• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Von der„ Bremer Richtlinie” zur Weiterbildungsordnung" (03.09.1987)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Von der„ Bremer Richtlinie” zur Weiterbildungsordnung" (03.09.1987)"

Copied!
8
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Hans J. Sewering

Von der„ Bremer Richtlinie”

zur Weiterbildungsordnung

Dieser Überblick über die Geschichte der Wei- terbildungsordnung (früher Facharztordnung) in Deutschland seit dem Jahre 1924 zeugt von der or- ganischen Fortentwicklung des Weiterbildungs- rechtes. Der Artikel basiert auf dem Referat des Verfassers vor dem Plenum des 90. Deutschen Ärztetages in Karlsruhe. Der diesjährige Ärztetag hatte im Mai die Weiterbildungsordnung grundle- gend überarbeitet. Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Joachim Sewering ist seit 30 Jahren Vorsitzender der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer.

D

er Gesetzgeber hat der ärztlichen Selbstverwal- tung zwei Aufgaben übertragen, die für uns Ärzte, aber vor allem für die ganze Bevölkerung unseres Landes, von besonders hoher Be- deutung sind, nämlich die Gestal- tung und Durchführung der Berufs- ordnung und der Weiterbildungs- ordnung. Beide können deshalb, und das muß man immer wieder be- tonen, keine berufspolitischen In- strumente sein, sondern sie sind Ordnungen, die gewährleisten sol- len, daß den hilfesuchenden Men- schen ethisch und fachlich hochqua- lifizierte Ärzte zur Verfügung ste- hen. Die Bevölkerung hat darauf ei- ne ganz eindeutigen Anspruch. Dar- aus ergibt sich aber auch, daß mit der Weiterbildungsordnung keine Nachwuchsprobleme gelöst werden können, daß sich die ärztliche Selbstverwaltung der mit dieser Auf- gabe verbundenen Verantwortung stets bewußt war, zeigen die Nieder- schriften über Jahrzehnte. Viele deutsche Ärztetage zwischen dem Ersten Weltkrieg und 1933 und nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum heutigen Tage haben sich mit der

Fortentwicklung der Berufsordnung und der Facharztordnung — später Weiterbildungsordnung genannt — befaßt.

Die „Bremer

Richtlinie" von 1924

Die erste Facharztordnung ist in Bremen auf dem Deutschen Ärzte- tag 1924 beschlossen worden. Sie hatte die Überschrift „Leitsätze zur Anerkennung und praktischen Tä- tigkeit von Fachärzten". Sie wurden dann später kurz „Bremer Richtli- nie" genannt. Aber schon dieser Be- schlußfassung und Beratung im Jah- re 1924 gingen lange Diskussionen voraus; es ist nicht uninteressant, aus dem, was man zu diesem Thema meinte und sagte, einige Sätze zu zi- tieren. Der damalige Berichterstat- ter, Kollege Kustermann aus Mün- chen, führte in seinem Referat aus:

• „Die ärztliche Wissenschaft hat seit Mitte des vorigen Jahrhun- derts eine ungeahnte Erweiterung und Vertiefung erfahren. Es wurde dadurch eine Teilung in verschiede- ne Spezialgebiete bedingt. Dies führte zu der Entwicklung des Spe-

zialistentums, dessen Vertreter sich durch Sonderstudium besondere Kenntnisse und Erfahrungen sowie eine gesonderte technische Ausbil- dung erwarben. Dieses Spezialisten- tum wurde noch gefördert durch die Neigung des Publikums, bei Erkran- kungen unter Umgehung des prakti- schen Arztes sofort die Hilfe eines Spezialarztes in Anspruch zu neh- men. Die notwendige Folge davon war, daß der praktische Arzt in den Hintergrund gedrängt und der alte, bewährte Hausarzt zum Verschwin- den gebracht wurde, sowohl in der Privat- als in der Kassenpraxis. Die so hervorgerufene Schädigung des praktischen Arztes führt dazu, daß auch praktische Ärzte sich noch ne- ben ihrer Allgemeinpraxis einer Spezialität zuwandten und so eine dritte Klasse von Ärzten entstand, der praktische Arzt und Facharzt.

Dies mußte im weiteren Verlauf ei- ne gewisse Verwirrung bedingen, zum Schaden des Publikums wie auch zum Schaden des Ansehens des Ärztestandes. Diese Mißstände durch gesetzgeberische Maßnahmen zu beheben, ist schwer möglich, da dies eine Änderung der Gewerbe- ordnung, in welche bedauerlicher- weise der Ärztestand eingereiht wurde, bedingen würde. Die Arzte- schaft lehnt einmütig einen gesetzge- berischen Eingriff ab und ist ent- schlossen, über die Bestimmungen der Gewerbeordnung hinaus durch eigene, frei auferlegte Standesbe- stimmungen klare Verhältnisse zu schaffen. Der praktische Arzt soll als Hausarzt wieder in seine frühe- ren Rechte eingesetzt werden, der Facharzt soll aufgrund eines Nach- weises von mehrjährigem Sonder- studium durch einen ärztlichen Prü- fungsausschuß als solcher anerkannt werden. Er muß sich jedoch auf sein Spezialgebiet beschränken und darf keine hausärztliche Praxis ausüben.

1

(2)

Die Verbindung von praktischem Arzt und Facharzt wird als standes- unwürdig verboten."

Diese Ausführungen des seiner- zeitigen Berichterstatters haben eine unvermutete Aktualität. In einer Vorausschau auf den Bremer Ärzte- tag schreibt ein Kollege, der seinen Artikel nicht namentlich gezeichnet, sondern damals sehr häufig als „me- diens rusticus" geschrieben hat:

„Noch einen bedenklichen Zug der heutigen Zeit müssen wir auch in der Facharztfrage feststellen. Es ist dies die Neigung zur immer weitergehen- den Zersplitterung in alle möglichen Miniaturfächer. Diese ergibt zwar gewiß auf dem engen Gebiet eine gewaltige Steigerung der Leistung, erzeugt aber ein röhrenförmig einge- engtes Gesichtsfeld. Hier muß zum Wohle des Ganzen unbedingt ge- bremst werden, sonst führt diese Entwicklung zum Ruin wirklich wis- senschaftlichen Denkens. Das Ziel der Ausbildung, ihr höchstes Ideal hat der Vollarzt zu bleiben, die all- seitig geschulte und harmonisch ent- wickelte wissenschaftliche Persön- lichkeit. Von den heutigen Facharzt- gruppen (damals 1924) nähert sich diesem Ideal am meisten der Chir- urg, denn er ist Vollarzt im wahrsten Sinne des Wortes. Sein Objekt ist der ganze Mensch, nicht nur ein Or- gansystem. Facharzt ist er nur inso- fern, als seine Methodik einer be- sonderen Ausbildung bedarf. Der beste Chirurg wird demgemäß auch stets der sein, der nicht bloß als Handwerker elegant zu operieren weiß, sondern der die Innere Medi- zin beherrscht und noch mehr mit dem Kopf als mit geschickten Hän- den arbeitet. Dem nahe steht der Frauenarzt, denn gerade der Gynä- kologe besten Zuschnittes behandelt nicht nur das kranke Genitalorgan, sucht nicht der Frauen Ach und Weh aus einem Punkte zu kurieren, son- dern setzt sich die Behandlung der ganzen Persönlichkeit zum Ziel.

