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Grundsätze elementarer Bildung

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Grundsätze

elementarer Bildung

LAND

BRANDENBURG

M i n i s t e r i u m f Ÿ r B i l d u n g J u g e n d u n d S p o r t

(2)

1. Auflage, Mai 2004

Herausgegeben vom: Ministerium fŸr Bildung, Jugend und Sport (MBJS) Presse- und …ffentlichkeitsarbeit

Steinstra§e 104Ð106, Potsdam 14480 Potsdam

Internet: www.mbjs.brandenburg.de E-Mail: poststelle@mbjs.brandenburg.de Bildungsserver: www.bildung-brandenburg.de Redaktion: Sabine Karradt, Ralf Kohlberger, Torsten Baensch Fotos: privat, Archiv, Gšran Gnaudschun

Der seit Januar 1998 ehrenamtlich tŠtige Redaktionsbeirat KITADEBATTE unterstŸtzt bei Themenfindung und Realisierung die KitaDebatte. FŸr die Ausgabe 1/2004 kamen Zuarbeiten u.a. von Dr. Monika Bekemeier, Refe- rat Kita im SozialpŠdagogischen Fortbildungswerk Brandenburg; Elvira Drabek, Erzieherin/Integrationskita Eisen- hŸttenstadt; Christine Henning, Referat Kita im Landesjugendamt; Brunhilde Schulz, Praxisberaterin, Landkreis Spree-Nei§e.

Layout/Druck: sd:k Satz Druck GmbH Umschlaggestaltung: schŸtz & co.

Die namentlich gekennzeichneten BeitrŠge entsprechen nicht in jedem Fall der Meinung des Herausgebers und der Redaktion.

Diese Druckschrift wird im Rahmen der …ffentlichkeitsarbeit der Landesregierung unentgeltlich herausgegeben.

Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Sie darf weder von Wahlwerbern oder Wahlhelfern wŠhrend eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt fŸr Landes-, Bundestags- und Kommunalwahlen.

MissbrŠuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an InformationsstŠnden der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel.

Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung.

UnabhŠngig davon, wann, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Schrift dem EmpfŠnger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden kann.

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Inhaltsverzeichnis

Seite Auf den Anfang kommt es an Ð Die GrundsŠtze elementarer Bildung in

Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg

Vorwort von Minister Steffen Reiche . . . 5 Gemeinsame ErklŠrung zu GrundsŠtzen elementarer Bildung in Einrichtungen

der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg . . . 9 GrundsŠtze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung

im Land Brandenburg . . . 12 Gemeinsamer Rahmen der LŠnder fŸr die frŸhe Bildung in Kindertageseinrichtungen Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 15. Mai 2004 . . . 39 Bildung ist mehr als die Summe von Kompetenzen

Hans-Joachim Laewen zu den GrundsŠtzen elementarer Bildung . . . 48 BildungsplŠne allein sind noch keine bessere Bildung

Wolfgang Tietze, Freie UniversitŠt Berlin . . . 50 Fortbildung Ð Focus BILDUNG

Carola Wildt und Monika Bekemeier, SozialpŠdagogisches Fortbildungswerk des

Landes Brandenburg (SPFW) . . . 53 Ohne Herkunft keine Zukunft

Das ãProgramm fŸr die Bildungs- und Erziehungsarbeit im KindergartenÒ (1985) in der gegenwŠrtigen Diskussion um die GrundsŠtze der Bildungsarbeit in KindertagesstŠtten / Ada Sasse . . . 56 Kita-QualitŠts-Wettbewerb 2003/2004 . . . 68 Zum 10-Stufen-Projekt-Bildung/Arbeitsschritte und Entwicklungen

Julia Koch / Beate Andres . . . 72

INHALTSVERZEICHNIS 3

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ãPfiffikus durch BewegungsflussÒ Ð

Projekt zur integrativen Motorik und Kognitionsfšrderung

Prof. Frank Bittmann, Jana Hermann, Norman Radeiski, UniversitŠt Potsdam,

Institut fŸr Sportmedizin und PrŠvention . . . 90

Das KidSmart-Projekt in Brandenburg Gehšrt ein Computer in eine KindertagesstŠtte? / Christian Bethge . . . 95

Ein ãFremdlingÒ hŠlt in der Kita Einzug Piloprojekt KidSmart in der Kita ãBurattinoÒ in Eggersdorf / Verena Schwarz, Anja GrŠbert . . . 99

IBM-Fšrderprogramm . . . 107

Hurra, wir haben einen Computer Kita ãSiebenpunktÒ in Cottbus macht erste Erfahrungen mit KidSmart / Christa Tischer, BŠrbel Glaschker . . . 108

AUS DER PRAXIS Ð F†R DIE PRAXIS Erfahrungen des Horts ãKinderlandÒ in Kolkwitz / Heike Fleischer . . . 109

WAS Ð WANN Ð WO Ð WAS Ð WANN Ð WO PraxisunterstŸtzungssysteme fŸr Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg . . . 111

Der Montessori-Kinderladen stellt sich vor / Kathrin Nowotka . . . 118

FACHLITERATUR Ð REZENSIONEN Ð ANK†NDIGUNGEN Nachdenkliche Bildergeschichte mit offenem Ende . . . 121

Spielzeug Sprache in einem Werkstattbuch . . . 121

QualitŠtslexikon fŸr Krippenprofis . . . 122

Der Klassiker ãHirsch HeinrichÒ . . . 122

GESETZE Ð VERORDNUNGEN Ð EMPFEHLUNGEN Betrieb von Waldkindergarten im Land Brandenburg Rahmenbedingungen, Voraussetzungen, Ansprechpartner . . . 123

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Vorwort

Liebe Erzieherinnen, liebe Erzieher, liebe Eltern!

Endlich haben wir sie, die ãGrundsŠtze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Branden- burgÒ, und Sie werden sehen: ãKinder sind keine FŠsser, die gefŸllt, sondern Feuer, die entzŸndet werden wollen.Ò Dieser Satz wird dem franzšsischen Priester und Gelehrten Francois Rabelais zugeschrieben, der vor mehr als 450 Jahren 1553 in Paris gestorben ist. Er erinnert mich an eine nicht endende Reihe von Fragen, die ich meinen Tšchtern beantworten mus- ste. Die Fragen zeigen immer wieder die Neugier von Kindern auf die Umwelt und das Leben. Kinder saugen Informationen Ÿber die Welt begeistert auf und stel- len Ÿberraschende Fragen, die unsere SelbstverstŠndlichkeiten hinterfragen: ãPapa, warum ist der Himmel blau?Ò Ich habe mich Ÿber Fragen gefreut, denn dann kann man miteinander loslegen, ablegen von vertrauten Ufern des Bekannten zu neuen Ufern dessen, was zu entdecken ist. Wir haben mit Selbstbildungsprozessen von Kindern zu tun. Es ist jede MŸhe wert, gemeinsam mit den Kindern nach Antworten zu suchen, mit ihnen gemeinsam zu forschen und zu entdecken.

Es ist nicht schwierig, die von Rabelais als ãFeuerÒ beschriebene Begeisterung der Kinder zu ent- zŸnden. Anspruchsvoll ist es dagegen, die Kinder in ihrem Interesse nach Wissen und Bildung zu unterstŸtzen. Nicht zuletzt aus diesem Grund gefŠllt mir der in den vergangenen Jahren geprŠgte Begriff der ãmitforschenden ErzieherinÒ so gut. Er vermittelt ein sehr treffendes Bild der Rolle, die pŠdagogische FachkrŠfte haben. Es geht nicht um vorschnelle Antworten, sondern um die syste- matische UnterstŸtzung der Selbstbildungsprozesse der Kinder. Erfreulich und bemerkenswert ist, dass auch im Grundschulbereich Šhnliche Diskussionen und Entwicklungen zu verzeichnen sind.

Ein Ausdruck hierfŸr sind die neuen RahmenlehrplŠne wie auch das Modell der flexiblen Ein- gangsstufe.

Die Bedeutung der elementaren Bildung ist in den vergangenen Jahren hŠufig betont worden, so in der PISA-Studie oder den Empfehlungen des Forum Bildung. Ich habe mich im Land Brandenburg fŸr die Erarbeitung der ãGrundsŠtzeÒ eingesetzt und Entsprechendes auf der Ebene der LŠnder in der Jugendministerkonferenz getan. In der Jugendministerkonferenz habe ich den Antrag gestellt,

VORWORT 5

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dass wir einen nationalen Rahmen fŸr die Bildungsarbeit in KindertagesstŠtten erarbeiten. Im Mai 2004 ist der von Brandenburg und Bayern erarbeitete ãGemeinsame Rahmen der LŠnder fŸr die frŸhe Bildung in KindertageseinrichtungenÒ verabschiedet worden, dessen Text Sie in dieser Kita- Debatte finden. Die mit dem Beschluss dokumentierte gro§e †bereinstimmung der LŠnder in Fragen der frŸhen Bildung ist ein entscheidender bundesweiter Schritt im Sinne einer besseren Bildungsarbeit in der Kindertagesbetreuung, dem elementaren und elementar wichtigsten Bildungs- bereich.

Ich gebe zu: In den vergangenen Monaten habe ich ungeduldig auf die ãGrundsŠtze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land BrandenburgÒ gewartet. Ungeduldig, weil ich meine, dass die ãGrundsŠtzeÒ einen sehr wichtigen Beitrag leisten, um die Arbeit in der Kin- dertagesbetreuung im Land Brandenburg voranzubringen. Sie sollen dazu beitragen, allen Kindern in den Tageseinrichtungen des Landes die erforderlichen und ihnen angemessenen Bildungsmšg- lichkeiten zu eršffnen.

Das nun vorliegende Ergebnis rechtfertigt meines Erachtens die Zeit, die wir uns fŸr die Erarbeitung der ãGrundsŠtze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Bran- denburgÒ genommen haben. Vom FrŸhjahr 2003 bis zum FrŸhjahr 2004 hat es insgesamt fŸnf †ber- arbeitungen des Textes gegeben. Ich danke dafŸr insbesondere den Autoren, Ludger Pesch und Petra Všlkel, und den an der Arbeitsgruppe beteiligten Fachleuten aus den Spitzenorganisationen der TrŠger von Einrichtungen der Kindertagesbetreuung. Ein hohes Interesse und viel Engagement habe ich in der breiten Fachšffentlichkeit wahrgenommen. Das wurde besonders an der Beteiligung an den beiden Tagungen des SozialpŠdagogischen Fortbildungswerks im vergangenen Jahr deut- lich. Am Ergebnis sehen Sie, dass dieses Engagement an vielen Stellen zu €nderungen im Text gefŸhrt hat.

