• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Nichtärztliche Heilberufe: Schritt für Schritt" (17.11.1988)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Nichtärztliche Heilberufe: Schritt für Schritt" (17.11.1988)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

111111

E

in Diplom-Psychologe, der in verschiedenen Kliniken als Psychotherapeut gear- beitet hatte, besann sich auf die Flucht nach vorn: Als er von ei- ner Patientin wegen „falscher Be- handlung" auf Rückerstattung des Honorars verklagt wurde, verurteil- te ihn zunächst das Landgericht und später das Oberlandesgericht Mün- chen zur Zahlung. Grund: Die Rechnung sei nichtig, weil der The- rapeut keine Erlaubnis zur selbstän- digen Heilbehandlung nach dem Heilpraktikergesetz (HPG) besaß.

Zugeständnisse

Daraufhin rief der Psycholo- ge das Bundesverfassungsgericht (BVG) an, da er sich durch die Er- laubnispflicht in seiner Berufsfrei- heit eingeschränkt und durch die rechtliche Gleichsetzung mit den Heilpraktikern — trotz seiner wesent- lich intensiveren Ausbildung — dis- kriminiert fühle (AZ: 1 BvR 482/84). Das BVG wies in der Ent- scheidung vom 10. Mai 1988 seine Beschwerde ab. Der Erlaubnis- zwang sei durch die staatliche Pflicht zum Schutz der Volksgesundheit für alle Heilberufe gerechtfertigt. Das HPG reglementiere auch kein fest umrissenes Berufsbild, sondern das ganze Feld der nichtärztlichen Heil- berufe. Insofern blieb die Beschwer- de des Psychologen, trotz Rücken- deckung durch seinen Berufsver- band, erfolglos.

Doch das BVG machte in seiner Begründung auch Zugeständnisse:

„Problematischer" sei nämlich, daß die Erste Durchführungsverordnung des HPG generell die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers vorschreibe, ohne bei- spielsweise die akademische Aus- bildung eines Diplom-Psychologen zu berücksichtigen. Diese Bestim- mung, so der Senat, sei bei den aka- demischen Bewerbern entweder großzügig auszulegen oder zu än- dern. Als „verfassungsrechtlich be- denklich" bezeichnete das oberste Gericht den Zwang, als Psycho- therapeut die Bezeichnung „Heil- praktiker" zu führen. Es seien damit

„fest umrissene Vorstellungen ver-

Nichtärztliche Heilberufe

Schritt für Schritt

Der Erste Senat des Bun- desverfassungsgerichts in Karlsruhe hat seine Recht- sprechung über die Stel- lung von Heilpraktikern fortgeführt und darüber hinaus Ausführungen an den nichtärztlichen Psy- chotherapeuten gemacht, die grundsätzliche Bedeu- tung haben. Berücksichtigt man jüngste Gesetzes-In- itiativen, wie sie auch die Gerichte für notwendig hal- ten, so scheint sich ein Trend zu bestätigen: Schritt für Schritt kommen die Gegner des ärztlichen Ver- sorgungsmonopols voran.

bunden, die mit der Tätigkeit des akademisch ausgebildeten Psy- chotherapeuten so gut wie nichts zu tun haben". Das BVG spricht von

„Ungereimtheiten" und stellt fest,

„daß eine gesetzliche Regelung des Psychotherapeutenberufs sinnvoll wäre".

Erkämpft

Einen ähnlichen Appell hatte auch das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1983 bereits an den Gesetz- geber gerichtet. Das wiederholte Vorpreschen der Gerichte scheint Eindruck gemacht zu haben: Weni- ge Monate nach dem Spruch aus Karlsruhe liegt jetzt ein Entwurf des Berliner Senators für Gesundheit und Soziales auf dem Uch, mit dem ein Berufsbild des Psychotherapeu- ten mitsamt einheitlicher Ausbil- dung, klar begrenzter Tätigkeit und

Einbindung in die Kassenversorgung konstruiert werden soll. Bis zu dem BVG-Beschluß vom Mai diesen Jah- res hatte für ein solches Gesetz le- diglich ein Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums aus dem Jahre 1978 existiert, der indes nicht voran gekommen war.

Unterdessen erstritten die nicht- ärztlichen Psychotherapeuten ein weiteres Zugeständnis auf dem Weg zur Gleichstellung mit den Ärzten:

In einem Parallelverfahren beim BVG (AZ: 1 BvR 1166/85) erwirkte eine Diplom-Psychologin aus der Schweiz, die in der Bundesrepublik ohne Erlaubnis nach dem HPG eine Praxis eröffnet hatte, die Erteilung einer solchen Erlaubnis auch an Ausländer. Ihre Lobby, der Berufs- verband deutscher Psychologen e. V., hatte es in einer Stellungnah- me als unverständlich bezeichnet, daß zwar nach der Bundesärzteord- nung Ausländern die Erlaubnis zum

„Facharzt für Psychotherapie"

(sic!) erteilt werde, einem die glei- che Tätigkeit ausübenden Diplom- Psychologen die Erlaubnis nach dem HPG aber generell zu verweigern sei. Die BVG-Richter entschieden, daß ein Ausländerverbot nicht dem Zweck des Gesetzes, nämlich die Volksgesundheit vor Gefahren zu schützen, diene. Die Durchfüh- rungsverordnung müsse geändert werden.

