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Archiv "Schlangen-Götter (und Halb-Götter)" (05.04.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DIE GLOS E

D

ie sogenannte Äskulap- Schlange sollte eigentlich ein einigermaßen gut bekanntes Tierchen sein. Sie war die Vertrau- te des heilkundigen Halbgottes As- klepios, dessen Badeanlagen — wenn auch nur noch als Ruinen — heute von jedem gewöhnlichen Griechenland-Touristen in Epidau- ros besichtigt werden können — und da gibt es auch noch den Käfig die- ser Schlange. Später haben die Rö- mer sie geklaut; an der Tiberinsel in Rom entfleuchte sie dem Schiff, und deshalb kann man sie dort auch noch sehen, in Stein gehauen. Auf der Insel ist deshalb heute noch ein Hos- pital, das inzwischen zu ei- ner Zweigstelle einer „Unitä sanitario locale" verkommen ist. Und als eben dieselben Römer in Wiesbaden heil- kräftige Wässer entdeckten, importierten sie dort, gerade hinter der sicheren Grenze des Limes, diese Schlangen auch — und es gibt sie dort heute noch: Wer von Wies- baden nach Schlangenbad (sic!) fährt, findet ein einzig- artiges Verkehrszeichen. Es sieht aus wie das, das vorm Viehtrieb warnt, bloß ist da keine Kuh, sondern eine Schlange drauf — die Äsku- lap-Schlange, die im Taunus überlebt hat.

Also: Dieses Tierchen hat eine lange Tradition. Man sollte meinen, diese Tradition sei sicher tradiert. Aber dem ist nicht so.

Da schickt eine deutsche Pharma-Firma in diesen Wochen ei- nen „Europäischen Notfall-Ausweis"

an die Ärzte, hergestellt von einem Münchener Verlag, dessen Namen nichts mit Schlangen, aber mit einer anderen Tiergattung zu tun hat.

Liegt es daran?

Der neunsprachige und vierseiti- ge Ausweis (zwölf Länder haben nur neun Sprachen — wenn man luxem- burgisch ausläßt —) hat auf der ersten Seite auch ein Symbol. Mit Schlan- gen. Schlangen! Und Flügeln.

Ein Arzt aus dem Ruhrgebiet hat der Redaktion des DA mitge- teilt, er sehe sich nicht in der Lage,

Schlangen-Götter (und Halb-Götter)

Vom Symbol zum „Logo"

diesen Ausweis an seine Patienten abzugeben. Denn ein Papier, das mit dem Symbol des Gottes Hermes ge- schmückt sei, das sei doch wohl un- zumutbar — Hermes: der Gott der Händler und der Diebe: Dessen Symbol sind zwei Schlangen, dazu die Flügel an den Füßen und noch eini-

ges, was seine Beweglichkeit symbo- lisiert.

Na gut: Hermes pflegte auch die Verstorbenen in den Hades zu be- gleiten, was ihn in die Nachbarschaft der Medizin bringt. Aber eine ärzt- liche Aufgabe ist diese Obliegenheit des Gottes eingentlich nicht, obwohl man nun anfangen kann, über die In- tensivmedizin zu diskutieren. Und über die seltsame Tatsache, daß es in dieser Welt einen Militär-Sanitäts- dienst gibt, der auch den Hermes statt des Asklepios als Symbol ge- nommen hat (in der betreffenden Sprache heißt Symbol „Logo").

Einiges ist sicher: Schlangen sind a priori erst einmal etwas Un- heimliches. Das fing schon mit Adam und Eva an. Psychologen haben In- teressantes darüber geschrieben, wieso die Schlange bei diesem Vor- gang des Verlustes der Unschuld (wessen?) eine so große Rolle spielt

— ein Sexualsymbol?

Schlangen sind außerdem giftig.

Viele jedenfalls. Die Askulap- Schlange ist Mitglied einer Unter- gruppe der Schlangen; sie ist eine Natter. Die meisten Nattern — so auch die Äskulap-Natter — sind un-

giftig, was bei uns relativ we- nig bekannt ist — wie viele Ringelnattern sind erschla- gen worden, weil man sie nicht von der Kreuzotter (gif- tig) unterscheiden kann! (Ich würde allerdings auch eine giftige Kreuzotter nicht er- schlagen, sondern ihr auswei- chen . . .).

Zurück zum „Europä- ischen Notfall-Ausweis", je- nem privaten Unternehmen eines Verlages: Letzterer soll- te sich ein bißchen genauer informieren. Mir fällt sonst noch etwas anderes ein: Ein Kollege von mir wurde mal zu einer Besichtigung einer Brauerei eingeladen. Er kam zurück und erzählte: Da wa- ren Leute, die nicht wußten, daß es außer Bierverlagen auch andere Verlage gibt . . .!

Übrigens: Hermes, der Gott der Diebe, war wirklich ein Gott. Asklepios war nur ein Halbgott. Die Griechen mögen diesen Unterschied gekannt oder gewußt haben. Der Halbgott Asklepios hatte eine sterb- liche Tochter: Hygieia, die Begrün- derin der Hygiene. Im Museum in Athen gibt es eine schöne Büste von ihr, die man auch als Kopie beziehen kann. Man sollte auch darüber nach- denken: Gott Hermes (zwei Schlan- gen), Halbgott Asklepios (eine Schlange), Hygieia (sterblich, aber die Sterblichkeit entscheidend be- einflussend) . . . — Vom Gott über den Halbgott zur Sterblichen führt eine gerade Linie. Und die beein- flußt unser Leben nicht gerade nega- tiv. bt Dt. Ärztebl. 87, Heft 14, 5. April 1990 (29) A-1087

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