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Archiv "Englischesprachige Studien nicht überlegen" (17.05.1996)

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D

as Sjögren-Larsson-Syndrom (SLS) ist eine seltene autoso- mal rezessive Erbkrankheit, die durch drei Symptome ein- deutig gekennzeichnet ist: eine kon- genitale generalisierte Ichthyosis, bis zur Pubertät progrediente Para- oder Tetraspastik und mäßige bis schwere mentale Retardierung. Ein charakte- ristisches Merkmal bilden

auch die glitzernden Einlage- rungen in der Makula der Netzhaut.

Obwohl Patienten mit diesen Krankheitszeichen schon früher beschrieben wurden (2), ist das Syndrom erst 1957 von den Stockhol- mer Psychiatern Torsten Sjö- gren und Tage Larsson abge- grenzt worden (11). In Schweden wird es auch „Vä- sterbottenkrankheit“ ge- nannt, stammen doch ein Drittel der bisher publizier- ten Patienten aus der Region

Västerbotten (4). Weltweit wurden mehr als 200 Patienten aus minde- stens 23 Ländern mitgeteilt, vor al- lem aus Großbritannien, Frankreich, Italien und den USA, aber auch aus verschiedenen anderen Ländern. Bis 1980 waren aus Deutschland 16 Pati- enten mitgeteilt worden (3, 13).

In Nordbayern haben wir in den letzten Jahren nicht weniger als zehn neue Patienten mit SLS untersucht.

Wir vermuten, daß diese räumlich be- grenzte Häufung des außerhalb Schwedens seltenen Syndroms nicht zufällig ist, sondern historisch erklärt werden kann.

Klinik

Bei Geburt besteht in den mei- sten Fällen bereits eine generali- sierte, oft erythroderme Ichthyosis, die sich im Laufe der Kindheit ver- stärkt (Abbildung 1).Prädilektions- orte sind der Nacken, die Achseln,

die Beugeseite der Extremitäten und der Unterbauch, welche häufig li- chenifiziert und gelblich-bräunlich verfärbt sind (Abbildung 2). Die restliche Haut, einschließlich der Kopfhaut, kann feinlamellär oder grobschuppend verändert sein. Das Gesicht ist weniger stark betroffen.

Der intensive Juckreiz, an dem viele

Kranke leiden, wird durch Kratzspu- ren angezeigt. Histologisch handelt es sich um eine Proliferations-Hy- perkeratose (1).

Die Muskulatur der Säuglinge ist zunächst hypoton. Im Laufe der er- sten Lebensjahre entwickeln sie eine spastische Tonuserhöhung mit deutli- cher Betonung der Beine. Spitzfuß- stellung und Kontrakturen der Knie- und Hüftgelenkte als Folge der Spa- stik sind die Regel. Häufig besteht ei- ne Adduktions-Kontraktur des Dau- mens, Kontrakturen der oberen Ex- tremitäten sind dagegen selten. Nach der Pubertät ist die Spastik nicht mehr progredient, die meisten Patienten sind dann bereits gehunfähig. Ein Viertel der Sjögren-Larsson-Patien- ten weist eine Kyphose der Brustwir- belsäule auf; ein Drittel ist minder- wüchsig. Etwa die Hälfte der Pa-

tienten leidet unter zerebralen Krampfanfällen (4).

Die mentale Retardierung äußert sich zunächst in einer verzö- gerten Sprachentwicklung. Das end- gültige Sprachvermögen geht über die Bildung einfacher kurzer Sätze nicht hinaus, zum Teil können nur einzelne Silben geäußert werden. Das Sprach- verständnis ist dagegen meist zufrie- denstellend, so daß einfache Auffor- derungen verstanden und befolgt werden. Die Betroffenen sind im all- gemeinen von freundlich zugewand- tem Wesen.

