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Archiv "Mykologie: Pilzbedingte Erkrankungen – Interdisziplinäre Herausforderung" (21.05.2004)

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ie Exposition gegen Schimmel- und Hefepilze ist alltäglich, doch ihre allergieauslösenden Antigene sind wenig definiert. Vor allem die Oberfläche der Pilze enthält biologisch aktive Komponenten (Enolase). Eine besonders starke allergene Wirkung ha- ben Schimmelpilze der Gattungen Cla- dosporium, Alternaria und Chaetomi- um, sodass bei genetischer Prädispositi- on Immunreaktionen mit unterschiedli- chen klinischen Bildern auftreten – bei- spielsweise Rhinitis, Konjunkti- vitis, Hautaffektionen, Asthma und komplexere Krankheitsbil- der wie zum Beispiel das „sick building syndrome“.

Im Einzelfall ist die Ursache selten mit Sicherheit zu bewei- sen, da die ungereinigten kom- merziellen Antigenmischungen, die in Form von Hauttesten und RAST-Analysen verwendet wer- den (und hohe Kosten verursa- chen), bis auf einzelne Präparate wenig charakterisiert und stark verbesserungsbedürftig sind.

Bei einem Pilz können bis zu 100 verschiedene allergene Epi- tope auftreten. Vor allem die Re- produzierbarkeit dieser biologi- schen Präparate ist schwierig, weil die verwendeten Pilzstämme sich in der Quantität und der Immuno- genität dieser Epitope unterscheiden;

auch die Wachstumsbedingungen beein- flussen die Antigenexpression. Hier be- steht noch großer Forschungsbedarf.

Mykotoxine: Vergiftungen mit Spei- sepilzen sind von geringer Bedeutung (70 Fälle im Jahr 2001). Die Folgen, die sich an verschiedenen Organen manife- stieren können, sind jedoch im Einzel- fall gravierend, sodass nur noch eine Lebertransplantation das akute Leber-

versagen zu kompensieren vermag.

Zahlenmäßig von großer Bedeutung sind jedoch die für Mensch und Tier schädlichen sekundären Metaboliten, die von einigen Schimmelpilzen produ- ziert werden. Das bedeutendste Gift ist Ethanol, das hauptsächlich von dem an- sonsten harmlosen Pilz Saccharomyces cerevisiae gebildet wird. Die ZNS-In- toxikation, die Lebertoxizität und – di- rekt oder indirekt – auch die Karzinoge- nität haben erhebliche Auswirkungen

auf die menschliche Gesundheit. Ob die Leberzirrhose bei Alkoholikern nur ei- ne Folge von C2H5OH ist oder auch My- kotoxine in den alkoholischen Geträn- ken als Kofaktoren beteiligt sind, kann nicht abschließend beurteilt werden.

Wer kennt jedoch die Gefahren durch Patulin im Apfelsaft, der aus (häufig ver- schimmeltem) Fallobst gewonnen wird.

Unter Ärzten weitgehend unbekannt und damit unterschätzt ist auch die Be- deutung von Ochratoxin, das in Kaffee,

Müsli, Schweine- und Hühnerfleisch in teilweise hohen Konzentrationen gefun- den werden kann.Wer unter den Wissen- schaftlern kennt schon die Fusarientoxi- ne wie etwa das Desoxynivalenol. Dieses Mykotoxin überschreitet in manchen Le- bensmitteln die Toleranzgrenze, nicht zu- letzt weil die wenigsten Lebensmittel daraufhin kontrolliert sind. Aber auch aerogen nimmt man Mykotoxine mit den Sporen der Pilze auf; Stachybotrys char- tarum bildet Trichotecene, eine heteroge- ne Gruppe von potenten Myko- toxinen, die nicht nur organschä- digend und karzinogen, sondern auch immunotoxisch sind.

Ungeklärt ist auch, welchen Anteil Mykotoxine an „Infekt- anfälligkeiten“ und den unspe- zifischen Symptomen des „sick building syndromes“ haben. Es besteht einerseits Aufklärungs- bedarf, aber andererseits auch Forschungsbedarf, um die diver- sen Folgen der Exposition gegen Schimmelpilze und ihre Produk- te richtig zu interpretieren.

