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Das KidSmart-Projekt in Brandenburg

Im Dokument Grundsätze elementarer Bildung (Seite 95-99)

KIDSMART-PROJEKT IN BRANDENBURG 95 Gehšrt ein Computer in eine

KindertagestŠtte? / Christian Bethge Welche Aufgabe kommt der Kita beim Thema neue Medien zu? Sollte sie die Kinder vor dem Medienwahn schŸtzen, oder sie bewusst medialen Reizen aussetzen? Mit diesen oder Šhnlichen Fragen wird man oft konfrontiert, wenn das Thema Computer in der Kita ange-sprochen wird. Von der absoluten Verban-nung bis hin zum Einsatz im frŸhesten Kin-desalter; alle Meinungen sind in dieser sehr emotional gefŸhrten Diskussion vertreten.

Viele PŠdagogInnen meiden den Computer, teils weil sie selbst keine Erfahrungen mit der (gar nicht mehr so) neuen Technik haben, teils weil sie die BefŸrchtung leitet, dass die Kinder nur noch vor dem Bildschirm irgendet-was konsumieren wŸrden.

So verstŠndlich solche €ngste sind, so wenig kšnnen sie als BegrŸndung herangezogen werden, wenn es darum geht, sich nicht mit einem Medium auseinanderzusetzen, dass in den Alltag vieler Kinder lŠngst Einzug gehal-ten hat. Schneller als jedes andere menschli-che Werkzeug zuvor, hat der Computer die industrielle Welt erobert. Schaut man sich die Lebenswelten unserer Kinder an, so ist die elektronische Rechenmaschine in vielen Fa-milien inzwischen ein selbstverstŠndlicher Mitbewohner geworden. Der Computer ist schon da, wir haben es blo§ oft noch nicht bemerkt.

Als ein faszinierendes Werkzeug, hat uns die Computertechnologie eine Vielzahl neuer Mšglichkeiten geschenkt, um die Welt zu ver-stehen und zu gestalten. Sei es die inzwi-schen enorm beschleunigte schriftliche Kom-munikation per E-Mail, das Durchleuchten unseres Kšrpers per Computertomografie oder der Kontoauszug am Automaten; die meisten Menschen kšnnen und/oder wollen nicht mehr auf die elektronischen Helfer ver-zichten. Warum auch?

Der kompetente Umgang mit der ãMaschineÒ erscheint uns heute schon fast als eine zwin-gend zu beherrschende Kulturtechnik, die die Partizipation an immer mehr wichtigen Berei-chen des privaten und šffentliBerei-chen Lebens Ÿberhaupt erst ermšglicht. Von der Recher-che in einer Bibliothek bis hin zum Schreiben der eigenen Bewerbung; sich nicht mit dem Computer auszukennen, wird zunehmend zu einem Manko. In der nahen Zukunft werden Kompetenzen im Umgang mit dem Computer fŸr den beruflichen und vielleicht auch fŸr den sozialen Werdegang mutma§lich unverzicht-bar sein.

Unsere Kinder wachsen in einer medialen Welt auf, in der der Computer und der kom-petente Umgang mit ihm nicht nur selbstver-stŠndlich ist, sondern vor allem eine notwen-dige Grundqualifikation darstellt. Hier muss sich die Kita, als die wichtigste Bildungsein-richtung Ÿberhaupt, die Frage stellen, wie sie die Kinder gut auf diese Herausforderung vor-bereiten kann.

Computer in die Kita!

Die Wochen, Monate und Jahre die unsere Kinder in der Kita verbringen, gelten heute als die Bildungszeit schlechthin. Insbesondere die Ergebnisse der neueren Hirnforschung demonstrieren uns derzeit, wie herausragend die Erfahrungen der frŸhen Kindheit fŸr die weitere Entwicklung des Kindes sind.

In der selbstŠndigen Auseinandersetzung mit der Welt, bauen Kinder in ihren ersten Le-bensjahren ein Gro§teil ihres Weltbildes, ihrer (Meta)-Kompetenzen und eine Idee ihrer eigenen Selbstwirksamkeit auf. Das eigene und spŠter zunehmend auch das gemeinsa-me konkrete Handeln sind dabei wichtige Motoren dieser Entwicklung. Nie wieder wer-den die Kinder so schnell, nachhaltig und grundlegend lernen, die Welt, sich und ande-re zu begande-reifen. Warum soll der Computer hierbei als wichtiges und kulturell zunehmend unverzichtbares Werkzeug nicht von Anfang an die Kinder begleiten.