Dabei konnte auf Vorarbeiten zum Bildungsauftrag in der Kindertagesbetreuung zurŸckgegriffen werden, auf die wir mit Stolz blicken kšnnen. Ich meine damit vor allem die Projekte von infans e.V.

ãZum Bildungsauftrag von KindertagesstŠttenÒ und ãZehn-Stufen-Projekt-BildungÒ. Darauf aufbau- end hat Ludger Pesch Ende 2002 das Gutachten ãEntwurf eines Normativen Rahmens fŸr die Bil- dungsarbeit in Brandenburger KindertagesstŠttenÒ vorgelegt, das den Beginn des Diskussionspro- zesses zu den ãGrundsŠtzenÒ markiert. Angesichts dieser Vorgeschichte bin ich natŸrlich froh darŸber, dass mein positiver Eindruck der erarbeiteten ãGrundsŠtze elementarer Bildung in Ein- richtungen der Kindertagesbetreuung im Land BrandenburgÒ von Hans-Joachim Laewen und Wolf- gang Tietze geteilt wird. Sie haben ihre EinschŠtzung jeweils in kurzen BeitrŠgen formuliert, die Sie in dieser KitaDebatte finden.

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VORWORT 7 Ich denke, die nun erarbeiteten GrundsŠtze bieten eine hinreichende Konkretisierung des Bil- dungsauftrags in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und eine gute Grundlage fŸr deren konzeptionelle Weiterentwicklung. Sie lassen gleichzeitig den TrŠgern und Einrichtungen genug Gestaltungsfreiraum, um das spezifische Profil entwickeln zu kšnnen. Ich hoffe, dass diese Struk- tur dazu beitrŠgt, die Erzieherinnen und Erzieher in ihrer Aufgabenwahrnehmung zu unterstŸtzen.

Die mit der ãGemeinsamen ErklŠrungÒ dokumentierte †bereinkunft mit der LIGA der Spitzenver- bŠnde der freien Wohlfahrtspflege Brandenburg und die Veršffentlichung der ãGrundsŠtze elemen- tarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land BrandenburgÒ werden nicht der Endpunkt der Diskussion und Entwicklung sein. Zu prŸfen ist die Praxistauglichkeit der GrundsŠt- ze. Sie werden eine Weiterentwicklung erfahren und Sie sind eingeladen, sich mit VorschlŠgen zu beteiligen.

Mehrere Projektberichte in diesem Heft unterstreichen, dass die formulierten Bildungsbereiche bestehende Entwicklungen und Projekte aufgreifen. Der mit den ãGrundsŠtzenÒ formulierte Rahmen muss in der Zukunft mit Leben gefŸllt werden. Dazu mŸssen die beteiligten TrŠger ihr Recht auf Gestaltung des pŠdagogischen Profils engagiert wahrnehmen, fŸr sich entscheiden, wie sie die GrundsŠtze in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung Ð in KindertagesstŠtten und in Horten Ð anwenden wollen. Der pŠdagogische Alltag muss mit Einfallsreichtum, pŠdagogischer Kompetenz und der FŠhigkeit zu situationsangemessenem Handeln durch engagierte FachkrŠfte gestaltet wer- den. Ein unverzichtbares Element der Umsetzung wird dabei die ã†bersetzungÒ in die den TrŠgern und Einrichtungen eigenen Konzeptionen darstellen, und das auch im Hinblick auf das Wertebild des jeweiligen TrŠgers.

Das Ministerium fŸr Bildung, Jugend und Sport wird sich mit seinen Mšglichkeiten am Prozess der Implementierung und Weiterentwicklung beteiligen. Neben der UnterstŸtzung der Praxisberatung wird hier die Fortbildung eine hohe Bedeutung haben. Die entsprechenden †berlegungen des Sozi- alpŠdagogischen Fortbildungswerks stellen wir Ihnen in dieser KitaDebatte vor. Bereits das Fortbil- dungsprogramm des SPFW fŸr das Jahr 2004 dokumentiert diesen Schwerpunkt in einer beein- druckenden Art. Das SozialpŠdagogische Fortbildungswerk hat unlŠngst einen warnenden Hinweis zu den in Brandenburg und anderen BundeslŠndern formulierten Bildungsprogrammen im Ele- mentarbereich gegeben: Unbedingt mŸssen Schubladendenken und ein VerstŠndnis der Bildungs- bereiche als FŠcher vermieden werden. Nicht die Bildungsinteressen der Kinder mŸssen in die Bil- dungsbereiche ãeinsortiert werdenÒ, vielmehr gilt es fŸr die erwachsenen ãMitforscherÒ, ihre Unter- stŸtzung an den Interessen der Kinder orientiert zu gestalten. Diese Interessen lassen sich nicht auf einen einzelnen Bereich reduzieren. In diesem Sinne dienen die GrundsŠtze auch als Grundlage fŸr eine laufende †berprŸfung der eigenen Praxis: KŸmmern wir uns genug um die einzelnen Berei- che?

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Abschlie§end mšchte ich auf ein Thema eingehen, das bei der Diskussion der ãGrundsŠtze ele- mentarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land BrandenburgÒ nur selten offen angesprochen worden ist. ãDas hatten wir doch schon einmalÒ, lautet die gelegentlich vertre- tene Meinung. Mit diesem MissverstŠndnis setzt sich der Aufsatz ãBildungsplŠne gestern und heuteÒ von Ada Sasse auseinander, der in diesem Heft abgedruckt ist.

Das ãblaue BuchÒ der DDR lŠsst sich meines Erachtens mit den nun formulierten GrundsŠtzen nur bedingt vergleichen. Zwei wesentliche GrŸnde fŸr diese EinschŠtzung mšchte ich dazu nennen.

Erstens: Einerseits kšnnen die ãGrundsŠtzeÒ aus rechtlichen GrŸnden nicht von ãobenÒ, vom Land her, den TrŠgern von Einrichtungen der Kindertagesbetreuung vorgeschrieben werden. Und es wŠre auch nicht sinnvoll, sie ãdurchstellenÒ zu wollen. Andererseits ist es nicht beliebig und dem Zufall Ÿberlassen, ob sich Einrichtungen der Kindertagesbetreuung um die elementare Bildung kŸmmern. Der Grad an Verbindlichkeit wird von den TrŠgern und FachkrŠften gestaltet, er ist nicht normiert, sondern berŸcksichtigt die verschiedenen LebensrealitŠten der Kinder und aktuellen Situationen.

Zweitens: Der zentrale Unterschied ist das VerstŠndnis vom Kind. Heute ist die Meinung widerlegt, in der elementaren Bildung ãplanvollÒ bestimmte Bildungsergebnisse vorgeben zu kšnnen. Die Vor- stellung von ãdem zu befŠhigenden KindÒ hat Ð nicht nur in der elementaren Bildung Ð ausgedient.

Die Forschung der letzten Jahre hat eindrucksvoll den Bildungserwerb der Kinder durch eigene Lernprozesse ergrŸndet und dokumentiert. Die Kinder sind nach diesem VerstŠndnis ãKŸnstler, For- scher und KonstrukteureÒ, so der Titel des von infans vorgelegten Werkstattbuchs zum Bildungs- auftrag von Kindertageseinrichtungen. Dieses GrundverstŠndnis mšchte ich mit einem Wort aus Frankreich beschreiben, das genauso die Welt von Kindern wie die von Erwachsenen beleuchtet.

Antoine de Saint-ExupŽry schrieb: ãWenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht die Leute zusammen, um Holz zu sammeln, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, end- losen Meer.Ò

In diesem Sinne wŸnsche ich Ihnen viele Anregungen bei der LektŸre dieser Kita-Debatte, vor allem aber Energie und Freude bei der Anwendung der ãGrundsŠtze elementarer BildungÒ in der Praxis der Kindertagesbetreuung. DarŸber hinaus mšchte ich Sie schon heute herzlich einladen zu einem weiteren Bildungstag, der am 26. August 2004 in Potsdam stattfinden wird.

Steffen Reiche

Minister fŸr Bildung, Jugend und Sport

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Gemeinsame Erklärung zu Grundsätzen elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg*

Im Bewusstsein der Bedeutung der UnterstŸt- zung elementarer Bildungsprozesse fŸr die GewŠhrleistung der Entwicklungsmšglichkei- ten jedes Kindes, der Erreichung von Chan- cengerechtigkeit und fŸr die ZukunftsfŠhigkeit der Gesellschaft,

mit dem Ziel, vielfŠltige Bildungsmšglichkei- ten von Kindern in Einrichtungen der Kinder- tagesbetreuung im Land Brandenburg zu ge- wŠhrleisten,

unter Achtung der kindlichen Neugier, seines Lernwillens und Forscherdrangs, im Respekt seiner Erfahrungen, seiner eigenstŠndigen und eigensinnigen Wege, sich die Welt anzu- eignen,

in der †berzeugung, dass das Engagement der Erzieherinnen und Erzieher Ÿber die Bil- dungsqualitŠt in den Einrichtungen wesentlich mitentscheidet,

eingedenk der Tatsache, dass die Rahmen- bedingungen der Arbeit nicht Gegenstand der Gemeinsamen ErklŠrung sind, sondern nur auf der Grundlage einer gesellschaftlichen Entscheidung zur Verteilung von Ressourcen getroffen werden,

drŸcken die Unterzeichnenden ihren Willen aus, in ihrem jeweiligen Handlungsrahmen die Zielsetzung der nachfolgenden Bildungs- grundsŠtze zu unterstŸtzen und ihre Weiter- entwicklung zu fšrdern,

empfehlen die Unterzeichnenden, dass die folgenden GrundsŠtze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg Anwendung finden:

Kinder beginnen von Geburt an, sich aktiv ein Bild von der Welt zu machen. Sie nutzen da- fŸr alle ihnen zur VerfŸgung stehenden Mšg- lichkeiten und drŸcken dies in vielfŠltiger Art aus. Aus sich selbst heraus besitzen Kinder umfassende FŠhigkeiten, sich zu bilden. Ob sie diese BildungsfŠhigkeiten entwickeln kšn- nen, hŠngt vorrangig von den Bildungsmšg- lichkeiten ab, die ihnen die Umwelt bereit- stellt.

