DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
F
ast jeder Tag bringt neue Meldungen über „Struk- turreformen", „Budgetie- rung", „Teilpauschalierung"und andere „Denkanstöße"
für die künftige Gestaltung des kassenärztlichen Hono- rierungssystems.
Der einzelne Kassenarzt tut gut daran, diese Diskussionen zu verfolgen; er sollte sich aber in seinem täglichen ärzt- lichen Verhalten und seinem Überweisungs- oder Abrech- nungsgebaren nicht ins Bockshorn jagen lassen. Daß jeder einzelne durch Spar- samkeit mit dazu beitragen kann, die Finanzierbarkeit unseres ganzen, nach wie vor qualitativ hochstehenden Sy- stems der ärztlichen Versor- gung der Bürger zu erhalten, das dürfte längst jedem klar sein.
Es wäre ganz und gar falsch, nun schon große prinzipielle Unterschiede zwischen den aktuellen Honorarabschlüs- sen einzelner Kassenärzt- licher Vereinigungen entdek- ken zu wollen. Denn für die diesjährige Verhandlungs-
Klarheit
beim Honorar
runde gilt zwar, daß in jedem Landesbereich ohne vorgege- bene Zahlen verhandelt wird.
Die „Bundesempfehlung" der Kassenärztlichen Bundesver- einigung und der Spitzenver- bände der RVO-Kassen vom
14. Juni 1985 besagt abwei- chend von früheren Jahren le- diglich, daß sich der Zuwachs der Gesamtvergütung für kas- senärztliche Leistungen bis Mitte 1986 „im Einklang mit dem Zuwachs der Grundlohn- summen halten" soll. Ob man diesen „Deckel" danach wie- der vom Topf herunterkriegt, das kann gegenwärtig nie- mand voraussagen.
Unter dem „Deckel" aber än- dert sich vorläufig prinzipiell nichts; die Gesamtvergütung wird grundsätzlich nach Ein- zelleistungen verteilt. Das ist, um die Dinge einmal beim Namen zu nennen, in Häuß-
lers KV-Bereich Nord-Würt- temberg prinzipiell nicht an- ders als in Sewerings Bayern.
Gerade Sewering hatte ja ver- sprochen, bei der neuen baye- rischen Honorarvereinbarung die Einzelleistungsvergütung energisch zu verteidigen; dies ist gelungen, wie auf den Nachrichtenseiten dieser Aus- gabe nachzulesen ist. Und daran will jeder gewählte Kassenarzt-Vertreter festhal- ten, solange es geht.
Fühlbare Einschränkungen werden künftig unumgäng- lich sein, schon um dem Nachwuchs ein Auskommen zu sichern. Aber einen „von der Sorge um seine Existenz gequälten Arzt" kann nie- mand wollen, auch nicht die Krankenkassen. Das hat Willi Heitzer, der alternierende Vorsitzende des AOK-Bun- desverbandes, erst dieser Ta- ge wörtlich vor der Presse be- kräftigt. Wenn in gemeinsa- mem Bemühen alle in Part- nerschaft zusammenstehen — die Vertragspartner ebenso wie jeder einzelne Arzt zu sei- ner KV —, dann kann, dann muß es gelingen. gb
A
nläßlich eines Gesprä- ches mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Freien Berufe hat Bundesfi- nanzminister Dr. Gerhard Stoltenberg erklärt, es gebe keine Pläne im Bundesfinanz- ministerium für die Einbezie- hung der Freien Berufe in die Gewerbesteuer.Die Angehörigen der Freien Berufe können mit dieser Mit- teilung nicht zufrieden sein.
Sie signalisiert allenfalls wohlwollende Neutralität, denn der Minister hat nicht erklärt, daß er persönlich oder gar von Amts wegen sich ge- gen eine Einbeziehung der Freien Berufe in die Gewer- besteuer ausspreche.
Nicht einmal die Mittel- standsvereinigung der CDU/
CSU äußert sich vorbehaltlos, da die Kommunalpolitiker
Noch nicht vom Tisch
■ ■ ■hier gewichtige Worte mitre- den.
Was steckt dahinter? Obwohl sich die Entwicklung der Kommunalfinanzen im ersten Halbjahr 1985 mit einem Fi- nanzierungsüberschuß von
153,3 Millionen DM nicht schlecht anläßt, befürchten die Kommunalpolitiker mit Recht, daß ihnen die beab- sichtigte Steuerreform der nächsten Legislaturperiode Probleme beschert. Das könn- te den kräftigen Zuwachs der kommunalen Steuereinnah- men um 4,8 Prozent gegen- über dem Vergleichszeitraum
des Vorjahres auf 23,4 Milliar- den DM bremsen.
Zur Aufbesserung der Ge- meindefinanzen eine weitere Erhöhung der Umsatzsteuer zu propagieren ist in Wahljah- ren für Volksparteien höchst problematisch. Also?
Das bisherige Unverständnis des Bundesfinanzministers für die steuerrechtliche Diskrimi- nierung von Vorsorgeaufwen- dungen der Freien Berufe im Vergleich zu denen der Ar- beitnehmer, der Beamten und Gewerbetreibenden läßt bis- her nur den Schluß zu, daß die Freien Berufe hinsichtlich der Einbeziehung in die Gewer- besteuer oder in eine anders benannte, jedoch absolut vergleichbare Steuer dem Bundesfinanzminister Dr.
Gerhard Stoltenberg nicht trauen können. FM
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 44 vom 30. Oktober 1985 (1) 3221