Dutt oder Duckface?
Was Frauen so machen, wenn sie ins Internet gehen
Dr. Astrid Herbold Sch¨onhauser Allee 39a
10435 Berlin www.astrid-herbold.de
Abstract:Neue Medien sind ideale Projektionsfl¨achen f¨ur gesellschaftliche Utopien.
Auch dem Internet eilte lange der Ruf voraus, alle m¨oglichen Dinge zum Guten zu wenden. Etwa die m¨achtige Sender- Empf¨anger-Dichotomie zum Einsturz zu bringen, also die Leisen laut und die Unsichtbaren sichtbar. Eine B¨uhne f¨ur Jedermann! Und welche Chance damit auch f¨ur Frauen! Unerkannt durchs M¨archenland, k¨onnte man die Visionen der bekannten Netzsoziologin Sherry Turkle (Life on the Screen, 1995) zusammen fassen. Endlich ein Ort, an dem es niemanden k¨ummert, ob du Rock tr¨agst oder Hosen, ob du CEO bist oder Kassiererin.
F¨unfzehn Jahre sp¨ater die bittere Erkenntnis: Die vermeintliche Emanzipation- smaschine ist gar keine. In Sachen geschlechtsspezifischer Mediennutzung haben Frauen im Internet drei Rollen r¨uckw¨arts gemacht. Sie verwalten die Fotoalben ihre Familien, pflegen ihre Bussi-Bekanntschaften in den Schutzr¨aumen sozialer Netzwerke - und diskutieren, wenn ¨uberhaupt, auf Schwangerschaftsforen. (Grob
¨ubertrieben, aber die Richtung stimmt.)
Warum ist das so? Wieso f¨allt es vielen Frauen ungleich schwerer, dem Rat von eReputation-Consults zu folgen - und sich zwecks Karriereplanung eine m¨oglichst ein- drucksvolle Digitalfassade aufzubauen? (Denn das ist doch das Gebot der Stunde: Auf der Brust rumtrommeln, Seilschaften kn¨upfen, soziales Kapital anh¨aufen! Und zwar von Jugendbeinen an! Und dabei auch immer sch¨on an den Personalchef denken, der nur noch Google vertraut ...) Der Vortrag versucht Erkl¨arungen f¨ur die weibliche Zur¨uckhaltung zu finden, aus medienhistorischer, kulturwissenschaftlicher, linguistis- cher Perspektive.
Aber er wagt auch eine trotzige Replik: Vielleicht ist das alles ja auch gar nicht so schlimm. Weil die Netzwerkprediger selbst auf eine billige Metapher hereingefallen sind. Weil sie den Hammer f¨ur den Arm halten, das Werkzeug f¨ur die Ursache. Oder anders ausgedr¨uckt: weil sie Xing mit Wertsch¨atzung verwechseln und Facebook mit Vertrauen.
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