Ziel der ãGrundsŠtze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land BrandenburgÒ ist es sicherzustellen, dass allen Kindern in den Tageseinrichtungen des Landes die erforderlichen Bildungsmšg- lichkeiten eršffnet werden. Nach den Eltern und dem familiŠren Umfeld der Kinder haben die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung den Auftrag, vielfŠltige und anregungsreiche Bildungsmšglichkeiten zu schaffen. Wie das KindertagesstŠttengesetz bestimmt, unter- stŸtzen sie die natŸrliche Neugier der Kinder, fordern deren eigenaktive Bildungsprozesse heraus, greifen die Themen der Kinder auf und erweitern sie. Auf diese Weise ergŠnzen und unterstŸtzen die Einrichtungen der Kin- dertagesbetreuung die Erziehung in der Familie und ermšglichen den Kindern Erfah-

GEMEINSAME ERKL€RUNG É 9

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rungen Ÿber den Familienrahmen hinaus. Als der Schule vor- und nebengelagerte Bil- dungseinrichtung hat die Kindertageseinrich- tung auch die Aufgabe, die Kinder auf den

†bergang in die Schule vorzubereiten und sie dabei zu unterstŸtzen; so wie die Schule sich gewahr sein muss, dass sie in vorangegan- gene Bildungsprozesse eintritt, an sie an- knŸpft und mit ihren Mšglichkeiten fortsetzt.

Die GrundsŠtze bestimmen thematisch ge- gliederte Bildungsbereiche, die den vorhan- denen BildungsfŠhigkeiten von Kindern ent- sprechen. Die einzelnen Bildungsbereiche weisen bereits in ihrer Beschreibung †ber- schneidungen auf, die in der Praxis der Kin- dertagesstŠtten noch deutlicher festzustellen sind. So wie die Naturerfahrung ohne Spra- che nicht auskommt und Sprachentwicklung beim Spielen und Gestalten geschieht, beste- hen auch erwiesene ZusammenhŠnge zwi- schen kšrperlicher und kognitiver Entwick- lung. Erst in der Verbindung und Durchdrin- gung der Bildungsbereiche zeigt sich die GŸte der pŠdagogischen Arbeit. Trotzdem wird in der Benennung von Bildungsbereichen die Mšglichkeit gesehen, GrundsŠtze elementa- rer Bildung zu bestimmen; Bildungsbereiche geben dem pŠdagogischen Konzept einen Rahmen, der Planung eine Orientierung und der Reflexion ein Auswertungsraster. Damit unterscheiden sich die Bildungsbereiche in der Kindertagesbetreuung grundsŠtzlich von SchulfŠchern oder einem schulischen Curri-

culum. Nicht eine Leistung oder ein bestimm- tes Produkt der Kinder wird eingefordert, son- dern eine an ihre AktivitŠten anknŸpfende sti- mulierende Umwelt geboten, die Bildungspro- zesse fšrdert.

Die GrundsŠtze regen die TrŠger und die FachkrŠfte in den Einrichtungen an, den Kin- dern Erfahrungen in den Bildungsbereichen zu eršffnen und diese in unterstŸtzender und herausfordernder Weise pŠdagogisch zu be- gleiten. Sie bestŠrken die TrŠger von Kinder- tagesstŠtten im Hinblick auf die Gestaltung des pŠdagogischen Profils ihrer Einrichtun- gen. Die GrundsŠtze vertrauen auf den Ein- fallsreichtum und die pŠdagogische Kompe- tenz der FachkrŠfte, situationsangemessen auf die Interessen und Kompetenzen der Kin- der zu reagieren. Sie bieten einen auszufŸl- lenden Rahmen, mit dem die vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen in brandenburgischen Kindertageseinrichtungen im Interesse des Bildungsanspruchs der Kin- der genutzt werden. Durch Erfahrungen aus der Praxis und neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft werden diese GrundsŠtze in den kommenden Jahren fortzuschreiben sein.

Das Land Brandenburg beteiligt sich an der Weiterentwicklung dieser GrundsŠtze, unter- stŸtzt ihre Verwirklichung durch Modellprojek- te, Praxisberatung, Konsultationskitas, Fort- bildungen und AnsŠtze der Evaluation zur Feststellung der erreichten pŠdagogischen QualitŠt.

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GEMEINSAME ERKL€RUNG É 11

* Diese ErklŠrung soll am 01.06.2004 von den kommunalen SpitzenverbŠnden, den SpitzenverbŠnden der Freien Wohlfahrtspflege und dem Ministerium fŸr Bildung, Jugend und Sport unterschrieben werden.

InternetprŠsenz:

Als aktuelle Informations- und Recherchequelle wurde das MBJS-Internetangebot auf- und aus- gebaut. Unter www.mbjs.brandenburg.deÈKITA Ð Startseite gelangen Interessierte zu den speziellen Angeboten im Bereich der Kindertagesbetreuung. Zu finden sind u.a. Informationen zu Recht und Struktur, PŠdagogik, Statistische Daten sowie die Online-Versionen der BroschŸren KitaDebatte. †ber den Button ãStichwortsuche TagesbetreuungÒ šffnet sich eine Online-Datenbank. Sie kšnnen Ÿber eingerichtete ãInternetforenÒ mit Mitarbeitern des MBJS in Kontakt kommen.

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Grundsätze elementarer Bildung in

Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg

Redaktioneller Hinweis

Der Text der ãGrundsŠtze elementarer Bil- dung in Einrichtungen der Kindertagesbetreu- ung im Land BrandenburgÒ wurde von Ludger Pesch und Petra Všlkel bearbeitet. Der Text wurde entsprechend einer Vielzahl von Anre- gungen aus der Fachšffentlichkeit im Land Brandenburg, einer Arbeitsgruppe sowie zwei Fachtagungen des SozialpŠdagogischen Fortbildungswerks des Landes Brandenburg sowie dem entsprechenden Internet-Forum des Ministeriums fŸr Bildung, Jugend und Sport mehrfach Ÿberarbeitet. Im Rahmen die- ses Prozesses wurden Anregungen aus dem ãBerliner Bildungsprogramm fŸr die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen bis zu ihrem SchuleintrittÒ aufgegriffen. Die Schlussredaktion erfolgte im Ministerium fŸr Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg.

Das basislegende Papier fŸr die ãGrundsŠtze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kin- dertagesbetreuung im Land BrandenburgÒ ist das Gutachten ãEntwurf eines normativen Rahmens fŸr die Bildungsarbeit in Branden- burger KindertagesstŠtten Ð Grundlagen und BegrŸndungenÒ von Ludger Pesch (Dezember 2002) (http://www.brandenburg.de/sixcms/

media.php/1234/gutachten_teil1.pdf). Ein Li- teraturverzeichnis zu den BildungsgrundsŠt- zen, auf das sich die Quellenangaben im Text beziehen, ist ebenso im Internet verfŸgbar (http://www.brandenburg.de/sixcms/media.ph p/1234/literatur_zum_thema.pdf).

Einleitung

Kinder beginnen von Geburt an, sich aktiv ein Bild von der Welt zu machen. Sie nutzen da- fŸr alle ihnen zur VerfŸgung stehenden Mšg- lichkeiten und finden vielfŠltige Ausdruckswei- sen. Aus sich selbst heraus besitzen Kinder umfassende FŠhigkeiten, sich zu bilden. Ob sie diese BildungsfŠhigkeiten entfalten kšn- nen, hŠngt vorrangig von den Bildungsmšg- lichkeiten ab, die ihnen die Umwelt bereit- stellt. In der frŸhen Kindheit stehen die Eltern und das familiŠre Umfeld im Zentrum. Ein- richtungen der Kindertagesbetreuung mit ihrem Auftrag, vielfŠltige und anregungsrei- che Bildungsmšglichkeiten zu schaffen, er- weitern den Erfahrungsraum der Kinder. Wie das KindertagesstŠttengesetz des Landes Brandenburg bestimmt, unterstŸtzen sie die natŸrliche Neugier der Kinder, fordern deren eigenaktiven Bildungsprozesse heraus, grei- fen die Themen der Kinder auf und erweitern sie. Auf diese Weise ergŠnzen und unterstŸt- zen die Einrichtungen der Kindertagesbetreu- ung die Erziehung in der Familie und ermšgli- chen den Kindern Erfahrungen Ÿber den Familienrahmen hinaus. Als der Schule vor- und nebengelagerte Bildungsort hat die Kin- dertageseinrichtung die Aufgabe, mit den Kindern den †bergang in die Schule vorzube- reiten; die Schule tritt in vorangegangene Bil- dungsprozesse ein, knŸpft an sie an und setzt sie mit ihren Mšglichkeiten fort.

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GRUNDS€TZE ELEMENTARER BILDUNG 13 Ziel der ãGrundsŠtze elementarer Bildung in

Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land BrandenburgÒ ist es sicherzustellen, dass allen Kindern in den Tageseinrichtungen des Landes die erforderlichen und ihnen an- gemessenen Bildungsmšglichkeiten eršffnet werden. Die GrundsŠtze bestimmen dafŸr thematisch gegliederte Bildungsbereiche, die den vorhandenen BildungsfŠhigkeiten von Kindern entsprechen. Sie fordern die TrŠger und die FachkrŠfte in den Einrichtungen auf, den MŠdchen und Jungen Erfahrungen in die- sen Bildungsbereichen zu eršffnen und diese in unterstŸtzender und herausfordernder Weise pŠdagogisch zu begleiten.

Die ãGrundsŠtze elementarer Bildung in Ein- richtungen der Kindertagesbetreuung im Land BrandenburgÒ geben der Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen einen Rahmen, den es mit Leben zu fŸllen gilt. Dazu braucht es sowohl TrŠger, die ihr Recht auf Gestal- tung des pŠdagogischen Profils engagiert wahrnehmen, als auch FachkrŠfte, die mit Einfallsreichtum, pŠdagogischer Kompetenz und der FŠhigkeit zu situationsangemesse- nem Handeln pŠdagogischen Alltag gestal- ten.

Die Bildungsbereiche bestimmen keine im Erleben der Kinder abgrenzbaren Sachgebie- te oder stellen FŠcher im schulischen Sinn dar. Vielmehr Ÿberschneiden sich die einzel- nen Bildungsbereiche schon in der Beschrei- bung; mehr aber noch durchdringen sie sich im komplexen Alltag der KindertagesstŠtte. So wie die Naturerfahrung ohne Sprache nicht auskommt und Sprachfšrderung beim Spielen

und Gestalten geschieht, bestehen auch erwiesene ZusammenhŠnge zwischen kšrper- licher und kognitiver Entwicklung. Erst in der Verbindung und Durchdringung der Bildungs- bereiche zeigt sich die GŸte der pŠdagogi- schen Arbeit. Trotzdem wird in der Benennung von Bildungsbereichen die Mšglichkeit gese- hen, GrundsŠtze elementarer Bildung zu be- stimmen. Bildungsbereiche geben dem pŠd- agogischen Konzept einen Rahmen, der Pla- nung eine Orientierung, der Beobachtung und der Reflexion ein Auswertungsraster.

Bei den sechs Bildungsbereichen handelt es sich um

¥ Kšrper, Bewegung und Gesundheit,

¥ Sprache, Kommunikation und Schriftkul- tur,

¥ Musik,

¥ Darstellen und Gestalten,

¥ Mathematik und Naturwissenschaft,

¥ Soziales Leben.

