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Archiv "AGMS: Ein Beitrag zur europäischen Einigung" (23.04.2004)

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T H E M E N D E R Z E I T

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A1154 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1723. April 2004

K

önnte der junge Kollege bitte mal nach vorne kommen?“ Der An- gesprochene dreht sich Hilfe suchend um. „Könnten Sie mir mal demonstrieren, wie man eine Krawatte bindet? Aber bitte mit Windsor- Knoten.“ Der zukünftige Arzt im Praktikum geht nach vorne, verknotet etwas unbeholfen beide Enden der Krawatte, doch letztlich sitzt der Knoten da, wo er hingehört. „Well done“, sagt Referent Dr. Thomas Hell- wig und entlässt ihn auf seinen Platz.

Eine Krawatte korrekt zu binden ist nicht das Einzige, das man können soll- te, wenn man als Mediziner nach Groß- britannien gehen möchte. Obwohl die Chancen, als junger Arzt in Deutsch-

land eine Stelle zu bekommen, so gut sind wie lange nicht, entscheiden sich viele, für einen Teil ihrer Weiterbildung oder für immer nach England zu gehen.

Zurzeit arbeiten etwa 3 000 deut- sche Ärztinnen und Ärzte in Groß- britannien. Der Bedarf, vor allem an Allgemeinmedizinern, ist groß: „Die britische Regierung will das Gesund- heitssystem bis zum Jahr 2010 grund- legend reformieren“, berichtet Claudia Huber vom britischen Generalkon- sulat in Düsseldorf. „Es wurden mehr Studienplätze geschaffen, und es sollen mehr Krankenschwestern und Ärzte eingestellt werden.“ Dieses sind vor allem Fachärzte, doch auch HOs (ju- nior house officers, AiPler) und SHOs (senior house officers, Assistenzärzte) werden dringend gesucht. „Wir brau- chen Ärzte aus dem Ausland, denn es dauert zu lange, eigene Ärzte für den erhöhten Bedarf auszubilden“, erklärt der Intensivmediziner und Beauftrag- te des National Health Service (NHS), Dr. Steven Atherton. „Wir suchen bis Ende 2005 mehr als 1 000 Ärzte aus dem Ausland.“ Neben guten Stellen- aussichten locken vor allem eine fun- dierte klinische Ausbildung und eine freundliche Arbeitsatmosphäre mit flachen Hierarchien.

Doch die ersten Tage in einem frem- den Land können nicht nur wegen des gewöhnungsbedüftigen englischen Es- sens und Dauerregens anstrengend sein: Sprachprobleme mit Patienten und Kollegen, mangelhafte Kenntnisse über das britische Gesundheitssystem,

unbekannte Medikamentennamen, Bü- rokratie und Formalitäten führen zu Unsicherheit und dem Gefühl, mit allem überfordert zu sein.

Genau so erging es Dr. Christian Herzmann, als er 1999 sein Praktisches Jahr in Leeds begann. „Ich fühlte mich in den ersten Tagen ziemlich verloren“, erinnert sich der heute 31-jährige Assi- stenzarzt. „Vieles, was für meine Kolle- gen selbstverständlich war, musste ich mir erst mühsam abschauen und erar- beiten. Dabei waren die sprachlichen Probleme mit den vielen Abkürzungen noch das Geringste.“ Aus Neugier besuchte er damals zusammen mit sei- nem Kommilitonen Dr.Thomas Hellwig die 40. Jahrestagung der deutsch-eng- lischen Ärztevereinigung (Anglo-Ger- man Medical Society, AGMS) in Not- tingham. Hellwig hatte in London ähn- liche Erfahrungen gemacht wie Herz- mann in Leeds. Eines Abends bei einem guten Pint of Guinness hatten die beiden die Idee, einen Kurs für deut- sche Ärzte zu veranstalten, die in Großbritannien arbeiten wollen. „Wir wollten nachfolgenden deutschen Ärz- ten die Angst vor der Fremde nehmen und den Einstieg in das britische Gesundheitssystem erleichtern“, sagt Herzmann. „Warum sollte jeder die gleichen Fehler machen, wenn man von den Erfahrungen anderer profitie- ren kann?“

Die Mitglieder der AGMS waren zunächst skeptisch, sagten aber ihre Unterstützung zu. Noch während ihres Praktischen Jahres organisierten Herz- mann und Hellwig zusammen mit Dr.

Arbeiten in Großbritannien

Vorbereitung auf den Alltag

Jedes Jahr im August veranstaltet die deutsch-englische Ärztevereinigung ein dreitägiges Einführungsseminar für deutsche Ärztinnen und Ärzte, die in England arbeiten wollen.

AGMS: Ein Beitrag zur europäischen Einigung

Die deutsch-englische Ärztevereinigung (Anglo-German Medical Society, AGMS) wurde 1959 gemeinsam von englischen Ärzten des britischen Militärkrankenhauses und deutschen Ärzten in Münster gegrün- det. Neben dem Erfahrungsaustausch soll- ten auch die durch den Zweiten Weltkrieg abgekühlten Beziehungen zwischen Deut- schen und Briten verbessert werden. Nach zunächst unregelmäßigen Treffen in Mün- ster veranstaltet die AGMS seit 1960 jedes Jahr dreitägige Konferenzen in Deutschland oder Großbritannien. Diskutiert werden neben rein fachlichen auch gesundheitspo- litische Themen. Die AGMS fördert den Austausch junger Mediziner. Informationen im Internet: www.agms.net.

