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Archiv "Tuberkulose: WHO spricht von globaler Notfallsituation" (13.07.1998)

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ie Weltgesundheitsorganisati- on (WHO) erklärt die Tuber- kulose angesichts der dramati- schen Zunahme der Erkrankungen in den armen Län-

dern und der Resi- stenzentwicklung gegen Standard- Antituberkulotika zu einer „global emergency“ und rief zu wirksamen Gegenmaßnah- men auf. Nach Schätzungen ist ein Drittel der Weltbe- völkerung (1,7 Milliarden Perso- nen) mit Mycobac- terium tuberculo- sis infiziert. Die Zahl der aktiven Tuberkulosen wird auf 15 Millionen geschätzt. Nach Angaben von Prof.

John F. Murray (University of Califor- nia, San Francisco) ist eine explosi- onsartige Zunahme der Erkrankung vor allem in den afrikanischen Län- dern der Sahara-Randzone, Südost- asien, Lateinamerika und Ländern der Karibik zu verzeichnen, wo insge- samt 90 Prozent der weltweit mit HIV Infizierten leben.

Mit Ausnahme der großen städti- schen Zentren spielt die HIV-Infek- tion in den westeuropäischen Län- dern als Risikofaktor für die Aus- breitung der Tuberkulose im Ver- gleich zur Migration der Bevölkerung als Folge der Kriege und wirtschaft- lichen Zusammenbrüche eine eher untergeordnete Rolle. Dr. Nils Billo (International Union Against Tuber- culosis and Lung Disease, Paris) ver-

wies darauf, daß bis zu 50 Prozent der neuen Tuberkuloseerkrankungen bei Einwanderern und Asylsuchenden auftreten.

Ohne konsequente Fallfindung, Umgebungskontrollen und zuverlässi- ge Therapie kann sich die Infektion auch wieder in der einheimischen Be- völkerung ausbreiten. Als alarmieren- des Zeichen für ein Versagen der Kon- trollprogramme muß das Wiederauf- treten von Tuberkulosen bei Säuglin- gen und Kleinkindern und von resi- stenten Tuberkulosen gewertet wer- den, die immer eine Folge insuffizien- ter Therapie darstellen. Tuberkulo- seerkrankungen sind heute grundsätz- lich durch Arzneimittel heilbar, wenn sie rechtzeitig einer effektiven Thera- pie zugeführt werden. Die Behand- lung der Tuberkulose ist hoch standar- disiert.

Weltweit wird dennoch beobach- tet, daß Ärzte nach Gutdünken von

den Therapieempfehlungen abwei- chen und die erforderlichen mikro- biologischen und klinischen Kontrol- len sowie die Überwachung von Com- pliance und Unverträglichkeitser- scheinungen unterlassen. Als Folge treten vermehrt Nebenwirkungen, Resistenzentwicklung, Therapiever- sager, Rezidive und chronisches Aus- scheidertum von resistenten Myko- bakterien auf.

Für den optimalen Verlauf einer Tuberkulosebehandlung ist es wichtig, daß die wirksamsten Erstrang-Tuber- kulotika Isoniazid, Rifampicin und Py- razinamid eingesetzt werden können.

Schnell wachsende Stämme von M. tu- berculosis werden durch Isoniazid ab- getötet. Rifampicin hat von allen Anti- tuberkulotika die stärkste Wirkung auf langsam wachsende Tuberkelba- zillen. Intrazellulär in Makrophagen lebende und sich vermehrende Myko- bakterien werden von Pyrazinamid abgetötet.

Ethambutol besitzt eine schwa- che antibakterielle Wirkung. Es wird mit dem Ziel eingesetzt, die Re- sistenzentwicklung einzuschränken.

Alternativ zu Ethambutol ist bei der Vierfachkombination auch Strep- tomycin als vierter Kombinations- partner einsetzbar, wobei die Appli- kation allerdings parenteral erfolgen muß.

In Regionen, in denen die Resi- stenzraten von M. tuberculosis niedrig sind, erfolgt die Standard-Therapie bei unkomplizierter Lungentuberku- lose mit der Dreierkombination für

A-1778 (30) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 28–29, 13. Juli 1998

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Tuberkulose

WHO spricht von globaler Notfallsituation

Die Ausbreitung der Infektionskrankheit soll durch kontrollierte Einnahme von Medikamenten eingedämmt werden.

