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Psychisch kranke Rechtsbrecher im Spannungsfeld zwischen UbG und StGB / eingereicht von: Deubler Nicole

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Academic year: 2021

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Eingereicht von: Deubler Nicole 0956677 Angefertigt am: Institut für Strafrechtswissenschaften Beurteiler: Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer Mitbetreuerin: MMaga.Drin.Kathrin Schmidthuber

März 2017

Psychisch kranke Rechtsbrecher im Spannungsfeld

zwischen UbG und StGB

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Magistra iuris

im Diplomstudium Rechtswissenschaften

(2)

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Vorchdorf, März 2017

Hinweis: Ich verzichte aufgrund der leichteren Lesbarkeit auf die sprachliche

geschlechtsspezifische Differenzierung. Entsprechende Begriffe umfassen im Sinne der Gleichbehandlung beide Geschlechter.

(3)

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung……….1

1.1 Historischer Überblick………..1

1.2 Der Geltungsbereich des UbG………2

2. Das Spannungsfeld/die Unterschiede des StGB und UbG………..5

2.1 Der Anwendungsbereich: Wann fällt jemand ins StGB und wann ins UbG?………..5

2.1.1 Voraussetzungen des § 21 Abs 1 und Abs 2 StGB……….5

2.1.2 Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 3 UbG………6

2.1.3 Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede der jeweiligen Voraussetzungen……..6

2.2 Das Unterbringungsverfahren………9

2.2.1 Zuweisungs- und Aufnahmearten nach dem UbG………..9

2.2.2 Das Unterbringungsverfahren nach § 21 StGB………..12

2.3 Die Zuständigkeit der Gerichte……….13

2.4 Das gerichtliche Unterbringungsverfahren………..14

2.4.1 Das gerichtliche Verfahren nach dem UbG……….14

2.4.2 Das gerichtliche Verfahren nach der StPO……….17

2.5 Die Unterbringung bzw. der Maßnahmenvollzug………..19

2.5.1 Die Unterbringung nach dem UbG………..19

Exkurs: Eindrücke einer Unterbringung in der Psychiatrie des Landeskrankenhauses Vöcklabruck………..23

2.5.2 Der Maßnahmenvollzug……….24

2.6 Rechtsmittel/Rechtsschutz………27

2.6.1 Der Rechtsschutz nach dem UbG………27

2.6.2 Der Rechtsschutz nach der StPO……….28

2.7 Entlassung, Entlassungsvorbereitung und Nachbetreuung……….28

(4)

2.7.2 Die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug………30

2.8 Daten und Fakten………33

2.8.1 Unterbringungen nach dem UbG in der Praxis………..33

2.8.2 Der Maßnahmenvollzug in der Praxis………..34

(5)

Abkürzungsverzeichnis:

ABGB Allgemein Bürgerliches Gesetzbuch

Abs Absatz Art Artikel AT Allgemeiner Teil AußStrG Außerstreitgesetz BG Bezirksgericht BGBl Bundesgesetzblatt

BMI Bundesministerium für Inneres

BMJ Bundesminister für Justiz bspw. beispielsweise BV-G Bundesverfassungsgesetz BVB Bezirksverwaltungsbehörde bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. circa DGKP Diplomierte/r Gesundheitskrankenpfleger/in ER Einzelrichter etc. et cetera f/ff folgend/e FA Facharzt FB Fachbereich FS Festschrift gem. gemäß hA herrschende Ansicht HeimAufG Heimaufenthaltssgesetz hL herrschende Lehre Hrsg Herausgeber

ICD Internationale statistische

Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme

(6)

iFamZ interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht

iSd im Sinne des/der

iVm in Verbindung mit

JA Justizanstalt

J Journal

JBl Juristenblatt

JSt Journal für Strafrecht

KA Krankenanstalt

KAKuG Kranken- und Kuranstaltengesetz

Kap Kapitel KH Krankenhaus LG Landesgericht LGBl Landesgesetzblatt lit litera max. maximal Nr Nummer

OGH Oberster Gerichtshof

OÖ Oberösterreich

öffKAfP öffentliche Krankenanstalt für

Psychiatrie

PatA Patientenanwaltschaft

RS Rechtssatz

Rsp Rechtssprechung

R&P Recht und Psychiatrie

Rz Randziffer SbgK Salzburger Kommentar SiB Sicherheitsbericht sog so genannt SPG Sicherheitspolizeigesetz StA Staatsanwaltschaft StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung stRsp ständige Rechtssprechung StVG Strafvollzugsgesetz

(7)

SV Sachverständiger

u.a. unter anderem

UbG Unterbringungsgesetz

UbG-HeimAuf-Nov Unterbringungs- und

Heimaufenthaltsgesetz-Novelle

UdU Unterbrechung der Unterbringung

VB Vöcklabruck VO Verordnung Vor Vorbemerkungen VSPBG Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz WHO Weltgesundheitsorganisation WK Wiener Kommentar Z Ziffer z.Bsp. zum Beispiel

(8)

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 2.1.: Schematische Darstellung der Verbringungs- und Aufnahmearten nach dem UbG

Abbildung 2.2.: Tabellarische Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten nach dem UbG Abbildung 2.3.: Strafen über 10 Jahre und Einweisungen in Maßnahme nach § 21 StGB

(9)

1. Einleitung

1.1 Historischer Überblick

Lange Zeit galten psychisch beeinträchtigte Personen als „rechtslose Irre“, deren Verwahrung, wie etwa im Narrenturm, im Vordergrund stand. Erste Schutzvorschriften für den Umgang mit psychisch kranken Menschen waren 1862 das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit und 1916 die Entmündigungsordnung, wobei auch hier psychisch Kranke immer noch als „Objekte der Fremdbestimmung“ angesehen wurden. Die große Reformbewegung fand jedoch erst durch die Psychiatriekritik in den 1970er Jahren statt. 1

Das österreichische Strafrecht ist gem. § 4 StGB vom Schuldprinzip geprägt, was bedeutet, dass die Schuld sowohl Voraussetzung als auch Grenze der Strafbarkeit ist. Psychisch Kranke jedoch sind nicht oder nur beschränkt schuldfähig, und aus diesem Grund wurden 1975 neben den Strafen die vorbeugenden Maßnahmen ins StGB aufgenommen. Diese Maßnahmen sind unter anderem die Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher gem. § 21 Abs 1 und Abs 2 StGB . Das nebeneinander Bestehen 2 3

von Strafen und vorbeugenden Maßnahmen führte zur „Zweispurigkeit der Sanktionen“. Dieser Lösungsansatz beruht auf Carl Stooß, einem Schweizer Strafrechtsgelehrten. 4

Durch die Psychiatriekritik ergab sich aber auch erstmals die Unterscheidung von geistig abnormen Rechtsbrechern und Psychiatriepatienten. Es wurde das moderne Sachwalterrecht geschaffen, welches die Entmündigungsordnung ablöste und 1988 wurde das B-VG zum Schutz der persönlichen Freiheit erlassen, welches neben der 5

psychischen Erkrankung auch eine Gefährdung als Voraussetzung für einen Freiheitsentzug vorsieht. Mit dem Unterbringungsgesetz (UbG) wurde 1990 das 6 7

unzureichend umschriebene und zerstreute Anhaltungsrecht, welches zum Teil in der Entmündigungsordnung und zum Teil im Krankenanstaltengesetz geregelt war, ersetzt. 8

Halmich, Unterbringungsgesetz Praxiskommentar (2014) Vor Rz 1.

1

Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch - StGB),

2

BGBl. Nr. 60/1974.

Fuchs, Strafrecht Allgemeiner Teil9 (2016), Kapitel 2 Rz 51, Kapitel 1 Rz 25. 3

Ratz in WK2 Vor §§ 21-25 Rz 1. 4

Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988.

5

Halmich, UbG Vor Rz 1.

6

Bundesgesetz vom 1. März 1990 über die Unterbringung psychisch Kranker in Krankenanstalten

7

(Unterbringungsgesetz - UbG), BGBl. Nr. 155/1990.

Thanner/Vogl, Unterbringungsgesetz Kommentar (2006), 11.

(10)

Das Unterbringungsrecht baut auf die in § 1 UbG normierten Persönlichkeitsrechte psychisch Kranker und ihrer Menschenwürde auf. Eingriffe in diese sind unzulässig, wobei der Begriff der Menschenwürde nicht definiert wird. Nach der stRsp des deutschen Bundesverfassungsgerichts liegt eine Verletzung vor, wenn der Mensch „zum Objekt, zu einem bloßen Mittel herabgewürdigt wird“. Persönlichkeitsrechte sind jene nach § 16 ABGB angeborenen Rechte, wie etwa das Recht auf Freiheit oder körperliche 9

Unversehrtheit. Diese Rechte können nur durch gesetzliche Ermächtigung eingeschränkt werden. Das UbG wurde seit seinem Inkrafttreten zweimal geändert. Die erste Änderung 10

1997 brachte Verbesserungen bezüglich des Datenschutzes. Eine weitere, 11

umfassendere Novelle, fand im Jahre 2010 mit der UbG-HeimAuf-Nov statt. Zentrale 12

Ziele waren die „Dezentralisierung der Psychiatrie“ und die Reduktion des „Drehtüreffektes“. Dies wurde dadurch umgesetzt, dass nur noch auf Antrag des Betroffenen ein zweites fachärztliches Zeugnis erbracht werden muss sowie der Möglichkeit die Unterbringung kurzfristig zu verlängern, wenn dadurch mehrere hintereinander kurze Unterbringungen vorgebeugt werden können. Weiters wurde auch die Bezeichnung „Anstalt“ durch „Psychiatrische Abteilung“ ersetzt. 13

1.2. Der Geltungsbereich des UbG

Der Geltungsbereich des UbG ist in § 2 geregelt, welcher ein zweistufiges System umfasst. Zum Einen findet das UbG nur auf Personen Anwendung, die sich entweder in einem geschlossenen Bereich befinden oder sonst in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt werden, zum Anderen kann das UbG nur in psychiatrischen Krankenanstalten und psychiatrischen Abteilungen vollzogen werden. Die Anhaltung im geschlossenen Bereich und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit werden unter dem Überbegriff

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, JGS

9

Nr. 946/1811.