Ebenso ist der Internist mehr als Vollarzt denn als Facharzt im enge- ren Sinne zu bezeichnen, in gewis-

sem Sinne auch noch der Nerven- arzt."

Was mich beim Studium der Li- teratur der damaligen Zeit so beson- ders beeindruckt hat, ist, wie gesagt, die Aktualität der Aussage. Die Pro- bleme standen damals eigentlich ge- nauso im Raume wie heute. Wie weit kann man die Medizin, wie weit muß man sie spezialisieren? Man hatte seinerzeit schon die Problema- tik der Zusammenarbeit der Kolle- gen in der freien Praxis, also zwi- schen dem Hausarzt, dem prakti- schen Arzt und den Spezialisten, er- kannt. Man hatte schon die Sorge, daß das Publikum am Praktiker, am Hausarzt vorbei den Spezialisten aufsucht. Also die eigentlich glei- chen Fragen, mit denen wir uns heu- te beschäftigen. Auch der Grundsatz der Abgrenzung wurde damals ge- boren und zieht sich wie ein Leitfa- den durch all die Jahrzehnte bis zur jetzigen Weiterbildungsordnung.

In Bremen hat man 14 Facharzt- bezeichnungen geschaffen: Innere Medizin, Magen-Darm-Stoffwech- sel, Lungenkrankheiten, Kinder- krankheiten, Chirurgie, Frauen- krankheiten und Geburtshilfe, Krankheiten der Harnwege, Ner- ven- und Geisteskrankheiten, Or- thopädie, Augenkrankheiten, Hals- Nasen-Ohrenkrankheiten, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Zahn- Mund-Kieferkrankheiten , Röntge- nologie und Strahlenheilkunde.

Als Weiterbildungszeit wurde für Chirurgie, Frauenheilkunde und Innere Medizin vier Jahre, für alle übrigen Fächer drei Jahre festge- setzt. In den Leitsätzen finden sich dann als Konsequenz aus den Aus- führungen des Referenten und aus der ganzen Diskussion auch Grund- sätze, die sich seither immer wieder finden. Auch hier darf ich aus den beschlossenen Leitsätzen zitieren:

• „Die Führung der Facharzt- bezeichnung für mehr als eines die- ser Fächer oder eine dieser Gruppen oder für andere als die genannten Fächer und Gruppen ist im allgemei- nen nicht gestattet. Nur ausnahms- weise und unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse kann sie genehmigt werden, wenn es sich um bereits von früher her eingebürgerte Gruppenbezeichnungen, zum Bei-

spiel Chirurgie und Orthopädie, Chirurgie und Frauenkrankheiten, Augen- und Hals-Nasen-Ohren- krankheiten, Innere und Nerven- krankheiten, das heißt um Fächer handelt, die in enger Beziehung zu- einander stehen und wenn genügen- de Ausbildung in jedem Fache vor- liegt. Nach einer bestimmten Über- gangszeit sollen auch diese Grup- penbezeichnungen nicht mehr ge- führt werden dürfen."

Das wurde dann auch realisiert und über Jahrzehnte war dann nur die Führung einer Gebietsbezeich- nung zugelassen. Erst durch das Ur- teil von 1972 des Bundesverfas- sungsgerichtes in Karlsruhe hat sich das wieder geändert, darauf werde ich noch zurückkommen

Interessant ist auch, welche Arztbezeichnungen 1924 bereits ein- geführt wurden. Man sieht daraus, daß wir gar nichts Neues zu erfinden brauchten. Es wurde folgendes fest- gelegt: „Die Bezeichnungen ‚Spe- zialist' „Spezialarzt' oder ‚Arzt für ... und dergleichen oder die Bezeichnungen Augenarzt, Frau- enarzt, Kinderarzt usw. sowie Chir- urg, Internist und dergleichen sind als gleichbedeutend mit dem Fach- arzttitel anzusehen und daher nur anerkannten Fachärzten zu gestat- ten.

Der Titel ,praktischer Arzt' und

‚Arzt und Geburtshelfer' sowie ‚Ba- dearzt' ist dagegen keine fachärzt- liche Bezeichnung. Der Titel ,prak- tischer Arzt und Facharzt für' bzw.

,Badearzt und Facharzt für' ist unzu- lässig. Er kann nur in Ausnahmefäl- len unter Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse und mit Genehmigung der zuständigen ärztlichen Organisa- tion geführt werden." Auch dies sind Bestimmungen, die heute noch ihre volle Bedeutung haben.

Beschränkung auf das Fachgebiet

Die Beschränkung auf das Fach- gebiet wurde ebenfalls schon 1924 geregelt. Zitat: „Dem Facharzt muß die notwendige besondere Einrich- tung zur fachgemäßen Ausübung seiner Tätigkeit zur Verfügung ste- hen. Er soll sich im wesentlichen auf

I Schon damals: Sorge vor der Zersplitterung

A-2300 (24) Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987

(3)

(-4 Ig

Dr. med. Dr. h. c. Alfons Stauder, an der Erarbeitung der „Bremer Richtlinie, ei- ner ersten „Facharztordnung", von 1924 beteiligt, führte die neugegliederte deut- sche Ärzteschaft von 1926 bis 1933 das von ihm gewählte Sonderfach

sowie auf Sprechstunden-, Kranken- haus- und konsultative Tätigkeit be- schränken und darf keine hausärzt- liche Praxis ausüben."

