann“. Auch funktionell sei der Anteil zervikaler Afferenzen an ves- tibulären Leistungen als gering einzustufen. Es kann daraus folgernd daher keine anhaltenden zervikoge- nen Schwindelbeschwerden geben (2).

In den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals- Chirurgie (http://www.uni-duesseldorf.de/ WWW/

AWMF/ll/ 017-054.htm) wird in der Leitlinie Schwin- del (Klinischer Algorithmus) der “zervikogene Schwin- del”hingegen zweimal angeführt (3).

Der vertebragene Schwindel ist Ausdruck einer Stö- rung im Propriozeptorenbereich (tiefe Halsmuskula- tur, Kopfgelenke) bedingt durch ein funktionelles De- fizit in der oberen Halswirbelsäule. Er kommt mit oder ohne Nystagmen vor und zeigt normalerweise keine Hörstörung. Der Schwindel ist nicht durch eine Durch- blutungsstörung der A. vertebralis oder A. Basilaris verursacht (3).

Die tiefe Nackenmuskeln besitzen eine hohe Dichte an Muskelspindeln, während die Gelenkssensoren eher auf endgradige Bewegungen, vor allem im schmerz- haften Bereich ansprechen.

Durch die Beweglichkeit des Halses ist die Kopfstel- lung nicht immer ident ist mit der Körperstellung (im Gegensatz z.B. zu den Fischen). Die Erfassung der Lage im Raum erfolgt über die kombinierte Verrech- nung von vestibulären (Kopfstellung und Kopfbe- wegung) sowie propriozeptiven Impulsen aus den Hals- rezeptoren (Kopf-zu-Rumpfstellung) undvisu- ellerImpulse.

Den Propriozeptoren im Kopfgelenksbereich kommt bei der Koordination von Kopf- und Augenbewegun- gen sowie bei der Kontrolle der Körper- und Extremi- tätenstellung eine Schlüsselrolle zu (4).

Anatomie

Afferente Fasern aus den Muskelspindeln gelangen zum Ncl. Cervicalis centralis im Rückenmark, Moto- neurone für Halsmuskeln und propriospinale Neuro- ne, die zum unteren Zervikal- und Lumbalmark pro- jizieren. Aufsteigend gelangen die propriozeptiven Af- ferenzen direkt zum Ncl. cuneatus externus (Relais- ZUSAMMENFASSUNG

Der vertebragene Schwindel ist real und geht von den oberen Segmenten der Halswirbelsäule aus (C0-C1-C2-C3). Bei jedem Schwindelpatienten, auch bei jenen mit zervikogener Ursache der Beschwer- den ist die Anamnese wichtig. Die typische Klinik ist durch asystemischen Schwindel, mit Bezug zu Kopfbewegungen und Kopfschmerzengekennzeich- net. Die Diagnostik und Therapie sind eine Domä- ne der manuellen Medizin.Differentialdiagnostisch sind Erkrankungen aus der Neurologie, der Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde und der Gefäße auszu- schließen. Vertebragene Funktionsstörungen kön- nenUrsache und Folgevon Schwindelbeschwerden sein.

ABSTRACT

Vertigo originating from the cervical spine is reality and is caused by functional changes in the upper segments of the cervical spine (C0-C1-C2-C3.) As in other patients with vertigo, the medical history is also highly significant in those with cervicogenic dizziness.Typical signs and symptoms encompass discontinuous vertigo in close relationship with head movements plus headache. Diagnosis and treat ment are domains of manual medicine. For further differen- tiation disorder from the fields of neurology, ear- nose- throat disorders and vascular diseases must be exclu- ded. Functional disturbances of the spine may be cau- se or consequence of dizziness.

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kern zum Kleinhirn), zu den Vestibulariskernen, Ncl.

praepositus hypoglossi sowie zum ventralen Cochlearis- kern. Alle direkten Projektionen sind ipsilateral. Vom Ncl. cervicalis centralis aus erfolgt auch eine kontrala- terale Projektion zum Kleinhirn und zu den Vestibula- riskernen. Von zentraler Bedeutung sind die Afferen- zen des Spinalnervs C2. (Abbildung 1). Generell wer- den Wirbelgelenke von ihren 2 benachbarten Spinal- nerven mitversorgt. Zum posterioren Spinalnerven C2 gelangen Afferenzen aus den Gelenken Occiput /C1 und auf C2/3.