Halmich, UbG § 1 Rz 2ff.

10

Bundesgesetz über die Änderung des Unterbringungsgesetztes, BGBl. I Nr. 12/1997.

11

Bundesgesetz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert

12

werden (Unterbringungs- und Heimaufenthaltsnovelle 2010 – UbG-HeimAuf-Nov 2010), BGBl. I Nr. 18/2010.

Gschaider, Patientenrechte bei der zwangsweisen Unterbringung und das österreichische Unterbringungsgesetz

13

(UbG) in der Praxis, R&P 2016, 164 (165); Ganner, Entwicklung der letzten zehn Jahre im Heimaufenthalts-und Unterbringungsrecht, iFamZ 2015, 100 (102); Geretsegger, Das Unterbringungsgesetz (UbG), J für Neurol, Neurochir und Psychiatr 2010, 24 (26).

(11)

Unterbringung zusammengefasst. Ein geschlossener Bereich liegt vor, wenn dieser 14

räumlich abgegrenzt und ständig abgesperrt ist. Es ist nicht erforderlich, dass die 15

gesamte Abteilung geschlossen ist, sondern ein versperrter Trakt oder ein einzelnes versperrtes Zimmer einer Abteilung reicht aus. Ist eine Tür zwar nicht im „schlosserischen Sinn“ versperrt, bedarf es aber erheblichem Krafteinsatz oder einem Zahlencode um sie zu öffnen, liegt ebenfalls ein geschlossener Bereich vor. Die innere Organisation einer 16

Krankenanstalt wird nicht im UbG, sondern im KAKuG geregelt. 17

Gem. § 38a Abs 1 KAKuG kann nur in psychiatrischen Abteilungen und psychiatrischen Sonderkrankenanstalten ein geschlossener Bereich errichtet werden und soll die Ausnahme darstellen. Die Errichtung ist gem. § 38a Abs 2 KAKuG eine wesentliche Änderung iSd § 4 Abs 1 KAKuG und benötigt daher die Bewilligung der Landesregierung. Die weitere Organisation des geschlossenen Bereiches wird durch die Anstaltsordnung geregelt, wobei diese im Einklang mit dem UbG gestaltet sein muss. Mittlerweile wird die 18

Psychiatrie in großen Teilen Österreichs offen geführt. 19

Während bei der Unterbringung im geschlossenem Bereich die freiheitsbeschränkende Maßnahme äußerlich und organisatorisch wahrnehmbar ist, ist sie bei der sonstigen Einschränkung der Bewegungsfreiheit „individuell personenbezogen“. Laut Rsp liegt eine 20

solche Einschränkung vor, wenn eine Person keinen Ortswechsel nach ihrem freien Willen vornehmen, also sich nicht körperlich frei bewegen kann. Laut OGH ist dies bspw. 21

gegeben, bei einem Auftrag des Abteilungsleiters an das Pflegepersonal den Patienten am Verlassen der Station zu hindern. Ist es der Person gar nicht möglich willkürliche 22

Bewegungen vorzunehmen, etwa im Falle einer Bewusstlosigkeit oder eines komatösen Patienten, liegt keine Freiheitsbeschränkung vor. 23

Der Begriff der Krankenanstalt des UbG orientiert sich an jenem des § 2 Abs 1 KAKuG. D e m n a c h f a l l e n u n t e r d i e s e n B e g r i f f : A l l g e m e i n e K r a n k e n a n s t a l t e n ,

Halmich, UbG § 2 Rz 1.

14

Koppensteiner/Zierl (Hrsg), Praxisleitfaden Unterbringungsrecht (2012), Kapitel I Rz 19.

15

Halmich, UbG § 2 Rz 7.

16

Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG), BGBl. Nr. 1/1957.

17

Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3, Rz 62ff. 18

Koppensteiner/Zierl, Unterbringungsrecht , Kap I Rz 20.

19 Halmich, UbG § 2 Rz 7. 20 OGH 7 Ob 635/92 = RS0075871. 21 OGH 1 Ob 584/93 = RS0075800; 2 Ob 571/93 = RS0075793; 1 Ob 639/92 = RS0075766. 22 Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 57. 23

(12)

Sonderkrankenanstalten, Pflegeanstalten für chronisch Kranke und Sanatorien. Ebenso sind auch Universitätskliniken samt ihren Abteilungen gem. § 31 Abs 2 und Abs 4 UG 24

erfasst. Zusätzlich muss es sich um Krankenanstalten und Abteilungen des Fachbereiches Psychiatrie handeln. Bei der Prüfung, ob es sich um eine psychiatrische Krankenanstalt 25

oder Abteilung handelt, ist das eingesetzte Personal von maßgeblicher Bedeutung. Auf Ebene der Ärzte sind dies Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Auf Ebene des Pflegepersonals sind diplomierte psychiatrische Krankenschwestern bzw. Krankenpfleger tätig. Demnach gilt das UbG nicht für Alten- und Pflegeheime, Behindertenheime sowie Institutionen, in denen ständig mindestens 3 psychisch erkrankte oder geistig behinderte Personen betreut werden. Bei diesen Institutionen mangelt es nämlich an der Qualifikation der Psychiatrie. In diesen Fällen ist daher das HeimAufG anwendbar und Einschränkungen der 26

Bewegungsfreiheit sind nur zulässig bei Vorliegen der Voraussetzungen des

§ 4 HeimAufG. Ebenso findet das UbG keine Anwendung auf selbstständige 27

Ambulatorien, da diese nicht unter den Begriff der Krankenanstalten iSd § 2 UbG fallen. Das UbG stellt auf eine stationäre Aufnahme ab, die im Falle von ambulanten Untersuchungen und Behandlungen nicht gegeben ist. Befinden sich Minderjährige in einer psychiatrischen Krankenanstalt und werden in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, ist das UbG nicht anzuwenden, sofern es sich um dem Alter entsprechende Einschränkungen handelt mit denen lediglich das Sorgerecht der Eltern gewahrt werden soll. Wäre das UbG in solchen Fällen nämlich anwendbar, könnten Minderjährige bei Fehlen der Gefährdungsvoraussetzung des § 3 UbG niemals zu rein therapeutischen Zwecken aufgenommen werden. Der örtliche Geltungsbereich des UbG beschränkt sich 28

gem. Art 49 Abs 1 B-VG auf das österreichische Staatsgebiet. Patienten können nicht auf 29

Grundlage des UbG in ausländischen Krankenanstalten untergebracht oder überstellt werden. Wird eine untergebrachte Person von einer psychiatrischen Abteilung auf eine 30

Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 - UG), BGBl. I Nr.

24

120/2002.

Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 29/34. 25

Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit während des Aufenthalts in Heimen und anderen Pflege- und

26

Betreuungseinrichtungen (Heimaufenthaltsgesetz - HeimAufG), BGBl. I Nr. 11/2004. Halmich, UbG § 2 Rz 2ff. 27 Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 30/60. 28 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930. 29 OGH 7 Ob 15/12z = RS0127804. 30

(13)

nicht-psychiatrische Abteilung, bspw. aufgrund der Durchführung einer Operation, verlegt, bleibt nach der hL weiterhin das UbG anwendbar. 31

In meiner weiteren Diplomarbeit widme ich mich dem Vergleich der beiden Rechtsgebiete UbG und StGB. Der Vergleich umfasst acht Teilgebiete. Die da wären: die Voraussetzungen für die Unterbringungen, das Unterbringungsverfahren, die gerichtliche Zuständigkeit, das gerichtliche Unterbringungsverfahren, die Rechtsmittel, der Vollzug, die Entlassung und Nachbetreuung sowie Daten und Fakten. Einblick in die Praxis konnte ich durch Gespräche mit einem ehemaligen Mitarbeiter der Psychiatrie in Vöcklabruck, nunmehr Pflegedienstleiter einer Langzeitpflegeanstalt des Landes sowie mit der Stationsleiterin der Psychiatrie 2 und 3, der psychiatrischen Tagesklinik und der psychiatrischen Ambulanz in Vöcklabruck, Frau DGKP Karin Krempl, gewinnen.

2. Das Spannungsfeld/die Unterschiede des StGB und UbG

2.1 Der Anwendungsbereich: Wann fällt jemand ins StGB und wann ins UbG?

2.1.1 Voraussetzungen des § 21 Abs 1 und Abs 2 StGB

Die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gem. § 21 Abs 1 und Abs 2 StGB setzt neben der geistigen oder seelischen „Abartigkeit“ höheren Grades eine positive Gefährlichkeitsprognose und eine Anlasstat voraus. 32

Während sich der Täter nach § 21 Abs 1 StGB wegen seiner „Abartigkeit“ bereits in einem den Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand gem. § 11 StGB befindet, ist der Täter nach Abs 2 „abartig“, aber zurechnungsfähig. 33

Halmich, UbG § 2 Rz 3.

31

Fuchs, Strafrecht AT9, Kap 3 Rz 43. 32

Nimmervoll in SbgK 35.Lieferung § 21 Rz 39.

