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Archiv "Anleitung zum Freitod" (26.02.1982)

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Die Information:

Bericht und Meinung THEMEN DER ZEIT

Nach dem, was die DGHS darüber selbst bekannt gibt, handelt es sich um eine Broschüre, „die eine Anleitung enthält, in Würde den Freitod zu begehen". Die Zeit sei reif, dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen bis in die letzte Mi- nute seines Lebens Geltung zu verschaffen. „Wer hat das Recht, einen anderen zum Leben zu zwin- gen, wenn er aufgrund zurech- nungsfähiger Entscheidung nicht leben will?" Dabei begründet die DGHS ihre Anleitung zum Freitod mit der fehlenden gesetzlichen Möglichkeit des Gnadentodes bei unheilbarer Krankheit. In den Schutzbestimmungen gegen den Mißbrauch der Broschüre ist aber nirgends auf diese Situation Be- zug genommen. Der Betroffene soll ein Jahr Mitglied der Gesell- schaft sein, er muß bezeugen las- sen, daß er geschäftsfähig ist, und die Broschüre niemand anderem zugänglich machen.

Was hier also, wie es wörtlich heißt, angeboten wird, ist eine Be- ratung bei der Realisierung von Selbsttötungsabsichten und dies auf dem Hintergrund einer — auf die Selbstbestimmung des Men- schen abhebenden — Idealisierung des Suizids als würdigen Freitod.

Was sagen die psychiatrischen Er- fahrungen zum Suizidproblem?

Es ist nicht kontrovers, daß Suizid und Suizidversuch in der Regel den Abschluß einer krankhaften seelischen Entwicklung darstel- len, wie es Ringel formuliert hat.

Für die meisten Menschen, die sich zu töten versuchen, läßt sich aus ihrem Verhalten, ihrem Erle- ben und vor allem aus ihrer Stel- lungnahme nach dem Suizidver- such erkennen, daß der suizidale Akt ein verzweifelter Hilferuf war — oft der Hilferuf eines Menschen, der eigentlich erst leben möchte.

In der Fachsprache nennen wir das den Appellsuizid.

Unwidersprochen ist in der Psych- iatrie ferner, daß die Entscheidung gegen das Leben als echtes Abwä- gen der Lebenswerte, der Bilanz- suizid, ein sehr seltenes Ereignis ist. Für diese Unterscheidung zwi- schen der echten Bilanz und dem verzweifelten Hilferuf sind die psychiatrischen Kategorien ge- sund oder krank nicht maßgeb- lich.

Der Ausschluß psychisch Kranker, wie ihn die DGHS anstrebt, stellt keinen Schutz gegen Mißbrauch dar, sondern dient offensichtlich dem Zweck, das Recht auf den ei- genen Tod vom Makel psychischer Labilität oder Krankheit, von suizi- dalen Affekttätern, wie es dort heißt, freizuhalten.

Die Broschüre der Anleitung zum Freitod muß deshalb ernst genom- men werden, weil sie die Faszina- tion durch den Suizid nicht nur nicht auszuschließen sich bemüht, sondern bewußt ausspielt. Dabei wissen wir schon seit Goethes Werther von der dem Suizid inne- wohnenden Ansteckungsgefahr.

Auch aus modernen epidemiologi- schen Untersuchungen geht her- vor, daß Angehörige und Bekann- te eines Suizidanten ein erhöhtes Suizidrisiko aufweisen. In wel- chem Maße die DGHS sich dieses Risikos geradezu bedient, zeigt sich an ihrem Vorschlag, in Kata- strophen- und Luftschutzeinrich- tungen Mittel zur Selbsttötung be- reitzuhalten. Es geht dieser, sich angeblich der Humanität ver- pflichtet fühlenden, Gesellschaft offenbar gerade nicht darum, bei Entscheidungen für oder gegen das Leben ein echtes Abwägen zu ermöglichen. Ihr ist die Selbsttö- tung auch dann „recht", wenn sie sich in Panik vollzieht.

Verhalten des Suizidanten als Ausdruck von Not und Isolierung verstehen!

Es hat lange gedauert, bis unsere Gesellschaft bereit war, den Suizid nicht als eine verwerfliche, unmo- ralische Handlung anzusehen, sondern als Ausdruck von Not und Verlassenheit. Und erst im 20.

Jahrhundert wurde mit den Suici- de prevention centres, später der Telefonseelsorge, die Möglichkei- ten geschaffen, solchen hilflosen, verzweifelten Menschen beizu- stehen.

Der Psychiater weiß, daß nicht je- de Not, nicht jede psychische Stö- rung oder Erkrankung sich als spontane Bitte um Hilfe zu äußern vermag. Nicht zuletzt wegen die- ser Tatsache ist das Problem der Drogen- und Suchtkranken zu ei- ner unserer dringendsten gesund- heitspolitischen Aufgaben gewor- den: Fast immer ist ihr Verlangen nach Hilfe und Therapie nicht von vornherein gegeben, sondern ent- wickelt sich oft erst schrittweise mit der Normalisierung ihres kör- perlichen und geistigen Zu- standes.

Wie bei den Suchtkranken (mit ih- rem hohen Suizidrisiko) so gilt es prinzipiell bei Suizidanten, ihr Ver- halten als Ausdruck von Not, als Folge von mitmenschlicher lsolie-

Anleitung zum Freitod

Joachim-Ernst Meyer

Im folgenden soll aus der Sicht des Psychiaters zu der von der Deutschen "Gesellschaft für Humanes Sterben" (DGHS) heraus- gegebenen „Anleitung zum würdigen Freitod" Stellung genom- men werden. Das Recht auf den eigenen Tod in seinen antropolo- gischen und theologischen Aspekten bleibt hier ebenso unerörtert wie die juristische Situation.