Je frŸher die Kinder den Computer selbstver-stŠndlich in ihrem konkreten Handeln einset-zen, desto besser werden sie sich, praktisch nebenbei, die Kompetenzen erarbeiten, die wir heute fŸr so wichtig erachten. Die durch pŠdagogische FachkrŠfte professionell be-gleitete, aktive und altersangemessene Aus-einandersetzung mit Maus und Co. lŠsst Kin-der im Umgang mit Medien kompetent und stark werden und eršffnet ihnen eine span-nende und erkenntnisreiche Erfahrungswelt.

Mit dem Computer ist es wie mit allem ande-ren auch: Eine Šngstliche Vermeidung fŸhrt nicht zu einem Aufbau von Kompetenzen, sondern hinterlŠsst ein GefŸhl von

Unsicher-heit und geringer Selbstwirksamkeit. Wir mŸs-sen also Wege finden, gemeinsam mit den Kindern einen neuen und wichtigen Zugang zur Welt auszuprobieren und uns im Umgang damit zu Ÿben. Das wird nur gehen, wenn wir uns als Erwachsene gemeinsam mit den Kin-dern auf die Reise begeben und den Compu-ter entdecken, ihn nicht verbannen, sondern ihn zum selbstverstŠndlichen und reflektierten Teil unserer Arbeits- und Lernkultur machen.

Eine ganz konkrete Mšglichkeit dazu, bietet sich derzeit den am KidSmart-Projekt teilneh-menden KindertagesstŠtten an.

Das KidSmart-Projekt in Brandenburg KidSmart steht seit 1998 fŸr das Engagement von IBM, Lern- und Medienkompetenzen von Kindern im Elementarbereich zu fšrdern. Um dieses Ziel zu erreichen, sponsert IBM fŸr Kindertageseinrichtungen kindgerechte Multi-media Ð Computer samt Software; die young explorer(r). Nachdem das Fšrderprogramm KidSmart im Jahr 2001 Deutschland erreichte und einige KindertagesstŠtten in Bayern und anschlie§end in weiteren BundeslŠndern mit einer Multimedia-Lernstation ausgestattet wurden, ist es 2003 dem Ministerium fŸr Bil-dung, Jugend und Sport gelungen, IBM und sein Fšrderprogramm fŸr das Land Branden-burg zu gewinnen.

So startete im Herbst letzten Jahres das KidSmart-Projekt in Brandenburg als public-private-partnership. 18 Kindertageseinrich-tungen wurden nach einer landesweiten Aus-schreibung mit dem young explorer(r) ausge-stattet.

Um die Erzieherinnen beim Einsatz des Com-puters in der pŠdagogischen Arbeit

professio-KIDSMART-PROJEKT IN BRANDENBURG 97 nell und nachhaltig zu unterstŸtzen,

ent-wickelte das SozialpŠdagogische Fortbil-dungswerk Brandenburg in Kooperation mit dem Berliner Institut fŸr FrŸhpŠdagogik ein einjŠhriges Begleitungs- und Fortbildungspro-gramm, an dem jeweils zwei Erzieherinnen aus jeder beteiligten Einrichtung teilnehmen.

Ein gemeinsames Jahr voller Austausch und Fortbildung

Innerhalb des Fortbildungsjahres geht es vor-rangig um zwei Dinge: die Auseinanderset-zung mit dem Medium Computer in der Kita und den regelmŠ§igen Austausch zwischen den teilnehmenden Einrichtungen.

Alle Erzieherinnen durchlaufen innerhalb des Fortbildungsjahres drei zweitŠtige Seminar-module, die sich mit dem allgemeinen Um-gang mit dem Computer, der Arbeit mit den neuen Medien in der pŠdagogischen Praxis und der konzeptionellen Implementierung von MedienpŠdagogik beschŠftigen. Nach dem zweiten Seminarmodul beginnen alle Einrich-tungen mit einem selbstkonzipierten Projekt, um in einem praktischen pŠdagogischen Rah-men die Mšglichkeiten des Einsatzes des young explorers(r) auszuprobieren.

Im Sommer finden darŸber hinaus drei Refle-xionstreffen statt, die dem moderierten fachli-chen Austausch der Erzieherinnen und der Besprechung der jeweiligen kitaeigenen Pro-jekte dienen.

Weiterhin steht allen Einrichtungen ein indivi-dueller Beratungs- und Hospitationstag vor Ort zur VerfŸgung, der nach eigenem Ermes-sen und Ð abgestimmt auf die jeweiligen BedŸrfnisse Ð gestaltet wird.