(14)

Ein unzurechnungsfähiger Zustand nach § 11 StGB liegt bei einer „Geisteskrankheit, einer geistigen Behinderung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung“ vor, wobei diese andauernd vorhanden sein müssen. Die „Abartigkeit“ nach Abs 2 muss ebenfalls 34

permanent vorliegen. Darunter ist auch ein „periodisch auftretender Zustand“ zu verstehen. Liegen die Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB vor ist die vorbeugende 35

Maßnahme neben der Strafe zu verhängen, jedoch vor der Freiheitsstrafe zu vollziehen. Die vorbeugende Maßnahme ist dabei auf die Freiheitsstrafe anzurechnen. 36

2.1.2 Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 3 UbG

Die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 3 UbG sind gegeben, wenn eine psychische Erkrankung und im Zusammenhang mit dieser eine Selbst- oder Fremdgefahr vorliegt, sowie wenn eine ärztliche Behandlung oder Betreuung außerhalb einer psychiatrischen Krankenanstalt oder Abteilung nicht ausreicht. 37

2.1.3 Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede der jeweiligen Voraussetzungen

Beide Normen setzen eine psychische Erkrankung voraus. Grundsätzlich ist von einer solchen dann auszugehen, wenn beim Betroffenen „Störungen der Handlungskontrolle und der Steuerungsfähigkeit“ in der gegebenen Situation vorliegen. Nach dem StGB 38

muss eine „Abartigkeit“ höheren Grades vorliegen. Dies ist ein Zustand, der „eindeutig außerhalb des Normalen liegt und so stark ausgeprägt ist, dass er die Willensbildung wesentlich beeinflussen kann“. Im Gegensatz zum Krankheitsbegriff des StGB ist jener 39

des UbG ein „selbstständiger Rechtsbegriff“, der nicht vollständig mit den medizinischen Krankheitsbegriffen übereinstimmt. Natürlich bilden diese jedoch den Ausgangspunkt für die Ermittlung des Krankheitsbegriffes. Vom medizinischen Begriff sind Krankheitsbilder mit akuten Schüben erfasst; vom UbG-Begriff nicht, da in den symptomfreien Intervallen

Nimmervoll in SbgK § 21 Rz 54.

34

Bertel, Die Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB, in Reindl-Krauskopf u.a. (Hrsg), FS für Helmut Fuchs (2014) 19 (20);

35

Ratz in WK2 § 21 Rz 10.

Beyrer/Birklbauer/Sadoghi, Strafgesetzbuch Polizeiausgabe27, 80.

36

Thanner/Vogl, UbG, 47.

37

Kröber, Die Beurteilung der Steuerungsfähigkeit bei psychischen Störungen, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2016,

38

181 (186).

Ratz in WK2 § 21 Rz 10; Nimmervoll in SbgK § 21 Rz 43. 39

(15)

die Fähigkeit der Selbstbestimmung jedenfalls gegeben ist. Zu den psychischen Erkrankungen iSd UbG zählen: endogene Psychosen, körperlich begründbare Psychosen, die Demenz und Psychosen aufgrund von Vergiftungen und Stoffwechselerkrankungen. Neurosen und Persönlichkeitsstörungen fallen nur dann darunter, wenn sie einer Psychose gleichwertig sind. Währenddessen stellen Persönlichkeitsstörungen bei der 40

Einweisung nach dem StGB in der Praxis den größeren Anteil dar, obwohl der medizinische Begriff der Psychiatrie mit dem Diagnosesystem nach ICD-10 der WHO beinahe 500 Diagnosen umfasst. Nicht gänzlich geklärt ist, ob auch Alkoholismus und 41

Suchtkrankheiten an sich in den Anwendungsbereich des UbG fallen. Auf jeden Fall zählen aber jene Rauschzustände, die zum Verlust der Handlungsfähigkeit führen zu den psychischen Krankheiten nach dem UbG. Keine psychische Krankheit stellt jedoch eine geistige Behinderung, eine unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit, die bereits vor dem 18. Lebensjahr vorlag dar. Im Gegenteil dazu ist die geistige Behinderung vom § 11 42

StGB, auf den im § 21 Abs 1 StGB verwiesen wird, schon erfasst.

Der wesentlichste Unterschied zwischen StGB und UbG liegt in der Begehung einer Anlasstat, aufgrund der psychischen „Abartigkeit“, welche § 21 StGB voraussetzt. Wurde nämlich keine Anlasstat begangen, ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 UbG dieses anzuwenden. Die Anlasstat ist eine vorsätzliche Tatbegehung, die mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht sein muss und nicht verjährt sein darf. Es müssen 43

sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand eines Deliktes erfüllt sein. 44

Gem. § 21 Abs 3 StGB stellen Vermögensdelikte keine Anlasstaten dar, es sei denn es wurde bei der Tat Gewalt angewendet oder eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen. Ebenso wie eine Tatbegehung durch Unterlassen kommt 45

auch ein Versuch gem. § 15 StGB als Anlasstat in Betracht. 46

In der Praxis zeigt sich das Problem, dass es für die Betroffenen oftmals Zufall ist, ob sie ins UbG oder ins StGB fallen. Oft wird davon ausgegangen, dass die meisten psychisch kranken Rechtsbrecher Mörder oder Vergewaltiger sind. Diese Fälle stellen jedoch eine

Engel, Unterbringungsrecht, in Resch/Wallner (Hrsg), Handbuch Medizinrecht2 ( 2015) 201 (Rz 16ff); Kopetzki, 40

Unterbringungsrecht3, Rz 75ff.

Bertel, in Reindl-Krauskopf u.a., 22; Hofmann, Vorbeugende Maßnahme, in Soyer/Stuefer (Hg),

Strafverteidigung-41

Kritik vorbeugender Maßnahmen/Sicherheit, 10. österr. StrafverteidigerInnentag (2012) 49 (54). Engel, in Resch/Wallner, Rz 19ff; Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 75ff.

42 Beyrer/Birklbauer/Sadoghi, StGB27, 80. 43 OGH 15 Os 149/04 = RS0119623. 44 Nimmervoll in SbgK § 21 Rz 10. 45 Ratz in WK2 § 21 Rz 4. 46

(16)

Ausnahme dar. Lediglich 20% der Untergebrachten haben schwere Delikte begangen. Häufiger sind jene Fälle, in denen der paranoid schizophrene Sohn seine Eltern mit einem Messer bedroht. Auch kommt es sehr häufig vor, dass der an Demenz erkrankte Pflegeheimbewohner in seinem Zimmer oder eine psychisch erkrankte Person in ihrem Haus ein Feuer verursacht, das jedoch sofort gelöscht wird und zu keinem großen Schaden führt. Das Pflegepersonal bzw. der Nachbar rufen jedoch die Polizei und die Beiden werden wegen versuchter Brandstiftung gem. § 169 StGB angeklagt. In diesen Fällen wird eine vorbeugende Maßnahme verhängt, obwohl dieses „Zündeln“ vor allem vor den Augen des Pflegepersonals bspw. mehr oder weniger einen untauglichen Versuch darstellt, da dies selten zu einer Feuerbrunst iSd § 169 StGB führen wird. Das bedeutet für den Betroffenen, dass der maßgebliche Lebenssachverhalt oft fälschlicherweise unter eine Norm subsumiert und die Anlasstat bejaht wird. 47

Genauso hängt es wesentlich vom Opfer, den Angehörigen, dem Nachbarn, den Exekutivorganen etc. ab, ob ein Verfahren nach § 21 StGB eingeleitet oder eine Unterbringung nach dem UbG vorgenommen wird. Können z.Bsp. die Eltern ihren paranoid schizophrenen Sohn beruhigen und auf ihn derart einreden, dass er sich womöglich selbst in eine psychiatrische Abteilung begibt, ist das UbG anwendbar. Wird jedoch die Polizei gerufen, wird es zur Verhängung der vorbeugenden Maßnahme aufgrund einer gefährlichen Drohung kommen. Für den Betroffenen ist diese „Einteilung“ 48

ins StGB oder UbG jedoch von großer Bedeutung, da der weitere Verlauf der Verfahren dieser beiden Rechtsgebiete wesentliche Unterschiede aufweist. Dies wird sich im Laufe meiner Diplomarbeit noch zeigen.

Weiters wird sowohl vom StGB als auch vom UbG eine Gefährlichkeit, die vom Betroffenen ausgeht, vorausgesetzt. Eine Einweisung nach dem StGB ist nur möglich, wenn die Befürchtung besteht, dass der Täter in seiner „Abartigkeit“ eine weitere Tat mit schweren Folgen (eine sog Prognosetat) begehen wird. Diese kann jedoch anderer Natur sein als die Anlasstat. Diese Gefährdung darf sich nur gegen Fremde, entweder gegen die Allgemeinheit oder gegen eine einzelne Person, richten. Eine Selbstgefährdung, also ein möglicher Suizid, scheidet aufgrund der Straflosigkeit nach dem StGB aus. § 3 UbG 49

erfasst im Gegenteil dazu nicht nur die ernstlich und erhebliche Fremd-, sondern eben auch die Selbstgefährdung. Liegt eine Suizidgefahr, die im Zusammenhang mit der

Ganner, Zur Notwendigkeit der Neuregelung des Maßnahmenvollzugs - Orientierung an UbG und HeimAufG als

47

Grundlage, iFamZ 2015, 213 (213); Wintersberger/Marlovits, Vorbeugende Maßnahmen-umfassend reformbedürftig oder entbehrliche Fremdkörper im österreichischen Strafrecht? iFamZ 2015, 218 (220).

Ganner, iFamZ 2015, 213.

