islang war die wiederholte Dar- stellung des Berufsverbandes der Allgemeinärzte Deutsch- lands (BDA), die Hausärzte stünden am Ende der ärztlichen Einkommens- skala und würden bei den Honoraren weit hinter den Fachärzten zurückblei- ben, in der Öffentlichkeit stets unwi- dersprochen geblieben. Dies ist jetzt anders. In ihrer Ausgabe vom 8. März 1999 zitiert die „Frankfurter Allgemei- ne Zeitung“ den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit den Worten: „Die Einkom- menssituation der Hausärzte ist nicht so desolat, wie oft behauptet wird.“
Dr. med. Winfried Schorre unter- mauert diese Aussage mit den Ergeb- nissen einer Umsatzanalyse von Haus- und Fachärzten in den alten und neuen Bundesländern auf der Ba- sis von 1996. Danach erzielen die Hausärzte im Westen der Republik in der mittleren Umsatzklasse (von jähr- lich 180 000 DM bis 540 000 DM) durchschnittlich einen Umsatz von 337 000 DM pro anno. Die Fachärzte mit Ausnahme der extrem umsatz- starken Laborärzte, Radiologen und Strahlentherapeuten kommen auf 347 000 DM im Schnitt. In den neuen Bundesländern liegt der durchschnitt- liche Umsatz für Hausärzte bei 308 000 DM und für Fachärzte bei 326 000 DM.
Bei dieser Berechnung hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung bewußt nach Umsatzgrößenklassen unterschieden und die „Ausreißer“
nach oben und unten vernachlässigt.
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die „große Masse“ der Ärzte aus bei- den Lagern. So sind bei den Hausärz- ten im Westen 74 Prozent (im Osten 73 Prozent) und bei den Fachärzten
64 Prozent (im Osten 61 Prozent) in die Analyse eingeflossen.
Die Unterschiede bei den Umsät- zen (10 000 DM West, 18 000 DM Ost) sind nach Auffassung von Schorre so gering, daß die Argumentation der Re- gierung, der Hausarzt müsse durch ei- ne gesetzliche Korrektur der Honorar- verteilung finanziell gestärkt werden, nicht haltbar sei. „Durch Honorar- umverteilung zwischen den Arztgrup- pen“, argumentiert Schorre, „würden
nur neue Ungerechtigkeiten geschaf- fen, das generelle Problem stagnieren- der beziehungsweise sinkender Praxis- umsätze jedoch nicht gelöst.“
Der Berufsverband der Allge- meinärzte Deutschlands (BDA) rea- gierte in einer ersten Stellungnahme auf die Veröffentlichung der Umsatz- zahlen mit wütenden Attacken gegen die Kassenärztliche Bundesvereini- gung. Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Kossow bezeichnete das Verhalten der KBV als skrupellos und nannte es
„einen Tiefpunkt in der Politik der KBV gegen die Hausärzte“. In der ak- tuellen Situation mit „frisierten Stati- stiken“ die Behauptung aufzustellen,
Hausärzte verdienten im Schnitt nicht weniger als Fachärzte, sei „ein Stück aus dem Tollhaus“.
Kossow weiter: „Da werden will- kürlich Umsatzklassen gebildet, wer- den störende Größen gezielt ausge- klammert, wird nicht zwischen Allge- meinärzten und Internisten differen- ziert. Die längere Arbeitszeit der Hausärzte wird überhaupt nicht berücksichtigt.“
Kossow selbst berücksichtigt bei seiner Argumentation jedoch nicht den Umstand, daß die KBV von Hausärzten spricht und damit sehr wohl auch die hausärztlich tätigen In- ternisten gemeint sein müssen. So ge- sehen geht auch seine Kritik, daß alle
bisher bekannten Vergleiche eindeu- tig zugunsten der Fachärzte ausgefal- len seien, ins Leere. Die neuere Ana- lyse der KBV vergleicht nämlich erst- mals nicht die Allgemeinärzte mit al- len anderen Fachärzten, sondern stellt die hausärztliche Versorgung insge- samt der fachärztlichen gegenüber.
Wenn Kossow sich nun darüber beklagt, derartige Veröffentlichungen seien der vertragsärztlichen Versor- gung insgesamt nicht zuträglich, muß er sich zugleich den Vorwurf gefallen lassen, bei den Auseinandersetzungen um das Vorschaltgesetz und die anste- hende Gesundheitsreform allein die Interessen der Hausärzte im Auge zu haben. Der BDA-Bundesverband hat an den bisherigen Protestaktionen ge- gen die Gesetzgebung demonstrativ nicht teilgenommen. Er wird dies nach dem neuerlichen Streit mit der KBV wahrscheinlich auch nicht beim kurzfristig einberufenen deut- schen Kassenärztetag am Samstag, dem 20. März, in Köln tun. Josef Maus A-746 (18) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 12, 26. März 1999
P O L I T I K AKTUELL
Ambulante Versorgung
Heftiger Streit über die Umsätze der Hausärzte
Weil Hausärzte kaum weniger Umsätze haben als Fachärzte, hält die KBV eine gesetzlich initiierte Honorarumverteilung für unnötig.
B
Schorre: „Umverteilung ist keine Lösung.“
Kossow: „Frisierte Statistik.“Fotos: B. Eifrig, Bonn