Vom vierten Lebensmonat an können glitzernde Einlagerungen („glistening dots“) im Makulabe- reich der Retina nachgewiesen wer- den, die als pathognomonisch gelten (Abbildung 3). Sie stellen das mor- phologische Korrelat einer fettigen Degeneration der retinalen Mikro- glia dar (3). Daneben können ver- schiedenartige Netzhautdegenera- tionen wie bei einer Retinopathie oder einer Makuladystrophie auftre- ten. Eine häufige Blepharitis und Ke- ratitis ist Ausdruck der ektoderma- len Störung.

Differentialdiagnose und pränatale Diagnostik

Die Diagnose des SLS kann be- reits aufgrund der klinischen Befunde zuverlässig gestellt werden. Die prä- natale Diagnostik war früher auf die, nicht immer zuverlässige, fetoskopi- sche Hautbiopsie angewiesen. Seit kurzem kann die Diagnose durch den Nachweis der Speicherung von Fettal- dehyden in kultivierten Zellen aus Fruchtwasser gestellt werden (9, 12).

Bald dürfte jedoch eine molekular- biologische Diagnostik aufgrund der neueren Erkenntnisse möglich sein.

Differentialdiagnostisch muß das sehr seltene RUD-Syndrom in Erwä- gung gezogen werden. Typisch dafür sind eine erythrodermatische konge-

A-1330 (42) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 20, 17. Mai 1996

M E D I Z I N AKTUELL

Das Sjögren-Larsson-Syndrom in Deutschland

Zufall oder eine Folge des Dreißigjährigen Krieges?

Cordula Braun-Quentin Klaus D. Bathke Rudolf A. Pfeiffer

Abbildung 1: Ichthyose bei SLS. Prädilektionsstellen sind die Beu- geseiten der Gliedmaßen und der Bauch

Institut für Humangenetik (Direktor: Prof. Dr.

med. Rudolf A. Pfeiffer) der Friedrich-Alexan- der-Universität Erlangen-Nürnberg

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nitale Ichthyosis, mentale Retardie- rung, Hypogonadismus und zerebrale Krampfanfälle. Eine spastische Pa- rese fehlt.

Daneben kommen folgende Stoffwechseldefekte in Frage: das Refsum-Syndrom (Ichthyosis vulga- ris, Retinopathie, zerebelläre Ataxie, Polyneuritis, Innenohrschwerhörig- keit), die Ahornsirupkrankheit (Pho- todermatose, progrediente mentale

Retardierung, Spastik und Linsentrü- bung) und das Hartnup-Syndrom (Photodermatose, zerebelläre Ataxie, Pyramidenbahnzeichen, mentale Re- tardierung).

Prognose

Die Lebenserwartung der Kran- ken wird auf etwa 30 bis 40 Jahre ge- schätzt. Es sind aber auch ältere Pati- enten bekannnt. Todesursache waren früher meist Infektionen, vor allem Peumonien.

Therapie

Die Therapie ist ausschließlich symptomatisch. Für die Hautverän- derungen werden Ölbäder und rück- fettende Cremes empfohlen. Im Kin- desalter werden gute Erfolge mit Nachtkerzenöl (Gamolensäure) er- zielt. Regelmäßige Einnahme von niedrig dosierten Vitamin-A-Deriva- ten (0,25 mg/kg Körpergewicht) führt zu einer Rückbildung der Verhor- nung. Die Reduktion der Nahrungs- fette, ja sogar ausschließliche Fettzu- fuhr in Form von mittelkettigen oder

von ungesättigten Fettsäuren haben einen positiven Effekt auf die Haut.

Zur Behandlung der Spastik, vor al- lem zur Kontrakturprophylaxe wird eine regelmäßige Krankengymnastik empfohlen, der Einsatz von Antispa- stika, vorsichtig dosiert, kann ver- sucht werden.

Oft ist die operative Korrektur der Kontrakturen (Z-Plastik der Achillessehnen, Adduktorentrennung vom Femur) erforderlich.

Viele Patienten benötigen eine Sehhilfe, die die Re- fraktionsanomalie aus- gleicht, sowie Verdunke- lungsgläser wegen der Lichtempfindlichkeit.

