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Archiv "Interview mit Prof. Dr. med. Erland Erdmann: „Zu meiner Zeit ging es den Assistenten besser“" (19.05.2006)

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DÄ:Wie beurteilen Sie die Streiks der Ärzte an den Uni- versitätsklinika?

Erdmann: Grundsätzlich sollten Ärzte nie streiken, weil man Kranke nicht länger lei- den lassen sollte – wenn man es verhindern kann. Anderer- seits ist zu beachten, dass Assi- stenzärzte ein Recht darauf haben, angemessen bezahlt zu werden. In den letzten Jahren hat es sich in den Universitäts- kliniken eingebürgert, dass man Ärzte mehr und mehr mit zusätzlichen Aufgaben bela- stet, die nicht patientenorien- tiert, sondern bürokratieindu- ziert sind.

DÄ:Sind die vom Marbur- ger Bund geforderten 30 Pro- zent mehr Gehalt gerechtfertigt oder eine Provokation?

Erdmann: Die Forderung erklärt sich dadurch, dass in den letzten Jahren Weihnachts- geld, Urlaubsgeld und Über- stundenbezahlung gestrichen oder gekürzt wurden. Damit haben die Assistenzärzte tat- sächlich 30 Prozent weniger in ihrer Geldbörse als noch vor drei Jahren. Im Augenblick er- hält ein Universitätsassistent etwa das gleiche Salär wie ein Lehrer der Sekundarstu- fe II. Dieser hat aber Weih- nachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten frei.

DÄ: Warum streiken zu- vorderst die Ärzte an den in Landesträgerschaft befindli- chen Universitätsklinika und nicht etwa die Kollegen konfes- sioneller oder privater Träger?

Erdmann:Wie wir gesehen haben, können die privaten Klinikträger ihre Assistenz- ärzte besser bezahlen. Auch die Sonderabschlüsse in Ber- lin und Hamburg zeigen, dass die Flexibilität der Kranken- hausträger schon möglich wä- re – wenn sie denn wollten. Es macht mich allerdings besorgt, dass der Marburger Bund sich zuerst die Universitätsklinika für seine Streikmaßnahmen herausgesucht hat und die kommunalen Krankenhäuser verschont bleiben. Die Strate- gie leuchtet mir nicht ganz ein.

DÄ:Was sind die wirklichen Gründe für die Streiks?

Erdmann:Ärzte sind in der Gesellschaft immer noch an- gesehener als fast alle anderen Berufsgruppen. Das hängt da- mit zusammen, dass Kranke den Einsatz und das Pflicht- bewusstsein sowie das Kön- nen der Ärzte außerordentlich schätzen. In der Vergangenheit haben Assistenzärzte es ertra- gen, dass sie viele schlecht be- zahlte oder gar nicht bezahlte Überstunden geleistet haben, weil sie annehmen durften, dass sie nach der Facharzt- anerkennung in eine bessere Position kommen und dann wirtschaftlich gut gestellt sein würden. Dies hat sich geän- dert. Chefärzte bekommen re- lativ niedrig dotierte Fest- gehälter, in der Praxis eines niedergelassenen Arztes spielt die finanzielle Unsicherheit eine große Rolle. Es geht aber auch um die überhand neh- mende Bürokratie.

DÄ:Warum gab es zu Ihrer Zeit als Assistenzarzt nicht sol- che Streiks wie jetzt?

Erdmann:Zu meiner Zeit ging es uns Universitätsassi- stenten sehr viel besser als heute! Die Patienten waren länger im Krankenhaus, öko- nomische Zwänge, sie rasch

„durchzuschleusen“, gab es nicht. Mir wurden damals alle Überstunden bezahlt, sodass ich im Monat etwa 1 000 DM zusätzlich zu meinem Gehalt

bekam. Unsere Zukunft er- schien uns gesicherter als heu- te. Und vor allem, wir hatten sehr viel weniger bürokrati- sche Arbeiten zu erledigen.

Ein 20-minütiges Gespräch mit einem Patienten und oft zu- sätzlich mit seinen Angehöri- gen war nicht nur möglich, son- dern üblich. Die ärztliche Ar- beit hat sich enorm verdichtet!

DÄ:Wie beurteilen Sie die Umsetzung der Arbeitszeit- richtlinie?

Erdmann:Die Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie könn- te dazu führen, dass Ärzte an den Kliniken im 3-Schicht- Dienst arbeiten müssen. Dann würden die Assistenten entwe- der eine Woche Frühschicht, eine Woche Spätschicht, eine Woche Nachtschicht und dann eine Woche frei haben, oder sie müssten etwa montags früh, mittwochs früh, freitags spät und sonntags nachts anwesend sein. Möchten Sie auf einer derartigen Station in einer Kli- nik liegen, wo Sie Ihren Arzt nur sporadisch sehen und Ih- re Krankengeschichte täglich dreimal erneut erzählen müs- sen? Die Qualität der Arzt-Pa- tienten-Beziehung wird kata- strophal aussehen im Schicht- dienst. Erfahrene Oberärzte und Chefärzte wissen, dass bei jeder Übergabe des Dienstes etwa 30 Prozent der Informati-

on verloren gehen oder falsch registriert werden.

DÄ:Wie sehen Sie die Zu- kunft der Universitätsmedizin?

Erdmann:Die Universitäts- medizin wird nicht unterge- hen. Es gibt genügend junge Ärzte, denen Weiterentwick- lung von Diagnostik und The- rapie Lebensinhalt bedeutet.

Ich sehe eher als Problem an, dass die Besten zuerst ins gün- stigere Ausland gehen werden.

DÄ-Fragen: Dr. med. Michael Feld

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A1404 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 20⏐⏐19. Mai 2006

S T A T U S

Interview mit Prof. Dr. med. Erland Erdmann

„Zu meiner Zeit ging es den Assistenten besser“

Der Direktor der Klinik für Innere Medizin III an der Universität zu Köln zu den Streiks der Klinikärzte

Foto:Johannes Aevermann

Foto:privat

Streikende Ärzte vor der Kölner Uniklinik: „Die Besten gehen zuerst.“

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