Diese Bildungsbereiche sind untereinander gleichrangig; die Abfolge stellt somit keine Wertung dar.

Jeder Bildungsbereich ist wie folgt gegliedert:

GrundverstŠndnis: Was ist mit dem Bildungsbereich gemeint?

Ausgangspunkt fŸr die Beschreibung der Bil- dungsbereiche sind die FŠhigkeiten des Kin- des, sich aktiv und auf vielfŠltige Weise mit seiner gegenstŠndlichen und sozialen Um- welt auseinander zu setzen. Es wird darauf eingegangen, wie sich diese BildungsfŠhig- keiten bei MŠdchen und Jungen alters- und

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entwicklungsgemŠ§ darstellen, verŠndern und ausdifferenzieren, und es gibt Anregun- gen dafŸr, wie sich die Prozesse bei Kindern durch die Erzieherin anregen, unterstŸtzen und begleiten lassen.

Ebenen der Umsetzung: Wie kann die Einrichtung der Kindertagesbetreuung die BildungsfŠhigkeiten der Kinder pŠdago- gisch begleiten?

In Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg haben Kinder die Mšg- lichkeit, sich in jedem der genannten Bereiche zu bilden. Die QualitŠt der pŠdagogischen Begleitung wird in jeder Einrichtung gesichert:

¥ Die Einrichtung legt in ihrer Konzeption dar, wie die individuellen FŠhigkeiten der MŠdchen und Jungen pŠdagogisch be- gleitet werden.

¥ Die Kompetenzen der Kinder werden in den einzelnen Bildungsbereichen durch regelmŠ§ige Beobachtungen erfasst und gezielt reflektiert. So wird eine UnterstŸt- zung der individuellen Kompetenzen eines jeden MŠdchens und Jungen mšglich.

¥ Jede/r Erzieherin/Erzieher ŸberprŸft ihr/

sein SelbstverstŠndnis und entwickelt seine/ihre pŠdagogische Kompetenz wei- ter. Wichtige Instrumente sind dabei die Aktualisierung des Fachwissens, Selbst- reflexion und UnterstŸtzung im Team.

¥ Die Material- und Raumgestaltung eršff- nen den MŠdchen und Jungen vielfŠltige Bildungsmšglichkeiten.

Beispiele guter Praxis

Abschlie§end werden Beispiele vorgestellt, die die BildungsfŠhigkeit der Kinder im jewei-

ligen Bildungsbereich in besonderer Weise unterstŸtzen und den Blick fŸr Bildungssitua- tionen im Alltag jeder Kindertageseinrichtung šffnen.

Im Textverlauf werden unterschiedliche Be- zeichnungen fŸr Einrichtungen der Kinderta- gesbetreuung verwendet, u.a. auch Kinder- garten oder Kita. In jedem Fall sind damit nicht bestimmte Einrichtungstypen oder Altersgruppen gemeint, sondern immer alle im KindertagesstŠttengesetz erfassten Ange- botsformen.

1 Kšrper, Bewegung und Gesundheit Balancieren Ð Springen Ð Klettern Ð Entspannen

1.1 GrundverstŠndnis: Was ist mit dem Bildungsbereich ãKšrper, Bewegung und GesundheitÒ gemeint?

Jedes Kind wird mit einem gro§en Potenzial an Bewegungsimpulsen geboren. Die kindli- che Aneignung von Welt ist auf Kšrpererfah- rung angewiesen. Kšrpererfahrung ist die Grundlage und der Motor fŸr die Integration der verschiedenen Sinnesbereiche. Auch die Entwicklung des Denkens ist an Handlung gebunden. Die motorische Entwicklung von Kindern ist eine wesentliche Voraussetzung fŸr ihre intellektuellen, sozialen und sprachli- chen Entwicklungsschritte. Der aufrechte Gang ermšglicht es Kindern beispielsweise, die Welt aus einer anderen Perspektive als zuvor wahrzunehmen und zu verstehen.

Sport und regelmŠ§ige Bewegung kšnnen dabei helfen, die Schulleistungen von Kindern zu verbessern. Gesundheit wird von der Welt-

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GRUNDS€TZE ELEMENTARER BILDUNG 15 gesundheitsorganisation (WHO) als Zustand

vollstŠndigen kšrperlichen, geistigen und so- zialen Wohlbefindens definiert. Gesundheits- erziehung umfasst vielfŠltige Bewegungsan- regungen und gesunde ErnŠhrung sowie ein Bewusstsein von gesunder Umwelt und ein Wissen darum, wie Erwachsene und Kinder sich fŸr deren Erhaltung einsetzen kšnnen.

Von Geburt an sind Kinder mit Emotionen wie Furcht, Wut, Trauer und Freude ausgestattet.

Emotionen Šu§ern sich kšrperlich. Deshalb kommt dem Kšrper und der Bewegung eine besondere Bedeutung bei der Sensibilisie- rung fŸr Empfindungen und der Ausdifferen- zierung von Emotionen zu. Auch im spŠteren Kindesalter bleibt die Verbindung von Kšrper- bewegung und emotionaler Bedeutung beste- hen. Kinder zappeln vor Freude, werfen sich vor Wut auf den Boden und rennen weg, wenn sie Angst haben.

Bewegungsermšglichung als Bildungspro- zess kann nur in Anerkennung der Ganzheit- lichkeit des menschlichen Organismus ver- standen werden, in der Verbindung von Kšr- per, GefŸhl und Geist. BerŸcksichtigt werden muss, dass jedes MŠdchen und jeder Junge ihre/seine sehr eigene Art und Weise haben, sich gegenŸber der Welt auszudrŸcken so- wohl in ihren/seinen lustvollen als auch in unlustvollen €u§erungen. Diese Grundaussa- ge bezieht sich genauso auf behinderte wie auf nichtbehinderte Kinder. Die Ausdrucksfor- men hŠngen von den bis dahin gemachten Erfahrungen im motorischen, im emotionalen und im kognitiven Bereich ab, also von den Erfahrungen des Kindes in seiner leiblich,

seelisch, geistigen Entwicklung. Es ist daher nicht mšglich, nur die Motorik eines Kindes zu fšrdern. Es muss vielmehr darum gehen, das Kind in der Ganzheit seiner Beziehung, sei- nes Ausdrucks gegenŸber der Au§enwelt zu betrachten.

Zusammenfassung

Die Bewegungsinteressen von Kindern sto-

§en hŠufig an die von Erwachsenen gesetz- ten Grenzen. Diese Grenzen resultieren da- bei nicht in erster Linie aus der Entscheidung, Bewegung zu unterbinden, sondern aus da- hinter stehenden und im Augenblick nicht be- wussten Komplexen wie die Angst um das Wohlergehen der Kinder oder bestimmte Vor- stellungen darŸber, wie man sich angemes- sen verhŠlt. Es ist fŸr Erwachsene eben eher ungewšhnlich, von Tischen zu springen oder auf Betten zu hopsen. Mit Blick auf die ge- sundheitliche Bedeutung von Bewegung und die Tatsache, dass Bewegung eine grundle- gende Form des Denkens ist, mŸssen Kinder frŸh Gelegenheit erhalten, sich auf schiefen Ebenen und gestuften Podesten zu bewegen, zwischen schneller und langsamer Bewegung immer wieder zu wechseln, zu springen, auf der Schaukel zu schwingen oder im Rhyth- mus von Musik ihre Bewegungen zu koordi- nieren. Der ganze Bereich der Psychomotorik hat hier seinen Sinn und soll einen festen Platz im Angebot einer KindertagesstŠtte haben.

(16)

1.2 Ebenen der Umsetzung: Wie kann eine Einrichtung der Kindertagesbe- treuung die Bewegungskompetenz pŠdagogisch begleiten?

Konzeption

Jede Einrichtung der Kindertagesbetreuung legt in ihrer Konzeption dar (vgl. ¤ 3 (3) Kin- dertagesstŠttengesetz des Landes Branden- burg), wie sie die kšrperlichen Kompetenzen aller Kinder unterstŸtzt. Dazu gehšren Anga- ben zum Freispiel im Kindergarten, zur Raumgestaltung, zum Spielangebot, zur ge- sunden ErnŠhrung, zur Gestaltung von Mahl- zeiten, zur Herausforderung von Kšrper- und Bewegungsgeschicklichkeit im Alltag und in Horten zum kšrperlichen Ausgleich nach einem anstrengenden Schultag. Alltagsge- staltung und besondere pŠdagogische Ange- bote in diesem Bereich beruhen auf einer Analyse der kindlichen LebensverhŠltnisse und ermšglichen den MŠdchen und Jungen einen Raum der Selbstbestimmung, span- nender Herausforderungen und Freude.

Beobachtung und Dokumentation

Jedes Kind wird regelmŠ§ig und differenziert daraufhin beobachtet, welche StŠrken und Vorlieben es auf kšrperlicher Ebene und bei der Einnahme von Mahlzeiten zeigt. Die Be- obachtungen liefern Ansatzpunkte fŸr unter- stŸtzende und fšrdernde Angebote. Sie wer- den dokumentiert und fŸr die Zusammenar- beit mit den Eltern genutzt.

SelbstverstŠndnis der Erzieherin / des Erziehers

Jede Erzieherin und jeder Erzieher reflektie-

ren, welche Bewegungsmšglichkeiten fŸr die Kinder bestehen und wo diese eingeschrŠnkt sind. Jede Erzieherin und jeder Erzieher infor- mieren sich Ÿber die aktuelle pŠdagogische Fachdiskussion zur UnterstŸtzung und Her- ausforderung der Bewegungskompetenz und zu den Mšglichkeiten gesunder ErnŠhrung.

Material- und Raumausstattung

Jeder Kindergarten weist in seiner Material- und Raumausstattung und im Au§engelŠnde nach, wie er durch das materielle und vor allem rŠumliche Angebot die kšrperliche Kompetenz von Kindern so unterstŸtzt und herausfordert, dass MŠdchen und Jungen eigenstŠndig Erfahrungen und Lernprozesse organisieren kšnnen. Es gibt Gelegenheiten, Kšrpergeschicklichkeit an neuen Herausfor- derungen zu erproben und gemeinsam gro§flŠchige Spiele zu veranstalten.

