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Archiv "Allenfalls Nischenanwendung" (10.02.2012)

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112 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 6

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10. Februar 2012

M E D I Z I N

DISKUSSION

Schwache Evidence based Medicine

Wenn auch unter den Kriterien einer Evidence based Medicine die Vorteile der Vakuumtherapie bis heute nicht sicher belegt werden können, so hat sich dieses Verfahren dennoch in weiten Bereichen der Chirurgie mit vollem Recht einen großen Stellenwert erobert.

Den Fortschritt, den diese Methode gebracht hat, kön- nen wohl nur noch jene ermessen, die die Zeit davor, al- so vor inzwischen über 20 Jahren, erlebt haben.

Nach 29 Jahren Tätigkeit im Fachgebiet kann ich durchaus sagen, dass diese Entwicklung wohl einer der größten Fortschritte im Fachgebiet Chirurgie in dieser Zeit war.

Es gibt eine Vielzahl von Wunden und Defekten in der Abdominal-Unfall-Gefäßchirurgie und Nachbarge- bieten, die man früher kaum beherrschen konnte ohne aufwendige Hilfen und Verlegungen in Häuser mit Ma- ximalversorgung etc., die nun gut in jeder Basischirur- gie erfolgreich versorgt werden können. Umso schlim- mer die weiterhin häufigen ärgerlichen Probleme mit der Kostenübernahme im ambulanten Bereich, weil an- geblich die Wirkung nicht belegt ist. Keine alternative Behandlungsmethode hat irgendeine bessere Evidenz, hat aber keine Kostenübernahmeprobleme.

Es zeigen sich hier exemplarisch zwei Schwach- punkte des Konzepts einer reinen EBM, zumindest wie sie hierzulande betrieben wird. Zum einen eine imma- nente Fortschrittsfeindlichkeit und zum anderen eine politische finanzielle Instrumentalisierbarkeit.

Die reine Beschränkung auf einige wenige RCTs, damit das Gleichsetzen dieser mit der Wahrheit und das Beiseitelassen der gesamten sonstigen angesammelten empirischen Belege, ist zumindest in der Chirurgie kein ausreichendes Konzept. Dies entspricht auch keines- wegs den ursprünglichen Ideen der Evidence Based Medicine. Aber dieses Fehlverständnis gibt Politik und Kostenträgern bequeme Ablehnungsargumente.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0112a

LITERATUR

1. Peinemann F, Sauerland S: Negative pressure wound therapy – systematic review of randomized controlled trials. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(22): 381–9.

Dr. med. Hanspeter Thies

Kreiskrankenhaus Abteilung Unfallchirurgie, Zwiesel docthies@kkhzwiesel.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Endziel zweifelhaft

Das Ergebnis, dass neue Studien benötigt werden, kann ich nur unterstreichen. Als rekonstruktiv tätiger plasti- scher Chirurg, der täglich große Defekte nach Infekten, Trauma und Tumoren behandelt, bezweifele ich aller- dings das Endziel. Nicht der Wundverschluss durch

„negative pressure wound therapy“ (NPWT) muss eva- luiert werden. Die NPWT hat ihren unbestrittenen kli- nischen Platz in der Konditionierung der Wunde bis zur Deckung durch den (plastischen) Chirurgen, gerade bei großen und primär infizierten Wunden. Bis zur De- ckung erhöht die NPWT nicht nur die Lebensqualität der Patienten durch eine niedrigere Frequenz schmerz- hafter Verbandswechsel (Intervalle von bis zu sieben Tagen sind problemlos machbar), sondern verbessert nach Débridement die Wundsituation so, dass wir schneller und sicherer decken können. Dabei geht es nicht nur um Hauttransplantationen, sondern auch um Deckungen mit gestielten und freien, mikrovaskulären Lappenplastiken. Hierfür sind die Aspekte der Infekti- on und Vaskularität der Wunde (oder der Extremität) im Vorfeld immer zu klären. Ich gebe zu, dass ein solcher Endpunkt von deutlich mehr (subjektiven) Variablen abhängt, aber ein schwer messbarer Endpunkt darf nicht von einer korrekten Zielstellung abhalten. Es wä- re bedauerlich für unsere Patienten, wenn die neuen Studien erneut den falschen Endpunkt evaluierten. In diesem Zusammenhang sollte man die rekonstruktiven Fachleute primär einbinden.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0112b

LITERATUR

1. Peinemann F, Sauerland S: Negative pressure wound therapy – systematic review of randomized controlled trials. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(22): 381–9.

Prof. Dr. med. Hisham Fansa, MBA

Chefarzt der Klinik für Plastische, Wiederherstellungs- und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie Klinikum Bielefeld hisham.fansa@klinikumbielefeld.de

Interessenkonflikt

Prof. Fansa erheilt Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten von Pfizer.