22 Heft 8 vom 26. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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PRESSESTIMMEN

„Forum" der Bundesärztekammer:

Vermittler zwischen Wissenschaft und Praxis

Starkes Presseecho des Vl. Interdisziplinären Forums

„Fortschritt und Fortbildung in der Medizin"

Mit ihrem Interdisziplinären Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin" füllt die Bundesärztekammer offensichtlich eine Marktlücke: die Vermittlung neuer wissenschaftlicher Erkennt- nisse, die reif für die breite praktische Verwendung sind. Außer- dem hat sich das Forum zu einem Treffen der Fortbilder entwik- kelt: Sie finden hier Themen, die sich in Fortbildungsveranstaltun- gen umsetzen lassen, und Experten der verschiedensten Fachrich- tungen, die sich als Referenten eignen. Schließlich nutzen die Medien die Gelegenheit, von kompetenter Seite aktuelle Medizin zu hören. Referate und Diskussionen auch des sechsten Forums werden wiederum in einem Jahrbuch zusammengefaßt, so daß alle Interessierten sich kompetent über die Themenkreise des diesjäh- rigen Forums: Immunsuppression, Leukämie im Kindesalter, Phar- makotherapie in der Gastroenterologie, chronische Schmerzzu- stände informieren lernen können. — Die wissenschaftliche Lei- tung des diesjährigen Forums Mitte Januar hatten die Vorsitzen- den des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Hanns Peter Wolff, und des Deutschen Senats für ärztli- che Fortbildung, Prof. Dr. Otto Lippross, und deren Stellvertreter, Prof. Dr. Helmut A. Stickl und Sanitätsrat Dr. Franz Carl Loch, sowie Prof. Dr. Friedrich Loew (Wissenschaftlicher Beirat) und Dr.

P. Erwin Odenbach (Geschäftsführung der Bundesärztekammer).

Die Information:

Bericht und Meinung Anleitung zum Freitod

rung zu verstehen und danach zu handeln, auch wenn anfänglich oft keine Bereitschaft erkennbar ist, das Angebot einer Behandlung anzunehmen.

Nicht anders steht es mit dem — an sich relativ seltenen — Suizidbe- gehren unheilbar Kranker. Auch hier verbirgt sich dahinter meist ein Wunsch nach Hilfe, etwa ge- gen schlimme Schmerzen oder die

— durch Abwendung der Familie entstandene — Verlassenheit des Kranken. Auch in solchen Situatio- nen ist Suizidalität in der Regel ein Hilferuf.

Wenn man — vielleicht mit Recht — die psychiatrische Erfahrung von der Seltenheit des Bilanzsuizids anzweifelt, so hieße das zugleich, daß diejenigen, die sich nach ruhi- gem Abwägen für den Freitod ent- scheiden, in der Regel nicht in psychiatrische Behandlung gelan- gen. Das würde aber auch bedeu- ten, daß die Psychiatrie dort nicht

„eingreift", wo der Freitod in be- wußter Entscheidung gegen das

Leben gewählt wurde.

Die Anleitung zum würdigen Frei- tod macht deutlich, was den Zie- len der DGHS zugrunde liegt: die

Verweigerung der Hilfe für Men- schen in Not.

Wer Autonomie und Selbstverfüg- barkeit so auslegt, daß der Mensch mitmenschlicher Hilfe zum Leben grundsätzlich nicht be- darf, mag sich berechtigt fühlen, seinem Nächsten den Freitod zu empfehlen. Wer — etwa als Arzt und Psychiater — um die Lebens- geschichte vieler Menschen weiß, die in Situationen geraten, für die es ohne die Hilfsbereitschaft ande- rer keinen Ausweg gibt, wird in der

„Anleitung zum würdigen Freitod"

eine Anleitung zu inhumanem, weil von seinen Mitmenschen ver- lassenem, Sterben erkennen.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. J.-E. Meyer Psychiatrische Universitäts-Klinik von-Siebold-Straße 5

3400 Göttingen

Knochenmarktransplantation bei Leukämie

„Neuerdings wird wieder intensi- ver über die Rolle der Knochen- marktransplantation bei der Be- handlung der Leukämien disku- tiert. Daher hat das Forum in Köln versucht, darüber Klarheit zu

ejrantritrter3lIgemeine

schaffen. Es ist offenkundig, daß bei der Knochenmarktransplanta- tion Fortschritte erzielt worden sind, doch das Schicksal der Leukämiekranken konnte damit noch nicht entscheidend gewen- det werden. So sind die Erfahrun- gen in der Tumorklinik der Univer- sität Essen eher ernüchternd. Von

23 behandelten erwachsenen Pa- tienten wurden nur wenige ge- heilt.

Es hat sich jedoch herausgestellt, daß der Erfolg stark vom Zustand des Patienten abhängt. Wenn es nach dem ersten Therapiestoß be- reits zum Rückfall gekommen ist, dann bleiben die Resultate wegen der vielen Krebszellen mäßig. Des- halb sollte das Knochenmark im krankheitsfreien Intervall übertra- gen werden. Da die Chemothera- pie bei Kindern aber weit erfolgrei- cher ist als die Knochenmark- transplantation, wird man sich bei diesen Patienten frühestens in der zweiten Remission zur Transplan- tation entschließen. Anders ist die Situation beim Erwachsenen. Hier wird zunehmend im ersten krank- heitsfreien Intervall transplantiert, Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 8 vom 26. Februar 1982 23

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