Pathophysiologie

Es kommt zur Irritation im Propriozeptorensystem durch ein funktionelles Defizit (früher: Blockierung) im Segment (Muskulatur, Gelenk, Innervation). Fol- gen einer Blockierung sind eine Beeinträchtigung der Rezeptorenleistung, wobei die Seitendifferenz des Re- zeptoren-Informations-stromes zu Nystagmen füh- ren kann.

„Vertebragene Afferentationsstörung” (4)

Jede Muskelverspannung bzw. Myogelose im Bereich der tiefen Nackenmuskeln kann zu einer Irritation im Propriozeptorensystem führen. Eine Bewegungshem- mung im Gelenk führt stets zu einer Änderung der Ak- tivität der sensiblen und motorischen Nerven und zu einer Änderung des Muskeltonus.Eine primäre Mus- kelstörung bedingt immer eine Beweglichkeitsstörung im Gelenk.. Ein Hypertonus der tiefen Nackenmus- keln als Folge einer Blockierung führt zu einer Irritati- on der Propriozeptoren dieses Muskels.

Vestibulospinale Reaktionen

Es kommt zur direkten Projektion der propriozepti- ven Halsmuskel-afferenzen aus C2-C4 zum Vestibula-

riskerngebiet. Daneben finden sich vestibulospinale Neurone im Vorderhorn, und auch Projektionen zum Hinterhorn (nur zervikal). Man spricht von der „zervi- ko-vestibulo-zervikalen Schleife”.

Diese Schleife wirkt als GABA-erges Hemmsystem und wird aktiviert bei Bewegung mittels der Halsmus- kelafferenzen um die Weiterleitung langsamer, nicht propriozeptiver Störsignale zu hemmen.

Diese direkten spinovestibulären neuronalen Verbin- dungen können bei einer funktionellen Störung im Kopfgelenkbereich eine Missempfindung erklären, die als Schwindel bezeichnet wird.

Außerdem haben Afferenzen aus dem Propriozepto- rensystem Bedeutung für dieautomatischen postu- ralen Reflexe. Allum et al. konnten an Patienten mit und ohne Vestibularisstörungen nachweisen, dass die vordere Beinmuskulatur deutlich von einem vestibulo- spinalen und propriozeptiven “Input” beeinflusst wird, hingegen der M. triceps surae vor allem von Rezepto- ren aus den Fußgelenken und Knien moduliert wird (5).

Bei Irritation der Kopfgelenke ist oft eine Einschrän- kung der Hüftbeweglichkeit (Patrick-Test) erkennbar (6). Es ist nicht auszuschließen, dass die Muskelver- spannung im Bereich der Hüften die Pathologie der vestibulo-spinalen Reaktionen nicht unwesentlich ver- stärkt

Brandt berichtet über eine Ataxie und Gangunsicher- heit ohne deutlichen Drehschwindel beim Menschen nach Anästhesie der oberen dorsalen Zervikalnerven- wurzeln (7). Dietrich et al. fanden nach Anästhesie von C2 wegen zervikogenen Kopfschmerzen regelmäßig eine Gangabweichung zur anästhesierten Seite (8).

Abbildung 1 Afferenzen zu C2

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Die anamnestische Angabe der Gangunsicherheit weist auf eine Störung der vestibulospinalen Reaktionen hin. Weitere Hinweise für die Beteiligung der Halswir- belsäule an der Entstehung von Schwindelsymptomen sind die Tatsache, dass die häufigste uner- wünschte Wirkung von manualtherapeutischen Eingriffen die Entwicklung von Schwindel ist (9). Sauer berichtet von einem "Postmassagesyndrom", das nicht selten mit ei- nerLatenz von 2-5 Tagen nach einer Massage des Na- ckens auftritt (10).

Schwindel kann durch Hyperextension des Halses beim Haarewaschen im Frisiersalon auftreten (11) und Trak- tion und Überstreckung des Halses bei der Intubation kann zu okziptalen Kopfschmerzen und Schwindel führen (12).

Anamnese bei vertebragenem Schwindel (6) Die Patienten berichten eine “Drehempfindung” meist ohne Angabe der Drehrichtung.. ·2/3 der Betroffenen bieten einen asystemischen Schwindel (“Unsicher- heitsgefühl, Trunkenheitsgefühl, Schwankschwindel, Taumeligkeitsgefühl”). Dieser ist fluktuierend, und wird durch Kopf- und Körperbe- wegungen ausgelöst oder verstärkt. Zusätzlich bestehenKopfschmerzen, die meist einseitig, nuchal oder okzipital lokalisiert sind.