Dann wurde noch ein Antrag angenommen, den Kollege Stauder, der die deutsche Ärzteschaft bis 1933 geführt hat, einbrachte. Er lautete: „Die Bezeichnung Spezial- arzt schließt grundsätzlich die be- rufsmäßige Ausübung einer allge- meinen ärztlichen Tätigkeit aus."

Soweit also die Leitlinie von 1924. In der Folgezeit hat sich sehr wenig geändert. Die „Bremer Richtlinien" gingen an die Ärzte- kammern, die dann die Durchfüh- rung übernahmen.

Reichsärzteordnung des Jahres 1935 eine neue Berufs- und Facharztord- nung erlassen. Die Zahl der aner- kannten Fachgebiete blieb unverän- dert.

Die elastische Regelung der Be- zeichnungen „Arzt für" oder „Spe- zialist" usw. wurde in dieser 37er- Ordnung eliminiert. Es durfte nur noch die Bezeichnung „Facharzt für" geführt werden.

uns noch bekannte Kollege Ludwig Sievers als Präsident der Arztekam- mer Niedersachsen dem Deutschen Ärztetag den Entwurf einer neuen Berufs- und Facharztordnung vorge- legt, der allerdings nur teilweise

Ein grundlegend

III neues Konzept

*im Ich habe den Vorsitz der „Kon- ferenz der Facharztausschußvorsit- zenden der Landesärztekammern", wie sie damals bezeichnet wurde, im Jahre 1957 übernommen. Nach ei-

übernommen wurde. Es hat sich also gegenüber der Situation vor dem Krieg fast nichts geändert. Entfallen ist der Facharzt für Magen-Darm- Stoffwechsel-Krankheiten, aber man hat keine neuen Gebiete einge- führt.

Die ersten Zusatzbezeichnun- gen kann man im Jahre 1937 feststel- len: Naturheilverfahren, Homöo- pathie, Tropenkrankheiten. Sievers hat dann 1949 in seiner Vorlage noch die Zusatzbezeichnungen Ba- dearzt und Psychotherapeut aufge- nommen

Wir können dann einen Sprung machen bis zum 59. Deutschen Ärz- tetag 1956 in Münster. Damals wur- de die Weiterbildungsordnung ins- gesamt vorgelegt. Sie enthielt 15 Facharztbezeichnungen, darunter erstmals die allerdings schon im Jah- re 1953 eingeführte Anästhesiologie.

Neu wurden 1956 die Neurochirur- gie und die Laboratoriumsmedizin aufgenommen

ner eingehenden Analyse der Ent- wicklung der Medizin und der ärzt- lichen Berufsausübung waren wir überzeugt, daß eine Fortschreibung der Facharztordnung in der bisheri- gen Weise den Anforderungen nicht mehr gerecht werden konnte. Neue Gebiete wollten verankert werden, in den großen Fächern Chirurgie

und Innere Medizin zeigten sich Spaltungstendenzen, die angesichts der wissenschaftlichen und klini- schen Entwicklung verständlich wa- ren, aber große Gefahren in sich bargen.

Auch die Mindestweiterbil- dungszeiten mußten angesichts der Entwicklung der Medizin überdacht werden. Die kurzen Weiterbildungs- zeiten der Vergangenheit konnten den Anforderungen nicht mehr ent- sprechen.

Es war auch an der Zeit, Inhalt und Grenzen der einzelnen Gebiete zu definieren, also deutlich zu ma- chen, was zu jedem Gebiet gehört und wo seine Grenzen sind. Also konsequente Fortsetzung der Über- legungen, die schon 1924 einsetzten, wo man erkannt hat, daß diese Grenzen gezogen werden müssen.

Die Weiterbildung und damit die Tätigkeit des Facharztes sollte so ex- akt wie möglich beschrieben werden als Orientierungslinie für alle, die ei- ne Weiterbildung anstreben und die bereits eine Gebietsbezeichnung führen.

Auch die Frage, ob man nicht bei den Bezeichnungen der Fachärz- te wieder etwas auflockern sollte, wurde angesprochen. Ich habe ja schon ausgeführt, daß die 37er-Facharztordnung, nur noch die Bezeichnung „Facharzt" zuließ.

Die Kurzbezeichnungen, die sich einbürgerten, waren nicht Inhalt der Facharztordnung. Wie umfangreich das Vorhaben war, das wir in An- griff nahmen, zeigt die Tatsache, daß wir erst 1966 auf dem 69. Deut- schen Ärztetag einen ersten Entwurf einer Facharztordnung vorlegen konnten, der den dargestellten Überlegungen entsprach. Wir haben für jedes Gebiet Definitionen ausge- arbeitet, die Weiterbildung klar strukturiert, Inhalte und Ziele der Weiterbildung beschrieben, Richtli- nien über den Inhalt der Weiterbil- dung, die es dem Weiterbilder und dem Weiterzubildenden ermög- lichen sollten, sich in allen Einzel- heiten zu orientieren, was an Kön- nen und Wissen und Erfahrungen vermittelt werden muß, was der ein- zelne lernen muß, bis er zur Aner- kennung kommen kann, waren in Vorbereitung.

I 1937: Neue Berufs- und Facharztordnung

Erst 1937 wurde aufgrund der

I 1949: Die Vorlage von Ludwig Sievers

Bereits 1949 hat der vielen von

(4)

1968: Die „Weiter- bildungsordnung"

Nach einer sehr langen und aus- führlichen Diskussion beauftragte uns der Deutsche Ärztetag in Essen, einen verabschiedungsreifen Ent- wurf vorzulegen. Das haben wir dann zwei Jahre später auf dem 71.