Unter Druck

Ein anderes Bollwerk, der Aus- schluß von Heilpraktikern und be- sonders Diplom-Psychologen von der Kassenzulassung, gerät ebenfalls unter Druck. Zwar war die Ableh- nung aus Karlsruhe im Falle der Heilpraktiker eindeutig. Hier könn- te zum Entscheidungsprozeß freilich auch beigetragen haben, daß die Heilpraktikerverbände diese Zulas- sung selbst nicht wollen, weil sie ei- ne Einschränkung ihrer Behand- lungsmethoden bedeuten würde. So fiel es dem BVG leicht, die von ei- ner einzelnen Heilpraktikerin be- mängelte „verfassungswidrige Ein- schränkung der Berufsfreiheit" nach Artikel 12, Absatz 1 des Grundge- setzes zu verneinen. Es betonte viel- Dt. Ärztebl. 85, Heft 46, 17. November 1988 (17) A-3221

(2)

Methadon nur in Einzelfällen

mehr: Gerade weil die Heilpraktiker herkömmlicherweise und im Be- wußtsein ihrer Patienten außerhalb der kassenärztlichen Versorgung tä- tig werden, sind sie nicht im gleichen Maße wie die Ärzte auf eine Kassen- zulassung angewiesen (AZ: 1 BvR 111/77).

Es sei allerdings möglich, daß auch geschickte Naturheilkundige und andere Nichtärzte Heilerfolge erzielten; eine vom Gesetz zu ver- langende Gewähr böten sie auf- grund ihrer Ausbildung allerdings nicht dafür.

Weniger eindeutig äußerte sich Karlsruhe in der Zulassungsfrage bei den Diplom-Psychologen. Das Bre- mer Landessozialgericht, das dem BVG Ausschluß-Vorschriften für diese Berufsgruppe zur Überprü- fung vorgelegt hatte, bekam von den Karlsruher Richtern statt einer kla- ren Sachentscheidung lediglich den peinlichen Rüffel, daß man die Vor- lagefrage wegen Versäumnissen und Verfahrensfehlern der Bremer Lan- dessozialrichter nicht beantworten könne (AZ: 1 BvR 8/82, 1 BvR 9/82). In den Erläuterungen des BVG zur Fragestellung blitzt aber auch Verständnis für die Lage der Psychologen auf: Ob das bisher praktizierte Delegations-Verfahren befriedigend sei, lasse sich zumin- dest „bezweifeln".

Initiativen

Politiker verschiedenster Rich- tungen haben in jüngster Zeit ver- sucht, die bisher tief verwurzelten Vorbehalte gegenüber der fachli- chen Qualifikation von Heilprakti- kern auszuräumen: Die Grünen im Bundestag scheiterten im Juni letz- ten Jahres zwar mit einer Überprü- fungsordnung, die einem Qualifika- tionsnachweis gleichgekommen wä- re. Auch Nordrhein-Westfalen hatte im Bundesrat mit einer ähnlichen In- itiative im Februar keinen Erfolg.

Doch immerhin bat die Länderkam- mer die Bundesregierung zu prüfen, ob die Notwendigkeit für ein ein- heitliches Überprüfungsverfahren nach dem Heilpraktikergesetz be- steht. Bis Ende des Jahres soll der Bericht vorliegen. OD

„Das Thema Drogenabhängig- keit hat eine neue Dimension be- kommen, weil die Abhängigen eine nicht unwesentliche Risikogruppe der sich pandemisch entwickelnden AIDS-Erkrankung darstellen. Diese Tatsache wirft neue Probleme auf.

Sie kann dazu beitragen, ärztliches Mitgefühl zu aktivieren und zum Beispiel die Bereitstellung nicht inji- zierbarer sogenannter Ersatzdrogen zu fordern." So beginnt eine Stel- lungnahme des Wissenschaftlichen Kuratoriums der Deutschen Haupt- stelle gegen die Suchtgefahren und der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie

„zur Substitution Drogenabhängi- ger". In der vom Deutschen Caritas- verband verbreiteten Stellungnahme sprechen sich beide Institutionen ge- gen die Substitution mit Methadon (L-Polamidon) aus.

Generelle Methadon- oder an- dere Substitutions- und Reduktions- programme mit psychoaktiven Sub- stanzen von hohem Mißbrauchpo- tential werden abgelehnt. Die Sub- stitution müsse auf Einzelfälle be- schränkt bleiben. Unter Hinweis auf Untersuchungen und Erfahrungen in den USA, Holland und der Schweiz bezweifeln die Wissen- schaftler der beiden deutschen Gre- mien, daß die Methadon-Vergabe ein Mittel gegen Suchtkrankheit, ge- gen Kriminalität, gegen die AIDS- Gefahren oder gegen die Prostitu- tion sein könne.