48

Nimmervoll in SbgK § 21 Rz 67ff; Ratz in WK2 § 21 Rz 23ff. 49

(17)

psychischen Erkrankung steht, vor, überwiegt der Schutz dieser Person vor sich selbst den Schutz ihrer Freiheitsrechte. 50

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Normen besteht bzgl. der Verhältnismäßigkeit. Die Unterbringung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher ist keine „ultima ratio“. Liegen die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 und Abs 2 StGB vor, dann muss die betreffende Person zwingend in einer Anstalt untergebracht werden. Es gibt weder die Möglichkeit einer Behandlung außerhalb der Anstalt, wie etwa ambulant auf freiem Fuß, noch kann eine Anhaltung nach dem UbG statt finden. Durch eine andere Behandlung könne die „Hintanhaltung der Gefährlichkeit“ nicht gewährleistet werden. Im Gegensatz 51

dazu normiert § 3 Z 2 UbG die Subsidiarität. Eine Unterbringung nach dem UbG darf nur erfolgen, wenn sämtliche Alternativen ausgeschöpft wurden. Hier gilt somit das „ultima-ratio-Prinzip“. Solche Alternativen sind unter anderem die Betreuung des psychisch Kranken im Familienkreis, in einem Pflegeheim oder durch ambulante psychosoziale Dienste. 52

2.2 Das Unterbringungsverfahren

2.2.1 Zuweisungs- und Aufnahmearten nach dem UbG

Das UbG regelt verschiedene Zuweisungs- und Aufnahmearten. Der Normalfall der Zuweisung ist die Verbringung in eine psychiatrische Abteilung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgrund einer ärztlichen Bescheinigung gem. § 8 UbG. In diesem Fall darf jemand nur dann ohne seinen Willen verbracht werden, wenn die Sicherheitsorgane den Betroffenen zuvor einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder Polizeiarzt vorgeführt haben (§ 9 Abs 1 UbG). Zu den Sicherheitsorganen zählen gem. § 5 Abs 2 SPG die Bundespolizei und der Gemeindewachkörper. Polizeiärzte sind 53

Ärzte, die für eine Bundespolizeidirektion, eine Sicherheitsdirektion oder für das BMI tätig sind. Unter Ärzte, die im öffentlichen Sanitätsdienst stehen, werden in erster Linie die Amtsärzte der BVB verstanden. Der Arzt muss den Betroffenen untersuchen und

Halmich, UbG § 3 Rz 8ff.

50

Nimmervoll in SbgK Vor §§ 21-25 Rz 21ff; Höpfel, Die Unterbringung minder Gefährlicher nach § 21 Abs 1 StGB, in

51

Huber/Jesionek/Miklau (Hg), FS für Reinhard Moos zum 65. Geburtstag (1996) 69 (71).

Halmich, UbG § 3 Z 2 Rz 1ff.

52

Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei

53

(18)

beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 3 UbG vorhanden sind. Sein Ergebnis hat er schriftlich zu bescheinigen. Diese Bescheinigung ist ausführlich von ihm zu begründen. Stellt der Arzt eine Bescheinigung aus, ist gem. § 9 Abs 1 UbG die betroffene Person von den Organen des Sicherheitsdienstes in die nächstgelegene psychiatrische Abteilung zu verbringen. Wird keine Bescheinigung ausgestellt, darf die Person nach § 9 Abs 1 letzter Satz UbG nicht mehr weiter angehalten werden. Die zweite Zuweisungsart ist die Vorführung des Betroffenen in die psychiatrische Abteilung ohne ärztliche Bescheinigung. Diese ist gem. § 9 Abs 2 UbG nur im Notfall bei Gefahr in Verzug möglich. Gefahr in Verzug liegt dann vor, wenn nur eine sofortige Einlieferung die Selbst- oder Fremdgefährdung hintanhält. Natürlich müssen auch in diesem Fall konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 UbG gegeben sein. Die 54

Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie der Arzt haben unter „möglichster Schonung des Betroffenen“ vorzugehen (§ 9 Abs 3 UbG). Mit dieser Norm werden die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde der psychisch Kranken iSd § 1 UbG noch einmal verdeutlicht. 55

Nachdem der Betroffene in die psychiatrische Abteilung verbracht wurde, gibt es zwei Möglichkeiten der Aufnahme: die Aufnahme auf Verlangen und die Aufnahme ohne Verlangen. Bei der Aufnahme ohne Verlangen ist gem. § 10 Abs 1 UbG zwingend und unmittelbar nach der Einlieferung eine Aufnahmeuntersuchung der betroffenen Person durch den Abteilungsleiter vorgesehen. Dieser hat zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 3 UbG vorliegen und entscheidet über die Aufnahme. Dabei hat eine allenfalls vorhandene Bescheinigung eines Polizeiarztes lediglich Informationswert. Die endgültige Entscheidung hat der Abteilungsleiter selbst in seiner ärztlichen Verantwortung zu fällen. Darüber hat er ein ärztliches Zeugnis zu erstellen, welches der Krankengeschichte anzuhängen ist. Gem. § 10 Abs 3 UbG hat der Patient oder sein Vertreter die Möglichkeit ein zweites ärztliches Zeugnis von einem Facharzt der Psychiatrie zu fordern. Diese zweite Untersuchung muss spätestens am Vormittag des nächsten Werktages durchgeführt werden. Erachtet der zweite FA die Voraussetzungen für nicht gegeben, ist die Unterbringung sofort aufzuheben. Sind jedoch die Voraussetzungen für die zwangsweise Unterbringung gegeben, ergibt sich aus § 22 Abs 2 und Abs 4 iVm § 38f KAKuG eine Annahmepflicht für öffentliche psychiatrische Krankenanstalten. In weiterer Folge muss der Abteilungsleiter den Patienten ehestens mündlich in verständlicher und

Ladurner/Sagerschnig/Nowotny, Analyse der Unterbringungen nach UbG in Österreich (2015), im Auftrag des

54

Bundesministeriums für Gesundheit, 3 www.goeg.at (abgefragt am 10.12.2016); Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz

144ff; Halmich, UbG § 8 Rz 1ff, § 9 Rz 1ff; Gschaider, R&P, 167f. Halmich, UbG § 9 Abs 2 Rz 1.

(19)

geeigneter Form darüber informieren, dass er nach dem UbG untergebracht wird und deren Gründe darlegen. Damit tritt die Unterbringung formal in Kraft. Der Abteilungsleiter muss auch unverzüglich die Patientenanwaltschaft anrufen und ihr mitteilen, dass es zu einer Aufnahme ohne Verlangen des Patienten kam. Ihr ist auch eine maschinenschriftliche Ausfertigung des ärztlichen Zeugnisses zu übermitteln (§ 10 Abs 2 UbG). Gem. § 17 UbG muss des weiteren das zuständige Unterbringungsgericht informiert werden. Dem Gericht sind ebenfalls Ausfertigungen des ärztlichen Zeugnisses und der allenfalls vorhandenen Bescheinigung zu übermitteln. 56

Die Aufnahme auf Verlangen ist eine Unterbringung auf eigenen Wunsch und ist in den §§ 4-7 UbG geregelt. Der Betroffene muss seine Unterbringung selbst verlangen. Bei diesem Aufnahmeverlangen handelt es sich um eine ausdrückliche Willenserklärung, die in Anwesenheit des Abteilungsleiters eigenhändig und schriftlich verfasst werden muss. Das Verlangen kann nur von einer einsichts- und urteilsfähigen Person gestellt werden. Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist gegeben, wenn der Patient diskretions- und dispositionsfähig ist. Ob diese Fähigkeiten vorliegen, beurteilt der Abteilungsleiter

(§ 6 Abs 1 UbG). Ebenso wie bei der Aufnahme ohne Verlangen hat der Abteilungsleiter auch bei der freiwilligen Aufnahme eine Untersuchung beim Betroffenen vorzunehmen und zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 3 UbG erfüllt sind. Sinnvoller Weise wird das Aufnahmeverlangen nach der Untersuchung gestellt. Das Recht eine zweite fachärztliche Untersuchung zu beantragen ist im Falle der freiwilligen Aufnahme jedoch nicht möglich. Gem. § 7 UbG darf die Unterbringung auf Verlangen nur sechs Wochen dauern bzw. bei Vorliegen eines erneuten Verlangen auf zehn Wochen verlängert werden. Die Unterbringung auf Verlangen wird im Gegensatz zur zwangsweisen Unterbringung nicht gerichtlich überprüft. Auch wird der freiwillig Untergebrachte nicht ex lege vom Patientenanwalt vertreten. Er ist lediglich vom Abteilungsleiter auf diesen und die Möglichkeit einer Vertretung durch ihn nach § 14 Abs 3 UbG aufmerksam zu machen. Der Patient kann die freiwillige Aufnahme jederzeit und formfrei widerrufen. Liegen in diesem Fall trotzdem noch die Voraussetzungen des § 3 UbG vor, kommt es zur Umwandlung in eine zwangsweise Unterbringung. Da die Aufnahme auf Verlangen keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt und auch in der Praxis nicht von großer Bedeutung ist, beschränke ich mich in meiner weiteren Arbeit auf den Vergleich zwischen dem StGB und der Aufnahme ohne Verlangen. 57

Ladurner/Sagerschnig/Nowotny, Analyse UbG, 4 (abgefragt am 10.12.2016); Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 56

190ff; Halmich, UbG § 10 Rz 1ff; Gschaider, R&P, 168; Koppensteiner/Zierl, Unterbringungsrecht, Kap 3 Rz 34. Gschaider, R&P, 168; Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 235ff; Halmich, UbG § 6 Rz 1ff.