Deutschen Ärztetag 1968 in Wiesba- den getan. Mit dieser Vorlage haben wir auch die Bezeichnung „Fach- arztordnung" verlassen und durch

„Weiterbildungsordnung" ersetzt, die zugleich von der Berufsordnung, deren zweiter Abschnitt sie bis dahin war, getrennt wurde. Mit ein Grund, warum diese Bezeichnung „Fach- arztordnung" entfallen mußte, war der, daß wir beschlossen haben, eine geregelte Weiterbildung in Allge- meinmedizin und damit die Bezeich- nung „Arzt für Allgemeinmedizin"

in die Weiterbildungsordnung aufzu- nehmen. Als neue Gebiete kamen die Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Pathologie und die Pharmakolo- gie hinzu Auch die ersten Vorschlä- ge für die Schaffung von Teilgebie- ten in der Chirurgie und der Inneren Medizin wurden vorgelegt. Unser Anliegen war es, diese beiden Fä- cher auf keinen Fall auseinanderbre- chen zu lassen. In Frankreich gab es zu dieser Zeit den Kardiologen, Rheumatologen, Gastroenterolo- gen, aber keinen Internisten. Das wollten wir unter allen Umständen verhindern. Wir waren uns aber dar- über im klaren, daß eine In-sich- Spezialisierung innerhalb des Mut- terfaches, also die Schaffung von Schwerpunkten, eingebunden in das Mutterfach, den medizinischen Er- fordernissen entsprach. Der Grund- satz war klar . Wer ein Teilgebiet er- werben will, muß die Weiterbildung im Gesamtgebiet ableisten, muß al- so zuerst Internist werden, bevor er sich dem engeren Bereich der Ga- stroenterologie zuwenden kann, muß zuerst Chirurg werden, bevor er sich auf die Unfallchirurgie weiter

„subspezialisiert". Wir haben für die Chirurgie als erste Teilgebiete die Kinderchirurgie und die Unfall- chirurgie eingeführt, in der Inneren Medizin Gastroenterologie, Kardio- logie sowie Lungen- und Bronchial-

heilkunde. Der seinerzeitige Vor- schlag, mit Einführung des Teilge- bietes Lungen- und Bronchialheil- kunde das Gebiet entfallen zu las- sen, fand noch keine Zustimmung.

Als Arztbezeichnungen stellten wir zur Wahl — jeder Kollege konnte frei entscheiden — „Facharzt für . . ." „Arzt für . . " oder die Kurzbezeichnungen.

Die Weiterbildungsordnung wurde in zwei Abschnitte gegliedert.

Im ersten Abschnitt faßten wir die allgemeinen Bestimmungen zusam- men, im zweiten Abschnitt — erst- mals in alphabetischer Reihenfolge — die Gebiete, Teilgebiete und Zusatz- bezeichnungen. Jedes Gebiet bekam eine Definition, genaue Angaben über Weiterbildungszeit und eventu- elle Abschnitte oder anrechenbare Weiterbildungszeiten in anderen Gebieten und eine Kurzfassung des Inhaltes der Weiterbildung. Diese Gliederung wurde auch in der Vor- lage, die der diesjährige Ärztetag (1987) zu beraten hat, beibehalten.

Der Gedanke einer Prüfung am En- de der Weiterbildung wurde disku- tiert, aber seinerzeit noch nicht wei- terverfolgt.

Ebenfalls seit 1968:

Die „Richtlinien"

Die bekannten „Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung"

wurden ebenfalls 1968 erstmals be- kanntgegeben. Sie sind kein Be- standteil der Weiterbildungsord- nung, sondern eine sehr genaue Aussage darüber, was an Wissen und Können während der Weiterbil- dung vermittelt und erlernt werden muß. Damit sind sie zugleich eine Leitlinie für die Erstellung der Zeugnisse und die seit gut zehn Jah- ren vorgeschriebene Prüfung.

Wellenschlag wegen „Arzt für"

Bedeutungsvoll für die Entwick- lung des Weiterbildungswesens in der Bundesrepublik war das Jahr 1972. Damals hat der Deutsche Ärz- tetag in Westerland sich schwer-

punktmäßig noch einmal mit der Weiterbildung in der Allgemeinme- dizin beschäftigt. Bei diesem Ärzte- tag wurde dann — nach meiner Erin- nerung bei höchstens zwei oder drei Gegenstimmen — beschlossen, daß alle Ärzte die Bezeichnung „Arzt für" oder die Kurzbezeichnung füh- ren sollen. Das hat natürlich Wellen geschlagen, es gab viel Widerstand und Kritik. Ich glaube, inzwischen gehört das der Vergangenheit an.

Man sieht zwar, wenn man durch die Städte wandert, immer noch alte Schilder und gelegentlich bekommt man auch einen Brief, auf dem noch die alte Bezeichnung „Facharzt für"

steht — mit Tintenschreiber ein biß- chen geändert —, aber im großen und ganzen haben sich die Kurzbezeich- nungen oder die Bezeichnung „Arzt für" eingeführt.

Die Zäsur durch das Karlsruher Urteil

Viel bedeutender für unsere Weiterbildungsordnung und ihre in- haltliche Gestaltung war aber das Urteil des Bundesverfassungsgerich- tes aus dem Jahre 1972. Das Urteil wurde ausgelöst durch die Klage zweier Ärzte, die sich durch die Be- rufs- und Facharztordnung be- schwert fühlten und die Verfas- sungsklage eingereicht haben. Die- ser Prozeß war am Bundesverfas- sungsgericht mehrere Jahre anhän- gig, und wir waren während dieser Zeit doch manchmal recht in Sorge.

Zum Beispiel hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes im Lau- fe des Verfahrens eine Anfrage so- wohl an die Bundesregierung wie an andere Stellen gerichtet, sie mögen sich dazu äußern, ob die Weiterbil- dung von Ärzten zum Facharzt nicht als eine Zulassung zum Beruf ange- sehen und damit bundesrechtlich ge- regelt werden müßte. Allein die Tat- sache, daß diese Anfrage gestellt wurde, hat uns schon rechte Sorgen bereitet, denn wäre das Bundesver- fassungsgericht zu dem Ergebnis ge- kommen, hier handle es sich um ei- ne Fortsetzung der Ausbildung und damit um Zulassung zum Beruf, dann wäre ja Artikel 74 Nr. 19 des Grundgesetzes zum Tragen gekom- A-2302 (28) Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987

(5)

men, das heißt die Zuständigkeit wäre auf den Bund übergegangen, aber mit der Maßgabe — nachdem der Bund nach Artikel 74, 19 ja die Zulassung zum Beruf regelt —, daß es dann nur noch eine Zulassung zum Beruf des Augenarztes, des Urologen usw. gegeben hätte. Wir waren sehr erleichtert, als das Urteil bekannt wurde. Das Bundesverfas- sungsgericht hat festgestellt, daß es sich bei der Weiterbildung um eine Berufsausübungsregelung handelt, die damit in das Landesrecht fällt.