Diagnostik

Nachweis des Endstellnystagmus bei passiver Körper- drehung gegenüber manuell fixiertem Kopf durch den Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Der Nys- tagmus verschwindet nach erfolgreicher Manualther- apie (Erfolgskontrolle)

Gleichgewichtstestung:

Statisch = Romberg - Standversuch, dynamisch = Unterberger - Tretversuch Einbeinstand, Posturographie

Untersuchung HWS (C0 - C2)

Die Kopfrotation wird in Neutralstellung, maximaler Anteflexion (beurteilt die segmentale Beweglichkeit C1/C2, Abbildung 2+ 3) und Extension beurteilt.

Segmentale Untersuchung der oberen HWS in Rü- ckenlage: Atlasquerfortsatz, Dornfortsatz C2, Gelenk- kapsel C2/3 .

Atlasquerfortsatz:

Ein Druchschmerz am Querfortsatz des Atrlas weist auf Tonusveränderung der ansetzenden Muskeln hin.

Unter der Protuberantia occipitalis liegt der Dornfort- satz von C2. Dann nach lateral über den Muskelwulst

des M. semispinalis capitis gelangt man zur Gelenk- kapsel von C2/3, die bei Blockierungen häufig dolent und verquollen ist. Von diesen Druckpunkten können klinisch relevante Myogelosen unterhalten werden (z.

B. kann ein myofaszialer Druckpunk im Schulteran- satzbereich des M.trapezius einen Hypertonus im M.

pterygoideus lateralis unterhalten)

Pathologische Manualbefunde im Kopfgelenksbereich (Occiput bis C2/C3) stützen die Diagnose eines verte- bragenen Schwindels

Palpation

An der Schädelbasis: N. occipitalis maior (aus C2) Tiefe Nackenmuskulatur (Mm.rectus capitis longus et brevis, Mm.obliquus capitis sup. et inf.)

In Rückenlage oder Sitz: Triggerpunkte M. trapezius, M. sternocleidomastoideus, M. masseter

Die kombinierte Flexion, Abduktion und Außenrota- tion des Hüftgelenks (Patrick-Test) kann bei Kopfge- lenk-Blockierung eingeschränkt sein. Die Beweglich- keit normalisiert sich nach erfolgreicher Manualther- apie (Erfolgskontrolle)

Daraus folgt, dass die beim älteren Menschen regelmä- ßig auftretenden degenerativen Veränderungen der unteren HWS für die Diagnose des vertebragenen Schwindels unerheblich sind.

Untersuchung Kiefergelenke

·Mundöffnung (nicht gleichmäßig, nicht seitengleich)

·Triggerpunkte/Myogelosen im M..masseter und M.

pterygoideus medialis

·Meersseman-Test: die eingeschränkte Hüftbeweglich- keit (pathologischer Patrick Test) verbessert sich durch Beissen auf 3 Streifen Papier in Höhe der 2. Prämola- ren/1. Molaren sofort (13,14).

Durch die reflektorischen Verbindungen gehen Stö- rungen des einen Bereiches fast regelmäßig mit einer funktionellen Störung auch des anderen Bereiches ein- her.

Zervikalnystagmus

Der propriozeptive Zervikalnystagmus wird heute noch kontrovers diskutiert. Nach Ausschluss einer vestibulären Gleichgewichtsstörung ist ein Zervikal- nystagmus (passive Körperdrehung gegenüber manu- ell fixiertem Kopf) jedoch pathognomisch für einen

„zervikogenen Schwindel“. Die reine Körperrotation bei fixiertem Kopf führt v.a. zu Bewegungen in C1/2 und C2/3. Der· Nachweis erfolgt durch Videonystag-

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mographie (HNO) in abgedunkeltem Raum. Als pa- thologisch gilt ein andauernder (mindestens 15 sec.) Nystagmus mit mehr als6 Ausschlägen. Differentialdi- agnostisch ist der physiolo gische Nach-Nystagmus zu berücksichtigen, der: nur einige Sekunden andauert.

Bei der Prüfung ist derKopf fixiert, Augen geschlos- sen, Drehung des Stuhles, Endstellung mit Körperro- tation für 60 (-120) sec. Häufig schlägt ein einseitiger zervikaler Nystagmus zur Seite der Kopfgelenksstö- rung aus.

Therapie

Der vertebragene Schwindel ist eine der Hauptdomä- nen derManuellen Medizin.z.B.