(20)

Abbildung 2.1: 58

Schematische Darstellung der Verbringungs- und Aufnahmearten nach dem UbG

2.2.2 Das Unterbringungsverfahren nach § 21 StGB

Im Gegensatz zum UbG wird die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB von der Staatsanwaltschaft beantragt, wenn hinreichende Gründe für das Vorliegen der Voraussetzungen gegeben sind (§ 429 Abs 1 und

§ 437 StPO ). Handelt es sich um zurechnungsfähige Rechtsbrecher nach Abs 2 kann 59

auch ohne Antragstellung der StA vom Gericht untergebracht werden, wenn sich im Laufe der Verhandlung ergibt, dass die Voraussetzungen dafür gegeben sind. In beiden Fällen des § 21 StGB muss der Betroffene im Ermittlungsverfahren von einem psychiatrischen Sachverständigen untersucht werden. Der SV wird gem. § 126 Abs 3 StPO von der StA bestellt, sofern es sich um keine gerichtliche Beweisaufnahme handelt. Eine Ausfertigung der Bestellung ist dem Beschuldigten zuzustellen. Binnen 14 Tagen kann dieser einen Antrag auf Enthebung des SV aufgrund von Befangenheit oder mangelndem Fachwissen stellen und eine besser qualifizierte Person vorschlagen. Im Gegensatz dazu wird, wie 60

bereits oben ausführlich dargelegt, der Betroffene nach dem UbG idR durch mindestens zwei Ärzte untersucht. Natürlich ist der Polizei- bzw. Amtsarzt kein psychiatrischer FA, jedoch wird zumindest schon eine Voruntersuchung durchgeführt. Weiters ist nach dem UbG vorgesehen, dass der Betroffene zwingend nach der Untersuchung durch den psychiatrischen Abteilungsleiter von einem weiteren FA untersucht werden muss, wenn er dies verlangt. Somit findet nach dem UbG schon im Vorverfahren eine umfassende Untersuchung durch verschiedene Ärzte statt. 61

Ladurner/Sagerschnig/Nowotny, Analyse UbG, 5 (abgefragt am 10.12.2016).

58

Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975.

59

Birklbauer/Keplinger, Strafprozessordnung 1975 Polizeiausgabe10 § 429; Fabrizy, StPO und wichtige Nebengesetze 60 Kurzkommentar12 § 429 Rz 3f, § 436, § 437 Rz 2, § 126 Rz 13ff. Halmich, UbG § 8 Rz 1ff, § 9 Rz 1ff, § 10 Rz 1ff. 61 Aufnahme ohne Verlangen Aufnahme auf Verlangen Verbringung in psychiatrische Abteilung mit ärztlicher Bescheinigung §8 bei Gefahr in Verzug §9 Abs 1 Aufnahme- untersuchung durch Abteilungsleiter

(21)

Gem. § 61 Abs 1 Z 2 StPO muss der Betroffene während des gesamten Verfahrens, somit auch im Ermittlungsverfahren, durch einen Anwalt vertreten sein. 62

§ 429 Abs 4 StPO sieht die Möglichkeit einer vorläufigen Anhaltung vor, wenn ein Haftgrund des § 173 Abs 2 und 6 StPO vorliegt, eine Selbst- oder Fremdgefährlichkeit gegeben oder eine ärztliche Beobachtung des Betroffenen notwendig ist. Die vorläufige Anhaltung findet entweder in einer Anstalt für abnorme Rechtsbrecher oder in einer öffentlichen psychiatrischen Krankenanstalt statt. Wird der Betroffene in letztere gebracht, bleiben gem. § 46 UbG die Strafnormen unberührt und die Bestimmungen des UbG sind nicht anzuwenden. 63

Liegen jedoch die Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB vor, ist eine vorläufige Anhaltung grundsätzlich in einer Justizanstalt eines Landesgerichts zu vollziehen. Nur wenn dies aufgrund der Eigenart des Betroffenen nicht möglich ist, darf er vorläufig in einer Anstalt für abnorme Rechtsbrecher untergebracht werden. 64

2.3 Die Zuständigkeit der Gerichte

Das Unterbringungsgericht ist gem. § 12 Abs 1 UbG sachlich das Bezirksgericht. Örtlich zuständig ist jenes Gericht, in dessen Sprengel sich die psychiatrische Abteilung befindet. Im Vergleich dazu entscheidet über die Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB das Strafgericht gem. § 430 Abs 1 StPO.

Da § 21 StGB eine Straftat, die mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist vorsieht, scheidet das BG als Strafgericht gem. § 30 Abs 1 StPO aus. Somit entscheidet grundsätzlich je nach Höhe der Strafdrohung entweder das LG als Einzelrichter, als Schöffen- oder als Geschworenengericht gem. § 31 Abs 4 Z 1, Abs 3 Z 1 und Abs 2 Z 1 StPO. Bei einer Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB, tritt jedoch anstelle des LG als ER das LG als Schöffengericht gem. § 430 Abs 1 letzter Satz StPO. 65

Für die Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB kommt demgegenüber die Zuständigkeit des LG als ER sehr wohl in Betracht. 66

Birklbauer/Keplinger, StPO10 § 61. 62

Birklbauer/Keplinger, StPO10 § 429; Fabrizy, StPO12 § 429 Rz 3f. 63

Birklbauer/Keplinger, StPO10 § 438. 64

Birklbauer/Keplinger, StPO10 § 30f; Fabrizy, StPO12 § 430. 65

Fabrizy, StPO12 § 435 Rz 2. 66

(22)

2.4 Das gerichtliche Unterbringungsverfahren

2.4.1 Das gerichtliche Verfahren nach dem UbG

Gem. § 30 Abs 2 UbG ist das Unterbringungsverfahren ein Außerstreitverfahren. Hierfür ist die gesetzliche Grundlage das Außerstreitgesetz (AußStrG), wobei dieses nur subsidiär anwendbar ist.

Für das Unterbringungsverfahren ist das I. Hauptstück, die §§ 1-80 AußStrG, relevant. Die relevanten Normen des UbG befinden sich in den §§ 18ff und gehen, falls sie im Widerspruch mit dem AußStrG stehen, als die spezielleren Normen vor. 67

Nachdem der Abteilungsleiter das Gericht über die zwangsweise Aufnahme informiert hat, hat dieses innerhalb von 4 Tagen eine Erstanhörung vorzunehmen. In der Erstanhörung macht sich das Gericht einen ersten Eindruck vom Betroffenen. Sie findet in der psychiatrischen Abteilung statt und es werden auch der Abteilungsleiter und der Patientenanwalt angehört. Ebenfalls hat das Gericht Einsicht in die Krankengeschichte zu nehmen. Zusätzlich kann auch noch ein SV hinzugezogen werden. Das Gericht hat anhand dieser Informationen vor Ablauf der 4 Tage vorläufig eine Entscheidung zu fällen, ob die Voraussetzungen des § 3 UbG womöglich vorliegen. Da dies nur eine vorläufige Entscheidung darstellt, reicht es aus, dem Gericht die Unterbringungsvoraussetzungen lediglich glaubhaft zu machen. Befindet das Gericht die Unterbringung für nicht zulässig, muss sie gem. § 20 Abs 2 UbG sofort vom Abteilungsleiter aufgehoben werden, es sei denn dieser erhebt innerhalb von 3 Tagen gegen die Entscheidung Rekurs und das Gericht erkennt dem Rekurs auch aufschiebende Wirkung zu.

Kommt das Gericht jedoch zum Entschluss, dass die Voraussetzungen gegeben sind, wird die Unterbringung vorläufig für zulässig erklärt. In diesem Fall muss gem. § 20 Abs 1 UbG innerhalb von 14 Tagen ab der Erstanhörung eine mündliche Verhandlung anberaumt werden. Zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung hat das Gericht einen oder 68

mehrere SV mit der Begutachtung des Betroffenen zu beauftragen. Hierbei muss es sich natürlich um FA der Psychiatrie handeln, jedoch darf es kein FA der Krankenanstalt sein, in der der Betroffene untergebracht ist. Das Gericht kann jedoch genauso FA bestellen, die nicht in der SV-Liste eingetragen sind (§ 351 Abs 2 ZPO). Zusätzlich können auch Psychologen beigezogen werden, da das Gericht gem. § 31 Abs 1 AußStrG nicht auf bestimmte Beweismittel beschränkt ist. Auf Antrag des Patienten oder seiner Vertretung

Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 296ff; Halmich, UbG § 12 Abs 2. 67

Gschaider, R&P, 169f; Engel, in Resch/Wallner, Rz 56ff.

(23)

muss jedenfalls ein zweiter SV bestellt werden (§ 22 Abs 1 UbG). Die Bestellung liegt im Ermessen des Gerichts und kann nicht gesondert angefochten werden (§ 45 AußStrG). Der Betroffene und sein Vertreter können den SV jedoch wegen Befangenheit ablehnen. Das SV-Gutachten muss rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung dem Patientenanwalt zugestellt werden. 69

Gem. § 22 Abs 2 UbG sind zur mündlichen Verhandlung der Patient, sein Vertreter und der Abteilungsleiter zu laden. Ebenfalls muss der SV zwingend anwesend sein, um sein Gutachten mündlich zu erörtern und das Fragerecht der Parteien zu wahren. Die mündliche Verhandlung findet ebenfalls wie die Erstanhörung in einem geeigneten Raum der Krankenanstalt statt und ist idR öffentlich (§ 24 UbG iVm § 38c KAKuG). Die Öffentlichkeit kann jedoch gem. § 25 Abs 1 UbG auf Verlangen des Patienten oder seines Vertreters sowie von Amts wegen zur Wahrung der Interessen des Patienten ausgeschlossen werden. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat das Gericht einen feststellenden Beschluss über die Zulässigkeit der Voraussetzungen zu fällen

(§ 26 Abs 1 UbG). Hierbei stehen dem Gericht wie schon bei der Erstanhörung zwei Alternativen zur Verfügung. Einerseits kann es die Voraussetzungen für zulässig erklären; in diesem Fall ist gem. § 26 Abs 2 UbG im Beschluss zwingend die Unterbringungsdauer festzulegen. Andererseits kann es die Voraussetzungen für unzulässig erklären und die Unterbringung sofort aufheben, es sei denn, dass der Abteilungsleiter Rekurs erhebt und das Gericht diesem aufschiebende Wirkung zuerkennt (§ 26 Abs 3 UbG). 70

Ein Kernstück des Rechtsschutzes der Betroffenen nach dem UbG stellt die Patientenanwaltschaft dar. Jeder Patient wird von einem Anwalt vertreten. Dieser gehört einem regional zuständigen Verein für PatA iSd VSPBG an. Die obligatorische Vertretung 71

des zwangsweise Untergebrachten durch den Verein ergibt sich ex lege aus § 14 Abs 1 UbG und bedarf keines weiteren Rechtsaktes. Aktuell sind in Österreich zwei Vereine mit der PatA betraut. Für das Bundesland Vorarlberg ist das Institut für Sozialdienste zuständig. Für Oberösterreich und die restlichen sieben Bundesländer wird der Verein VertretungsNetz tätig. Die Vereine haben nach § 3 Abs 1 VSPG hauptamtliche Patientenanwälte namhaft zu machen, sie fortzubilden, in ihrer Tätigkeit anzuleiten und zu überwachen. Welche Vereine geeignet sind, Patientenanwälte namhaft zu machen, wird durch Verordnung des Bundesministers für Justiz festgestellt (§ 1 VSPG). Gem. § 13 Abs

Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 358ff; Halmich, UbG § 22 Rz 3ff; Emberger/Zahrl/Diemath/Grabner, Das ärztliche 69

Gutachten, 78; Koppensteiner/Zierl, Unterbringungsrecht, Kap V Rz 39.

