Das verborgene Museum
Frauenkunst wird ans Licht gebracht A
uf Ausstellungen, inden Sammlungen der Museen, in Galerien sind die Werke von Künstle- rinnen unterrepräsentiert.
Kunst von Frauen wird wenig angekauft, schlecht archi- viert, nur selten ausgestellt.
„Zeitgeist" und „1945-1985 Kunst in der Bundesrepublik Deutschland", zwei Ausstel- lungen, die maßgeblich die Rezeption der zeitgenössi- schen Kunst beeinflussen werden, haben einmal mehr gezeigt, wie mit den Künstle- rinnen verfahren wird: Sie kommen eigentlich nicht vor, das heißt der Alibi-Charakter derjenigen, die vertreten sind, ist nicht zu übersehen.
In der Kunst- und Kulturge- schichtsschreibung werden die Leistungen von Künstle- rinnen nach wie vor unter- schätzt oder sie bleiben unbe- rücksichtigt.
Daher haben sich auf In- itiative der Malerinnen Gise- la Breitling und Evelyn Ku- wertz in Berlin Künstlerinnen und Kulturwissenschaftlerin- nen zusammengefunden, um der ungebrochen patriarchal funktionierenden Kulturar- beit entgegen zu wirken: Im Frühjahr 1986 gründeten sie in Berlin den Verein „Das verborgene Museum e. V.", eine Einrichtung zur Erfor- schung, Dokumentation und Veröffentlichung der Kunst der Frauen.
Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, detailliert und kontinuierlich folgende The- men zu bearbeiten: Histori- sche Bedingungen der künst- lerischen Arbeit von Frauen, Vorstellung bislang unbe- kannt gebliebener Künstle- rinnen und ihrer Werke, Her- ausarbeiten der Wirklich- keitsreflexion in den Kunst- werken von Frauen. Da eine solche Aufgabe nur interdis- ziplinär zu lösen ist, werden Ausstellungen, in denen Werke zeitgenössischer oder historischer Künstlerinnen gezeigt werden, jeweils durch ein Rahmenprogramm er- gänzt: Vorträge, Lesungen und Konzerte sollen den kul- turgeschichtlichen Zusam- menhang beleuchten. Der
Verein will auf die Produk- tionen von Frauen aufmerk- sam machen, sie bekannt ma- chen und zu einer veränder- ten Ankaufspolitik in den Museen beitragen.
Zwar sind die Forderun- gen, so wie sie der Berliner Verein formuliert, seit eini- gen Jahren auch unter den kommunalen kulturpoliti- schen Programmpunkten zu finden — vornehmlich in den bundesweit eingerichteten Referaten von Frauenbeauf- tragten, die konkrete Einlö- sung allerdings bedarf noch eines guten Stückes Arbeit.
Am 10. April 1987 hat der Verein seine Galerie in der Schlüterstraße 70 in Charlottenburg mit der Aus- stellung „Louise Rösler — Stadtlandschaften 1935 bis 1984" eröffnet, mit einer Hommage an die Künstlerin zu ihrem 80. Geburtstag.
Erstmals wurden die frühen Stadtlandschaften von Louise Rösler einem Publikum vor- gestellt — Gebäude, Straßen, Plätze aus dem Berlin der dreißiger Jahre — Werke, die 1938 in der Galerie Buchholz gezeigt werden sollten. Aber noch bevor die Ausstellung eröffnet war, wurde sie von der Reichskulturkammer ge-
schlossen und der Malerin mit Berufsverbot weitere künstlerische Tätigkeit un- möglich gemacht.
Im Juni 1987 waren
„Farbfotografien — Inszenier- te Porträts von Frauen" zu sehen, die Birgit Kleber, in Berlin lebende Fotografin, 1986 als Serie aufgenommen hat. Ein halbes Jahr hatte sie im selbstverwalteten Frauen- stadtteilzentrum Kreuzberg einen Raum zur Verfügung, dessen Ambiente sie für je- des Porträt neu arrangierte;
dann verließ sie diesen In- nenraum und wählte leere Stadträume unter freiem Himmel Jede ihrer Inszenie- rungen wurde zum Experi- ment. Zwanzig großformati- ge Porträts aus der Serie wur- den in der Galerie des „Ver- borgenen Museums" gezeigt.
Diskussionen im Anschluß an Vorträge zur Geschichte der Porträtfotografie zeigten, daß das Bildnis als künstleri- sche Aufgabe nach wie vor aktuell ist.
In der letzten Ausstel- lung des Jahres 1987 wurde das fotografische Werk von Marianne Breslauer vorge- stellt, Arbeiten aus den Jah- ren 1927 bis 1937, die zum er- sten Mal in Deutschland zu
Im Bild v.1. n. r. fünf der sieben Initiatorinnen des Verborge- nen Museums: Fotografin Birgit Kleber; Proi Dr. Christina Tür- mer-Rohr, Psychologin TU Ber- lin; Malerin Evelyn Kuwertz;
Rechtsanwältin Alexandra Goy; Malerin Gisela Breitling;
nicht abgebildet sind die Kunsthistorikerin Elisabeth Moortgat und die Autorin die- ses Beitrags, die Theaterwis- senschaftlerin Marion Beckers sehen waren. Marianne Bres- lauer, gebürtige Berlinerin, mußte als Jüdin 1936 Deutschland verlassen und lebt heute als Kunsthändlerin in Zürich. Ihre Fotos wurden im „Querschnitt" in der
„Frankfurter Zeitung", der
„Funkstunde", dem „Maga- zin" , der „Wochenschau"
veröffentlicht. Im Frühjahr 1933 reiste sie mit der Schweizer Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach im Auftrag der Berliner Agentur Academia durch Nordspanien Noch vor ihrer Rückkehr traf sie das Berufs- verbot.
Zur Zeit (bis 22. Mai) zeigt das Verborgene Mu- seum Pastelle und Collagen von Simona Weller unter dem Titel „Il segno delle sta- gioni — Zeichen der Jahres- zeit". Die 1940 geborene Rö- merin Simona Weller ist seit 1976 in der feministischen Bewegung engagiert. In ihren neueren Arbeiten, die in Ber- lin zu sehen sind, setzt sie sich mit Rhythmus und Farbe der Wellen auseinander.
Die Ausstellungen und Veranstaltungen des Vereins
„Das verborgene Museum"
waren außerordentlich er- folgreich. Die Reaktionen in der Öffentlichkeit waren po- sitiv. Um die Arbeit des Ver- eins allerdings auf Dauer zu ermöglichen, reicht die eh- renhalber geleistete Arbeit der beteiligten Frauen nicht aus. Wo immer sich ihnen ei- ne Gelegenheit bietet, bitten sie daher um Spenden.
Marion Beckers
Adresse: Das verborgene Museum, Dokumentation der Kunst von Frauen e. V., Schlüter- straße 70, 1000 Berlin 12 (Charlot- tenburg), Telefon 0 30/3 13 36 56 2 ir
A-1042 (80) Dt. Ärztebl. 85 , Heft 15, 14. April 1988