Das war der wesentlichste Teil des Urteils für die Fortsetzung unserer Bemühungen. Damit ist es auch da- bei geblieben, daß zunächst einmal nach Bundesrecht, der Bundesärz- teordnung und Approbationsord- nung, der Arzt geboren wird und dann seine Berufsausübung nach Landesrecht geregelt wird, zum Bei- spiel in der Weiterbildung auf einem Gebiet der Medizin. Was das Bun- desverfassungsgericht nicht aner- kannte, war die sehr kurze Fassung in den damaligen Kammergesetzen:

„Die Landesärztekammern sind be- rechtigt, eine Berufs- und Facharzt- ordnung zu erlassen. "

Das Bundesverfassungsgericht erklärte, eine solch kurze Ermächti- gung reiche als Grundlage für die Berufs- und Facharztordnung nicht aus. Die Grundsätze, das Gericht sprach von „statusbildenden Nor- men", müßten vom Gesetzgeber im Gesetz verankert werden. Das war die wesentlichste Auflage, die sich aus dem Urteil ergab; dazu kam eine weitere, wonach die Führung meh- rerer, jedenfalls verwandter Fach- arztbezeichnungen nebeneinander zugelassen werden mußte. Wesent- lich für uns war auch, daß im Urteil festgestellt wurde, das Verbot der Betätigung außerhalb des Fachge- bietes sei gerechtfertigt, jedenfalls wenn es als allgemeine Richtlinie gilt und nicht als eine auch einzelne Ausnahmefälle ausschließende Re- gel aufgefaßt wird. Das ist die Rechtslage, wie sie bis heute gilt,

Dr. med. Ludwig Sievers, der bereits 1949 als Präsident der Ärztekammer Nieder- sachsen dem Deutschen Ärztetag den Ent- wurf einer neuen Berufs- und Facharztord- nung vorlegte

wobei durch die Rechtsprechung der Begriff „Ausnahme" definiert wur- de. Er bedeutet, daß es nicht regel- mäßig die gleiche „Ausnahme" sein darf. Wenn also ein Gebietsarzt im- mer in der „gleichen Himmelsrich- tung" seine Gebietsgrenzen über- schreitet und Quartal für Quartal die gleichen Leistungen außerhalb sei- nes Gebietes erbringt und abrech- net, ist das unzulässig.

Dieses Urteil löste natürlich er- hebliche Aktivitäten bei den Län- dern aus, denn es mußte ja nun ent- sprechend diesem Urteil eine Neu- fassung der Kammergesetze in An- griff genommen werden. Man mußte vor allem der Auflage gerecht wer- den, die statusbildenden Normen, also die Grundsätze, im Gesetz zu verankern. Die Gesundheitsminister der Länder haben schon im Novem- ber 1973 in einer Konferenz, bei der sie damals interessanterweise bei der Schlußbesprechung ihre Mitarbeiter ausgeschlossen und nur unter sich verhandelt haben, einen Musterent- wurf eines Ländergesetzes über das Facharztwesen vorgelegt. Man dach- te also zunächst daran, diese Mate- rie außerhalb der Kammergesetze durch ein eigenes Facharztgesetz zu regeln. Der Gedanke wurde sehr bald wieder fallengelassen. Über das hinaus, was Karlsruhe verlangt hat, wurden noch einige weitere Überle- gungen eingebracht, die heute die Weiterbildungsordnung inhaltlich

bestimmen. Es fanden sich in diesem Entwurf erstmals Vorschriften über die Ablegung einer mündlichen Prü- fung als Abschluß der Weiterbil- dung, die aufgrund einer staatlichen Prüfungsordnung durchgeführt wer- den sollte. Das war aus unserer Sicht eine sehr unerwünschte Entwick- lung. Wir haben in diesem Bereich zwar nie die Zuständigkeit des Staa- tes bestritten — wir erfüllen eine vom Staat übertragene Aufgabe — aber wir waren der Meinung, das sollte Sache der ärztlichen Selbstverwal- tung bleiben. Dies wurde schließlich auch von den Landesgesetzgebern anerkannt und die Regelung den Ärztekammern überlassen.

In ihrem ersten Entwurf haben sich die Landesregierungen auch das Recht vorbehalten, durch Rechts- verordnung Gebiets- und Teilge- bietsbezeichnungen zu bestimmen, soweit und solange es die Ärztekam- mern nicht tun. Das hätte zu einem unguten Neben- und Gegeneinander führen können. Auch auf diese Be- stimmung haben dann die Gesund- heitsminister in den weiteren Bera- tungen, die wir mit ihnen führten, verzichtet.

. . . gesetzlich geregelt

Neu war noch die generelle Vor- schrift des Wechsels der Weiterbil- dungsstätte, die seither in den Kam- mergesetzen und in der Weiterbil- dungsordnung steht. Jeder in Wei- terbildung Befindliche muß den Weiterbilder und die Weiterbil- dungsstätte mindestens einmal wechseln. Ausnahmen kann die Ärztekammer erlassen, sowohl ge- nerell für Gebiete als auch in einzel- nen Fällen. Die statusbildenden Normen brauche ich nicht näher zu beschreiben. Wenn Sie Ihr Kammer- gesetz aufschlagen, finden Sie diese Normen sowohl für die Berufs- wie für die Weiterbildungsordnung.

Insgesamt hat es doch mehrere Jahre gedauert, bis die neuen — vor allem auch einheitlichen — Kammer- gesetze in allen Bundesländern ver- abschiedet waren und wir damit die Weiterbildungsordnung entspre-

I „Statusbildende Normen"...

Foto: Archiv

(6)

chend den neuen gesetzlichen Nor- men gestalten konnten. Der Wech- sel der Weiterbildungsstätte war in einer Reihe von Gebieten von der Sache her geboten (so zum Beispiel chirurgische Zeit für Orthopäden und Urologen). Im übrigen haben wir ihn aber so selten wie möglich vorgeschrieben. Für die Prüfung wurden entsprechende Bestimmun- gen in die Weiterbildungsordnung aufgenommen.

Wir haben dann 1976 und 1978 noch die Arbeitsmedizin, die Nu- klearmedizin, die Rechtsmedizin und auf Wunsch der Länder auch die Gebietsbezeichnung „Öffentliches Gesundheitswesen" sowie einige neue Teilgebiete eingeführt.

Die Folgen der

„Römischen Verträge"

Wer sich mit der Weiterbil- dungsordnung befaßt, muß auch die Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft und die für uns ein- schlägigen Rechtsnormen berück- sichtigen. Die „Römischen Verträ- ge" als Rechtsgrundlage für die Ge- meinschaft wurden 1957 unterzeich- net. Artikel 57 dieser Verträge be- sagt: „Um die Aufnahme und Aus- übung selbständiger Tätigkeiten zu erleichtern, erläßt der Rat während der ersten Stufe der Übergangszeit einstimmig und danach mit qualifi- zierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission usw. Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Di- plome, Prüfungszeugnisse und son- stigen Befähigungsnachweise." Im Absatz 3 heißt es: „Die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe setzt die Koordinierung der Bedingungen für die Ausübung dieser Berufe in den einzelnen Mitgliedsstaaten voraus."