Allenfalls Nischenanwendung

Die vorliegende kritische Literaturrecherche zeigt, dass eine im DRG-System extrem gut honorierte Methode fragwürdig ist, und damit deren teure Finanzierung. Die Honorierung erfolgt zudem ohne Nachweis des Erfolgs und regt natürlich die Nachfrage an. Nach unseren jahr- zehntelangen Erfahrungen hängt eine langfristige Hei- lung – nicht eine kurzfristig erzeugte Granulation – fast ausschließlich von den lokalen Durchblutungsverhält- nissen ab. Für deren Verbesserung ist in erster Linie zu sorgen. Danach ist es wenig relevant, welche Methode des Defektverschlusses oder der Verbandstechnik zur zu dem Beitrag

Vakuumtherapie von Wunden

Systematische Übersicht randomisierter kontrollierter Studien von Dr. med. Frank Peinemann M.Sc., Dr. med. Stefan Sauerland MPH in Heft 22/2011

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Deutsches Ärzteblatt

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M E D I Z I N

Sekundärheilung man benutzt, solange die richtigen Prinzipien für Transplantate oder der feuchten Wund- heilung beachtet werden. Meines Erachtens könnte es für die Vakuumversiegelung allenfalls eine Nischenan- wendung ohne Vergütungsanreize geben.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0112c

LITERATUR

1. Peinemann F, Sauerland S: Negative pressure wound therapy – systematic review of randomized controlled trials. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(22): 381–9.

Prof. Dr. med. Helmut Breuninger

Arzt für Chirurgie und Dermatologie und Phlebologie Universitäts-Hautklinik Tübingen, Operative Dermatologie helmut.breuninger@med.uni-tuebingen.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Schlusswort

Wir freuen uns, dass Herr Dr. Thies gute klinische Er- fahrungen mit der Vakuumtherapie (NPWT) gemacht hat. Klinische Erfahrung allein ist im Regelfall nicht ausreichend, um auf nationaler Ebene ein allgemein- gültiges Fazit zu ziehen, welches für Tausende von Pa- tienten in der stationären und ambulanten Versorgung Anwendung findet. Gerade die ambulante Vakuumthe- rapie birgt gewisse Gefahren, so dass der Nutzen dieser Therapie tatsächlich gut belegt sein sollte. Dass die Methode der evidenzbasierten Medizin primär auf teure und auch risikoreiche Behandlungsmethoden angewen- det wird, erscheint uns gut nachvollziehbar. Es wäre dem Beitragszahler schwer vermittelbar, wenn sich G-BA und IQWiG aufwändig mit Interventionen be- schäftigen, die sich in Nutzen-/Gefahrenpotenzial oder Preis kaum unterscheiden.

Es ist erfreulich, dass auch Herr Prof. Fansa eine Notwendigkeit für neue randomisierte Studien sieht.

Der Wundverschluss durch NPWT schließt den Einsatz plastisch-rekonstruktiver Eingriffe nicht aus. Vielleicht gab es in diesem Punkt ein Missverständnis. Auch in den im Herbst beginnenden Studien ist eine plastische Deckung nach adäquater Konditionierung des Wund- grundes ein fester Teil im Therapiekonzept. Um eine Bevorzugung einer Therapiegruppe zu vermeiden, soll durch eine Fotodokumentation und unabhängige Beur- teilung der Wunde sichergestellt werden, dass die Indi- kation für eine plastische Deckung abhängig vom Lo- kalbefund, aber unabhängig von der bisherigen Wund- therapie gestellt wird. Ob die NPWT tatsächlich Schmerzen vermindert und die Lebensqualität steigert, wird in den kommenden Studien ebenfalls untersucht werden.

Wir danken Herrn Prof. Breuninger für die Würdi- gung der von uns dargestellten Probleme bei der Be- wertung der Vakuumtherapie von Wunden. Wir sehen auch unser methodisches Vorgehen bestätigt, den kom- pletten Wundverschluss als den primären Endpunkt zu verwenden.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0113

LITERATUR

1. Peinemann F, Sauerland S: Negative pressure wound therapy – systematic review of randomized controlled trials. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(22): 381–9.

Dr. med. Frank Peinemann M.Sc.

PD Dr. med. Stefan Sauerland MPH

IQWiG Institut für Qualität u. Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Köln frank.peinemann@iqwig.de

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Hinweise für Autoren von Diskussionsbeiträgen im Deutschen Ärzteblatt

Reichen Sie uns bitte Ihren Diskussionsbeitrag bis spätestens vier Wochen nach Erscheinen des Primärartikels ein.

Argumentieren Sie wissenschaftlich, sachlich und konstruktiv. Briefe mit persönlichen Angriffen können wir nicht abdrucken.

Schreiben Sie klar und deutlich, fokussieren Sie sich inhaltlich. Vermeiden Sie es, Nebenaspekte zu berühren.

Sichern Sie die wichtigsten Behauptungen durch Referenzen ab. Bitte geben Sie aber – abgesehen von dem Artikel, auf den Sie sich beziehen – insgesamt nicht mehr als drei Referenzen an.

Beschränken Sie Ihren Diskussionsbeitrag auf eine Textlänge von 250 Wörtern (ohne Referenzen und Autorenadresse).

Verzichten Sie auf Tabellen, Grafiken und Abbildungen. Aus Platzgründen können wir solche grafischen Elemente in Diskussionsbeiträgen nicht abdrucken.

Füllen Sie eine Erklärung zu einem möglichen Interessenkonflikt aus.

Bearbeiten Sie die deutschen und englischen Satzfahnen nach Erhalt ohne Verzögerung.

Geben Sie eine Adresse an. Anonyme Diskussionsbeiträge können wir nicht publizieren.

Senden Sie Ihren Diskussionsbeitrag zu Artikeln der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion an:

medwiss@aerzteblatt.de oder Deutsches Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

Referenzen

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