Pathogenese und Ätiologie

Beim SLS wurde eine Vermehrung der Fettalko- hole und Fettaldehyde im Plasma, vor allem aber in Fibroblasten nachgewie- sen. Diese ist, wie die Untersuchun- gen von Rizzo und seiner Arbeits- gruppe (8, 9) gezeigt haben, Folge ei- ner verminderten Aktivität eines En- zymkomplexes, der Fettalkohol- NAD+-Oxydoreduktase (FAO), der die Oxydation des Fettal-

kohols zu Fettaldehyden und weiter zu Fettsäuren katalysiert. Inzwischen wurde festgestellt, daß nur die Untereinheit des FAO, welche die Funktion der Fettaldehyddehydrogenase (FALDH) hat, verändert ist. Dadurch erscheinen langkettige, nicht abgebau- te Fettaldehyde angerei- chert, nicht jedoch ungesät- tigte Fettsäuren. Die toxi- sche Wirkung der starken Anreicherung von langket- tigen Fettalkoholen in Zel-

len der Haut und des Gehirns ist noch nicht geklärt. In der Haut könnten die Fettalkohole zu einer Verschiebung der Lipidzusammensetzung führen und somit ichthyosiforme Hauter- scheinungen verursachen.

Mit molekulargenetischen Me- thoden wurde das SLS auf dem kur- zen Arm des Chromosom 17 (genau-

er: 17p11.2) lokalisiert. Der Beweis, daß die Fettaldehyd-Dehydrogenase am gleichen Genort kodiert wird, wurde kürzlich geliefert (10).

Genetik

Das SLS ist eine typische autoso- mal-rezessive Erbkrankheit, da sie praktisch nur in Geschwistern und bei beiden Geschlechtern in der gleichen Ausprägung in Erscheinung tritt. Bei- de Eltern eines Kranken sind (hetero- zygote) Anlageträger, aber klinisch gesund. Für Kinder besteht deshalb ein Krankheitsrisiko von 25 Prozent.

Das Gen, das zunächst durch ano- nyme Marker begrenzt worden war, scheint jetzt sequenziert zu sein. Es sollen bereits Mutationen nachgewie- sen worden sein, die eine verminderte Aktivität der FALDH befriedigend erklären. Die direkte Genanalyse ist daher in Zukunft möglich und ersetzt die bis dahin angebotene indirekte Genomdiagnostik. Diese geht davon aus, daß man mehrere bekannte

„Marker“-Sequenzen mit mehreren Allelen in der Nachbarschaft des Gen- ortes nachweist. Dadurch wird das Chromosom charakterisiert, welches das mutierte Gen enthält. Vorausset- zung ist allerdings, daß DNA des Be-

troffenen und seiner Eltern und even- tuell seiner gesunden Geschwister zur Verfügung steht. Da die Markerse- quenzen dem Genort nicht unmittel- bar benachbart sind oder sich sogar in- nerhalb des Gens befinden, sind (meiotische) Rekombinationen mög- lich, durch die das Ergebnis verfälscht werden kann. Rekombinationen zwi-

A-1332

M E D I Z I N AKTUELL

(44) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 20, 17. Mai 1996 Abbildung 2: Lichenifizierte und gelb-bräunlich verfärbte, schuppende Haut im Nacken bei einem Patienten mit SLS

Abbildung 3: Augenhintergrund eines Patienten mit SLS und glitzern- den Einlagerungen („glistening dots“) im Makulabereich

Foto: Frau Prof. Dr. U. Mayer, Univ.-Augenklinik Erlangen

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schen zwei Genen infolge crossing over erfolgen um so seltener, je enger zwei gekoppelte DNA-Abschnitte be- nachbart sind. Als zuverlässigster Marker wurde D17S805 bezeichnet, der jedoch noch etwa 600 kb (0,6 cM) vom Gen entfernt sein dürfte (7). Im Einzelfall muß auch geprüft werden, ob die Familie überhaupt infor- mativ ist, das heißt daß der Mar- ker heterozygot vorhanden ist.