Wörtlich genommen regelt dieser Artikel 57 der Römischen Verträge nur die freiberufliche Tätigkeit des Arztes. Es ist aber sehr schnell klar geworden, daß im ärztlichen Bereich die Bestimmungen, die den Arztbe- ruf oder die gegenseitige Anerken- nung der Diplome regeln, natürlich auch auf die Ärzte in einem Ange-

stelltenverhältnis Anwendung fin- den müssen. Dies wurde dann auch in der ersten Richtlinie entspre- chend vorgeschrieben.

Die repräsentativen ärztlichen Berufsvertretungen in den damals noch sechs Ländern der EG haben sich sehr rasch zusammengefunden und gründeten den „Ständigen Aus- schuß der Ärzte der EWG". Seine Arbeitsgruppe „Ärztliche Ausbil- dung", in der ich von Anfang an mitarbeitete, begann mit einer Ana- lyse der Ausbildung zum Arzt an den Universitäten, einer Auflistung der verschiedenen Fachrichtungen, für die sich Ärzte spezialisieren konnten, sowie der zeitlichen und inhaltlichen Bestimmungen und Re- geln für die „Ausbildung" zum Spe- zialisten. Der Begriff „Weiterbil- dung" wird ja nur bei uns ge- braucht. Die Ergebnisse der lang- jährigen Arbeit wurden der Kom- mission in Brüssel für die Erstellung der entsprechenden Rechtsvor- schriften zur Verfügung gestellt. Un- sere Arbeit konnte sich aber nicht in einer Analyse erschöpfen. Artikel 57 der Römischen Verträge verlang- te ja eine „Koordinierung" als Vor- aussetzung für die gegenseitige An- erkennung der Diplome und Prü- fungszeugnisse. Relativ einfach war dies für das Universitätsstudium. Es wurde eine Mindestnorm von sechs Jahren oder 5500 Stunden festge- legt. Bei der riesigen Zahl von un- terschiedlichen Weiterbildungsgän- gen und Bezeichnungen, die wir vor- fanden, wurden zunächst diejenigen zusammengestellt, welche in allen sechs Ländern eingeführt waren.

Für die sehr unterschiedlichen Wei- terbildungszeiten konnte eine Lö- sung nur durch die Festsetzung von Mindestzeiten gefunden werden, die zum Teil deutlich kürzer waren als die Weiterbildungszeiten in der Bundesrepublik oder in Holland

Nach 20 Jahren:

EG-Richtlinien

Es hat fast 20 Jahre gedauert, bis 1975 die beiden maßgeblichen Richtlinien verabschiedet werden konnten. Eine Verzögerung hatte

sich dabei allerdings auch durch den zwischenzeitlichen Beitritt von Großbritannien, Irland und Däne- mark ergeben. Die „Richtlinie des Rates für die gegenseitige Anerken- nung der Diplome, Prüfungszeugnis- se und sonstigen Befähigungsnach- weise des Arztes und für Maßnah- men zur Erleichterung der tatsäch- lichen Ausübung des Niederlas- sungsrechtes und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr" ent- hält eine Liste der Diplome bezie- hungsweise Zeugnisse, welche für den Abschluß des Medizinstudiums und die Zulassung zum Beruf des Arztes gegenseitig anzuerkennen sind, sowie die Liste der Facharztbe- zeichnungen, bei uns Gebietsarztbe- zeichnungen, die in allen sechs Län- dern oder in einem Teil der Länder eingeführt sind und damit ebenfalls gegenseitig anerkannt werden müs- sen, wenn die Mindestzeit der Wei- terbildung erfüllt ist. Diese Mindest- zeiten sind in einer weiteren „Richt- linie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvor- schriften" enthalten.

Von Interesse mag sein, daß als - Dokument der Bundesrepublik für die Zulassung zum Arztberuf nicht die Approbation, sondern das Zeug- nis über das abgeschlossene Staats- examen und die damals noch vorge- schriebene Medizinalassistentenzeit gilt. Der Begriff „Approbation", der 1869 in die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes aufgenom- men wurde, ist dem EG-Recht fremd. Die Richtlinien überlassen es jedem Mitgliedsland, welche Arzt- bezeichnungen eingeführt werden und verpflichten auch nicht zur An- erkennung von Bezeichnungen, die es im eigenen Land nicht gibt.

Teilzeitweiterbildung in begründeten Fällen

Das EG-Recht geht grundsätz- lich von der Vollzeitweiterbildung aus, läßt aber die Teilzeitweiterbil- dung in begründeten Fällen zu. Im übrigen wird vorgeschrieben, daß die Weiterbildung an Universitäts- zentren, Universitätskliniken und anerkannten ärztlichen Einrichtun- A-2304 (32) Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987

(7)

gen zu erfolgen hat. Als Konsequenz aus dieser Bestimmung schreiben die Kammergesetze der Länder be- kanntlich vor, daß eine Weiterbil- dung in der Praxis eines niedergelas- senen Arztes nur dann zulässig ist, wenn in unserer Weiterbildungsord- nung festgelegte Weiterbildungszei- ten diejenigen der EG-Mindestnorm überschreiten.

Eine ergänzende Richtlinie hat der Rat im Jahre 1982 erlassen und dabei vor allem die Begriffe „Voll- zeitweiterbildung" und „Teilzeit- weiterbildung" dargestellt. Wegen der Bedeutung dieser Erläuterung darf ich wörtlich zitieren:

• „Ärztliche Weiterbildung auf Vollzeitbasis: Sie erfolgt an spe- zifischen Weiterbildungsstätten, die von den zuständigen Behörden aner- kannt sind. Sie setzt die Beteiligung an sämtlichen ärztlichen Tätigkeiten in dem Bereich voraus, in dem die Weiterbildung erfolgt, einschließlich des Bereitschaftsdienstes, so daß der in der ärztlichen Weiterbildung be- findliche Arzt dieser praktischen und theoretischen Weiterbildung während der gesamten Dauer der Arbeitswoche und während des ge- samten Jahres gemäß den von den zuständigen Behörden festgesetzten Modalitäten seine volle berufliche Tätigkeit widmet. Folglich werden diese Stellen angemessen vergütet."

