Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 35–36|
3. September 2012 A 1765Das Leser-Forum
PS Y CHOTHER A PIE
Ältere Menschen nehmen das Ange- bot noch zu wenig in Anspruch (DÄ 26/
2012: „Psychothera- pie älterer Men- schen: Vorbehalte in den Köpfen“ von Petra Bühring).
Antriebsverlust
Der Artikel ist ein wichtiger Beitrag zur Verdeutlichung relevanter Bar- rieren der Psychotherapie älterer Menschen. Ergänzend stellen wir ei- nen weiteren Punkt zur Diskussion:
Nach unserer Erfahrung ist eines der Hauptsymptome geriatrischer, depressiver Patienten der Antriebs- verlust, was den Therapiebeginn er- schwert. Wir fänden es förderlich, bei Bedarf von der in der Psycho- therapie üblichen Vorgehensweise abzuweichen, dass der Patient aktiv und selbstständig die Therapie in die Wege leiten muss. Vielmehr sollten der Hausarzt, Psychotherapeut oder Geriater/Psychiater auf die Pa- tienten zugehen im Sinne einer Ter- minvereinbarung für die ersten zwei bis drei (Probe-)Stunden. Danach sind die Vorbehalte des Patienten oft geringer, und er findet von sich aus den Antrieb zur weiteren Therapie.
Auch Faktoren wie organisierter Patiententransport bei fehlender Mobilität, Knüpfung des Therapie- beginns an Lebensereignisse wie Krankheit, Todesfall oder Heimein- weisung und Gruppentherapie bei Einsamkeit können die Akzeptanz erhöhen.
Dr. med. Jana Hummel, Dr. Dipl.-Psych. Cecilia Weisbrod,
Agaplesion Bethanien Krankenhaus, Geriatrisches Zentrum an der Universität Heidelberg, 69126 Heidelberg
Naivität oder Vorurteil?
Ist es Naivität, wenn Vorbehalte ge- gen die Psychotherapie älterer Menschen auf ein Vorurteil Freuds zentriert werden – oder geht es um ein Vorurteil gegenüber Freud und
S C O
Ä n b i 2 p s den Köpfen“von Pet
der Psychoanalyse? Im Beitrag über das Symposium der DPtV zeichnen die meisten zitierten Referent(inn)en denn auch ein differenziertes Bild zu den Hintergründen für das Phä- nomen der unzureichenden psycho- therapeutischen Versorgung älterer Menschen. Und Freud schrieb (mit 62 Jahren und wohl aus eigener Er- fahrung) auch: „Wir wissen nur das eine, dass die Eigenschaft der Be- weglichkeit psychischer Besetzun- gen mit dem Lebensalter auffällig zurückgeht. Sie hat uns eine der In- dikationen für die Grenzen der psy- choanalytischen Beeinflussung ge- liefert. Es gibt aber Personen, bei denen diese psychische Plastizität weit über die gewöhnliche Alters- grenze hinaus bestehen bleibt, und andere, bei denen sie sehr frühzeitig verloren geht.“ (GW XII: 151)
Dr. Jürgen Thorwart, 82223 Eichenau
HYGIENE
Die meisten Kran- kenhausinfektionen sind nicht vermeid- bar (DÄ 25/2012:
„Hysterie in Deutschland“ von Franz Daschner).
Bakteriologische Befunde interpretieren
. . . Die in der Laienpresse publi- zierten Zahlen von bis zu über 30 000 Todesfälle durch Kranken- hausinfektionen pro Jahr stammen aber doch von Krankenhaushygie- nikern, die selbst gelegentlich den Eindruck erwecken, als würden Tausende gesunder Deutscher am Tag der offenen Tür ein Kranken- haus besuchen und dort von Hospital- keimen ad exitum gebracht werden.
Was wir brauchen, sind Hygieniker wie Prof. Daschner, die bakteriolo- gische Befunde im klinischen Kon- text interpretieren.
Dr. med. Jens Köhler, Leiter der Sektion onkologi- sche Chirurgie, Oberarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, Klinikum Nürnberg Nord, 90419 Nürnberg
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Mehr Aufmerksamkeit
. . . Totale Keimfreiheit ist jedoch bei der gängigen Einschleppung von Keimen durch den täglichen Besucherstrom in Kliniken niemals zu erreichen. Da hilft kein Putzen oder Sprayen.
Bereits 1984 veröffentlichten die Klinik-Immunologen Hobbs und Byrom, dass mehr als 20 Prozent aller Londoner Hospital-Patienten eine im Immunlabor bestätigte T-zelluläre Immundefizienz aufwei- sen. Bei nur zwei Prozent wurden B-lymphozytäre Defizienzen nach- gewiesen.
Immunabwehrschwächen können mit relativ einfachen Methoden festgestellt werden:
Absolute Lymphozytenzah- len, Hautreaktionstests gegenüber bekannten Antigenen, LT-Test, NKZ-Test.
Höheres Lebensalter, Malnutrition (Hunger, Mangel an Nährstoffen), chronischer Disstress, protrahierte Kortison- oder Antibiotikaanwen- dungen, wiederholte Einnahme an- tientzündlicher Medikamente oder Zytostatika wirken negativ auf die T-lymphozytären Immunaktivitäten ein und sind Indikatoren für die Notwendigkeit eines erhöhten In- fektionsschutzes.
Als präventive Maßnahme gegen die sich anbahnenden totalen Anti- biotika-Multi-Resistenz-Folgen ist die regelmäßige präventive Verab- folgung von Mitteln zu fordern, welche die Abwehr fördern. Auf diesem Gebiet haben sich die seit mehr als einem Jahrhundert kli- nisch und praktisch bewährten Im- munpeptide und Stoffwechselakti- vatoren bewährt.
Wenn in den Kliniken den Immun- schwächlingen präventiv-diagnos- tisch und vorsorgend-therapeutisch mehr Aufmerksamkeit gewidmet würde, könnten die Hygiene-Hyste- rie abgemildert und die Hospitalis- mus-Infektions-Quote deutlich ab- gesenkt werden.
Dr. med. Günter Neumeyer, 21279 Hollenstedt
B R I E F E
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