Daher werden mehrere Marker zugleich untersucht, die zusam- mengenommen den Haplotyp des Chromosoms ergeben. Bei diesen Untersuchungen fiel auf, daß das Allel 3 der anonymen Se- quenz D17S805 gehäuft mit einer Mutation des Gens für das SLS vorkommt (7). In diesen Fällen

„markiert“ dieses offenbar das Chromosom 17, auf dem eine Mutation für das SLS liegt.

Wenn, wie man annehmen kann, Träger mit dem gleichen Allel wahrscheinlich gemeinsame Vor- fahren haben, kann Weg und Ver- breitung der Mutation in einer Population sichtbar werden.

Es ist aber auch nicht von vornherein auszuschließen, daß ein weiteres an der Oxydoreduk- tion der gleichen Fettsäuren be- teiligtes Enzym defekt ist. Dieses zweite Gen wäre an einer ande- ren Stelle des Genoms zu suchen und mit der indirekten Genom- diagnostik des ersten Gens nicht nachzuweisen. Ein Beispiel dafür könnte eine Beobachtung (5) sein, bei der die Erscheinun- gen des SLS und eine normale FAO- Aktivität festgestellt wurden.

Geschichtliches

Warum tritt in einer Region Deutschlands ein Syndrom gehäuft auf, das hauptsächlich in Schweden beobachtet wird? Eine plausible Er- klärung könnten die historischen Er- eignisse in Mitteleuropa liefern.

Während des Dreißigjährigen Krie- ges, genauer, während des Schwe- denkrieges von 1632 bis 1635, hielten sich schwedische Soldaten unter Kö- nig Gustav II. Adolf in den fränki- schen Städten Nürnberg und Fürth auf, die es mit den Schweden hielten.

Im Juli 1632 errichtete die „Schwedi- sche Royal Armee“, die aus 18 000 Personen, davon 15 Prozent Schwe- den, bestand, ein Lager in Nürnberg und blieb dort bis nach einer Schlacht an der Alten Veste nahe Fürth am 3. September 1632. Im Juli 1632 setzte eine Massenflucht der da-

mals überwiegend protestantischen Bevölkerung des Nürnberger Um- lands in die schwedischen Verschan- zungen ein. Bis Ende September 1632 und zum Teil noch länger lebten annähernd 100 000 fränkische Flüchtlinge mit der schwedischen Royal Armee zusammen. Kontakte zwischen der Bevölkerung und den schwedischen Soldaten sind somit gut vorstellbar. Deshalb vermuten wir, daß die Prävalenz des SLS in Nordbayern auf schwedische Solda- ten zurückgeht, die zufällig die Anla- ge zu SLS hatten. Diese geogra- phisch-historische Hypothese wird gestützt durch die Tatsache, daß die uns bisher bekannten Patienten in Berlin, Weimar und Erfurt aus Ge-

genden entlang der schwedischen Feldzüge stammen.

Nach der Landung im Juli 1630 auf Rügen und der Besetzung von Stettin errichtete die schwedische Ar- mee ihre Winterquartiere 1630/31 in Neubrandenburg, Demmin, Anklam und Alt-Treptow. Mitte Mai 1631 marschierte die schwedische Armee durch Berlin und über Spandau nach Potsdam. Am 2.

Oktober 1631 wurde die Fes- tung Petersburg in Erfurt be- setzt. Im November des fol- genden Jahres kam das schwe- dische Heer nochmals durch Erfurt auf dem Weg nach Lüt- zen, wo König Gustav II.

Adolf am 16. November 1632 tödlich verwundet wurde.

Die Grafik zeigt die Feld- züge Gustav II. Adolfs von Schweden und zusätzlich die Herkunft von 17 deutschen Patienten, deren Geburtsort bekannt ist. Die Übereinstim- mung läßt sich nicht überse- hen. Bei den publizierten Fäl- len aus Deutschland wird Blutsverwandtschaft der El- tern – ein Indiz für die Selten- heit eine rezessiven Gens – nicht erwähnt. Die Eltern un- serer Patienten wie auch die Familien unter sich sind, so- weit feststellbar, ebenfalls nicht miteinander verwandt.