·Weichteiltechniken mit Traktionsmassage

·Postisometrische Relaxation (Abbildung 5)

· Inhibitionstechniken

·„Counter-Strain-Technik“ (Osteopathie) (Abbildung 4)

Abbildung 2

Mobilisierung C1/C2

Abbildung 3

Mobilisierung C1/C2

Abbildung 4

Counter-Strain-Technik

Abbildung 5

Postisometrische Relaxation

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·Atlas-Impuls-Therapie nach Arlen (15)

Weiterführend sind segmental angelegte elektrothera- peutische Verfahren bzw. Therapien, die den lokalen Muskeltonus beeinflussen können, sinnvoll (16).

Diskussion

Trotz entsprechendem Befund an der Halswirbelsäule, deutlichem propriozeptiven Zervikalnystagmus und erfolgreicher Manualtherapie darf NIE auf die kom- plette neuro-otologische Durchuntersuchung verzich- tet werden! Eine vertebragene Störung kann sowohl neben einer peripheren Gleichgewichtsstörung beste- hen, als auch bei länger bestehenden peripher- und zentral-vestibulären Schwindelbeschwerden vorkom- men

Zusammenfassend gibt es den vertebragenen Schwin- del, der von den oberen Halswirbelsäulensegmenten ausgeht (C0-C1-C2-C3).Die typische Klinik ist ein asystemischer Schwindel, mit Bezug zu Kopfbewe- gungen und Kopfschmerzen. Die Anamnese ist bei je- dem Schwindelpatienten, auch bei denen mit zervi- kogen ausgelösten Schwindel wichtig. ·Diagnostik und Therapie sind eine Domäne der:Manuellen Medizin.

Differentialdiagnostisch sind Erkrankungen aus dem Gebiet der Neurologie, Hals-Nasen- Ohrenheilkunde sowie Gefäßerkrankungen auszuschließen. Eine verte- bragene Funktionsstörung kann sowohl Ursache als auch Folge von Schwindelbeschwerden sein.

Literatur

1. Arnold, Ganzer, Checkliste HNO. Thieme 1990

2. Neuhuber WL, Wolff HD. Der kraniozervikale Übergang.

Springer1998

3. HNO-Mitteilungen 4/97, 47. Jg. Juli 1997, Beilage Leitli- nien/Algorithmen S. 7

4. Hülse M. Der vertebragene Schwindel. HNO, Praxis heute, Bd.24, 2004, Springer Verlag

5. Allum JH, Honegger F Acuna H Differential control of leg and trunk muscle activity by vestibulo-spinal and propriocepti-

ve signals during human balance corrections. Acta Otolaryng (Stockh) 1995; 115: 124-129

6. Hülse M, Hölzl M. Vestibulospinale Reaktionen bei der zer- vikogenen Gleichgewichtsstörung. HNO 2000, 48:295-301 7. Brandt T: Cervical vertigo - reality or fiction? Audiol Neu- rootol 1996, 1:187-196

8. Dietrich M, Pöllmann W, Pfaffenrath V: Cervicogenic hea- dache: electronystagmography, perception of vertically and posturography in patients before and after C2-blockade. Ce- phalgia 1993, 13:285-288

9. Dvorak J, Orelli von F. Das Verhältnis von Komplikatione zu durchgeführten Manipulationen in der Schweiz. Schweiz Rdsch Med Prax 1982, 71:64-69

10. Sauer H Das Postmassagesyndrom. Eur Ororhinolaryngol 1994, Suppl II:221-222

11. Foye PM, Najar MP, Camme A A Jr, Stitik TP, DePrince ML, Nadler SF, Chen B. Pain, dizziness, and central nervous system blood flow in cervical extension: vascular correlations to beaty parlor stroke syndrome and salon sink radiculopathy.

Am J Phys Med Rehabil 2002,81:395-399

12. Goldmann R, Bornscheuer A, Schultze-Florey T, Krie- bel-Goldmann C, Holtje M. The early axial traction of the cer- vical spine after anaesthesia with intubation and extreme re- clination of the head. Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002, 37:94-98.

13. Marx G. Über die Zusammenarbeit mit der Kieferorthopä- die und Zahnheilkunde in der Manuellen Medizin. Man Med 2002, 38:342-345.

