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Anmerkungen zu Wachstum und Wohlstand in der Schweiz | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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36 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 6-2011

Wird die Schweiz ihre Wachstumsschwä- che überwinden? Folgende drei Punkte wer- den in den nächsten Jahren (und darüber hi- naus) von Bedeutung sein: die Finanzierung der öffentlichen Hand, die demographische Entwicklung und Immigration sowie die Verteilung von Einkommen und Vermögen.

Finanzierung der öffentlichen Haushalte Im Grossteil der anderen Länder hat die Wirtschafts- und Finanzkrise gewaltige Lü- cken in die öffentlichen Haushalte gerissen.

Die Staatsschuldenquote beträgt Ende 2011 im Euro-Raum voraussichtlich 94,8%, in Grossbritannien 88,7%, in den USA 98,5%

und in Japan 204,2%.5 Alle Prognosen deu- ten darauf hin, dass diese Defizite in den nächsten Jahren weiter steigen werden. Die Staatsschulden nehmen damit Grössenord- nungen an, die bisher in Friedenszeiten un- bekannt waren. In fast allen OECD-Ländern wird die Sanierung der Staatshaushalte das dominierende Thema der Wirtschaftspolitik der nächsten Jahre sein. Die Schweiz dagegen kann sich anderen Aufgaben widmen. Die Schuldenquote nimmt sich mit 41,1% im Jahr 2011 vergleichsweise gering aus. In 2009 konnte man als einziges OECD-Land sogar einen Budgetüberschuss verzeichnen. Die Belastung durch direkte Steuern hat sich in den letzten Jahren nicht erhöht, sondern ist sogar leicht zurückgegangen. Gelingt es, die damit verbundenen finanziellen Spielräume zu nutzen – und nachhaltige Weichenstel- lung im Bereich der Bildung, Gesundheit, Umwelt und Energie zu setzen –, wird die Schweiz mittelfristig einen Teil des in den 1990er-Jahren verlorenen Terrains wieder- gutmachen.

Demografische Entwicklung und Immigration

Die Schweiz weist seit langer Zeit eine sehr niedrige Geburtenrate auf. Bereits seit Mitte der 1970er-Jahre verharrt die totale Fertili- tätsrate bei 1,5. Die Konsequenz ist nicht nur ein stark zunehmendes Verhältnis von Ren- tenbezügern zu Erwerbstätigen, sondern auch eine Alterung der erwerbstätigen Bevöl- kerung. Eine grosse Herausforderung für Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik wird da-

rin bestehen, diesen Teil des Arbeitskräfte- potenzials durch adäquate Weiterbildungs- und Umschulungsmassnahmen produktiv einzusetzen. Noch bedeutsamer ist die Zu- wanderung ausländischer Arbeitskräfte. Wie die übrigen OECD Ländern setzt die Schweiz auf die Immigration hochqualifizierter Ar- beitskräfte – und dies mit Erfolg: Mitte der 1990er-Jahre waren nur 10% der Neuzuwan- derer sehr gut qualifiziert; heute sind es mehr als 30%.6 Als Land mit hoher Lebensqualität, attraktiven Wirtschaftsstandorten und ho- hen Löhnen wird es der Schweiz auch in Zu- kunft gelingen, hochqualifizierte Arbeitskräf- te zu attrahieren. Der Engpass besteht in der sozialen Integration von Immigranten. Die Schweiz wird verstärkte Anstrengungen un- ternehmen und kreative Ansätze finden müs- sen, um sozialen Spannungen vorzubeugen.

Verteilung von Einkommen und Vermögen

Die Wachstumsrate des Bruttoinlandpro- dukts (BIP) und des Pro-Kopf-Einkommens sind wichtige Indikatoren der Wirtschafts- kraft und des Wohlstandes. Sie geben aller- dings keine Auskunft darüber, wer von den Früchten des Wachstums profitiert. Das seit den 1970er-Jahren hohe Wachstum der USA wurde von einer starken Zunahme der Un- gleichheit begleitet. In den letzten Jahren gipfelte die soziale Ungleichheit sogar in eine Polarisierung, die durch starke Zuwächse an den Rändern der Einkommensverteilung und einem Wegbrechen der Mittelschicht ge- prägt ist. Die Verteilung der Schweiz war lan- ge relativ stabil; doch in den letzten Jahren tut sich auch hier die Lohnschere auf. Die höchsten Zuwächse haben Spitzenverdiener, die mittleren Einkommen wachsen weniger.

In einer solchen Situation tut die Wirt- schaftspolitik gut daran, dem Ziel einer ge- rechten Einkommensverteilung verstärktes Augenmerk zu widmen. Eine von der Bevöl- kerung als gerecht empfundene Einkom- mensverteilung ist die Basis für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, hohe gesellschaftli- che Kohäsion und sozialen Frieden. m

Anmerkungen zu Wachstum und Wohlstand in der Schweiz

Die Schweiz war im Jahr 1970 laut Angus Maddison1 noch das reichste OECD Land.2 Im Jahr 2008 hatte sich der Vorsprung der Schweiz gegenüber den USA in einen deutlichen Rückstand ver- wandelt.3 Die Wachstumsrate 1970-2008 betrug nur 1,04%, in den USA jedoch 1,61%. Der Wachstumsbericht (2008) des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigt, dass sich das erhöh- te Wachstum vor der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 hauptsäch- lich auf eine Beschäftigungs- zunahme stützt, während die Zuwachsraten der Arbeitsproduk- tivität auf niedrigem Niveau verharren.4

Prof. Dr.

Josef Zweimüller Institut für Volkswirt- schaftslehre, Universität Zürich

1 Angus Maddison (2009): Statistics on World Population, GDP and Per Capita GDP, 1-2008 AD.

2 Das Pro-Kopf-Einkommen (Gemessen in «1990 Inter- national Geary-Khamis Dollars») betrug in der Schweiz 16 904 US-Dollar gegenüber 15 030 US-Dollar der USA.

3 2008 betrug das Pro-Kopf-Einkommen der Schweiz 25 104 US-Dollar gegenüber 31 178 US-Dollar der USA.

4 Der Autor möchte Sandro Favre für seine Anregungen und Kommentare danken.

5 OECD (2011): Economic Outlook, Paris.

6 Schweizerische Lohnerhebung (BFS).

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