Engel, in Resch/Wallner, Rz 64ff; Halmich, UbG § 26 Abs 2 Rz 1f; Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 372ff. 70

Bundesgesetz über Vereine zur Namhaftmachung von Sachwaltern, Patientenanwälten und Bewohnervertretern

71

(24)

1 UbG muss der Verein eine ausreichende Zahl an Patientenanwälte gegenüber dem ärztlichen Leiter der Krankenanstalt und dem Vorsteher des zuständigen BG namhaft machen. Letzterer macht Namen und Büroadresse von jedem Patientenanwalt in der Ediktsdatei kund. Der Verein kann aus wichtigen Gründen, etwa wegen Auflösung des Dienstverhältnisses, die Namhaftmachung widerrufen. In diesem Fall muss die Kundmachung in der Ediktsdatei berichtigt werden. Wird dem Gericht keine ausreichende Zahl an Patientenanwälte namhaft gemacht, hat der Gerichtsvorsteher andere geeignete Personen allgemein zu bestellen (§ 43 Abs 1 UbG). Die Leistungen der Patientenanwälte sind kostenlos. 72

Wird ein Patientenanwalt zugeteilt, muss der Abteilungsleiter dem Patienten dessen Namen und Daten für die Kontaktaufnahme bekanntgeben. Der Patient kann die Vertretung durch die PatA annehmen, muss dies jedoch nicht (§ 16 Abs 1 UbG). Er kann selbst einen Notar oder Rechtsanwalt mit der Vertretung betrauen. In einem solchen Fall, erlischt die Vertretungsbefugnis des Vereins ex lege. Der gewählte Vertreter muss daher seine Bestellung dem Gericht anzeigen. Das Gericht wiederum informiert die PatA und den Abteilungsleiter der KA über eine solche Bestellung. Die Vertretungsbefugnis des PatA b z w. R e c h t s a n w a l t s / N o t a r s u m f a s s t i n s b e s o n d e r e d a s g e r i c h t l i c h e Unterbringungsverfahren sowie die Wahrnehmung der Rechte der §§ 33 bis 39 UbG während des Vollzugs. Im gerichtlichen Unterbringungsverfahren kommen dem Vertreter diverse Antragsrechte und ein Fragerecht zu. Während des Vollzugs ist er über Beschränkungen der Bewegungsfreiheit (§§ 33ff UbG) zu informieren. Ebenfalls kann er jederzeit Einsicht in die Krankengeschichte nehmen und sich über medizinische Behandlungen erkundigen. Nach § 15 UbG sowie nach dem VSPBG treffen den Patientenanwalt jedoch auch Pflichten. Der Vertreter muss die Interessen des Patienten wahren und sich mit ihm absprechen. Im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Vertreter, ist dieser zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht trifft jedoch nicht gegenüber dem Unterbringungsgericht und der Volksanwaltschaft zu. Die Grenze der Vertretungsbefugnis ist dann gegeben, wenn kein rechtlicher Zusammenhang mit der Unterbringung besteht. Laut OGH liegt kein 73

rechtlicher Zusammenhang bei Miet-, Arbeits- oder Pensionsangelegenheiten vor; auch wenn diese Rechtsfragen zufällig durch die Unterbringung ausgelöst wurden. 74

Halmich, UbG § 13 Rz 1ff; Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 446ff/532; Koppensteiner/Zierl, Unterbringungsrecht, 72

Kap V Rz 23.

Halmich, UbG § 13 Rz 1ff; Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 471ff; Koppensteiner/Zierl, Unterbringungsrecht, Kap V 73

Rz 39ff.

OGH 9 Ob A 284/99a = RS0112841.

(25)

Das Vertretungsverhältnis beginnt mit der Aufnahme eines Patienten ohne Verlangen, mit der Umwandlung einer Aufnahme auf Verlangen in eine Aufnahme ohne Verlangen oder auf Verlangen eines Patienten, der freiwillig untergebracht ist. Das Verhältnis endet durch die Aufhebung der Unterbringung, durch Widerruf des freiwillig Untergebrachten oder mit dem Tod des Patienten, außer dieser stirbt während der Unterbringung. Somit ist der Patient vom Aufnahmemoment, über den Vollzug bis zur Aufhebung durch eigens geschulte und rechtlich qualifizierte Personen vertreten. 75

Da in Oberösterreich der Verein VertretungsNetz mit der Patientenanwaltschaft betraut ist, ein paar Fakten dazu: Ende 2015 arbeiteten 55 Patientenanwälte in 32 psychiatrischen Krankenhäusern bzw. Abteilungen für den Verein. In Oberösterreich gibt es fünf Standorte der Patientenanwaltschaft: das Kepler Universitätsklinikum- Neuromed Campus, das Landeskrankenhaus Steyr, das Klinikum Wels-Grieskirchen, das Landeskrankenhaus Vöcklabruck und das KH Braunau am Inn. Im Jahr 2015 nahmen die Patientenanwälte 1.346 Gerichtstermine pro Monat wahr. 76

2.4.2 Das gerichtliche Verfahren nach der StPO

Das gerichtliche Verfahren für eine Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB ist in den §§ 430ff iVm dem 14. und 15. Hauptstück der StPO geregelt. Die Vorschriften für ein gerichtliches Verfahren im Falle des § 21 Abs 2 StGB sind in den §§ 435ff StPO normiert. Ebenfalls wie beim Verfahren nach dem UbG ist auch im Verfahren nach dem StGB eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Weiters muss auch hier zur Vorbereitung auf die Verhandlung ein psychiatrischer SV bestellt werden. Nach der StPO stellt das

SV-Gutachten ein Beweismittel dar. Der psychiatrische SV besitzt jenes Fachwissen, das dem Richter in dieser Materie fehlt und muss für das Hauptverfahren gem. § 126 Abs 3 StPO vom Gericht bestellt werden. In erster Linie sind Personen, die in der SV-Liste eingetragen sind zu bestellen. Im Gegensatz zum UbG soll die Berufung anderer SV nur im Ausnahmefall geschehen. Der Beschuldigte kann gegen den SV, ebenso wie nach dem UbG, Einwendungen wegen Befangenheit erheben. Zusätzlich hat er noch die Möglichkeit Einwendungen aufgrund mangelnden Fachwissens zu erheben. Ein SV wendet die Erfahrungssätze seines Fachgebietes auf einen bestimmten Sachverhalt an und zieht aus Tatsachen, die er aufgrund seines Fachwissens ermittelt, Schlussfolgerungen (§ 125 Z 1

Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 466ff; OGH 5 Ob 503/95 = RS0075885; Ganner, iFamZ, 217. 75

VertretungsNetz, Jahresbericht 2015 über die Tätigkeit des Vereins, www.vertretungsnetz.at (abgefragt am

76

(26)

StPO). Die Entscheidung in der Sache selbst jedoch trifft immer der Richter; der SV hat lediglich beratende Funktion. Diese Rolle, wie es das Gesetz vorsieht, wird jedoch in den Verfahren nicht immer verwirklicht. Häufig entscheidet eigentlich der SV den Prozess, da der Richter das Gutachten nur noch vollzieht ohne selbst eine sachliche Entscheidung zu treffen. Die „Abartigkeit“ höheren Grades wird zunehmend nur noch auf medizinischer 77

Seite durchleuchtet. Die juristische Seite gerät oftmals in Vergessenheit. Dies stellt in der Praxis ein großes Problem dar, ebenso wie der Mangel einer einschlägigen forensisch-psychiatrischen Ausbildung der SV, aber auch der Richter und Staatsanwälte. Auch sind fehlende Qualitätsstandards für forensische Gutachten zu bemängeln. Ein weiteres Problem ist die geringe Honorierung und damit der geringe Stellenwert dieser schwierigen Tätigkeit als psychiatrischer SV. Aus diesen Gründen kommt es immer wieder zu Fehlentscheidungen. Der SV muss, ebenfalls wie nach dem UbG, bei sonstiger 78

Nichtigkeit im Verfahren anwesend sein (§ 430 Abs 4 und § 439 Abs 2 StPO).