Fotos:Felicitas Witte

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Annika Müller, die in England studierte und daher das Ausbildungssystem von der Pieke auf kannte, den ersten induc- tion course – mit großem Erfolg. „Die Rahmenbedingungen waren sehr ein- fach“, erinnert sich Herzmann. „Die meisten Interessenten kamen mit Schlafsack und Isomatte, abends gab es Pizza, die wir selbst holen mussten.

Aber die Teilnehmer haben gemerkt, dass wir mit Leidenschaft dabei waren.

Es hat allen großen Spaß gemacht.“

Das Engagement der jungen Medi- ziner hat die älteren Mitglieder der AGMS überzeugt. Jedes Jahr im August findet seitdem ein dreitägiger induction course statt. Inzwischen sind es mehr als vierzig Teilnehmer, die sich mit Vorträgen, Workshops und prak- tischen Übungen auf den Arbeitsalltag in England vorbereiten. Schlafsack und Isomatte muss niemand mehr mit- bringen. Im vergangenen Jahr waren die jungen Mediziner aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Unter- künften der University of East London untergebracht: kein Luxushotel, aber zweckmäßig und praktisch. „Die Un- terkunft war mal was ganz anderes“, fand Dr. med. Nikola Kern, die ab April als SHO in London arbeiten wird. „Die Zimmer waren wie kleine Kajüten mit Bullaugen – ich habe mich wie auf einer Kreuzfahrt gefühlt.“

Doch nicht nur die Unterbringung hat der angehenden Psychiaterin gefallen:

„Der Kurs hat meine Erwartungen übertroffen. Wir lernten das britische Gesundheitssystem kennen, konnten Kontakt zu englischen und deutschen Ärzten knüpfen und bekamen viele praktische Tipps.“ Dr. med. Alexander Zoufaly, der seit kurzem als HO in Norfolk arbeitet, haben vor allem die Workshops begeistert. „Es wurden typische Arbeitstage durchgespielt.“

Besonders gefallen hat dem jungen Österreicher ein Workshop, in dem der Umgang mit englischen Kranken- schwestern gelehrt wurde: „Eine Tu- torin spielte eine absolut nervige Sta- tionsschwester und simulierte einen Anruf während eines Nachtdienstes.

Wir sollten lernen, wie wir antworten und unnötiges Aufstehen vermeiden können. Jetzt im Krankenhaus merke ich, dass es keinesfalls übertrieben war, sondern dass englische Schwestern wirklich so penetrant sein können.“

Für Initiator Christian Herzmann sind die Workshops ein ideales Mittel, um die Teilnehmer auf den Alltag in einem englischen Krankenhaus vorzu- bereiten. In Kurzvorträgen werden zunächst Grundkenntnisse über den Stationsalltag, über den Umgang mit Patienten und Kollegen vermittelt. In Kleingruppen sollen die angehenden Ärzte danach das Gelernte in prakti- schen Übungen umsetzen. „Jeder muss aktiv an den Workshops teilnehmen“, erklärt Christian Herzmann. „Wir kon- frontieren die Teilnehmer mit echten Situationen aus dem Stationsalltag:

Mal muss einer als Dienstarzt eine Notfallsituation meistern, die Teil- nehmer müssen Patienten aufnehmen und dem Dienstälteren vorstellen. Da- bei machen die Tutoren als Patienten oder Oberärzte es den zukünftigen Ärzten nicht immer einfach: Mal spricht ein ,Patient‘ mit einem unver- ständlichen nordenglischen Akzent, mal will der ,Oberarzt‘ alles über das Krankheitsbild mit sämtlichen Diffe- renzialdiagnosen wissen, mal gilt es, einen völlig verwirrten ,Patienten‘ zu befragen.“

Wer in England arbeiten will, sollte die Grundlagen des Gesundheits- systems kennen. Vor- und Nachteile des National Health Service und die Konse- quenzen für die Patientenversorgung werden ebenso besprochen wie die Rolle des Allgemeinarztes (General Practitioner, GP) in der primären Gesundheitsversorgung. Für angehen- de GPs haben die Initiatoren spezielle Workshops konzipiert, in denen die Ärzte GP-Praxen in London besuchen und sich vor Ort informieren können.

Auch mangelnde Sprachkenntnisse müssen kein Hindernis für eine Bewer- bung sein. „Bei meinem ersten Bewer- bungsgespräch hat mich der consultant gefragt, ob ich mir denn zutraue, hier zurechtzukommen, da mein Englisch ziemlich rostig sei“, erinnert sich Dr.

Marcus Simmgen schmunzelnd in seinem Vortrag über Karriereplanung.

„Die Stelle habe ich aber trotzdem bekommen.“ Kontakte knüpfen und mögliche Arbeitgeber finden können die Teilnehmer nicht nur auf der zwischen den Vorträgen stattfindenden Career Fair, sondern auch im persönlichen Ge- spräch mit Referenten und Tutoren bei gutem Essen in abendlicher Runde – und hierfür muss man nicht einmal eine Krawatte anlegen. Dr. med. Felicitas Witte T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1723. April 2004 AA1155

Der nächste induction course findet vom 30. Juli bis 1. August 2004 in London statt und kostet 180 Euro für Studierende/AiP und 280 Euro für approbierte Ärzte. Die Teilnahmegebühren schließen Essen, Un- terkunft und Transport zu den Veranstal- tungsorten ein. Weitere Informationen im Internet: www.agms.net. Dort kann man auch das Handbuch „Arzt in Großbritan- nien“ anfordern.

„Moderne Kajüten mit Bullaugen“: Die Teil- nehmer übernachten in Unterkünften der University of East London.

„Aber bitte mit Windsor-Knoten“: Dr. Thomas Hellwig (rechts) thematisiert auch alltägliche Probleme.

Referenzen

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