Zur Teilzeitweiterbildung: „Sie erfolgt unter den gleichen Bedingun- gen wie die Weiterbildung auf Voll- zeitbasis, von der sie sich nur durch die Möglichkeit unterscheidet, die Beteiligung an den ärztlichen Tätig- keiten auf eine Dauer zu beschrän- ken, die mindestens der Hälfte der für Nr. 1 Abs. 3 genannten Zeit- spanne entspricht. Die zuständigen Behörden tragen Sorge dafür, da[

Gesamtdauer und Qualität der ärzt- lichen Weiterbildung auf Teilzeitba- sis nicht geringer sind als auf Voll- zeitbasis. Die Teilzeitweiterbildung wird daher angemessen vergütet."

Auch zur Unterbrechung der Weiterbildung äußert sich die Richt- linie wie folgt: „Diese Weiterbil- dung kann aus Gründen wie Wehr- dienst, wissenschaftliche Aufträge, Schwangerschaft oder Krankheit un- terbrochen werden. Die Gesamt- dauer der Weiterbildung darf durch

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Hans-Joachim Se- wering, der im Jahre 1957 den Vorsitz der

„Konferenz der Facharztausschußvorsit- zenden der Landesärztekammern' über- nommen hatte und unter dessen Ägide ein grundlegend neues Konzept einer „Wei- terbildungsordnung" erarbeitet wurde

die Unterbrechung nicht verkürzt werden." Gerade diese Bestimmung mußte natürlich auch in unserer Weiterbildungsordnung Berücksich- tigung finden.

Die Richtlinie

„Allgemeinmedizin"

Einen weiteren Schritt vollzog der Rat der Europäischen Gemein- schaft nach mehrjährigen Vorberei- tungen im Jahre 1986 mit dem Erlaß der „Richtlinie des Rates über eine spezifische Ausbildung in der Allge- meinmedizin".

Mit dieser Richtlinie wurde je- der Staat verpflichtet, eine spezifi- sche Ausbildung in der Allgemein- medizin einzuführen, die folgende Voraussetzungen erfüllen muß:

„Der Zugang dazu kann erst dann erfolgen, wenn ein mindestens sechsjähriges Studium, entspre- chend der Richtlinie von 1975, abge- schlossen ist und als gültig anerkannt worden ist und sie muß als minde- stens zweijährige Vollzeitausbildung unter der Aufsicht der zuständigen Behörden oder Stellen erfolgen."

Zum Inhalt dieser zwei Jahre führt die Richtlinie aus: „Sie ist mehr praktischer als theoretischer Art.

Die praktische Ausbildung findet

einerseits während mindestens sechs Monaten in zugelassenen Kranken- häusern mit entsprechender Ausrü- stung und entsprechenden Abteilun- gen und andererseits während min- destens sechs Monaten in zugelasse- nen Allgemeinpraxen oder in zuge- lassenen Zentren für Erstbehand- lung statt. Sie erfolgt in Verbindung mit anderen Einrichtungen oder Diensten des Gesundheitswesens für Allgemeinmedizin Unbeschadet der vorgenannten Mindestzeiten kann die praktische Ausbildung je- doch während eines Zeitraumes von höchstens sechs Monaten in anderen zugelassenen Einrichtungen oder Diensten des Gesundheitswesens, die sich mit Allgemeinmedizin be- fassen, stattfinden."

Ich darf ausdrücklich auf den Begriff „Zentren für Erstbehand- lung" hinweisen. Wir haben EG- Länder, in denen die Primärbehand- lung im wesentlichen in Zentren stattfindet mit angestellten und be- soldeten Ärzten. Dies gilt zum Bei- spiel für Griechenland oder Portu- gal, auch in Spanien geht die Ent- wicklung in diese Richtung. In Ita- lien wurde bekanntlich das Gesund- heitswesen verstaatlicht und es gibt sowohl niedergelassene Ärzte als auch Behandlungszentren.

Die ersten Diplome oder Prü- fungszeugnisse sollen spätestens am 1. Januar 1990 erteilt werden.

Bei uns ist darüber diskutiert worden, ob die im nächsten Jahr be- ginnende AiP-Zeit kompatibel ist mit dieser Richtlinie oder ob diese zwei Jahre der spezifischen Ausbil- dung erst nach der deutschen Ap- probation beginnen können. Dazu hat sich die Richtlinie im Vorspann ganz klar geäußert. Hier heißt es:

„Dabei ist es unerheblich, ob diese Ausbildung in der Allgemeinmedi- zin im Rahmen der Grundausbil- dung des Arztes im Sinne des einzel- staatlichen Rechts oder außerhalb derselben erfolgt."

Wenn ein Kollege als AiP für diese sechs Monate keinen Platz in einer Allgemeinpraxis findet, muß er selbstverständlich diese Zeit von sechs Monaten nach der Approba- tion ableisten. Ich würde es für sinn- voll halten, wenn die sechs Monate in einer Allgemeinpraxis nach der

(8)

Approbation bei einem niedergelas- senen Allgemeinarzt abgeleistet werden. Damit ist auch zugleich klar, daß sie nur von denjenigen ab- zuleisten sind, die auch beabsichti- gen, in die Allgemeinmedizin zu ge- hen.

Diese Darstellung möge zeigen, daß die Entwicklung in der Europäi- schen Gemeinschaft, die ja nun auf zwölf Mitgliedsländer angewachsen ist, nicht ganz einfach bewältigt wer- den konnte, sondern reichlich mit Problemen belastet war, die unsere Toleranz manchmal deutlich strapa- ziert haben.

Die Unterschiede in der Art und Weise der ärztlichen Berufsaus- übung, ebenso wie in der Weiterbil- dung der Spezialisten, sind nach wie vor beachtlich. Besondere Sorgen muß es uns bereiten, daß die Syste- me der ambulanten ärztlichen Ver- sorgung sich in einigen Ländern der EG immer deutlicher in die Rich- tung der Verstaatlichung und damit der Beseitigung der Freiberuflich- keit entwickeln. Wir werden uns be- mühen müssen, mit viel Kompro- mißbereitschaft und gegenseitigem Verständnis die Entwicklung zu ei- nem geeinten Europa auch in unse- rem Bereich zu fördern. Ich bin aber davon überzeugt, daß unser Konti- nent nur dann eine Zukunftschance hat, wenn diese Einigung gelingt.