1.3 Beispiele guter Praxis Bewegungsbaustelle

Kernelemente einer Bewegungsbaustelle sind variable, von den Kindern leicht zu trans- portierende GegenstŠnde. Welch vielschichti- ge Lernerfahrungen eine solche Bewegungs- baustelle ermšglicht, schildert ausschnitthaft eine Beobachtung:

ãFelix und Niklas stellen ein Holzpferd in die Mitte des Raumes. Zwei BŠnke werden zu- sammengeschoben und als AnhŠnger ge- nutzt. Dann transportieren sie fŸnf gro§e Matratzen zu ihrem Gespann und versuchen sie Ÿbereinander auf ihren âWagenÕ zu schich- ten... Bei der dritten Matratze wird es schon schwieriger. Zusammen heben und schieben sie, bis es klappt. FŸr die vierte Matratze ist

(17)

GRUNDS€TZE ELEMENTARER BILDUNG 17 der Aufbau schon zu hoch. Sie Ÿberlegen, wie

die Matratze auf den Stapel gelangen kšnnte und probieren aus. Felix setzt sich auf den Stapel Ð Niklas schiebt von hinten Ð jetzt sitzt Felix jedoch im Wege. Dann heben sie die Matratze hoch Ð legen sie auf ihren Kopf Ð und versuchen die Matratze so auf die ande- ren zu schieben. Die Matratze wackelt Ð bei- de verlieren die Balance Ð die Matratze kippt zur Seite weg. Nach langem Ausprobieren und Diskutieren gelingt es ihnen dann doch, die Matratze durch Heben, Schieben und Zie- hen nach oben zu schaffen. Felix ruft stolz:

,Wir habenÕs geschafft!Õ... Jetzt klettern beide auf die Matratzen, versuchen auf dem wacke- ligen Untergrund erst einmal zu stehen und hŸpfen dann auf die am Boden liegende Matratze.Ò (Fšrster 2002)

Gerade solche Erfahrungen werden oft mit einem defensiven Blick auf die so genannte Aufsichtspflicht verhindert. Dabei zeigen die Beobachtungen, dass Kinder nur in solchen freien und gestaltbaren Situationen lernen, mit der Gefahr kompetent umzugehen.

Spielmaterial und Spielanregungen sowie Raumgestaltung und Materialausstattung:

¥ Bewegungsmaterial: Rollbretter, Trampo- lin, Pedalos, Seile, BŠlle, Kletterwand, Fahrzeuge

¥ Orte zum Toben

¥ Orte zum Klettern

¥ Bewegungsspiele

¥ breite FlŠchen in GruppenrŠumen und auf Fluren, auf denen keine MšbelstŸcke ste- hen

¥ grš§ere und kleinere SchrŠgen

¥ verschiedene Treppen

¥ verschiedene Ebenen

¥ HŠngematten

¥ Mšglichkeiten zum Balancieren

¥ RŸckzugsmšglichkeiten zum Entspannen.

Anregungen zur Gestaltung von Mahlzeiten:

¥ Kinder decken den Tisch selbstŠndig und nach ihren Vorstellungen.

¥ Materialen zur Dekoration der Tische ste- hen zur VerfŸgung.

¥ Kinder kšnnen sich ihren Platz bei den Mahlzeiten selbst wŠhlen und gestalten die Sitzordnung (z.B. lange Tafel oder klei- ne Tische).

¥ Kinder werden an der Aufstellung von Regeln bei Tisch und an der Zusammen- stellung des Speiseplans beteiligt.

¥ Essenszeiten werden flexibel und unter BerŸcksichtigung der BedŸrfnisse der Kin- der gestaltet.

¥ In der Einrichtung ist es mšglich, jederzeit etwas zu essen oder zu trinken.

2 Sprache, Kommunikation und Schriftkultur

Sprechen Ð Schreiben Ð Lesen 2.1 GrundverstŠndnis: Was ist mit dem

Bildungsbereich ãSprache, Kommu- nikation und SchriftkulturÒ gemeint?

Praktisch jedes gesunde Kind lernt sprechen, und zwar ohne dass es dazu einer didakti- schen Unterweisung bedarf. Schon kurz nach der Geburt unterscheidet der SŠugling zwi- schen sprachlichen und nichtsprachlichen Lauten. Seine eigenen AktivitŠten begleitet er mit Schreien, Weinen und Strampeln, dann mit Gurren und Lachen, spŠter mit Lallen und

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gestischer Zuwendung. Nach einem halben Jahr beginnt das Kind Laute und einfache Sil- ben zu produzieren und spielerisch zu wie- derholen. Gegen Ende des ersten Lebensjah- res bildet das Kind sein erstes Wort. Bis zur Mitte des zweiten Lebensjahres verfŸgen die meisten Kinder Ÿber etwa 50 Wšrter. In der Kommunikation fungieren diese Einzelwšrter als SŠtze. Wenn das Kind mit einem Ball spie- len will, zeigt es auf diesen und sagt das Wort ãBallÒ. Im Verlauf des zweiten Lebensjahres steigt der Wortschatz stark an und die ersten ZweiwortsŠtze werden gebildet. Mit etwa drei Jahren bilden Kinder grammatikalisch voll- stŠndige SŠtze.

Bereits mit den ersten Wšrtern wird auch die Symbolfunktion von Sprache erworben. Ab dem dritten Lebensjahr begreift das Kind, dass es Ÿber etwas sprechen kann, was nicht unmittelbar vorhanden ist. Nun kann es Ÿber Vergangenes und ZukŸnftiges berichten, PlŠne schmieden, Ideen entwickeln und sich mit anderen darŸber austauschen. Das Kind beginnt, gemeinsam mit anderen Kindern ganze Szenen aus seinem Alltag nachzuspie- len, und kommentiert die Bedeutung seiner Handlung sprachlich. Der Baustein wird zum Auto und das Muster des Teppichs zu einem System von Stra§en und ParkplŠtzen. Die Entdeckung der Symbolfunktion von Sprache ist eine wichtige Voraussetzung fŸr einen wei- teren Erkenntnisschritt, den Kinder im Vor- schulalter machen: Gesprochene Sprache lŠsst sich Ÿber Zeichen abbilden und damit an andere vermitteln, ohne dass man selbst dabei ist.

Schon in der Vorschulzeit sind Kinder sehr interessiert daran, vielfŠltige Erfahrungen mit Buchstaben und Zeichen zu machen. Das Ab- drŠngen von Schreiben und Lesen in den schulischen Bildungskanon befriedigt die Neugierde der meisten Kinder nicht. Das Fun- dament zum Schreiben- und Lesenlernen legt bereits der Kindergarten. DafŸr bedarf es einer offenen Lernumgebung, die es jedem einzelnen MŠdchen und Jungen ermšglicht, entsprechend ihrer/seiner FŠhigkeiten die geschriebene Sprache zu erfassen.

Es gibt eine enge Verbindung zu anderen Bil- dungsbereichen. Offensichtlich ist das zwi- schen den Bildungsbereichen ãSprache, Kommunikation und SchriftkulturÒ und ãSozia- les LebenÒ. Mit anderen etwas zu besprechen oder sich schriftlich zu verstŠndigen, fordert die Entwicklung der PerspektivenŸbernahme und die Ausbildung der eigenen IdentitŠt her- aus: Welche Informationen braucht der ande- re von mir, um mich verstehen zu kšnnen?

Welche Informationen brauche ich, um ande- re zu verstehen? Welche GefŸhle bringe ich wie am besten zum Ausdruck? Wie geht es mir, wenn andere freundlich zu mir sind oder wenn andere mich beschimpfen? Was mšch- te ich mitteilen und was mšchte ich von ande- ren wissen?

Zusammenfassung

Im sprachlichen Umgang miteinander und mit Erwachsenen lernen Kinder zu reden, zu ver- handeln, sich mitzuteilen, ihre WŸnsche und ihre Kritik zu Šu§ern, zuzuhšren und nachzu- fragen. All dies ermšglicht es ihnen, sich mit anderen zu verstŠndigen, sich am gesell-

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GRUNDS€TZE ELEMENTARER BILDUNG 19 schaftlichen Leben zu beteiligen, ihren Alltag

aktiv mitzugestalten und zu verŠndern.

In der Kindertageseinrichtung kšnnen die MŠdchen und Jungen lernen, wie unter- schiedlich sich Menschen ausdrŸcken. In manchen Einrichtungen kšnnen sie Kinder mit anderen Muttersprachen kennen lernen, zum Beispiel auch Kinder von Aussiedlerfami- lien. Sprachen bilden die kulturelle IdentitŠt ab und kšnnen eine BrŸcke zwischen Kultu- ren sein.

Ebenso wie von Sprache sind Kinder in ihrem Alltag umgeben von Schrift. Einmal durch den Ort zu gehen, bedeutet z.B., Werbeplakate, Autokennzeichen, Ortseingangsschilder, Be- zeichnungen von GebŠuden (Grundschule, Post, Kindergarten, Kinderarzt) zu sehen. Zu Hause und im Kindergarten gibt es Zeitungen, Zeitschriften, BŸcher und Werbeprospekte.

Bei neuem Spielzeug finden sich Beipackzet- tel, Gebrauchsanleitungen, Warnhinweise.

Kinder zeigen sich interessiert an Schrift, lange bevor sie selbst lesen und schreiben kšnnen. FrŸhe Erfahrungen mit den verschie- denen Facetten von Lese-, ErzŠhl- und Schreibkultur fordern Kinder heraus, sich selbst als sprechende, zuhšrende, erzŠhlen- de, lesende, schreibende Person zu erleben.

Das erweitert ihre Autonomie und vertieft ihren persšnlichen Zugang zur Welt. Sprach- liche Bildungsprozesse herauszufordern ist daher eine der hervorragendsten Aufgaben der pŠdagogischen Arbeit in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung.

2.2 EBENEN DER UMSETZUNG: Wie kann eine Einrichtung der Kinder- tagesbetreuung sprachliche, kommu- nikative und schriftliche FŠhigkeiten pŠdagogisch begleiten?

Konzeption

Jede Einrichtung legt in ihrer Konzeption dar (vgl. ¤ 3 (3) KindertagesstŠttengesetz des Landes Brandenburg), wie sie die sprachli- chen Kompetenzen aller Kinder unterstŸtzt.

Dazu gehšren Angaben zur Alltagsbedeutung von Schrift und Sprache im Kindergarten, zur ReprŠsentanz von Sprache und Schrift im Raum, zum Spielangebot und in Horten zur UnterstŸtzung des Schulerfolgs in diesem Kompetenzbereich. Alltagsgestaltung und besondere pŠdagogische Angebote in diesem Bereich beruhen auf einer Analyse der kindli- chen LebensverhŠltnisse und ermšglichen den Kindern einen Raum der Selbstbestim- mung, spannender Herausforderungen und Freude.

Beobachtung und Dokumentation

Jedes Kind wird regelmŠ§ig und differenziert beobachtet, welche StŠrken und Vorlieben es auf sprachlicher Ebene zeigt. Die Beobach- tungen liefern Ansatzpunkte fŸr unterstŸtzen- de und fšrdernde Angebote. Sie werden do- kumentiert und fŸr die Zusammenarbeit mit den Eltern genutzt.