14. Schupp W () Gesichtsschmerz aus Sicht der Kiefer- orthopädie. Man Med 200139:327-336.

15 Hülse M, Hölzl M. Nachweis der Wirksamkeit einer “modi- fizierten” Atlas-Impuls-Therapie nach Arlen. Man Med 2003, 41:453 - 458

16.. Ammer K., Rathkolb O. Physikalische Therapie bei Hin- terhauptkopfschmerzen. Man Med1990, 28:65-68.

Korrespondenzadresse der Autorin Prim Dr. Silvia Brandstätter Institut für Physikalische Medizin im Hanuschkrankenhaus Heinrich Collinstr. 30, 1140 Wien Email: Silvia.Brandstaetter@wgkk.sozvers.at

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12. Gasteiner Symposium Morbus Bechterew

Ernst Feldtkeller

Wissenschaftliche Redaktion des Morbus Bechterew-Journals, München,

Abschied von Prof. Dr Albrecht Falkenbach als Ärztlicher Leiter des Heilstollens

Seit 1994 war Prof. Dr. Albrecht FALKENBACH Primararzt des Gasteiner Heilstollens. Er bereicherte die wissenschaftliche Literatur immer wieder mit interessanten Forschungsergebnissen zum Morbus Bechterew. Außerdem führte er die „Gasteiner Sym- posien Morbus Bechterew“ ein, zu denen er Ärzte aus Österreich und Deutschland einlud,um das Wissen zum Morbus Bechterew in der Ärzteschaft zu ver- breitern. In letzter Zeit arbeitete er außerdem an der Herausgabe eines umfangreichen Buches über den Morbus-Bechterew, das demnächst im Springer- Ver- lag erscheinen wird. Es wird etwa 900 Seiten dick sein und Kapitel namhafter Wissenschaftler zu allen Aspek- ten dieser entzündlichen Wirbelsäulenerkrankung ent- halten..

Im Sommer 2004 übernahm Prof. Falkenbach die Ärztliche Leitung der Sonderkrankenanstalt Bad Ischl der Österreichischen Pensionsversicherungsanstalt. Zu seiner Nachfolgerin als Chefärztin des Gasteiner Heil- stollens wurde ab 1. Oktober 2004 Frau Dr. Gudrun LIND-ALBRECHT berufen.

12. Gasteiner Symposium Morbus Bechterew Das 12 Symposium war das Aufwendigste in der Reihe dieser Symposien: Es fand im großen Saal des Bad Gasteiner Kongresszentrums statt. Viele der Referen- ten haben auch zu dem erwähnten Buch beigetragen, so dass das Symposium eine Art Vorschau auf das bald erscheinende Buch darstellte.

Notfallbehandlung von Patienten mit Morbus Bechterew

Der Morbus-Bechterew-Patient mit versteifter Hals- wirbelsäule kann bei einem Unfall oder einer Opera- tion in mehrerer Hinsicht Probleme bereiten. Die künstliche Beatmung kann schwierig sein, auch wenn dafür Problemlösungsmöglichkeiten bekannt sind.

Dr. Siegfried SEIDL von der Landesklinik für An- ästhesiologie in Salzburg, Verfasser des entsprech- enden Buchkapitels, zeigte eine Reihe neuer Intuba- tionsgeräte. Die Teilnehmer des Symposiums konnten an Plastik-Phantomen üben, ein solches Gerät in die Atemwege einzuführen

Ein weiteres Problem bei der Notfallbehandlung von Morbus-Bechterew-Patienten ist die Gefahr, bei der Reanimation durch rhythmischen Druck auf den Brust- korb die unelastischen Rippen zu verletzen. Der Ein- satz eines Defibrillator bei Kammerflimmern ist in- zwischen allgemeiner Standard. Herr Dr. Seidl führte den Symposiumsteilnehmern einen Computer unter- stützten Defibrillator vor, den auch Laien bedienen können.

Ein drittes Problem kann darin bestehen, dass bei versteifter Halswirbelsäule die Punktion von Hals- venen sehr schwierig sein kann. Auch dazu zeigte Dr.

Seidl mehrere Lösungvorschläge.

Diagnose und Frühdiagnose

Dr. Martin RUDWALEIT von der Universität Berlin war eingeladen, über seine Vorschläge zur Frühdia- gnose des Morbus Bechterew zu berichten. In der Diskussion wies Dr. Rudwaleit darauf hin, dass der Morbus Bechterew, so wie er heute definiert ist, prin- Abbildung 1:

Feierlicher Abschied von Heilstollen-Chefarzt Prof. Dr.

Albrecht FALKENBACH und Einführung von Frau Dr.