Dafür müssen auch vorübergehende Nachteile in Kauf genommen wer- den.

Im übrigen ist die Zahl der Ärz- te, die innerhalb der Mitgliedsländer der EG von der Wanderungsmög- lichkeit Gebrauch machten, noch recht gering. Die Sprachbarrieren scheinen doch ein deutliches Hin- dernis zu sein.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Hans Joachim Sewering Mühlbaurstraße 16 6000 München 80

Arbeitsmöglichkeiten für deutsche Ärzte in Großbritannien

Gemeinsame Aktion von Bundesärztekammer und

Zentralstelle für Arbeitsvermittlung Zahlreiche britische Kranken- häuser haben Schwierigkeiten, be- stimmte Assistenzarztstellen (soge- nannte „senior-house-officer"-Stel- len) mit Ärzten zu besetzen. Weiter- bildungsstellen für ein Gebiet wer- den nach englischem System jeweils für sechs Monate vergeben, eine Verlängerung ist möglich. Den rund 5000 Hochschulabsolventen jährlich steht eine in etwa gleich hohe An- zahl von offenen Weiterbildungsstel- len an den hierzu ermächtigten Krankenhäusern, die zumeist den National Health Services angehö- ren, gegenüber.

Viele junge britische Ärzte zei- gen jedoch eine Präferenz für be- stimmte Gebiete, wie Innere Medi- zin, Frauenheilkunde, Augenheil- kunde oder Psychiatrie, während an- dere Fächer, wie Chirurgie, Ortho- pädie, Anästhesie und Notfallmedi- zin weniger beliebt sind. Zudem werden attraktive Städte und Groß- zentren bei der Bewerbung bevor- zugt, während ländliche und entle- gene Gebiete, aber auch manche Großstädte, nicht attraktiv sind.

Durch dieses Ungleichgewicht blei- ben an zahlreichen Krankenhäusern und in vielen Abteilungen freie Assi- stenzarztstellen unbesetzt, die durchaus zur Weiterbildung geeig- net sind.

In den letzten Monaten bieten britische Krankenhäuser immer häu- figer Assistenzarztstellen in der Bundesrepublik Deutschland, zum Teil mit gezielten Maßnahmen, an.

Neben einer deutlichen Zunahme von Stellenausschreibungen im An- zeigenteil des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES werden auch der Zentralstelle für Arbeitsvermitt- lung (ZAV) in Frankfurt als zustän- diger Vermittlungsorganisation der Bundesanstalt für Arbeit verstärkt freie Assistenzarztstellen offeriert.

Um wenigstens einigen der ge- genwärtig etwa 10 000 arbeitslosen Arzte in Deutschland die Möglich- keit zu eröffnen, eine auch auf die deutsche Weiterbildung größtenteils anrechenbare Assistenzarztstelle an einer Klinik in Großbritannien in Erwägung zu ziehen, haben sich die Bundesärztekammer und die Zen- tralstelle für Arbeitsvermittlung zu einer gemeinsamen Aktion zusam- mengetan. Jedes Krankenhaus des National Health Service wurde an- geschrieben und sowohl auf die Möglichkeit einer Anzeigenaufgabe im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, als dem Publikationsorgan der ärzt- lichen Selbstverwaltungskörper- schaften mit dem größten Stellenan- zeigenteil, als auch auf die Möglich- keit einer direkten Vermittlung ar- beitslos gemeldeter Ärzte durch die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung hingewiesen.

Das medizinische Spektrum und die vermittelten Kenntnisse, wie auch der Arbeitsablauf an einem englischen Krankenhaus sind viel- fach mit den deutschen Kliniken zu vergleichen. Das Gehalt erreicht- meistens nicht die Höhe einer deut- schen Assistenzarztvergütung, ist — bei großen regionalen Unterschie- den — mit durchschnittlich zwischen 40 000 und 50 000 DM jährlich je- doch ausreichend für einen den eng- lischen Verhältnissen entsprechen- den Lebensunterhalt.

Als Alternative zur Arbeitslo- sigkeit in der Bundesrepublik bietet sich hier also für Berufsanfänger mit Flexibilität und englischen Sprach- kenntnissen eine gute Möglichkeit zum Einstieg in den Beruf und zur teilweisen Ableistung einer Weiter- bildung.

Interessierte junge Kolleginnen und Kollegen sollten daher in näch- ster Zeit aufmerksam den Stellenan- zeigenteil des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES lesen und sich an die ausschreibenden englischen Krankenhäuser wenden. Es besteht ebenso die Möglichkeit zur direkten Kontaktaufnahme mit der Zentral- stelle für Arbeitsvermittlung in Frankfurt: ZAV, Feuerbachstraße 42, 6000 Frankfurt, Telefon-Nr.

0 69/71 11-4 91 (Herr Fischer).

Dr. med. K. Goder/BÄK

I Mit Kompromiß-

bereitschaft zu einem geeinten Europa

A-2306 (34) Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Autoren schließen aus ihrer Untersuchung, daß eine Beurteilung der Kompetenz des praktizierenden Allgemeinarztes unter Prüfungsbe- dingungen nur dann einen Voraussa- gewert

Nun ist ja der Nachteil al- ler herkömmlichen Praxis- Computer, daß die Statistiken erst nach der Verordnung er- stellt werden und ausgegebe- ne Rezepte nicht mehr korri-

Weiterbildungszeiten in einem Schwerpunkt dürfen nicht gleichzeitig mit der Facharzt- weiterbildung abgeleistet werden, sofern in Abschnitt B nichts anderes festgelegt ist.. Die

oder ‘Allgemeinarzt’ geführt werden. Die Facharztbezeichnung ‘Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin’ oder die zugehöri- ge Kurzbezeichnung darf ab dem Tag nach

Oktober 2020 folgende Änderungen (Änderungsbeschluss 7/2 neu) der Weiter- bildungsordnung für die Ärzte Bayerns – Bekanntmachung vom 24.. der Änderungsbeschlüsse

Anträge nach dieser Übergangsbestimmung sind innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach In- krafttreten der Änderung dieser Weiterbildungs- ordnung zu stellen.“.. amtliches |

Anerkennung von Weiterbildungen außerhalb des Gebietes der Europäischen Union (Mit- gliedstaat) und außerhalb der anderen Ver- tragsstaaten des Abkommens über den Euro-

Nur so kann eine Infektionskette mit weiteren Ansteckungen wirksam unterbro- chen werden.“ Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat dazu eine neue