D

Mit Hilfe von konventionellen Kulturen ist es nicht möglich, Tuberkulose-Bakteri- en rasch nachzuweisen. Für diese diagnostische Lücke von Tagen bis zu mehreren Wochen bieten sich die Amplifikationsverfahren wie Polymerasekettenreaktion, transkriptionsvermittelte Verfahren oder die Ligasekettenreaktion an. Foto: Abbott

Entwicklung der

Tuberkulose in den USA

Zwischen 1985 und 1992 wurde in den USA ein dramatischer Anstieg der Tuberkulosen um 20 Prozent in der Allgemeinbevölkerung und um 28 Prozent bei schwarzen Kindern beobachtet. Es kam zu Ausbrüchen mit multiresistenten Erregern und hoher Letalität. Nach Bericht der amerikani- schen Tuberkuloseexperten war diese Entwick- lung eine Folge des vorzeitigen Abbaus staat- licher Tuberkulose-Kontrollprogramme in den 80er Jahren. Nach Wiedereinführung strikter Tuberkulose-Kontrollprogramme im Jahr 1990 war ab 1992 in den USA wieder eine Abnahme der Tuberkuloseinzidenz zu beobachten. Mit 8/100 000 hatte die Tuberkuloseinzidenz 1996 den niedrigsten Stand seit Einführung der Tuber- kulosemeldepflicht im Jahr 1953 erreicht.

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zwei Monate, gefolgt von Isoniazid und Rifampicin für weitere vier Mo- nate. Die Phase der Intensivtherapie muß von wöchentlichen ärztlichen Kontrollen und regelmäßiger Prüfung der Laborsicherheitsparameter be- gleitet sein. Besonders ist auf Leber- toxizität zu achten, wobei nach Dr.

Tom Schaberg (Berlin) bei Risikopa- tienten wöchentliche Kontrollen durchgeführt werden müssen.

Bei Patienten mit offener Tuber- kulose muß neben der kulturellen An- züchtung des Erregers die Empfind- lichkeitsprüfung durchgeführt wer- den. Patienten mit offener Tuberkulo- se müssen in der Anfangsphase der Therapie isoliert werden. Mit einem Negativwerden von Spu-

tum-Mikroskopie und Kul- tur ist innerhalb von vier bis sechs Wochen zu rech- nen. Bei Patienten, die nicht mit einer Rückbil- dung der klinischen Sym- ptome, des Röntgenbefun- des und Negativierung des Sputumbefundes reagie- ren, müssen die Empfind- lichkeitstestung wiederholt und die Therapie entspre- chend angepaßt werden.

Entscheidend für den Therapieerfolg ist die Si- cherstellung der Compli- ance. Prof. Lee Reichman (Newark, USA) betonte

die Vorteile einer Anwendung der fi- xen Kombinationen von Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid in der Phase der Intensivtherapie und von Isoniazid und Rifampicin für die anschließende viermonatige Thera- piephase. Die beiden Kombinationen, die auch in den USA unter dem Handelsnamen Rifater (INH/RIF/

PZA) und Rifamate (INH/RIF) er- hältlich sind (in Deutschland Rifater® und Rifinah®), bieten die besten Vor- aussetzungen dafür, daß Ärzte und Patienten nicht eigenständige Verän- derungen an den Therapieempfehlun- gen vornehmen, die der Resistenzent- wicklung Vorschub leisten können.

Nach Reichman muß man damit rechnen, daß – je nach psychosozialer Situation – 30 bis 50 Prozent der Pati- enten die antituberkulöse Therapie nicht entsprechend Verordnung ein- nehmen. Wenn weniger als 90 Prozent

der verordneten Medikamente einge- nommen werden, steigt das Risiko der Resistenzentwicklung. Viele Patien- ten, die an einer unkomplizierten Lungentuberkulose erkrankt sind, ha- ben nur geringe Symptome. Die Ein- sicht in die Notwendigkeit der lücken- losen Therapie über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten muß daher immer wieder geweckt werden.

Eine Sondersituation besteht bei den Patienten, bei denen wegen feh- lender Kooperationsbereitschaft, Al- koholabusus, Drogenabhängigkeit und Obdachlosigkeit mit einer zuver- lässigen Einnahme der Antituberku- lotika nicht gerechnet werden kann.

Eine langfristige stationäre Behand-

lung kann nach Peter D. O. Davies (Liverpool) erforderlich sein, wenn die Patienten schwer krank sind und die Isolation bei offener Lungentu- berkulose anders nicht gewährleistet werden kann, sowie bei Patienten, bei denen ernste Nebenwirkungen der Antituberkulotika aufgetreten sind.