SelbstverstŠndnis der Erzieherin / des Erziehers

Jede Erzieherin und jeder Erzieher sollen sich um eine direkte und individuelle Ansprache der MŠdchen und Jungen bemŸhen und

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ihnen zuhšren. Im kollegialen Austausch wird das eigene Sprachverhalten reflektiert. Jede Erzieherin und jeder Erzieher informieren sich Ÿber die aktuelle pŠdagogische Fachdiskussi- on zur UnterstŸtzung und Herausforderung sprachlicher, kommunikativer und schriftlicher Kompetenz.

Material- und Raumausstattung

Jeder Kindergarten weist in seiner Material- und Raumausstattung nach, wie er durch das materielle Angebot die Sprachkompetenz von Kindern so unterstŸtzt und herausfordert, dass MŠdchen und Jungen eigenstŠndig Er- fahrungen und Lernprozesse organisieren kšnnen.

2.3 Beispiele guter Praxis

Die dialogorientierte Bilderbuchbetrachtung Das Bilderbuch gehšrt zur Kindergartenkultur.

FŸr die Sprachentwicklung ist das Bilderbuch- betrachten von sehr hoher Bedeutung. Mit der Bilderbuchbetrachtung sind vielfŠltige Lern- chancen und Erfahrungen verknŸpft.

Ein Kind erfŠhrt

¥ ... die ununterbrochene sprachliche Zu- wendung von Erwachsenen, verbunden mit NŠhe.

¥ ... eine Vielzahl von Dingen und Ereignis- sen, Ÿber die dann gesprochen wird.

¥ ..., dass in BŸchern etwas Spannendes, Trauriges, Schšnes steht.

¥ ..., dass es neben den Bildern auch Texte gibt, die andere Informationen beinhalten als die Bilder.

¥ ..., dass man den Text von links nach rechts liest.

¥ ..., dass jede Seite eine andere Informa- tion enthŠlt.

¥ ..., dass es einen Buchtitel, einen Anfang und ein Ende gibt.

¥ ..., dass man blŠttert und ein Buch von der ersten bis zur letzten Seite liest.

¥ ..., dass Geschichten anders sind als All- tagsgesprŠche. FŸr Geschichten gibt es ein Schema: Anfang und Ende, Spannung und Auflšsung, Hauptfigur(en).

¥ ..., dass die Sprache in BŸchern bzw.

Geschichten hŠufig anders ist als die Ge- sprŠche beim Essen oder beim Morgen- kreis (Erfahrung mit Schriftsprache, mit âliterarischerÕ Sprache).

Die Bilderbuchbetrachtung bietet dem Kind

¥ ... intensive sprachliche Kommunikation mit Bezugsperson(en).

¥ ... sprachliche Anregung im Hinblick auf Syntax, Wortschatz, TextverstŠndnis, Ge- schichtenschema, Begegnung mit âliterari- scherÕ Sprache.

¥ ... eine EinfŸhrung in Kulturtechniken (Buch und Schriftkultur, Literatur).

¥ ... Lesefreude.

Weitere Ideen zur Anregung von Sprache VielfŠltige Anregungen und Mšglichkeiten, sich sprachlich ausdrŸcken zu kšnnen, bieten die Erzieherinnen und Erzieher den MŠdchen und Jungen durch:

¥ das Benennen von GegenstŠnden, Situa- tionen, Personen, GefŸhlen,

¥ das DurchfŸhren von Kinderkonferenzen,

¥ das ErzŠhlen von Geschichten,

¥ das Reimen,

¥ das Singen von Liedern,

(21)

GRUNDS€TZE ELEMENTARER BILDUNG 21

¥ das Ausprobieren von Zungenbrechern,

¥ das Sprechen Ÿber Gedichte.

Dokumentation des Erwerbs der Schriftsprache

Wie Kinder die Welt der Buchstaben und Texte erobern und jeweils fŸr sich ãdie Schrift erfindenÒ, kšnnen Erzieherinnen und Erzieher folgenderma§en dokumentieren:

¥ Die Lese- und Schreibprodukte der Kinder werden Ÿber einen lŠngeren Zeitraum gesammelt.

¥ Die €u§erungen der Kinder werden no- tiert, mit denen sie ihr individuelles Ver- stŠndnis vom Lesen und Schreiben zum Ausdruck bringen.

¥ Das Verhalten der Kinder wird beobachtet und dokumentiert, wenn sie in Interaktio- nen mit anderen Ÿber den Prozess des Lesens und Schreibens nachdenken (z.B.

wenn sie ãSchule spielenÒ).

In einer Dokumentensammlung oder Nach- schlagekiste findet sich alles, was fŸr Kinder Sinn hat. Die Dokumentensammlung kann z.B. beinhalten:

¥ alles, was Kinder sammeln, was sie inter- essiert: Bilder, Artikel, Aufkleber, Fotos, Fernsehprogramme, Bundesligatabellen, Legokataloge etc.

¥ alles, was Kindern hilft, ihren Alltag selbst- stŠndiger zu gestalten: Adressen, Telefon- nummern (z.B. von ihren Eltern), …ff- nungszeiten, Busfahrzeiten etc.

¥ alles, was zur Tradition der Gruppe ge- hšrt: Fotos, TagebŸcher, Briefe etc.

Weitere Beispiele zur Material- und Raumausstattung

¥ Eine eigenstŠndig nutzbare KinderbŸche- rei,

¥ eine Schreibecke mit unterschiedlichen Medien (Papier, verschiedene Schreibge- rŠte, Schreibmaschine/ Computer),

¥ bildliche Darstellungen (wie z.B. auf Mate- rialkŠsten) werden nach Mšglichkeit durch Schriftsymbole ergŠnzt oder ersetzt.

3 Musik

Hšren Ð Spielen Ð Singen Ð Tanzen 3.1 GRUNDVERST€NDNIS: Was ist mit

dem Bildungsbereich ãMusikÒ gemeint?

Jedes Kind ist zum Erkennen musikalischer Aspekte empfŠnglich. Zu fragen ist, warum die MusikpŠdagogik in unserer Kultur den- noch vernachlŠssigt wird. WŠhrend der sprachliche und der mathematisch-wissen- schaftliche Bildungsbereich in der allgemei- nen (Schul-)Bildung einen hohen Stellenwert besitzen, fristet die Fšrderung der musikali- schen Kompetenz in Deutschland eher ein randstŠndiges Dasein oder fehlt všllig. Nach EinschŠtzung vieler Experten ist dieser Aspekt auch aus der Elementarbildung nahe- zu verschwunden.

UngŸnstige Effekte hat dies nicht allein fŸr das Musikerleben der Kinder, wie jŸngere Untersuchungen zeigen. Die sog. Berliner Studie des MusikpŠdagogen Hans GŸnter Bastian wies an Grundschulen nach, dass in Musik ausgebildete Kinder vielerlei Vorteile im Bereich des Sozialverhaltens, der Kognition

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und der Selbstachtung zeigen. Ein Šhnliches Ergebnis erbrachte eine Studie, die als Folge musikalischer Fšrderung verbesserte Schull- eistungen bei Kindern aus musikfernen Fami- lien, ein verbessertes Klassenklima und posi- tivere Einstellungen der Kinder gegenŸber der Schule nachwies. Trotz der Annahme einer eigenstŠndigen Veranlagung zeigt sich so eine Reihe von Verbindungen: Musik spricht gleicherma§en Denken, GefŸhle und Handeln an.

Au§erhalb pŠdagogischer Institutionen hat im Alltag der meisten Kinder Musik jedoch einen hohen Stellenwert. Dabei kann ein enger Zusammenhang von Musik und Bewegung, Koordination, Tanz sowie sozialer AktivitŠt festgestellt werden. Im Radio und auf CD hšren die Kinder die aktuellen Hits, in Videoc- lips sehen sie, wie sich die SŠngerinnen und SŠnger dazu bewegen. In der Regel machen die Kinder mit Begeisterung diese Bewegun- gen nach bzw. singen die Lieder mit.

Jazzdance in einer Formation ist insbesonde- re bei MŠdchen eine beliebte FreizeitbeschŠf- tigung, aber auch Jungen probieren sich im Breakdance aus. Als Beispiel fŸr die intensive BeschŠftigung mit Musik und Tanz kšnnen Kinder beobachtet werden, die sich gut koor- diniert, rhythmisch, gemeinsam mit anderen, mit viel Engagement und Spa§ zu den KlŠn- gen einer Popgruppe bewegen.

Zahlreiche Befunde zeigen, dass musikali- sches Empfinden zu den Grundkompetenzen des Menschen gehšrt. Das Ohr ist das am frŸhesten ausgebildete Sinnesorgan des un- geborenen Kindes. Die neuere Kleinkindfor-

schung zeigt, dass auch SŠuglinge bereits Ÿber ein erstaunliches Differenzierungsver- mšgen verfŸgen. Bereits zwei Monate alte Kinder treffen Tonhšhe, LautstŠrke und melo- dische Eigenarten der Lieder ihrer Mutter und vier Monate alte Kinder auch rhythmische Strukturen. Mit etwa zwei Jahren beginnen die Kinder, aus eigenem Antrieb heraus Ton- intervalle zu erzeugen und spontan Lieder zu erfinden. Im Alter von drei bis vier Jahren ken- nen sie die Melodien ihrer Kultur. Gleichzeitig werden die unterschiedlich ausgeprŠgten Be- gabungen sichtbar, die vermutlich aus einer Mischung von genetischen Faktoren und sozialisatorischen EinflŸssen rŸhren. SpŠte- stens jetzt mŸsste deshalb eine bewusste Fšrderung der musikalischen Praxis einset- zen. Das wichtigste Instrument ist dabei die Stimme. Sie wird auch als der ãSchlŸssel zur Fšrderung der musikalischen IntelligenzÒ be- zeichnet. FŸr Gianni Rodari, einen der wich- tigsten Ideengeber der Reggio-PŠdagogik, ist die (Sing-)Stimme eine der wichtigsten Ver- mittler zwischen dem Innen und Au§en, zwi- schen Ich und Du.

Zu den musikalischen Intelligenzen zŠhlen die Begabung zum Musizieren, zum Kompo- nieren und Sinn fŸr die musikalischen Prinzi- pien. Zu den Basiskomponenten der Musik gehšren Melodie, Rhythmus und Klangfarbe.

FŸr die meisten Menschen stellt dabei das Gehšr den wichtigsten Zugang zur Musik dar.

