PALLIATIVMEDIZIN
Schmerzmittel jederzeit
Das Bundesgesundheitsministerium strebt eine Lösung an.
M
öglicherweise wird es dem- nächst erlaubt sein, dass Ärzte nachts und am Wochenende Schmerzmittel zur Überbrückung zu Hause bei sterbenden Patienten lassen dürfen. Das signalisierte jetzt das Bundesministerium für Ge- sundheit gegenüber der Deutschen Palliativstiftung (DPS). „Es ist ei- ne schnelle Änderung einer absur- den Rechtslage in Sicht, und die Palliativmediziner hoffen nun auf Rechtssicherheit für ihre Arbeit“, begrüßte Thomas Sitte, Vorsitzen- der der Deutschen Palliativstif - tung, diese Ankündigung des Mi- nisteriums. Im Gespräch sind or - ganisatorische Verbesserungen im Kontakt zwischen Palliativmedizi- nern und Apothekern, eine Anpas- sung der Apothekenbetriebsordnung hinsichtlich der zwingend vorzuhal- tenden Medikamente sowie eine Änderung des § 13 Betäubungsmit- telgesetz (BtMG).Schwerwiegendes Dilemma
Zur Erinnerung: Der Fuldaer Pallia- tivmediziner Sitte sah sich von ei- nem Strafverfahren bedroht, weil er einer Patientin eine schmerzlin- dernde Dosis Opioide überlassen hatte. Sitte hatte sich deshalb mit einer Petition an den Bundestag gewandt, um eine Änderung des Be- täubungsmittelgesetzes zu erwirken.Nach geltendem Recht (§ 13 BtMG) dürfen nur Apotheker Schmerz - mittel nach Verordnung des Arztes abgeben. Dieses Dispensierrecht stellt nach Angaben der Deutschen Palliativstiftung die Palliativmedi- ziner vor ein schwerwiegendes Di- lemma: „Entweder der Arzt verstößt in Notfällen außerhalb der Apothe- kenöffnungszeiten gegen das BtMG und macht sich strafbar oder er macht sich strafbar wegen Körper- verletzung.“ Sitte und der Haupt - petent Eckhard Eichner forderten in der Petition, „dass umgehend Än-
derungen in der Gesetzgebung zu erfolgen haben, damit die medi - zinisch korrekte und von allen Be- teiligten gewünschte Abgabe von Betäubungsmitteln zur sogenann- ten Unzeit keinen Straftatbestand mehr darstellt“. (siehe dazu DÄ, Heft 8/2011)
Voller Erfolg der Petition
Der DPS-Vorsitzende bezeichnete die Petition jetzt als vollen Erfolg.In der Zwischenzeit gebe es zahlrei- che Befürworter und Unterstützer quer durch alle Parteien und Ver- bände. So sagte die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof a.D., Prof. Dr. jur. Ruth Rissing-van Saan: „Es besteht nicht nur für je- den unter schweren Schmerzen lei- denden Patienten ein rechtlich ver- bürgter Anspruch auf eine mög- lichst effektive Behandlung seiner Leiden durch einen sachkundigen Arzt. Es ist eine humanitäre Ver- pflichtung unserer Gesellschaft, dem behandelnden Arzt eine indizierte Behandlung rechtlich zu ermögli- chen, ohne ihn der Gefahr auszuset- zen, wie ein Drogendealer behan- delt zu werden.“
Inzwischen sei auch dem Bun- desgesundheitsministerium klarge- worden, was für eine angemessene Betreuung von Sterbenden zu Hau- se erforderlich sei, berichtete Sitte im Anschluss an ein Treffen An- fang März in Berlin, an dem auch Vertreter der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung, der Krankenkassen, Apo- thekerverbände sowie der Pallia - tiv- und Hospizverbände teilge- nommen hatten. „Was wir jetzt brauchen, sind noch mehr Berichte aus der Praxis: Wo bestehen Proble- me in der ambulanten Palliativver- sorgung, was machen Praktiker, um die Klippen der Gesetze zu um-
schiffen?“ ■
Gisela Klinkhammer
A 622 Deutsches Ärzteblatt