Dies könnte bedeuten, daß die Genfrequenz in dieser Be- völkerung so groß ist, daß es keiner Blutsverwandschaft zum Auftreten der Erkrankung be- darf. Es ist jedoch auch möglich, daß nicht nur in anderen entfernten Bevölkerungen, sondern auch in Deutschland unabhängige Neumuta- tionen aufgetreten sind. Beide Hypo- thesen werden sich bald prüfen las- sen, wenn die Mutationen direkt un- tersucht werden.

Bislang ist man auf die Untersu- chung des Haplotyps des Chromo- soms angewiesen, das die Mutation enthält. In den deutschen Familien, die daraufhin im Institut für Medizi- nische Genetik der Universität Upp- sala analysiert wurden, ist dieser je- doch nicht mit dem der schwedischen Fälle identisch, denn anstelle des von der Sonde D17S805 detektierten Al-

A-1333

M E D I Z I N AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 20, 17. Mai 1996 (45) Herkunftsorte (Punkte) der uns bekannten Familien mit SLS und Feld-

züge (Linien) von König Gustav II. Adolf im Dreißigjährigen Krieg

Die Landkarte wurde aus Meyers Enzyklopädischem Lexikon (Stichwort: Mitteleuropa) entnommen. Nachträglich bearbeitet von Herrn Dr. H. Weigmann, Fürth.

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A-1335

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 20, 17. Mai 1996 (47) lels 3 fand sich das Allel 2 (Persönli-

che Mitteilung September 1995).

Man könnte sich allerdings vorstel- len, daß bei zufällig einem Schweden durch eine Rekombination das Allel 2 das ursprüngliche Allel ersetzt wur- de, so daß trotzdem die gleiche Muta- tion wie bei den schwedischen Patien- ten vorliegt.

In jedem Fall könnte ein „Grün- der-Effekt“ vorliegen, besonders wenn man nur Patienten aus dem nordbayerischen Raum betrachtet.

Darunter versteht man die Ausbrei- tung einer Erbkrankheit in einer geo- graphisch begrenzten Region und Be- völkerung, die auf einen Träger der Mutation zurückgeführt werden kann.

Dies scheint für Västerbotten zu- zutreffen, denn wahrscheinlich haben alle Patienten aus der Region Väster- botten einen gemeinsamen Vorfah- ren, der im Jahre 1327 mit der ersten organisierten Einwanderung nach Västerbotten kam. In der Herkunfts- region dieses Vorfahren kommt das in Schweden im übrigen seltene SLS ebenfalls vor. Die Nord-Süd-Vertei- lung unserer Patienten (Grafik) erin- nert zugleich auch an die Verschlep- pung einer Mutation, wie sie für Hä- moglobinopathien entlang der Sei- denstraße gezeigt wurde (6).

Unsere erste Vermutung, daß al- le Patienten mit dem SLS in Deutschland die Nachkommen eines

oder mehrerer schwedischer Solda- ten aus dem Dreißigjährigen Krieg sein könnten, wäre bewiesen, wenn die molekularen Mutationen bei den schwedischen Kranken bekannt sind und mit denen unserer Patienten identisch wären. Auch wenn dies nicht zutrifft, sind interessante Hin- weise auf die Verbreitung und Aus- wirkung bestimmter Mutationen auf das klinische Erscheinungsbild zu er- halten. Bei unseren Patienten war die Ausprägung der Krankheit in ei- nigen Familien bemerkenswert ge- ring.

Das SLS ist ein anschauliches Bei- spiel dafür, welche Bedeutung neuen molekulargenetischen Erkenntnissen für die Klinik, aber auch für die Ver- breitung einer Erbkrankheit zukom- men kann. Es wäre daher nicht ver- wundernswert, wenn gerade in dem hier historisch festgelegten geographi- schen Korridor noch mehr Familien mit dem SLS bekannt würden.

