Haftpflichtansprüche ge- gen Ärzte und Krankenhäu- ser nehmen in den letzten Jahren erheblich zu. Bei den neun Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen der Landesärztekammern wur- den 1995 insgesamt 9 189 An- träge eingereicht. Auffallend ist, daß aus Kostenverla- gerungsgründen zunehmend auch Krankenkassen die Pati- enten unterstützen oder auch selbst Klageverfahren anstre- ben (Deutsches Ärzteblatt, Heft 37/1996).
Das bedeutet, daß aus den zum finanziellen Ausgleich der Ansprüche abgeschlosse- nen Versicherungen immer höhere Aufwendungen be- zahlt werden müssen. Das treibt die Prämien erheblich in die Höhe. Für das Klini- kum Ludwigsburg zum Bei- spiel stiegen die Haftpflicht- prämien, die für alle Ärzte und das Pflegepersonal eben- so wie für die Chefärzte – für ihre Ambulanztätigkeit mit Zuzahlung – bezahlt werden, von 626 900 DM im Jahr 1994 auf 877 600 DM im Jahr 1996 (Steigerung um 35 Prozent).
Summen sind höher
Um beim regionalen Bei- spiel zu bleiben: Die Schadens- aufwendungen der Württem- bergischen Gemeinde-Versi- cherung (WgV) stiegen von 1981 bis 1993 von sechs auf zehn Millionen DM an. Nach Auskunft der WgV hat sich die Fallzahl (zirka 900 ent- schädigte Fälle pro Jahr seit 1990) kaum erhöht. Gestei- gert haben sich aber die Fall- kosten ganz erheblich. Dazu trägt einmal die Erhöhung der Schmerzensgeldzahlun- gen bei. Gravierender aber sind die Kostensteigerungen bei der Pflege. Hier ist es in
den letzten Jahren bei Fällen, in denen die Haftpflichtver- sicherung Pflegeleistungen über Jahre hinweg bezahlen muß, zu einem extremen Ko- stenanstieg gekommen.
Die Steigerung der Haft- pflichtprämien betrifft aber nicht nur Krankenhausärzte, sondern in erheblichem Um- fang auch die niedergelasse- nen Kollegen. Vergleicht man die auf dem Markt erhältli- che günstigste Versicherung für ambulant niedergelassene Chirurgen, so stieg diese im Zeitraum zwischen 1992 und 1997 von 2 100 DM auf 7 260 DM, für Belegärzte von 6 200 DM auf 8 550 DM. Die freibe- rufliche Tätigkeit eines chirur- gischen Chefarztes in der Am- bulanz wird jetzt mit 5 800 DM versichert (1992: 2 900 DM). Für das gesamte Tätig- keitsfeld eines chirurgischen Chefarztes verlangt die DBV/
Winterthur zum Beispiel in- zwischen 15 500 DM (1992:
10 500 DM). Wenn diese Ent- wicklung so weitergeht, haben wir bald amerikanische Ver- hältnisse. Ein Neurochirurg im Staat New York muß zum Beispiel bis zu 90 000 US- Dollar pro Jahr an seine Haft- pflichtversicherung zahlen.
Die Prämien in der Geburts- hilfe sind so hoch, daß Ärzte in einigen Staaten diese Ar- beit aufgegeben haben. Wol- len wir solche Verhältnisse?
Von allen Seiten wird zur Zeit Druck auf die Ärzte aus- geübt, die Kosten zu senken und intensiver über alle Mög- lichkeiten nachzudenken, die nicht mehr zu steigernden Ressourcen sparsam zu ver- walten. Es gibt aber eine Rei- he von Kosten, die im Rah- men der Patientenbehand- lung bezahlt werden müssen, auf die wir Ärzte aber keinen Einfluß haben: unter anderem Geräte- und Instrumentenko- sten, Reparaturkosten, Arz-
nei- und Hilfsmittelkosten.
Hier wurden die Preise in den letzten Jahren ungebremst er- höht. Auf Kostenverursacher in diesem Bereich wird – mit Ausnahme vielleicht der phar- mazeutischen Industrie – kein ausreichender Druck zur Ko- stensenkung ausgeübt.
Weniger Geld für Anwälte
Gleiches gilt im Bereich der Gerichts-, Anwalts- und Entschädigungskosten. Es sollte zum Beispiel den Ge- richten bei Schadensersatz- und Schmerzensgeldurteilen klar sein, daß es um einen ganz erheblichen Kostenfak- tor im Gesundheitswesen geht. Die Ärzte werden über Gebührenordnungen gezwun- gen, ihre Liquidationsan- sprüche den Möglichkeiten der öffentlichen Finanzen an- zupassen, das heißt, die Bei- hilfebehörden nehmen er- heblichen Einfluß auf die Gebührenordnungsdiskussion im Ministerium. Während Anwalts- und Architektenge- bührenordnungen wie die von Schornsteinfegern regel- mäßig um 20 bis 25 Prozent erhöht werden, wird die GOÄ immer stärker gekürzt.
Dazu kommen willkürliche Honorarbeschränkungen im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung, die abhängig sind von gesamt- wirtschaftlichen Rücksichten – auf Kosten der Ärzte.
Warum ist es nicht erfor- derlich, auch zum Beispiel die Anwaltshonorare in Berei- chen, wo es die Kosten des Gesundheitswesens trifft, ge- nauso zu kürzen wie die Ge- bühren für die Ärzte? Eine Möglichkeit wäre die Reduk- tion der Gebührenordnung der ebenfalls staatlich be- stimmten Anwaltsgebühren
für Verfahren im gesamten Bereich des Gesundheitswe- sens um 50 Prozent. Wenn das Ministerium bei der GOÄ maßgebend Einfluß nimmt, sollte es das bei den Anwalts- gebühren ebenfalls tun.
Weiterhin müssen sich auch Richter ihrer gesamt- wirtschaftlichen Verantwor- tung bei der Zumessung von Schmerzensgeld und Haft- pflichtentschädigung sowie Vergleichen bei Arzthaft- pflichtprozessen klar sein. In- teressant in diesem Zusam- menhang ist vielleicht die in der Neuen Juristischen Wo- chenschrift (Heft 50/1996) geäußerte Meinung des Richters am Bundesgerichts- hof Dr. Eberhard Rinne. Sein Thema ist die Haftung der öf- fentlichen Hand bei Verlet- zung der Räum- und Streu- pflicht auf öffentlichen Ver- kehrswegen. Er führt hier aus, daß der Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit bei den leeren Kassen der öffent- lichen Hand den Inhalt und Umfang einer Leistungs- pflicht beeinflussen sollte.
Die Risikoverteilung solle hier erneut überdacht wer- den. Rinne meint, daß eine grundsätzliche Senkung der Anforderungen in Betracht komme und damit eine „jetzt behutsame, auch den Interes- sen potentieller Geschädigter Rechnung tragende Haf- tungsreduzierung“.
Diese vorsichtige Formu- lierung zeigt die Schwierig- keiten in einer solchen Dis- kussion. Man sollte eine sol- che aber im Bereich auch des Haftungsrechtes im Gesund- heitswesen insgesamt (zum Beispiel Arzthaftpflicht, An- waltsgebühren, Produkthaf- tung, Gerätehaftung usw.) anregen. Die ungebremste Kostensteigerung im Be- reich der Arzthaftpflicht kann das Gesundheitswesen nicht mehr verkraften.
Prof. Dr. med. Klaus Junghanns Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Kliniken Ludwigsburg- Bietigheim
71631 Ludwigsburg
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Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 4, 23. Januar 1998
V E R S I C H E R U N G E N