Einen besonderen Stellenwert hat der Rhyth- mus: †ber ihn kšnnen offensichtlich auch taube Menschen einen Zugang zur Musik gewinnen. Der Rhythmus ist auch diejenige Komponente, die diesen Bereich am augen-

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GRUNDS€TZE ELEMENTARER BILDUNG 23 fŠlligsten mit Grundstrukturen des menschli-

chen Lebens verbindet: Der Mensch handelt rhythmisch im Sinne von Wechseln und GegensŠtzen (z.B. Einatmen/Ausatmen, Spannung/Entspannung) und er ist Teil der Natur (Jahreszeiten, Tag/Nacht).

Eine Besonderheit der Musik ist ihr emotiona- ler Gehalt. Nach Arnold Schšnberg, der Kom- ponist der streng strukturierten Zwšlftonmu- sik, hat Musik Einfluss auf verborgene Teile der GefŸhlssphŠre, die der Stimmung einer ãgetrŠumten HšhleÒ gleichkommen. Musik hat eine doppelte Funktion, das Leben zu erler- nen und ihm zugleich zu entfliehen, meint der Dirigent Daniel Barenboim. Mit einer musika- lischen FrŸhfšrderung werden deshalb sehr viel weitergehende WŸnsche verbunden als nur die einer rationalen EinfŸhrung in eine besondere Sprache. Die Herausforderung musikalischer Praxis zielt damit ebenfalls auf die Pflege seelischer und emotionaler Ge- sundheit.

Obwohl die Notwendigkeit der Fšrderung musikalischer Praxis erwiesen ist, auch als ErgŠnzung zu eher rationalen Kulturtechniken, dŸrfte es mit am schwersten fallen, hier zu einer Trendwende zu gelangen. Denn wie besondere musikalische FŠhigkeiten sich nicht anders als durch intelligentes †ben ent- wickeln, ist auch der Satz ãIch kann nicht sin- genÒ gelernt Ð eine hŠufig geŠu§erte Selbstbe- zichtigung. Vor der praktizierten MusikpŠdago- gik steht deshalb fŸr viele SozialpŠdagoginnen und SozialpŠdagogen erst einmal die Ausein- andersetzung mit der Angst, mit den eigenen verschŸtteten Musikbegabungen.

Zusammenfassung

Musik ist ein zentraler Bestandteil menschli- cher Kultur und eine Grunderfahrung des Menschen. Schon vor der Geburt erleben Kin- der den Rhythmus des Herzschlags und kšn- nen hšren. Musik und musikalische Praxis haben einen positiven Einfluss auf die geisti- ge, seelische und emotionale Entwicklung von Kindern, werden von diesen aufgegriffen und eigenstŠndig genutzt. DemgegenŸber fŠllt auf, dass die musikalische FrŸhbildung dringend einer Aufwertung und Intensivierung bedarf.

3.2 Ebenen der Umsetzung: Wie kšnnen Einrichtungen der Kindertagesbe- treuung die musikalischen Bildungs- fŠhigkeiten pŠdagogisch begleiten?

Konzeption

Jede Einrichtung legt in ihrer Konzeption dar (vgl. ¤ 3 (3) KindertagesstŠttengesetz des Landes Brandenburg), wie sie die musikali- schen Kompetenzen jedes MŠdchens und jedes Jungen fšrdert. Dazu gehšren Angaben zur musikalischen Praxis im Alltag des Kin- dergartens, zur Raumgestaltung, zum Spiel- angebot zur Fšrderung von musikalischen Kompetenzen und in Horten zur UnterstŸt- zung des Schulerfolgs in diesem Kompetenz- bereich. Es gibt Gelegenheiten, in der Gruppe zu musizieren und vor Publikum aufzutreten.

Beobachtung und Dokumentation

Jedes Kind wird regelmŠ§ig und differenziert beobachtet, welche StŠrken und Vorlieben es auf musikalischer Ebene zeigt. Die Beobach- tungen liefern Ansatzpunkte fŸr unterstŸtzen-

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de und fšrdernde Angebote. Sie werden do- kumentiert und fŸr die Zusammenarbeit mit den Eltern genutzt.

SelbstverstŠndnis der Erzieherin / des Erziehers

Jede/r Erzieher/in reflektiert ihr VerhŠltnis zur musikalischen Praxis und Ÿbt sich im Ge- brauch von Stimme, einfachen Klang- und Musikinstrumenten. Erzieherinnen und Erzie- her singen in Anwesenheit der Kinder und mit den Kindern. Wer ein Musikinstrument be- herrscht, spielt es fŸr sich, fŸr andere und mit anderen. Die Erzieherinnen und Erzieher nut- zen Rhythmen und Reime als elementare mu- sikalische Ausdrucksformen. Kollegiale Ermu- tigung und musikalische Praxis auf Erwach- senenebene unterstŸtzen diesen Prozess der Entwicklung des musikalischen Bildungsbe- reiches.

Material- und Raumgestaltung

Jeder Kindergarten weist in seiner Material- und Raumausstattung nach, wie er durch das materielle Angebot die musikalische Kompe- tenz von Kindern so fšrdert und herausfor- dert, dass MŠdchen und Jungen eigenstŠndig Erfahrungen und Lernprozesse organisieren kšnnen. In jeder Einrichtung gibt es Zugang zu Musikinstrumenten. Es gibt mindestens einen Raum, in dem sich Kinder ungestšrt dem Musizieren widmen kšnnen und einen Raum der Stille.

3.3 Beispiele guter Praxis Singen im Alltag

Der Deutsche SŠngerbund zeichnet mit dem ãFelixÒ KindergŠrten aus, die beispielhaft mu-

sikalisch wirken. ãFelixÒ wird als Urkunde und als Plakette zum Anbringen an der Au§en- wand des Kindergartens verliehen. Um den ãFelixÒ zu erhalten, weist der Kindergarten nach:

Ð tŠglich mit Kindern zu singen,

Ð die Tonhšhe der Lieder an die kindliche Stimme anzupassen,

Ð vielfŠltige und altersgemŠ§e Lieder aus- zuwŠhlen,

Ð Lieder von Kindern aus anderen Kulturen in das Repertoire zu integrieren.

Nebenkriterien erfassen

Ð das AuffŸhren der erlernten Lieder, Ð die Einbeziehung rhythmischer Instrumente, Ð die Integration von Tanz- und Bewegungs-

spielen.

Auch ohne eine Bewerbung um den ãFelixÒ enthŠlt dieser Katalog Merkmale, die fŸr jeden Kindergarten von Bedeutung sind.

Rhythmik

Der Rhythmus als ein elementarer Bestand- teil musikalischer Sprache ist allen Menschen zugŠnglich und oft auch denen, die Probleme mit MelodiefŸhrungen haben. Er ist basaler Baustein jeder musikalischen Praxis, kann aber auch fŸr sich stehen: ãAm Anfang war der Rhythmus...Ò. Das EinŸben in Rhythmen kann deshalb ein guter Zugang zur musikali- schen Praxis sein. Die Rhythmik als pŠdago- gisches Verfahren arbeitet mit den Mitteln Be- wegung, Stimme/Sprache, GerŠte/Materialien und Musik. Sie verwendet und integriert damit eine FŸlle von Erfahrungsmšglichkeiten.

Rhythmen kann man auf Instrumenten spie- len, singen, sprechen, zeigen mit Handgesten

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GRUNDS€TZE ELEMENTARER BILDUNG 25 oder in der Mimik, in die Bewegung bringen,

mit GerŠten bauen, malen/zeichnen, allein oder mit anderen ausŸben. Die MusikpŠdago- gin Sabine Barth beschreibt: ãBei Kindern ist im Allgemeinen noch ein natŸrlicher Bewe- gungsfluss und ein unbefangeneres Herange- hen an Musik zu beobachten als beim Er- wachsenen. Dies gilt es zu erhalten und zu fšrdern. Bei der Arbeit mit Kindern wird daher darauf verzichtet, mit Musik und Bewegung âtechnischÕ, d.h. trainingshaft Ÿbend, korrigie- rend eingreifend, bewertend, bewusst ma- chend und abstrahierend umzugehen. Viel- mehr werden †bungen und damit verknŸpfte fachliche bzw. allgemeine pŠdagogische Ziele in Spiele, SpielablŠufe und Spielhandlungen eingearbeitet. Es werden Gedichte (Verse, Reime), Geschichten (BilderbŸcher u.a.m.), Lieder und Tanzlieder eingesetzt. Damit wer- den Bewegungsanreize und Angebote zur musikalischen €u§erung (Gesang, GerŠu- sche, Spiel mit GerŠten und Instrumenten) gegeben.Ò

Hinweise zur Material- und Raumgestaltung:

¥ Platz zum Toben und zum Tanzen,

¥ einfache Instrumente wie Rasseln, Zim- beln, Trommeln, Glšckchen, Flšten, Ka- zoos bereitstellen,

¥ einige wertvollere Instrumente zur VerfŸ- gung stellen,

¥ LiederbŸcher,

¥ Medien wie Tonband und Kassettenre- korder fŸr Tonaufnahmen nutzen,

¥ unterschiedliche Alltagsmaterialien, mit denen Tšne erzeugt werden kšnnen be- reitstellen,

¥ Musikinstrumente aus Alltagsmaterialien mit den Kindern bauen,

¥ Materialien und Medien zum DŠmpfen bzw. VerstŠrken von GerŠuschen.

4. Darstellen und Gestalten 100 Sprachen, um die Welt zu verstehen

4.1 GrundverstŠndnis: Was ist mit dem Bildungsbereich ãDarstellen und GestaltenÒ gemeint?

Darstellen und Gestalten entspringen einem GrundbedŸrfnis des Menschen und sind seit Urzeiten ein Ausdrucksmittel. Ein Beispiel da- fŸr sind die archaischen Hšhlenzeichnungen.

Bildnerisches Gestalten hat mit Wahrneh- mung zu tun, mit der Verarbeitung von Rei- zen, die von au§en auf den Menschen ein- stršmen oder auch in seinem Inneren sich bemerkbar machen, mit GefŸhlen und Kšr- perempfindungen.

Wie die anderen Bildungsbereiche ist auch dieser Bildungsbereich nicht von den anderen zu trennen. Der Mensch strebt nach ganzheit- lichem Lernen: Kšrperkoordination macht Zei- chenbewegungen mšglich, die Wahrneh- mung verschiedener Reize ist Anlass fŸr Handlungen; Gestaltungsprozesse mit Mate- rialien werden mit Worten und Begriffen auch abstrakt fassbar. Gerade beim bildnerischen Gestalten ist es mšglich, verschiedene und immer wieder neue Problemlšsungsschritte mit anderen Materialien und vertiefter Wahr- nehmung zu machen und Entwicklungspro- zesse aufzuzeigen. Das Darstellen und Ge- stalten bieten eine besondere Chance in der

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UnterstŸtzung benachteiligter MŠdchen und Jungen.

