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Der Verzicht auf Wachstum ist keine Lösung | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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33 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 1-2/2015

Stellungnahmen

Dr. Samuel Rutz Vizedirektor, Avenir Suisse

Gerade in den letzten Jahren stellte sich vermehrt die Frage, ob Volkwirtschaften immer weiter wachsen können. An düsteren Prognosen eines versiegenden Wachstums fehlt es nicht. Eine langfristige Betrachtung der Wachstumsentwicklung stützt solche Prognosen jedoch nicht. Zwar kann seit den 1970er-Jahren ein gewisser Rückgang des Trendwachstums festgestellt werden. Da- für verlief die wirtschaftliche Entwicklung weniger volatil als in der Vergangenheit:

Boom- und Rezessionsphasen fielen weni- ger heftig aus und erlaubten einen stabileren Wirtschaftsverlauf. Es gibt gute Gründe, weshalb kein komplettes Versiegen des Wachstums zu erwarten ist. In den Indus- trieländern ist heute der wichtigste Wachs- tumstreiber der technische Fortschritt.

Dieser lässt sich – wie die Geschichte zeigt – nicht erzwingen, aber auch nicht gänzlich unterbinden. Wahrscheinlich ist, dass auch in Zukunft kleinere und grössere Innovati- onen getätigt werden, die zu einem gewissen Wachstum führen – unabhängig davon, ob dieses als gut, schlecht, zu hoch oder zu tief empfunden wird.

Wachstum als Notwendigkeit?

Dass Wachstum unerwünschte Beglei- terscheinungen haben kann, ist unbestrit- ten. Forderungen, deshalb möglichst auf Wachstum und Wohlstand zu verzichten, schütten jedoch das Kind mit dem Bade aus, denn dadurch würden auch Innovationen verhindert, die zu einem besseren Wohler- gehen der Menschheit beitragen. Hand aufs Herz: Wer würde sich schon ernsthaft Zeiten ohne Farbfernsehen, Computer, Handy und Waschmaschine zurückwünschen? Zeiten, in denen es für viele Krankheiten noch keine Behandlungen gab und die Kinder- und die Müttersterblichkeit hoch waren? Und wer könnte es moralisch vertreten, solche Vor- teile des technischen Fortschritts für sich zu beanspruchen, sie jedoch Menschen in weni- ger entwickelten Regionen zu verweigern?

Eher nachvollziehbar sind hingegen Bedenken gegenüber einem «Wachstums- zwang»: Zentrale gesellschafts- und wirt- schaftspolitische Bereiche sowie Institu- tionen sind heute auf stetiges Wachstum angewiesen. Fällt es zu gering aus, besteht

die Gefahr, dass einzelne Länder ihre Staats- verschuldung endgültig nicht mehr tragen können, sich die Finanzierungslücken in Altersvorsorge, im Gesundheits- und Bil- dungswesen nochmals verschlimmern und der soziale Ausgleich gefährdet wird.

Wachstums nicht künstlich anheizen Ein Anheizen des Wachstums über ex- pansive Geld- und konjunkturstimulie- rende Fiskalpolitik ist hierbei keine Antwort auf diese Herausforderungen, denn solches Wachstum kann niemals nachhaltig sein.

Erst der Verzicht auf strukturerhaltende Massnahmen ermöglicht ein qualitatives Wachstum. Die beste Wachstumspolitik ist deshalb die Beseitigung aller das Wachstum und das Unternehmertum behindernden Regulierungen unter gleichzeitiger Aufhe- bung aller spezifischen, auf einzelne Regi- onen, Märkte, Produkte und Unternehmen fokussierten Förderung.

Diese Absage an gezielte staatliche Len- kung darf jedoch nicht als Votum für Untätigkeit missverstanden werden. Die geschilderten Probleme der heutigen Indust- rieländer müssen umgehend angepackt wer- den – und zwar mit konkreten Massnahmen.

Eine wirksame Schuldenbremse würde hel- fen, überbordende Staatsverschuldung und Finanzierungslücken in den Vorsorgewer- ken in den Griff zu bekommen. Eine libe- rale Ausgestaltung des Arbeitsmarktes und eine umsichtige Bildungspolitik können dazu beitragen, Arbeitslosigkeit zu verhin- dern und den sozialen Ausgleich zu fördern.

Höhere Kostenwahrheit im (öffentlichen und privaten) Verkehr könnte die Belastung der Infrastruktur mindern und die Um- weltqualität verbessern. Marktgerechte und zeitlich ausdifferenzierte Elektrizitätspreise würden korrekte Knappheitssignale aussen- den und zu einem effizienten Umgang mit Ressourcen beitragen.

Viele der von den Wachstumsskeptikern angesprochenen Probleme könnten so einer Lösung zugeführt werden. Diese Lösun- gen liegen allerdings nicht im Verzicht auf Wachstum, sondern viel eher im Verzicht, auf Kosten anderer und auf Kosten kom- mender Generationen zu leben.

Der Verzicht auf Wachstum ist keine Lösung

Wirtschaftswachstum steht heute – wie schon zu Beginn der 1970er-Jahre – wieder in der Kri- tik: Verschiedene Kreise fordern eine Abkehr vom «Paradigma des Wachstums». Während ein Teil der Wachstumsskeptiker düstere Prognosen eines versiegenden Wachstums an die Wand malt, betonen andere die unerwünsch- ten Begleiterscheinungen einer fortschreitenden wirtschaftli- chen Entwicklung. Ein komplet- tes Versiegen des Wachstums ist jedoch weder realistisch noch wünschenswert. Die Lösung für die aktuellen Probleme der In- dustrieländer liegt nicht in ei- nem Verzicht auf Wachstum, son- dern vielmehr im Verzicht, auf Kosten anderer und kommender Generationen zu leben.

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