In den meisten Ländern sind die rechtlichen Grundlagen dafür ge- schaffen, daß Patienten, die sich den angebotenen Therapiekonzepten ent- ziehen, als letzte Alternative zwangs- weise in eine stationäre Behandlung eingewiesen werden.

Mit der Tuberkulosebehandlung unter kontrollierter Einnahme, mit der nach Davies im Vereinigten Königreich schon seit vielen Jahren Erfahrung besteht, läßt sich grundsätz- lich eine 100prozentige Compliance sichern. Für die kontrollierte Einnah- me müssen allerdings entsprechende

Einrichtungen geschaffen werden.

Die Einnahme kann in einem medi- zinischen Zentrum, beim Hausarzt oder zu Hause durch die Gemeinde- schwester überwacht werden, wobei verschiedene Einnahmeschemata an sechs, fünf, drei oder zwei Tagen der Woche möglich sind.

Die von der WHO propagierte DOTS-Strategie (directly observed treatment, short course) umfaßt ein Konzept, an das sich große Hoffnun- gen knüpfen, um der weltweiten Tu- berkuloseausbreitung Einhalt zu ge- bieten. Diese Strategie, die je nach der Sozial- und Gesundheitsstruktur ei- nes Landes in vielen Varianten durch- geführt werden muß, umfaßt eine Op- timierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Tu- berkulose von der Diagno- se über die Therapie bis zur Nachsorge.

Das wichtigste Ziel ist dabei, daß alle Personen mit Tuberkulose rasch identifiziert und einer ad- äquaten Therapie zugeführt werden. Der entscheiden- de therapeutische Teil ist die Einleitung der Tuber- kulosebehandlung durch kontrollierte Einnahme von vier hochwirksamen Antituberkulotika über zwei Monate und Fortset- zung der Therapie über weitere vier Monate mit der Kombi- nation Isoniazid und Rifampicin.

Bis vor kurzem standen die Mög- lichkeiten, DOTS zu praktizieren, nur für etwa zehn Prozent der Patienten zur Verfügung. Die WHO berichtet jedoch, daß im Laufe des Jahres 1997 bereits in 80 Ländern der Erde DOTS eingeführt oder die Einführung vor- bereitet werden konnte. DOTS ist bei Kosten von 100 US-Dollar für einen Standard-Therapiezyklus fraglos eine der kosteneffektivsten Therapien überhaupt. Dennoch sind in den am stärksten betroffenen Ländern der Erde die Mittel für die Medikamente nicht vorhanden, es fehlt an diagnosti- schen Einheiten und an ärztlicher und pflegerischer Betreuung. Neben man- gelndem öffentlichen Interesse stehen politische Faktoren der Umsetzung internationaler Unterstützung im We- ge. Dr. med. E. Gabler-Sandberger A-1779

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 28–29, 13. Juli 1998 (31)

Klinik der HIV-Tuberkulose-Doppelinfektion

Das Risiko, an Tuberkulose zu erkranken, ist bei HIV-Infizierten 80mal und im Stadium von AIDS 170mal so hoch wie bei nicht HIV-Infizierten. Die Koinfek- tion mit HIV und M. tuberculosis führt zu Wechselwirkungen, die für den Verlauf beider Infektionen ungünstige Folgen haben. Im klinischen Bild und im Anspre- chen auf die Chemotherapie entspricht die Mehrzahl der Tuberkulosen, die in der Frühphase der HIV-Infektion auftreten, den Verlaufsformen bei nicht HIV-Infi- zierten. Der Anteil der extrapulmonalen Formen liegt bei zehn bis 15 Prozent.

In 80 Prozent der Fälle sind die Röntgenbefunde der Lungentuberkulose bei HIV-Infizierten von denjenigen bei nicht HIV-Infizierten nicht zu unterscheiden.

Wenn die Immunsuppression jedoch zunimmt und die CD4+-Zellzahlen auf un- ter 200/µl absinken, muß mit zunehmend atypischen Röntgenbefunden ge- rechnet werden. Kavernenbildung fehlt bei offener Tuberkulose häufig. Der An- teil der generalisierten und extrapulmonalen Tuberkulosen nimmt auf mehr als 50 Prozent zu. Atypische Verläufe und kutane Anergie erschweren bei fortge- schrittener HIV-Infektion die Diagnose.

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