Ebenso muss zwingend während der mündlichen Verhandlung gem. § 430 Abs 3 sowie § 439 Abs 1 StPO ein Verteidiger anwesend sein. Diese Vertretung stellt auch den wesentlichsten Unterschied zwischen dem gerichtlichen Verfahren nach dem StGB und jenem nach dem UbG dar. Nach dem UbG, wie bereits oben ausführlich erläutert, ist die Patientenanwaltschaft ex lege vertretungsbefugt. Gem. § 61 Abs 1 Z 2 iVm § 430 Abs 3 79

und § 439 Abs 1 StPO ist für das Verfahren nach § 21 StGB ebenfalls eine obligatorische Vertretung vorgesehen. Jedoch handelt es sich hierbei um keine vergleichbare 80

Vertretung iSd Patientenanwaltschaft. Im besten Fall wird der psychisch abnorme Rechtsbrecher von einem spezialisierten Strafverteidiger vertreten. Dies stellt jedoch die Ausnahme dar. In den meisten Fällen wird ein Verfahrenshilfeverteidiger gem. § 61 Abs 2 StPO bestellt, da der Beschuldigte finanziell nicht im Stande ist, die Kosten einer Verteidigung zu tragen. Verfahrenshilfeverteidiger sind jedoch häufig nicht im Bereich des Strafrechts bzw. auf Verfahren nach § 21 StGB spezialisiert. Generell haben Strafrichter, Staatsanwälte und Verteidiger in der Praxis weniger häufig mit abnormen Rechtsbrechern zu tun. Es ist ja nicht jeder Krimineller auch psychisch krank. Das Pendant dazu sind die 81

Fabrizy, StPO12 § 430 Rz 1, §§ 125/126 Rz 11; Emberger/Zahrl/Diemath/Grabner, Das ärztliche Gutachten, 78f; 77

Schreiber, Zur Rolle des psychiatrisch-psychologischen Sachverständigen im Strafverfahren, in Broda u.a. (Hrsg) FS für Rudolf Wassermann zum 60. Geburtstag (1985) 1007 (1007ff).

Bertel, in Reindl-Krauskopf u.a., 23; Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug. Bericht an den Bundesminister für Justiz über

78

die erzielten Ergebnisse, BMJ-V70301/0061-III 1/2014, 48ff (abgefragt am 15.01.2017).

Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 446ff 79 Fabrizy, StPO12 § 61 Rz 2/8. 80 Ganner, iFamZ, 215. 81

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besonders geschulten Patientenanwälte. Diese sind im Umgang mit psychisch Kranken und den damit verbundenen Problemen versierter, da sie in der Praxis ausschließlich mit solchen Verfahren zu tun haben (1.346 Gerichtstermine pro Monat! ). Der Patient nach dem UbG wird während der gesamten Unterbringung, sogar darüber hinaus im Falle einer nachträglichen Prüfung gem. § 38a UbG, vertreten. Bei der nachträglichen Prüfung kam es vor der gerichtlichen Entscheidung bereits zur Aufhebung der Unterbringung. Im Nachhinein wollen jedoch der ehemals Untergebrachte oder der Patientenanwalt trotzdem prüfen lassen, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung zum damaligen Zeitpunkt überhaupt vorlagen. 82

Im Gegensatz dazu ist der Beschuldigte nach dem StGB idR nur im Ermittlungs- und Hauptverfahren vertreten. Während des Maßnahmenvollzugs haben die Betroffenen sehr selten eine Verteidigung. Der Verfahrenshilfeverteidiger wird lediglich bis zum rechtskräftigen Urteil beigegeben. 83

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung entscheidet das Gericht über die Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB durch Urteil bzw. im Falle des Abs 2 durch Strafurteil (§ 430 Abs 2 und § 435 Abs 1 StPO). 84

2.5 Die Unterbringung bzw. der Maßnahmenvollzug

2.5.1 Die Unterbringung nach dem UbG

Die Rahmenbedingungen für den Vollzug ergeben sich nicht nur aus dem UbG, sondern auch aus den Regelungen über die innere Organisation des jeweiligen Krankenhauses. Diese Organisation ergibt sich gem. § 6 Abs 2 KAKuG aus der Anstaltsordnung, worin bspw. auch Hausordnungen für Besucher und Patienten enthalten sind. 85

Das Kernstück des Vollzuges stellt natürlich die ärztliche Behandlung dar, welche in den §§ 35 bis 38 UbG geregelt ist. Darunter sind sämtliche Heilbehandlungen zu verstehen, insbesondere auch nicht-psychiatrische Therapien. Dabei ist zu beachten, dass die zwangsweise Unterbringung nicht auch automatisch eine Zwangsbehandlung des

VertretungsNetz, Jahresbericht 2015 über die Tätigkeit des Vereins (abgefragt am 31.01.2017); Halmich, UbG § 38a

82

Rz 1ff.

Ganner, iFamZ, 215; Fabrizy, StPO12 § 61 Rz 18. 83

Fabrizy, StPO12 § 430 Rz 1, § 435 Rz 1. 84

Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 538. 85

(28)

Patienten ermöglicht. Eine Heilbehandlung ohne Einwilligung des Betroffenen bzw. seines Vertreters darf grundsätzlich nicht vorgenommen werden. Voraussetzung für die Durchführung einer Heilbehandlung ist eine medizinische Indikation. Diese liegt vor, wenn die jeweilige Behandlung für den Patienten einen therapeutischen Vorteil mit sich bringt. Gem. § 35 Abs 1 UbG müssen sich Heilbehandlungen an den „Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft“ orientieren. Wobei dies nicht bedeutet, dass es verboten ist neue Methoden/Behandlungen zu erproben. Erlaubt ist dies jedoch nur in jenen Fällen, in denen es keinerlei anerkannte Methoden gibt oder diese Behandlungen nicht besonders vielversprechend sind. Jedem Arzt steht es frei, aufgrund seiner Fähigkeiten zu entscheiden, welche Therapieform für den Patienten die Beste darstellt. Dabei muss immer Bedacht auf die Verhältnismäßigkeit genommen werden. Jede Heilbehandlung muss in Bezug auf ihre Schwere, Folgen und Dauer verhältnismäßig sein (§ 35 Abs 1 letzter Satz UbG). Der behandelnde Arzt muss weiters den Patienten über Art, Schwere und Verlauf der Therapie, sowie über etwaige Alternativen aufklären. Ebenfalls ist der Patientenanwalt aufzuklären, wenn er dies verlangt (§ 35 Abs 2 UbG). Die Aufklärungspflicht ist jedoch mit dem „therapeutischen Vorbehalt“ begrenzt. Besteht die Gefahr, dass die Gesundheit des Patienten durch die Aufklärung geschädigt wird, kann sie unterlassen werden. Bloße Beunruhigungen rechtfertigen noch keine Unterlassung. 86

Bezüglich der Heilbehandlungen ist zwischen „einfachen“ und „besonderen“ zu unterscheiden. „Besonders“ ist eine Behandlung dann, wenn sie für den Patienten erhebliche Auswirkungen auf den Körper hat. Ein erheblicher Eingriff liegt bspw. bei Verabreichung von Depot-Injektionen oder bei operativen Eingriffen vor. „Einfache“ Behandlungen sind demgegenüber Blutabnahmen oder Injektionen mit wenig Risiken. Ob und wie die jeweilige Behandlung durchgeführt werden kann, hängt von der Urteils- und Einsichtsfähigkeit des Patienten, deren Vorliegen der behandelnde Arzt entscheidet, ab. Liegt diese Fähigkeit vor, darf der Betroffene nicht gegen seinen Willen behandelt werden (§ 26 Abs 1 und 2 UbG). Handelt es sich um eine „einfache“ Behandlung, reicht eine konkludente Zustimmung aus, bei einer „besonderen“ muss schriftlich eingewilligt werden. Ist der Patient nicht einsichts- und urteilsfähig, ist zu unterscheiden, ob er durch entscheidungsbefugte Personen vertreten ist. Ist der Betroffene minderjährig, müssen die Erziehungsberechtigten in die Behandlung einwilligen. Hat er einen Sachwalter oder einen Vorsorgebevollmächtigten, obliegt diesen die Zustimmung (§ 36 Abs 2 UbG). Ist jedoch ein Patient überhaupt nicht vertreten, kann eine „einfache“ Heilbehandlung zwangsweise

Halmich, UbG § 35 Rz 1ff; Koppensteiner/Zierl, Unterbringungsrecht, Kap IV Rz 69f; Kopetzki, Unterbringungsrecht3, 86

(29)

durchgeführt werden. Als Schutz kann in diesem Fall der Patient oder sein Patientenanwalt vom Gericht die Zulässigkeit dieser Behandlung prüfen lassen. Bei „besonderen“ Heilbehandlungen ist zwingend eine Genehmigung durch das Gericht erforderlich (§ 36 Abs 3 UbG). Lediglich bei Gefahr in Verzug iSd § 37 UbG (eine Verzögerung etwa würde zur Lebensgefahr führen) ist diese nicht erforderlich. Auch hier steht die Möglichkeit offen, eine gerichtliche Kontrolle zu beantragen. Ob Gefahr in Verzug vorliegt, entscheidet der Abteilungsleiter. Nach hA sind bei Behandlungen von einsichts- und urteilsunfähigen Personen etwaige Patientenverfügungen verbindlich. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass lediglich medizinische Behandlungen ausgeschlossen werden können. Freiheitsbeschränkungen, die das UbG vorsieht, können nicht abgelehnt werden. 87

Abbildung 2.2: 88

Tabellarische Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten nach dem UbG

Während der Unterbringung gibt es die Möglichkeit weiterer Beschränkungen der Freiheitsrechte gem. §§ 33 bis 35 UbG. Dies kann eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit (§ 33 UbG), des Verkehrs mit der Außenwelt (§ 34 UbG) oder Beschränkungen sonstiger Rechte (§ 34a UbG) bedeuten. Bei Beschränkungen der Bewegungsfreiheit ist zwischen der Einschränkung auf mehrere Räume (§ 33 Abs 2 UbG) und jener auf einen Raum (§ 33 Abs 3 UbG) zu differenzieren. In beiden Fällen muss mit

„einfache“ Heilbehandlung „besondere“ Heilbehandlung

Urteilsfähiger Patient gegen seinen Willen nicht

möglich

schriftliche Zustimmung des

Patienten erforderlich Urteilsunfähiger Minderjähriger gegen Willen des

Erziehungsberechtigten nicht

möglich

schriftliche Zustimmung des

Erziehungsberechtigten erforderlich

Urteilsunfähiger Patient mit Sachwalter bzw.