Gudrun LIND-ALBRECHT als neue Heilstollen- Chef-

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zipiell nicht bald nach den ersten Beschwerden dia- gnostiziert werden kann, denn von einem Morbus Bechterew spricht man erst, wenn in Röntgenbildern beide Iliosakralgelenke Veränderungen zweiten Grads zeigen oder ein Iliosakralgelenk Veränderungen dritten Grads. Nach Ausbruch der Krankheit vergeht eine gewisse Zeit, bis die Veränderungen dieses Ausmaß erreicht haben.

Vorher spricht man von einer undifferenzierten Spon- dylarthritis als einer Vorstufe, die sich zum Morbus Bechterew weiterentwickeln kann, aber nicht muss.

Zur Diagnose dieser Vorstufe muss die Entzündung der Iliosakralgelenke nachgewiesen werden. Dazu sind die Kernspintomographie und die Magnetresonanz- tomographie besonders hilfreich.

Therapie der Wirbelsäulenbeschwerden

Neben der Therapie des Morbus Bechterew mit Medi- kamenten besprach Dr. Josef HERMANN von der Universität Graz auch die besonders wichtige kranken- gymnastische Behandlung. Ihre Wirksamkeit hinsicht- lich verbesserter Beweglichkeit ist wissen- schaftlich gesichert (1, 2,). Dr. HERMANN wies darauf hin, dass es problematisch ist, dem Patienten Be- wegungs übungen beizubringen und ihn dann sich selbst zu überlassen.Zumindest ein regelmäßiges Überprüfen und Erinnern ist notwendig, damit die Patienten ihre Gymnastik regelmäßig durchführen.

Beteiligung des Magen-Darm-Trakts

Prof. Dr. Herbert KELLNER aus München berichtete so-wohl über entzündliche Darmerkrankungen, die häufig mit dem Morbus Bechterew verknüpft sind und zum Formenkreis der Spondyloarthritiden gehören, als auch über Nebenwirkungen der Rheuma -Medika- mente im Magen-Darm-Trakt. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind in der Tabelle

1 zusammengestellt. Die Therapie der damit verknüpf- ten Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden unter- scheidet sich nicht wesentlich vom Morbus Bechterew ohne Darmbeteiligung. Bei Patienten mit Darmbe- teiligung ist eine Basistherapie der Darmerkrankung mit Sulfasalazin erfolgversprechend, im Falle des Mor- bus Crohn evtl. auch mitAzathioprin oder Methotrexat Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt treten nicht nur bei der Behandlung mit nichtsteroidalen Anti- rheumatika (NSAR) auf, sondern auch bei der Be- handlung mit Sulfasalazin oder Methotrexat. Das Neben- wirkungsrisiko im Magen-Darm-Trakt ist bei den Coxiben , die selektiv nur das entzündungsfördernde Enzym Cyclooxigenase-2 hemmen, etwa halb so groß wie bei herkömmlichen NSAR .

Augenbeteiligung beim Morbus Bechterew Über Entzündungen der Bindehaut oder der Regen- bogenhaut im Zusammenhang mit einer entzündli- chen Wirbelsäulenerkrankung (Spondyloarthritis) be- richtete Prof. Dr. Yosuf EL-SHABRAWI von der Universität Graz. Charakteristisch für eineUveitis(Ent- zündung der Regenbogenhaut und angrenzender Teile des Auges) sind

plötzliches Auftreten,

Rötung vor allem am Rand der Regenbogenhaut (Abbildung 2a),

Schmerzen und Lichtscheue,

gesteigerte Bildung von Tränenflüssigkeit,

einseitiges Auftreten (mal rechts, mal links),

Eiteransammlung am Boden der vorderen Augenkammer(Abbildung 2b).

Die Therapie einer Uveitis besteht zunächst in einer örtlichen Behandlung mit einem Corticosteroid. Wenn dies nicht ausreicht, kommen auch Corticosteroid- Injektionen in Frage. Bei etwa 40% der Uveitis- Patien-

Tabelle 1

Charakteristiken der entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Morbus Crohn Colitis ulcerosa Einfluss auf die

Spondylitis ankylosans Definition Entzündung des Verdauungstrakts

vom Mund bis zum Enddarm

Wiederholte Entzündung und Geschwüre im Dickdarm und

Enddarm

Spondylitis ankylosans äußert sich bei Morbus- Crohn- Patienten früher als bei Colitis-

ulcerosa- Patienten. Bei vergleichbaren Röntgenbefunden

sind die Krankheitsaktivität (BASDAI) und die Behinderung (BASFI) stärker als bei Morbus-