Eine intensive Wahrnehmung, ein ausfŸhrli- ches sinnliches Erkunden sowie alle kreativen TŠtigkeiten von Kindern sind eng mit dem Verstehen der Welt verbunden. Kinder be- schreiten dazu eigene Wege und greifen zu den unterschiedlichsten Mitteln. Indem sie zeichnen, malen, collagieren, mit Ton, Lehm und Knete, mit Wasser, Papier und Draht experimentieren, verarbeiten sie ihre Erleb- nisse und verleihen ihren EindrŸcken einen bleibenden Ausdruck. Dabei sind vor allem jene Materialien anregend, die einen gro§en Gestaltungsrahmen bieten wie z.B. Wasser, Sand und Knete, aber auch Bausteine, Decken u.€. Auch die BewŠltigung von Pro- blemen mithilfe von bildnerischen Gestal- tungsmitteln ist mšglich. Hinweise dazu fin- den sich in einer Reihe von Veršffentlichun- gen Ÿber die therapeutische Wirkung von bild- nerischem Gestalten. Gleiches gilt auch fŸr Rollenspiele (die etwas anderes sind als ein- studierte AuffŸhrungen) oder das Spiel mit Handpuppen.

Das Spiel mit verschiedenen Materialien ermšglicht dem Kind eine intensive Auseinan- dersetzung mit seiner Umwelt. Das Kind kann hier sozusagen direkt mit seiner Umwelt inter- agieren. Es kann sie beeinflussen, Spuren hinterlassen, aber sich auch ihren Mšglichkei- ten anpassen. Der Umgang mit verschiede- nen Materialien wird als eine Form des Den- kens mit den Mitteln und Mšglichkeiten der sinnlichen Erfahrung angesehen.

In einem solchen VerstŠndnis bildnerischen Gestaltens haben Zensuren und Wertungen keinen Platz. Eberhard BrŸgel hat dazu ãfŸnf goldene RegelnÒ zum Verhalten der Erwach- senen formuliert:

1. Korrigiere niemals ein Bild, eine Plastik oder ein Objekt, das Kinder hergestellt haben!

2. Lass die Kinder spŸren, dass du ihre Bil- der schŠtzt!

3. DrŠnge niemals Kinder dazu, ihre Bilder zu erklŠren, wenn sie es nicht von sich aus tun!

4. Ermuntere Kinder zum Zeichnen, Malen, Collagieren, Formen und Bauen! Gib ihnen Anregungen! Stelle aber keine fest formulierten Aufgaben oder AuftrŠge!

5. Sei neugierig auf das, was einzelne Kin- der produzieren! Auf diese Weise lernt man die individuellen Neigungen und Ver- anlagungen am besten kennen!

€hnlich wie die musikalische Praxis fordert und fšrdert auch der Bildungsbereich ãDar- stellen und GestaltenÒ von vielen Erwachse- nen einen Sprung Ÿber subjektive Hindernis- se und Formen ungewšhnlichen Lernens, wie KunstpŠdagogen in ihren Arbeiten zeigen.

Dass dies nicht geschieht oder kaum in moti- vierender Weise, ist eine Erfahrung, die viele Erzieherinnen und Erzieher mit ihrer Umge- bung teilen. €hnlich wie beim Musizieren wird eine kŸnstlerische Fšrderung von Kindern deshalb hŠufig durch Blockaden der Erwach- senen (Eltern wie SozialpŠdagogen) er- schwert. Viele Erwachsene sagen von sich, sie kšnnten nicht zeichnen und malen. Sie sind selbst in einer Umgebung gro§ gewor-

(27)

GRUNDS€TZE ELEMENTARER BILDUNG 27 den, in der Unwissenheit Ÿber die Entste-

hungsweise von Kinderbildern und unreflek- tierte Bewertungsma§stŠbe vorherrschen.

Kinderbilder mŸssen danach schšn sein und Erwachsene wollen darauf etwas erkennen.

Diese Ma§stŠbe blockieren den freien Aus- druck der Kinder, der so wichtig ist fŸr die Ent- wicklung von SelbststŠndigkeit und Selbstbe- wusstsein. Die Frage ãWas hast du denn da gemalt ?Ò ist weit verbreitet, aber ŸberflŸssig und demotivierend. Ein Vergleich mit der Sprachfšrderung macht das deutlich: Ein Kind, das lallend seine Sprechwerkzeuge erprobt und Spa§ findet beim Erzeugen von rhythmischen und âsinnlosenÕ Worten zu fra- gen: ãWas hast du da gesagt, ich verstehe dich nicht?Ò kommt uns ziemlich absurd vor und regt das Kind kaum zu weiterem Spre- chen an. Vor die Auseinandersetzung mit dem Gestalten von Kindern tritt deshalb die Kon- frontation mit eigenen bildnerischen Gestal- tungserfahrungen.

Zusammenfassung

Das Darstellen und Gestalten gehšren zu den GrundbedŸrfnissen der Menschheit und zu den frŸhen TŠtigkeiten eines Kindes. Sie er- mšglichen es ihm zugleich die innere Verar- beitung von Erfahrungen und ihren bleiben- den Ausdruck. Gestaltungsprozesse sind Er- kenntnisprozesse. Sie stehen in einem wech- selseitigen VerhŠltnis zur geistigen und kšr- perlichen Entwicklung des Kindes. Demge- genŸber sind auf Erwachsenenseite hŠufig Unsicherheiten gegenŸber dem Umgang mit Werken von Kindern festzustellen.

4.2 Ebenen der Umsetzung: Wie kšnnen Einrichtungen der Kindertagesbe- treuung die darstellerischen und gestalterischen BildungsfŠhigkeiten der Kinder pŠdagogisch begleiten?

Konzeption

Jede Einrichtung der Kindertagesbetreuung legt in ihrer Konzeption dar (vgl. ¤ 3 (3) Kin- dertagesstŠttengesetz des Landes Branden- burg), wie sie die darstellerischen und gestal- terischen Kompetenzen jedes MŠdchens und jedes Jungens fšrdert. Dazu gehšren Anga- ben zur Praxis von Darstellen und Gestalten im Alltag des Kindergartens, zur Raumgestal- tung, in Horten fŸr die UnterstŸtzung des Schulerfolgs in diesem Bildungsbereich, zum Angebot zur Fšrderung von kŸnstlerischen Kompetenzen und zum Bekanntmachen mit Kunstwerken der Malerei, Architektur und Bildhauerei. Diese kšnnen sich in der Einrich- tung und ihrem Einzugsbereich finden lassen;

der Besuch von Kirchen, Museen und Aus- stellungen, Kunstpostkarten, KalenderblŠtter und BŸcher ergŠnzen das Angebot.

Beobachtung und Dokumentation

Jedes Kind wird regelmŠ§ig und differenziert daraufhin be(ob)achtet, welche StŠrken und Vorlieben es bei Spiel, Darstellung und bildli- cher Gestaltung zeigt. Die Beobachtungen liefern Ansatzpunkte fŸr unterstŸtzende und fšrdernde Angebote. Sie werden dokumen- tiert und fŸr die Zusammenarbeit mit den Eltern genutzt.

(28)

SelbstverstŠndnis der Erzieherin/

des Erziehers

Jede Erzieherin und jeder Erzieher lernen, verstŠndnisvoll mit den Werken der Kinder umzugehen. Erzieherinnen und Erzieher Ÿben sich darin, achtungsvoll und ohne Wer- tung mit Kindern Ÿber deren Werke zu spre- chen. Die Erzieherinnen und Erzieher infor- mieren sich Ÿber die aktuelle pŠdagogische Fachdiskussion zu diesem Bildungsbereich.

Sie wissen, dass es darum geht, den Werken der Kinder Aufmerksamkeit zu geben und sie als ihre Deutung ernst zu nehmen. Im kolle- gialen Austausch erinnern sich die Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter in Kindertageseinrich- tungen an die bereits genannten ãfŸnf golde- nen RegelnÒ. Sie suchen die Gelegenheit, eigene Erfahrungen im Darstellen und Gestal- ten zu machen.

Material- und Raumausstattung

Jeder Kindergarten weist in seiner Material- und Raumausstattung nach, wie er durch das materielle Angebot die kŸnstlerische Kompe- tenz von Kindern so fšrdert und herausfor- dert, dass MŠdchen und Jungen eigenstŠndig Erfahrungen und Lernprozesse organisieren kšnnen. In jeder Einrichtung gibt es ein Ate- lier, mindestens eine fŸr alle Kinder frei zu- gŠngliche Mal- und Werkecke. Es gibt Berei- che fŸr freies Malen mit der Mšglichkeit, ste- hend an der Wand oder an einer Staffelei zu malen, und einen Bereich, wo mit verschiede- nen Materialien an Tischen gearbeitet werden kann. Auch im Au§enbereich gibt es Mšglich- keiten zum Werken und Malen. RŠume und WŠnde werden gebraucht fŸr das Visualisie- ren der ãSchšpfungenÒ der Kinder im Sinne

des Sich-Wiedererkennens. Der Raum- und Wandschmuck von Einrichtungen werden ŸberprŸft, ob er frei ist von kindertŸmelndem Kitsch und stattdessen Raum gibt fŸr anre- gende Kunstwerke, Architekturskizzen und

€hnliches.

4.3 Beispiele guter Praxis Moderne und abstrakte Malerei

GrundsŠtzlich soll die Herausforderung zu bildnerischem Darstellen und Gestalten die individuellen Interessen wie die entwicklungs- gemŠ§e Situation der Kinder berŸcksichtigen.

Eine gezielte Fšrderung der visuellen und ge- stalterischen Kompetenzen der Kinder ge- schieht durch die genaue Beobachtung der Umwelt (z.B.: Sieht Wasser wirklich immer blau aus? Welche Farbtšne sind noch zu beobachten und wie kann ich das WŠssrige am Wasser darstellen?), des Weiteren durch die Wahrnehmung des eigenen Kšrpers und seiner Funktionen und durch die Begegnung mit Kunstwerken von Erwachsenen. Dabei ist zu berŸcksichtigen, dass moderne und ab- strakte Maler der Formensprache von Kin- dern hŠufig nahe kommen, obwohl manche Erwachsene mit dieser Malerei eher wenig anfangen kšnnen. Kleine Kinder reagieren direkt und spontan auf starke Farbbilder von Mark Rothko oder Yves Klein und erkennen sich wieder in StrichmŠnnchen und Symbol- zeichen, die wir von Paul Klee und Joan Miro kennen. Impressionistische Landschaftsbilder sind ihnen nahe, weil sie auch gern ãTŸpfel- bilderÒ malen.

Die intensive Auseinandersetzung mit Bildern schult die Wahrnehmung und Ausdrucks- fŠhigkeit. Dazu die KunstpŠdagogin Christina

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