Haut- und Schleimhautinfek- tionen: Infektionen des Men- schen erfolgen aus verschiede- nen exogenen und endogenen Quellen. Die meisten Pilze sind recht fit, sich an ganz diverse Umweltbedingungen anzupassen, aber aggressiv sind nur wenige; wenn aller- dings das Terrain günstig ist, können die Opportunisten auch einen Menschen in- fizieren („Pilzinfektionen sind oft eine Krankheit der Kranken“). Manche Pil- ze, vor allem die Dermatophyten, aber in geringerem Umfang auch Hefepilze und einzelne Schimmelpilze, können die Haut und ihre Anhangsgebilde infizie- ren, speziell wenn Milieufaktoren dies begünstigen (feucht, warm und dunkel).

M E D I Z I N R E P O R T

A

A1478 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2121. Mai 2004

Mykologie

Pilzbedingte Erkrankungen:

Interdisziplinäre Herausforderung

Von etwa 1,2 Millionen Pilz-Arten können einige Hundert auch als Krankheits- erreger in Form von Allergie, Intoxikation oder Infektion in Erscheinung treten.

Drei Tage alte Kultur von Alternaria spp., einem stark allergi- sierenden Schwärzepilz. In der Mitte, wo die ältesten Struk- turen liegen, ist die Pigmentierung schon deutlich.

Foto:Hof

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Der durch verschiedene Hefepilze bedingte „Soor“ des Kleinkindes sowie von Personen, die immungeschwächt sind (HIV) oder mit diversen Antibioti- ka vorbehandelt wurden, ist ein be- kanntes Problem. Solange diese Infekti- on nur die Mundschleimhaut befällt, ist der Krankheitswert begrenzt; wenn aber die Oesophagusschleimhaut mit- betroffen ist und eine Invasion in tiefe- re Schichten geschieht, entwickelt sich eine therapiebedürftige und unter Um- ständen schwer heilbare Erkrankung.

Dem Gynäkologen wie dem Derma- tologen ist der Fluor vaginalis im Rah- men einer Vulvovaginalmykose, aus- gelöst durch C. albicans und zuneh- mend auch durch Non-albicans-Arten, wie etwa C. glabrata (früher Torulopsis glabrata), geläufig; vor allem wenn sich chronisch-rezidivierende Verläufe ein- stellen, wird dies für die Patientin wie für den Arzt zu einer Crux.

Invasive Mykosen: Sprosspilze der Art C. albicans, aber zunehmend auch Non- albicans-Stämme können zumeist, aus- gehend von superfiziellen Besiedelun- gen, also endogen, tiefe Mykosen in allen Organen hervorrufen. Verschiedene prä- disponierende Faktoren sind Wegberei- ter für diese Opportunisten. Aber nicht jede Besiedelung der Atemwege mit sol- chen Pilzen ist ein Beweis für eine Pilz- pneumonie. Die Präsenz von Sprosspil- zen im Urin ist noch lange kein Beweis für eine Harnwegsinfektion, denn mei- stens handelt es sich nur um eine Hohl- raumbesiedelung. Man braucht viel Er- fahrung und Sachkenntnis, um Befund- konstellationen richtig abzuschätzen und nicht vorschnell eine kostspielige An- timykotikatherapie einzuleiten. Ärzte in allen medizinischen Fachrichtungen wer- den mit diesen Problemen konfrontiert.

Besonders bei Hochrisikopatienten muss man mit Pilzinfektionen rechnen, hier stehen Sprosspilze in den USA be- reits an vierter Stelle der Häufigkeit von Sepsiserregern. In Deutschland ist dies noch nicht so ausgeprägt. Seitdem die HIV-Infektion durch HAART er- folgreich in Schach gehalten wird, ist die Häufigkeit von Infektionen mit Crypto- coccus neoformans deutlich zurückge- gangen. Dagegen nehmen die Schimmel- pilzinfektionen besonders bei Patien- ten nach Knochenmarktransplantation, Leukämie oder Organtransplantatio-

nen zu, wobei die Lungenaffektionen im Vordergrund stehen. Dissemination in verschiedene Organe und selbst In- vasion des ZNS sind häufig.

Als so genannte emerging pathogens rücken auch bislang wenig bekannte Er- reger ins Bewusstsein. Die Dematiaceen, das heißt die „Schwärzepilze“, die durch Einlagerung von Pigment in die Zell- wand dunkel erscheinen, sowie Fusarien, Zygomyceten, speziell Mucoraceen, sind typische, harmlose Umweltkeime. Im Einzelfall, bei traumatischer Inokulation sowie beim abwehrgeschwächten Patien- ten, können sie jedoch als klassische Op- portunisten ihre Chance nutzen.