Bechterew- Patienten ohne Darmbeteiligung Symptome Krampfartige Schmerzen, Ge-

wichtsverlust, Durchfall und Fieber

Durchfall, Blutung, krampfartige Schmerzen, Appetitlosigkeit und

Gewichtsverlust Häufigkeit 0,1–0,7‰ der Einwohner 0,2–1,3‰ der Einwohner

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ten mit einer Spondylitis ankylosans kommt dazu eine Basistherapie der Augenerkrankung mit Sulfasalazin oder Methotrexat. In Fällen, in denen all diese Thera- pieformen nicht ausreichen, hat sich die Anti- TNF- alpha-Blockade bewährt

Bildgebende Verfahren bei Morbus Bechterew Einen Überblick über die Anwendung bildgebender Verfahren beim Morbus Bechterew gab Frau Dr.

Andrea KLAUSER von der Universität Innsbruck.

Die Diagnose einer Entzündung der Iliosakralgelenke in einem frühen Stadium gelingt mit der Magnet- resonanztomographie (MRT) unter Verwendung eines gadoliniumhaltigen Kontrastmittels. In späteren Sta- dien genügen einfache Röntgenaufnahmen des Be-

ckens oder die Röntgen-Computertomographie (CT).

Moderne Magnetresonanz-Tomographen errechnen eine dreidimensionale Darstellung des untersuchten Bereichs.

Die Szintigraphie kommt zur Abklärung diffuser Schmerzen in Frage, ebenso bei einer Entzündung mehrerer Gelenke außerhalb der Wirbelsäule (Oligo- arthritis) oder in Fällen, in denen CT und MRT kontra- indiziert sind. Sehnenansatzentzündungen sind außer mit CT und MRT auch mit Ultraschall erkennbar.

Unter Anwendung eines Kontrastmittels lässt sich sogar die Durchblutung als Zeichen der Entzündungs- aktivität im Ultraschallbild erkennen.

Einen Vergleich des Aufwands und der Strahlen- be- lastung durch diese Verfahren enthält die Tabelle 2.

Der Morbus-Bechterew-Patient in der gesetzlichen Sozialversicherung

Ein ganzer Vormittag war einer Podiumsdiskussion zum Thema „Der Patient mit Morbus Bechterew in der gesetzlichen Sozialversicherung: aktuelle Proble- me, Chancen für die Zukunft?“ gewidmet. Die Dis- kussion drehte sich vor allem darum, dass die ent- zündlich-rheumatischen Erkrankungen im Medizin- studium zu kurz kommen und dass die Zahl der Ärzte, die an einer Weiterbildung zum Rheumatologen inter- essiert sind, relativ gering ist. Die Teilnehmer an der Diskussion beschlossen, ein Manifest zu diesem Thema zu verabschieden und den verantwortlichen Stellen zuzuleiten.

Literatur

1. Dagfinrud H, Kvien T K, Hagen K B. Physiotherapy in- terventions for ankylosing spondylitis. The Cochrane Data- base of Systematic Reviews 2004, Issue 4.

2.Van Tubergen A, Landewe R, van der HD, Hidding A, Wolter N, Asscher M et al. Combined spa-exercise therapy is effective in patients with ankylosing spondylitis: a randomized controlled trial. Arthritis and Rheumatism 2001;45(5):430-8

Korrespondenzadresse des Autors Prof. Dr. Ernst Feldtkeller DVMB-Mitgliederzeitschrift “Morbus- Bechterew-Jour- nal”Wissenschaftliche Redaktion Michaeliburgstr. 15, D-81671 München Tel. (089) 493376, Fax (089) 49003836 E.Feldtkeller@t-online.de Abbildung 2

Zwei charakteristische Erscheinungen einer Uveitis im Zusammenhang mit Morbus Bechterew:

a) Rötung der Regenbogenhaut und ihrer Umgebung, b) in schweren Fällen Eiteransammlung in der vorderen Augenkammer

Tabelle 2

Vergleich bildgebender Verfahren zur Untersuchung der Iliosakralgelenk-Entzündung beim Morbus Bechterew

Nativ-Röntgen CT MRT Szintigraphie Ultraschall

Zeitaufwand (min) 3 2-7 30-40 180 20

Kosten () ca. 30 120-200 350-400 400-500 ca. 130

mit Kontrastmittel zusätzlich () 80 60

Strahlenbelastung (mSv) 1,5 6,5 0 5-8 0

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Wirksamkeit der Trainingstherapie - Ergebnisse

ausgewählter systematischer Reviews der Cochrane Library

Kurt Ammer

Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Physikalische Diagnostik, Wien

Einleitung

Medizinische Trainingstherapie (MTT) findet zur Zeit zunehmend und nicht nur im Fach Physikalische Me- dizin allgemeine Rehabilitation Beachtung. Auch wenn nicht immer eindeutig zwischen Trainingstherapie und Übungsbehandlung unterschieden wird, klärt sich lang- sam das therapeutische und präventive Potential der MTT.