Vorsorgebevollmächtigten

gegen Willen des Sachwalters bzw. Bevollmächtigten nicht

möglich

schriftliche Zustimmung des

Sachwalters bzw.

Bevollmächtigten erforderlich Urteilsunfähiger Volljähriger ohne

Sachwalter bzw Bevollmächtigter

gegen seinen Willen möglich Genehmigung durch das Gericht

erforderlich

Koppensteiner/Zierl, Unterbringungsrecht, Kap IV Rz 71ff; Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 628ff; Engel, in Resch/ 87

Wallner, Rz 107ff; Gschaider, R&P, 171. Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 619. 88

(30)

der Beschränkung ein „Schutzzweck“ verfolgt werden. Sie darf nur stattfinden, um Fremd- oder Selbstgefahr abzuwehren oder zum Zwecke der Behandlung/Betreuung. Weitere formelle Voraussetzungen müssen bei der erweiterten Beschränkung auf einen Raum vorliegen. Diese muss vom Arzt angeordnet und dokumentiert werden. Gem. § 34 UbG kann auch der Schriftverkehr und Besuchsempfang, mit Ausnahme des Verteidigers, eingeschränkt werden. Besuche können wiederum zum Zwecke der Gefahrenabwehr und zusätzlich zum Schutz anderer Personen, die sich in der psychiatrischen Abteilung befinden (auch Personal), untersagt werden. Auch hier müssen dieselben formellen Voraussetzungen wie bei der Beschränkung nach § 33 Abs 3 UbG vorliegen. Die Beschränkung sonstiger Rechte, wie etwa Ausgang ins Freie, stellt einen Auffangtatbestand dar. In diesem Fall müssen ebenfalls die oben genannten Schutzzwecke verfolgt werden. Die formellen Voraussetzungen sind eine Dokumentations- und Begründungspflicht. Über jede Beschränkung ist umgehend der Patientenanwalt zu informieren. Sowohl er als auch der Betroffene selbst können eine gerichtliche Überprüfung beantragen. In allen Fällen muss weiters die Verhältnismäßigkeit gegeben sein. Die Beschränkungen müssen ebenso wie die Unterbringung das letzte Mittel darstellen. 89

Die Dauer des Vollzugs muss zwingend im gerichtlichen Beschluss des Unterbringungsgerichts festgesetzt werden. Gem. § 26 Abs 2 UbG darf die erstmalige Frist maximal 3 Monate betragen. Nach Ablauf der ersten Frist sind Verlängerungen der Unterbringung möglich, wenn die Voraussetzungen des § 3 UbG noch immer vorliegen. Die Unterbringung darf jeweils für max. 6 Monate verlängert werden. Insgesamt ist die Verlängerung max. um 1 Jahr möglich. Dies bedeutet, dass der gesamte Vollzug für 15 Monate zulässig ist. Eine Übersteigung dieser Frist ist gem. § 30 UbG nur möglich, wenn dies aus besonderen medizinischen Gründen geschieht und zwei SV dies auch übereinstimmend feststellen. 90

Halmich, UbG § 33 Rz 1ff, § 34 Rz 1ff, § 34a Rz 1ff; Kopetzki, Unterbringungsrecht3, Rz 543ff. 89

Gschaider, R&P, 170.

(31)

E x k u r s : E i n d r ü c k e e i n e r U n t e r b r i n g u n g i n d e r P s y c h i a t r i e d e s Landeskrankenhauses Vöcklabruck 91

Die Behandlung der Betroffenen umfasst sowohl Gruppentherapien, als auch Einzeltherapien. Wobei aufseiten der Patienten der Wunsch besteht mehr Einzeltherapien zu erhalten. Generell ist festzustellen, dass die Betroffenen in Bezug auf ihre Behandlung teils teils motiviert sind. Die Patienten kommen in einem Zustand einer akuten Krise. Daher benötigen sie oftmals zu Beruhigung starke Medikamente und sind eine Zeit lang nicht therapiefähig.

Das Angebot der verschiedenen Therapiemöglichkeiten ist vielfältig. Von Ergotherapie, Lichttherapie, Biofeedback über Entspannungstherapie und soziales Kompetenztraining, gibt es sogar die Möglichkeit einer Qigongtherapie oder tiergestützten Therapie mit Hunden. Gerade bei Therapien mit Tieren sind bei Betroffenen, die zu Menschen nur schwer Vertrauen fassen können, tolle Erfolge erzielbar. Natürlich wird im Vorhinein festgestellt, welche Therapie für den einzelnen Patienten am zutreffendsten erscheint. Weiters gibt es neben den Patientenanwälten, die die Betroffenen in Rechtsfragen zur Seite stehen, Sozialarbeiter für allfällige andere Fragen, wie etwa Finanzen, Beantragung von Pflegegeld oder Unterstützung bei der Wohnungssuche. Im Zuge der Behandlung kommt auch das „Alltagstraining“ nicht zu kurz. Den Patienten stehen verschiedene sportliche Aktivitäten, wie Tischtennis, Tischfußball oder Basketball im Hof des Krankenhauses zur Verfügung.

In VB hat sich ein System eingebürgert, welches nicht überall so gehandhabt wird und auf das Engagement des Pflegepersonals zurückzuführen ist: jeden Nachmittag laden 1-2 Mitarbeiter des Pflegepersonals die Patienten ein, sich an einer Freizeitaktivität in der Gruppe anzuschließen. Die Pfleger verbringen in Privatkleidung ganz „normal“ ihre Freizeit mit den Patienten. Dies soll ihnen einerseits das Gefühl vermitteln auch privat in einer Gruppe (und nicht nur in der Therapie) willkommen zu sein und andererseits trotz eines Psychiatrieaufenthaltes ganz alltägliche Sachen zu machen und das Leben zu genießen. Diese Aktivitäten können ein Picknick, ein Spaziergang auf Kaffee und Kuchen zum

XXL-Lutz (da sich dieser unmittelbar gegenüber dem KH befindet), eine Spielerrunde oder das Erstellen einer Collage sein. Nebenbei unterstützen diese Aktivitäten auch die Patient-Pfleger-Beziehung.

In Bezug auf Beschränkungen der Bewegungsfreiheit werden in VB vorwiegend Fußbänder verwendet. Im KH sind verschiedene Türen mit Sensoren ausgestattet,

Interview mit DGKP Karin Krempl.

(32)

passiert der Patient mit Fußband eine dieser Stellen geht ein Signal direkt an das Diensttelefon der Mitarbeiter der Psychiatrie mit Informationen über die Person und die Stelle. Weitere Beschränkungen sind durchgehende Bettgitter, in seltenen und nur absolut notwendigen Situationen werden Fixierungsgurte verwendet.

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg stellt die Zusammenarbeit zwischen Patientenanwälten und Pflegepersonal bzw. Ärzte dar. In VB ist dies erstrebenswerter Weise ein respektvoller und wertschätzender Umgang. Sowohl Fürsorge als auch Sicherheit der Patienten hat als gemeinsames Ziel oberste Priorität und kann durch gegenseitige Unterstützung umgesetzt werden.

2.5.2 Der Maßnahmenvollzug

Die Zwecke des Maßnahmenvollzugs sind in § 164 Abs 1 StVG normiert. Zum Einen soll 92

der Insasse davon abgehalten werden weitere Straftaten zu begehen, zum Anderen soll diese Gefahr durch Betreuung gemindert werden. Somit verfolgt der Maßnahmenvollzug 93

dieselben Schutzzwecke wie auch die Unterbringung nach dem UbG. Der Vollzug von 94

geistig abnormen Rechtsbrechern nach § 21 Abs 1 StGB findet gem. § 158 Abs 1 StVG entweder in eigenen Justizanstalten oder nach Abs 4 in einer öffentlichen psychiatrischen Krankenanstalt statt. Betroffene des § 21 Abs 2 StGB hingegen können in eigene JA oder in gesonderten Abteilungen der JA untergebracht werden. Die Entscheidung in welcher Anstalt die Maßnahme vollzogen wird obliegt der Vollzugsdirektion. 95

Die Untergebrachten des § 21 StGB haben ein „subjektiv-öffentliches Recht“ auf Behandlung, jedoch auf keine bestimmte. Ebenso wie nach dem UbG hat sich auch eine 96

Behandlung im Maßnahmenvollzug an den anerkannten Methoden der Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik zu orientieren (§ 20 StVG). Laut Drexler ist dies jedoch in 97

Bezug auf abnorme Rechtsbrecher nicht ausreichend, da hier auch der Schutz der Allgemeinheit vor dem Täter gewahrt werden soll und nicht nur die Rechte des Betroffenen. „Die Fragen der Behandlung sind daher spätestens in zweiter Linie nicht

Bundesgesetz vom 26. März 1969 über den Vollzug der Freiheitsstrafen und der mit Freiheitsentziehung verbundenen

92

vorbeugenden Maßnahmen (Strafvollzugsgesetz - StVG), BGBl. Nr. 144/1969. Drexler, Strafvollzugsgesetz (StVG)3 § 164 Rz 1; Zagler, Strafvollzugsrecht2, 243f. 93 Halmich, UbG §§ 33-38. 94 Drexler, StVG3 § 158 Rz 1, § 161 Rz 1. 95 Drexler, StVG3 § 165 Rz 1, § 166 Rz 1. 96 Zagler, Strafvollzugsrecht2, 245. 97

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