Um den fachlichen Austausch innerhalb des Projektes anzuregen und Ÿber die PrŠsenz-veranstaltungen hinaus zu garantieren, hat das MBJS auf seiner Internetseite ein Forum eingerichtet. Dies steht neben den Projektteil-nehmerinnen natŸrlich auch allen weiteren interessierten GŠsten fŸr Fragen und Anre-gungen zur VerfŸgung.

Erste Erfahrungen aus dem KidSmart Projekt Brandenburg

Die Projektteilnehmerinnen haben zu dem jet-zigen Zeitpunkt die ersten zwei Seminarmo-dule erfolgreich durchlaufen. Im Herbst wird das dritte Seminarmodul folgen.

Eine Schwierigkeit, die derzeit immer wieder auftritt, betrifft den Standort des young explo-rers(r). Viele Einrichtungen sind noch auf der Suche nach einem optimalen Platz. Weiterhin zeigt sich, dass das Aufstellen nur eines Computers in der Kita zu nicht unerheblichen Problemen fŸhrt. Das gro§e Interesse bei Kin-dern und oft auch Erzieherinnen fŸhrt zu Konflikten bezŸglich der Nutzungszeiten.

Meist bleiben die gefundenen Lšsungen fŸr alle Seiten unbefriedigend.

Die zu Beginn des Projektes von den Teilneh-merinnen geŠu§erten BefŸrchtungen, dass vor allem die Eltern den Einsatz des Compu-ters in der Kita missbilligen wŸrden, haben sich so gut wie Ÿberhaupt nicht erfŸllt. Im Gegenteil: viele befŸrworten ausdrŸcklich den Umgang mit den neuen Medien.

Der fachliche Austausch zwischen den teil-nehmende Erzieherinnen ist in den Projekt-veranstaltungen sehr hoch. DarŸber hinaus sind erste Vernetzungen zwischen

ãNach-bareinrichtungenÒ entstanden, die sich in nŠchster Zeit weiter festigen werden.

Auch die Kommunikation zwischen den Erzie-herinnen und den Eltern hat sich in einigen Einrichtungen intensiviert. Viele Eltern inter-essieren sich sehr fŸr den young explorer(r) und finden darŸber einen Weg, mit der Erzie-herin Ÿber ihr Kind ins GesprŠch zu kommen.

Die bisherige externe Begleitung durch pro-fessionelle DozentInnen stellt sich ebenfalls schon jetzt als sehr positiv heraus. Die Kom-petenzen der Teilnehmerinnen im Umgang mit dem Computer, wie auch im Bearbeiten medienpŠdagogischer Themen konnten nachhaltig gestŠrkt werden. Der nachhaltige Transfer des neuen Wissens in die jeweilige Einrichtung und deren pŠdagogische Arbeit scheint in den meisten FŠllen gut zu gelingen.

Die Kommunikation der Kinder vor dem Com-puter ist erstaunlich hoch. Von Vereinzelung ist nichts zu bemerken. In der Regel sitzen sie in kleineren Gruppen von vier bis sechs Kin-dern vor dem Rechner. Die Kinder spielen zu einem hohen Ma§e gemeinsam, sie tauschen sich aus, suchen und finden Lšsungswege.

Es hat sich inzwischen gezeigt, dass die Kin-der den Computer im Tagesablauf wie jedes andere Spielzeug auch nutzen. Nach einer Phase der besonderen Beachtung in der Gruppe, schenken sie ihm nicht mehr Auf-merksamkeit, als anderen Werkzeugen auch.

Jetzt im FrŸhling gehen sie auch mit einem Computer im Gruppenraum bei Sonne lieber in den Garten, als auf den Bildschirm zu schauen.

Ausblick

KidSmart in Brandenburg ist sehr erfolgreich gestartet. Die motivierten Teilnehmerinnen und ihre Teams werden das Projekt auch wei-terhin gut voranbringen.

Mit dem erstmaligen Einsatz des young explorers(r) in Brandenburg stellen sich die Kitas einem wichtigen und zukunftstrŠchtigen Thema. Die fast durchweg positive Resonanz von Kindern, Eltern und pŠdagogischem Fachpersonal macht Mut und Hoffnung, dass der reflektierte Einsatz des Computers im Bil-dungsort Kita zunehmend zu einer Selbstver-stŠndlichkeit wird.

Christian Bethke

(Berliner Institut fŸr FrŸhpŠdagogik)

Im Dokument Grundsätze elementarer Bildung (Seite 95-99)