Haber definiert Training als regelmäßige körperliche Belastung, die in der Lage ist, organische Wachstums-

prozesse zum Zweck der Erhaltung oder Verbesse- rung der funktionellen Kapazität von Organen, Or- gansystemen und Stoffwechselprozessen auszulösen.

Im englischen Sprachraum wird Physical Activity- körperliche Aktivität-als jegliche durch Skelettmus- kel bedingte, Energie verbrauchende Körperbewe- gung definiert. UnterExercise - Übung - versteht man eine Untergruppe der körperlichen Aktivität, die als geplante, strukturierte und repetitive Körperbewe- gungen definiert sind, die den Zweck haben eine oder mehrrere Komponenten der körperlichen Fitness -Leistungsfähigkeit- zu verbessern oder zu erhalten.

Methode

Die Sektion abgeschlossener systematischer Reviews der Cochrane Library wurde mit den Suchbegriffen

“physical training” oder “physical exercise” durch- sucht. Nur solche Arbeiten wurden ausgewählt, die sich schwerpunktmäßig mit Trainingstherapie be- schäftigen. Die untersuchten Erkrankungen und die beschriebenen Wirkgrößen der durch die Trainingsthe- rapie erzielte Symptomänderung wurde für 13 der 17 ausgewählten treviews tabellarisch aufgelistet.

Ergebnisse

Von ursprünglich 203 gefundenen Reviews wurden 17 ausgewählt (Tabelle 1).

Trainingstherapie bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)

Systematische Trainingstherapie plus Atemübungen mit oder ohne Schulung vermindert Dyspnoe und Er- schöpfung chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, und erhöht die Fähigkeit des Patienten seine Krankheit zu kontrollieren (2). Dieser Verbesserungen sind mit- tel ausgeprägt und klinisch bedeutsam. Bei Patienten mit schwerer Erkrankung waren die Effekte deutlicher als bei leicht Erkrankten. Supervidierte Programme waren wirksamer als nicht supervidierte Programme.

Die durchschnittliche Erhöhung der körperlichen Lei- stungsfähigkeit war mäßiggradig. Trainingstherapie hat einen wichtigen Platz im Behandlungskonzept von COPD-Patienten.

ZUSAMMENFASSUNG

Es werden systematische Reviews der Cochrane Library berichtet, die sich mit der Wirksamkeit von Trainingstherapie beschäftigen. Eine Wirksamkeit der Trainingstherapie konnte nicht bei allen unter- suchten Indikationen gefunden werden. Eine evi- dente Wirksamkeit ist hinsichtlich einer ver min- derten Dyspnoe bei der chronisch obstruktiven Lun- generkrankung, der verringerten Mortalität bei ko- ronarer Herzkrankheit und einer verbesserten Geh- fähigkeit bei Claudicatio intermittens nachweisbar.

Eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähig- keit kann bei Patienten mit Asthma, milder bis mit- telschwerer Herzinsuffizienz, chronischer Polyar- thritis, Fibromyalgie, Osteoporose und Rücken- schmerzen erzielt werden, die Bedeutung dieser er- höhten Fitness für den Krankheitsverlauf ist jedoch unklar.

EFFICACY OF PHYSICAL TRAINING- RESULTS FROM SELECTED SYSTEMATIC REVIEWS IN THE COCHRANE LIBRARY Systematic reviews related to the efficacy of physical training in patients were selected from the Cochra- ne Library. Efficacy of therapeutic training was not found in all indications investigated. Evidence was given for decreased dyspnoe in chronic obstructive pulmonal disease, reduced mortality in coronary heart disease and improved walking distance in claudicatio intermittens. Increased fitness can be achieved in patients with asthma, mild to moderate heart failure, rheumatoid arthritis, fibromyalgia, os- teoporosis amd back pain. However, the impact of this improved fitness on the course of the disease re- mains unclear.

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