Schlußbetrachtung

Das Sjögren-Larsson-Syndrom (SLS) ist eine autosomal rezessive Erbkrankheit, die durch eine konge- nitale generalisierte Ichthyosis, eine bis zur Pubertät progrediente Para- oder Tetraspastik und mäßige bis schwere mentale Retardierung ein- deutig gekennzeichnet ist. Bioche-

misch liegt eine verminderte Akti- vität der Fettalkohol-NAD+-Oxi- doreduktase (FALDH) vor. Moleku- largenetisch wurde das Gen auf Chromosom 17 in der Region p11.2 lokalisiert und jetzt sequenziert. Es scheint mit dem für FALDH iden- tisch zu sein. Die vorgeburtliche Dia- gnostik, die mittels biochemischer Untersuchungen und durch indirekte Genomdiagnostik möglich ist, dürfte bald durch die direkte Genanalyse er- setzt werden.

In Nordbayern wurden in den vergangenen Jahren zehn Patienten mit dieser seltenen, nur in einer be- grenzten Region Schwedens häufigen Erkrankung erkannt. Deshalb wird erwogen, daß die Mutation eine Hin- terlassenschaft der schwedischen Feldzüge während des Dreißigjähri- gen Krieges sein könnte.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-1330–1335 [Heft 20]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Rudolf A. Pfeiffer Institut für Humangenetik Friedrich-Alexander-Universität Schwabachanlage 10

91054 Erlangen AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT

Es gibt für anglophone Autoren keinen Grund, sich beim Abfassen einer Metaanalyse auf Studien aus englischsprachigen Zeitschriften zu beschränken. Denn Arbeiten aus deutsch-, französisch-, italienisch- oder spanischsprachigen Zeitschrif- ten sind keineswegs schlechter, und ei- ne Metaanalyse ohne Verwendung solcher Quellen könnte sogar verzerr- te Ergebnisse bringen.

Dies ist das Ergebnis einer Un- tersuchung von kanadischen, deut- schen, schweizerischen und italieni- schen Forschern: Sie untersuchten Berichte über randomisierte kontrol- lierte Studien in sieben englischspra- chigen und sechs anderen Zeitschrif-

ten nach standardisierten Vorgaben und fanden keine Qualitätsunter- schiede. Gewisse Andersartigkeiten nichtenglischer Studien sind zwar vor- handen, berechtigen jedoch nicht eine mindere Bewertung.

So sind in diesen Studien häufiger erwachsene Teilnehmer beteiligt, sie haben häufiger mehrere Versuchsar- me, oder sie vergleichen öfter zwei oder mehr aktive Therapien ohne un- behandelte Kontrollgruppe. Schließ- lich werden in nicht englischsprachi- gen Studien weniger oft die Teilneh- mer mitgeteilt, die während einer Stu- die ausgeschieden sind. Die Autoren raten ihren anglophonen Kollegen, sich bei der Vorbereitung einer Meta-

analyse der Hilfe sprachkundiger Universitätsmitglieder auch anderer Fakultäten und von – in Amerika häu- fig vorhandenen – Einwandererge- meinden zu bedienen.

Bei der Materialsuche sollte man sich nicht auf die Elektronik verlassen: In Medline sind fremd- sprachige Zeitschriften unvollständig

vertreten. bt

Moher D, Fortin P, Jadad AR, Jüni P, Klassen T, Le Lorier J, Liberati A, Linde K, Penna A: Completeness of reporting of trials in languages other than English:

implications for conduct and reporting of systematic reviews. Lancet 1996; 337:

363–366

David Moher, Clinical Epidemiology Unit, Loeb Medical Research Institute and Department of Medicine, University of Ottawa, 1053 Carling Avenue, Ottawa, Ontario K1Y 4E9, Kanada

Englischesprachige Studien nicht überlegen

Referenzen

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