Importierte Mykosen, die durch Er- reger ausgelöst werden wie Histoplas- ma capsulatum und Coccidioides immi- tis, die bei uns nicht heimisch sind, wer- den oft übersehen oder erst nach einer langen, unwirksamen Tuberkulosethe- rapie diagnostiziert, weil die Reise- anamnese unterblieb.

Interdisziplinäre Verfahren

Die Prognose von Pilzinfektionen hängt ganz entscheidend davon ab, ob die In- fektion rechtzeitig erkannt und thera- peutisch angegangen wird. Auch dies ist eine interdisziplinäre Aufgabe. In Studi- en wird berichtet, dass bis zu 75 Prozent aller invasiven Mykosen erst vom Patho- logen mittels Spezialfärbungen, wie etwa der Grocott-Gomori-Färbung, registriert werden. Da aber in Deutschland immer weniger Sektionen durchgeführt werden, ist das wirkliche Ausmaß der Mykosen nicht genau zu beschreiben.

Die Klinik der Pilzinfektionen ist je nach Erreger, nach Lokalisation und Grundkrankheit variabel und anfangs auch uncharakteristisch. Man muss grundsätzlich bei Hochrisikopatienten an Pilze denken! Bildgebende Verfah- ren, wie der Ultraschall, werden immer mehr herangezogen, wobei aber zu- meist im Anfangsstadium diese Nach- weise versagen. Der Radiologe kann mit Röntgen, dem CT und speziell mit dem HR-CT typische Fälle erkennen.

Der Mikrobiologe kann mittels Mi- kroskopie Pilzelemente gut erkennen, wenn die glucan- und chitinhaltigen Pilzstrukturen mittels optischer Auf- heller, wie Calcoflour, dargestellt wer-

den. Molekularbiologische Nachweis- verfahren, etwa mittels PCR oder Gen- sonden, werden noch nicht generell ein- gesetzt, da keine kommerziellen Kits zur Verfügung stehen. Vereinzelt kom- men In-house-Teste zum Einsatz.

Pilzdiagnostik

Für die Kultur stehen viele gute Nähr- medien zur Verfügung, wobei wegen des langsamen Wachstums der meisten Pilze der praktische Wert eingeschränkt wird.

Bei Verwendung von Chromagar wird die Erkennung von Infektionen mit Non-albicans-Hefepilzen, wie Candida glabrata, Candida tropicalis, Candida krusei et cetera erleichtert. Während die Differenzierung von Hefepilzen durch kommerzielle Kits einfacher geworden ist, ist die Differenzierung von Dermato- phyten und Schimmelpilzen mittels mor- phologischer Merkmale immer noch dif- fizil und erfahrungsabhängig. Eine Qua- litätsverbesserung der Pilzdiagnostik soll durch die Qualitätsstandards MiQ 14 und 15 erreicht werden.

Eine Empfindlichkeitstestung ist bei Pilzen routinemäßig nicht notwendig, da mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine Empfindlichkeit vorausgesagt werden kann; zudem sind die Testverfahren weit- aus weniger zuverlässig als zum Beispiel in der Bakteriologie. Dennoch sollten in Einzelfällen die Wirksamkeit kontrol- liert sowie in epidemiologischen Studien Erkenntnisse über die Resistenzlage ge- wonnen werden.

Wenn der Keimnachweis durch Kul- tur nicht gelingt, so kann ersatzweise der Antigennachweis herhalten, wobei Man- nane von Candida spp. oder Galacto- mannane von Aspergillus spp. oder Glu- curono-xylo-mannane von Cryptococ- cus neoformans erfasst werden. Diese in- direkten Nachweisverfahren müssen je- doch kritisch interpretiert werden. Die Serologie, das heißt, der Nachweis hu- moraler Antikörper, hat dagegen nur ei- nen niedrigen Stellenwert, außer bei der Diagnostik der Histoplasmose.

Korrespondenz für den Vorstand der DMykG:

Prof. Dr. med. Herbert Hof

Ordinarius für med. Mikrobiologie und Hygiene Universitätsklinikum

Theodor-Kutzer-Ufer, 68167 Mannheim E-Mail: herbert.hof@imh.ma.uni-heidelberg.de M E D I Z I N R E P O R T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2121. Mai 2004 AA1479

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