Im Hinblick auf die Drogen- und Heroinabhängigkeit hätten die Erfahrungen gezeigt: Je höher sub- stituiert werde, um so geringer wür- den Bereitschaft und Fähigkeit,

„durch Arbeit an sich selbst zu ei- nem drogenfreien Leben zu fin- den". Die Verfügbarkeit von Me- thadon könne langfristig Betroffene von drogenfreien Programmen ab- ziehen und zu einer Selektion unter den Abhängigen führen. In mehre- ren Ländern sei festzustellen, daß ethnische Minderheiten und ärmere Schichten, „mit der Droge ruhig ge- stellt werden, während die begüter- ten in die drogenfreien Programme kommen".

Was die von Methadon erhoffte AIDS-Prävention angehe, so sei die HIV-Durchseuchung in Ländern, in denen sehr freizügig mit Methadon umgegangen werde, wie in Italien, Spanien und neuerdings auch der Schweiz, zum Teil höher, zumindest aber nicht geringer als in der Bun- desrepublik. Zur Vermeidung von Neuinfektionen müsse versucht wer- den, gemeinsame Benutzung von In- jektionsnadeln und ungeschützten Sexualverkehr zu verhindern. Me- thadon sei auch kein Mittel gegen die Prostitution.

Wesentlich sei der Ausbau alter- nativer Angebote für drogenfreie Therapien im ambulanten Bereich.

Hierzu gehörten „niederschwellige Angebote mit lebenspraktischen Hilfen: Gesundheit, Wohnen, Ar- beit, Freizeit". HIV-Positive dürf- ten nicht ausgegrenzt werden, son- dern müßten in auf eine geeignete Weise erweiterten „regelhaften Sy- stemen" versorgt werden. Erfahrun- gen aus jüngster Zeit hätten gezeigt, daß auch Drogenabhängige durch Aufklärung und auf dem Wege der Freiwilligkeit erreicht werden könn- ten. Im übrigen gebe es Gründe für die Annahme, daß diejenigen, bei denen Methadon-Substitutionspro- gramme Erfolg versprechen könn- ten, auch besonders geeignet seien für eine drogenfreie Therapie.

Dort, wo Methadon oder ande- re Opioide in Einzelfällen angewen- det würden, müsse das durch erfah- rene Ärzte geschehen und mit einer kompetenten psycho-sozialen Be- treuung einhergehen. Mögliche In- dikationen für eine Substitution könnten zum Beispiel sein:

• Opioidpflichtige Schmerzzu- stände

• Drogenabhängige mit le- bensbedrohlichen Zuständen im Entzug

• Drogenentzug bei schweren Krankheiten

• Drogenabhängige am Ende der Schwangerschaft bzw. unter der Geburt

• Abhängige AIDS-Kranke mit fortgeschrittener manifester Er- krankung. Andreas Lehmann A-3222 (18) Dt. Ärztebl. 85, Heft 46, 17. November 1988

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Hier werden Entschei dun - Andersen-Grundschule, Kattegatstraße 26 Carl-Kraemer-Grundschule, Zechliner Straße 4 Wilhelm-Busch-Schule(Grundschule und Schule mit Sekundarstufe I

„Ist das nicht toll, ganz genau sind hier sogar die Nieten eingezeichnet, mit denen die Rüstung zu - sammenhält – und das sind nicht wenige!“ Zu sehen sind außerdem Fotos, die

„Es soll sich auch für die Menschen, die weniger Geld haben, lohnen, hier im Kiez zu leben.“. In Kooperation mit der Nachbar- schaftsEtage Fabrik Osloer Straße gibt sie

Ab sofort können Ideen für Projekte im Quartiersfonds 3 (QF 3), die in den Jahren 2010, 2011 und 2012 im Quartiersmanagementgebiet (QM-Gebiet) Soldiner Straße umgesetzt werden

Der Künstler hat das Banner ent- worfen, die Dopplung des Turms der Stephanuskirche mit der Aufstiegstreppe auf dem Stoff und real vermittelt für ihn etwas, das für den Soldiner Kiez

Für mich ist es so – und es gibt da sicher auch unter- schiedliche Betrachtungsweisen – dass die heute Aktiven im Jahr 2007 auf die eine oder andere Art zusammen gefunden haben..

Seit dreißig Jahren bietet die NachbarschaftsEtage Angebote für Fami- lien, Räume für Veranstaltungen und Aktivitäten, Kindertheater, Nach- barschaftsfeste,

Und weil das nicht nur der Kalender vom Seniorendomizil, sondern auch der der Hotelgruppe Adina ist, werden die Soldiner Senioren Hotels in der ganzen Welt verschönern: „Das ist