P O L I T I K LEITARTIKEL
D
ie Aufnahme der Ärzte in ei- ner speziellen Liste, die den Standardtarif-Versicher- ten (zur Zeit 2 000) zugestellt werden soll, soll gewährleisten, daß Privatkrankenversicherte die Ärztin oder den Arzt finden, die bereit sind, zu den eingeschränkten Bedingungen des PKV-Standardtarifs (Privatliqui- dation bis maximal dem 1,7fachen be- ziehungsweise dem 1,3fachen für Lei- stungen der Abschnitte A, E, O bezie- hungsweise des 1,1fachen für das La- bor) zu behandeln.Die Unterschriftenaktion ebenso wie das aktuelle Marktgebaren der PKV ist aus der Sicht der Bundesärz- tekammer kontraproduktiv, hat sie doch bereits Mitte 1994 allen Ärztin- nen und Ärzten empfohlen, die Be- dingungen des Standardtarifs anzuer- kennen (vgl. Deutsches Ärzteblatt, Heft 34-35/1994 und Heft 49/1994).
Das Anliegen, auf einen „schutzbe- dürftigen Personenkreis“ (über 65jährige mit einer mindestens 10jährigen Privatversicherungszeit) bei der ärztlichen Liquidation Rück- sicht zu nehmen, stieß bei der Ärzte- schaft auf Zustimmung, allerdings ist wiederholt auf die Versäumnisse der Privatassekuranz hingewiesen wor- den, rechtzeitig und ausreichend Al- terungsrückstellungen zu tätigen. Die Bereitschaft, ebenso wie beim Tarif der Privaten Studentischen Kranken- versicherung (PSKV) niedrigere Ver- gütungsbedingungen zu akzeptieren, um bestimmte Versicherungsgruppen finanziell nicht zu überfordern und den privatärztlichen Sektor zu stabili- sieren, ist dem Verband der privaten Krankenversicherung seitens der
Bundesärztekammer wiederholt zu- gesichert worden. Wegen der Be- fürchtungen des PKV-Verbandes, der Tarif würde wegen mangelnder Absi- cherung in der Amtlichen Gebühren- ordnung für Ärzte (GOÄ) und einer ursprünglich angestrebten vertragli- chen Abmachung (mit der KBV) von der Ärzteschaft nicht berücksichtigt, hat die Bundesärztekammer angebo- ten, die PKV möge sich in jenen Fäl- len an sie wenden, bei denen die Be- dingungen des Standardtarifs nicht anerkannt werden. Darüber hinaus war man bereit zu prüfen, ob die Ärz- tekammern auf regionaler Ebene die- jenigen Ärztinnen/Ärzte erfassen können, die bereit sind, zu den Bedin- gungen des Standardtarifs zu liquidie- ren.
Eine darüber hinausgehende bundesweite „Listen“-Aktion oder gar ein Vertragsabschluß ist unter den gegenwärtigen Bedingungen und un- ter Berücksichtigung der eindeutigen Empfehlungen der Bundesärztekam- mer von 1994 völlig überflüssig.
Strategie der PKV
Was mag den Verband der priva- ten Krankenversicherung veranlaßt haben, dennoch aufwendige und bürokratische Aktionen zu starten, um Listen von Ärzten zu erstellen, die sich dem Standardtarif unterwerfen?
Mit Sicherheit steckt auch ein Stück Strategie der PKV dahinter. Die Un- terschriftenaktion bedeutet für die private Krankenversicherung mehr als nur eine finanzielle Absicherung eines zwar gesetzlich vorgeschriebe-
nen, jedoch wegen des zur Zeit noch relativ kleinen Versichertenkreises geschäftlich irrelevanten Tarifwerks.
Der PKV-Verband hatte bisher stets versichert, daß die Privatversi- cherten auch im Alter zu angemesse- nen Prämien die gewohnten pri- vatärztlichen Leistungen erhalten sol- len – ebenso wie eine wahlärztliche Behandlung im Krankenhaus, die al- lerdings für Standardtarif-Versicherte ausgeschlossen ist. Die „Normaltari- fe“ sollten durch Alterungsrückstel- lungen und weitere Maßnahmen so ausgestattet werden, daß dieses Ziel ohne Leistungseinschränkungen er- reicht werden kann.
Die ominöse Unterschriftenakti- on bei Ärzten zur Anwendung des Standardtarifs kann deshalb mit Recht als ein Versuchsballon bezeich- net werden, um weitere die Budgets der PKV schonende Wettbewerbsta- rife durchzusetzen. Dies müßte auch die Beziehungen zwischen Ärzten und privaten Versicherungsgesell- schaften zwangsläufig beeinträchti- gen. Das PKV-Befragungsprojekt birgt für die Ärzteschaft Risiken. Das größte besteht darin, daß infolge der auch von Anzeigen begleiteten Akti- on – wie schon erkennbar – Wider- stände der Ärzte gegen den Stan- dardtarif geschürt werden und dieser ins Leere läuft.
Die bisherige Bereitschaft, die Bedingungen des Standardtarifs an- zuerkennen, könnte in eine konse- quente Ablehnung umschlagen, die die PKV in die Lage versetzt, erneut eine gesetzliche Absicherung des Standardtarifs in der GOÄ einzufor- dern. Renate Hess, BÄK, Köln A-1157 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 18, 3. Mai 1996 (17)