• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Alle Macht im Gesundheitswesen liegt beim Regionalverband ... (Teil 2)" (17.04.1975)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Alle Macht im Gesundheitswesen liegt beim Regionalverband ... (Teil 2)" (17.04.1975)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Information:

Bericht und Meinung ASG-Gesundheitsprogramm

Alle Macht im

Gesundheitswesen liegt beim

Regionalverband ...

• Fortsetzung von Seite 1100

— nicht etwa nur in den dünnbesiedel- ten Gebieten — entbehrlich, wenn Arzt und Gemeindeschwester ständig zusammenarbeiten und aufeinander eingestellt sind. In das Bewußtsein der Bevölkerung muß die Einsicht einge- hen, daß der Arzt in der heutigen Medi- zin nur dann ganze Arbeit leisten kann, wenn er sein volles Instrumentarium zur Hand hat, und daß die Improvisa- tion des Hausbesuches leicht auch ihre gefährlichen Seiten für den Kranken haben kann."

Man beachte im letzten Absatz, daß — anders als in Schweden oder Großbritannien — hier der Gemeindeschwester die Kompe- tenz darüber zugesprochen wird, über die Notwendigkeit ärztlichen Einsatzes zu entscheiden. An einer solchen Stelle wird besonders deutlich, daß der ärztliche Einfluß in der ASG wohl schon entschei- dend geschwächt ist.

Im folgenden kommt ein Lieblings- kind aller linken Theoretiker, er- staunlicherweise hier aber durch die Beschränkung auf „soweit er- forderlich" gemildert. Daß dies nicht nur eine reservatio mentalis ist, geht aus der ausführlichen Be- gründung hervor, an der offensicht- lich Krankenhausexperten mitge- wirkt haben:

„6.1.3 Zulassung von Krankenhäusern An der Sicherung der ambulanten Ver- sorgung werden, soweit erforderlich, auch Krankenhäuser und andere Ein- richtungen der medizinischen Versor- gung neben den Gruppenpraxen betei- ligt. Zur ambulanten Nach- und Weiter- behandlung bestimmter Krankheiten im Anschluß an stationäre Behandlung werden die Krankenhäuser regelmäßig zugelassen.

Unumschränkte Einbeziehung der Kran- kenhäuser in die ambulante Versorgung

würde in einem Integrierten System zu überwiegenden Nachteilen führen. Die heute allerdings im Vergleich zur am- bulanten Versorgung besseren Mittel des Krankenhauses müssen auf andere Weise der ambulanten Versorgung ver- fügbar gemacht werden. Denn die Re- duzierung der Bettenzahl, die möglich ist und die um der sparsamen Verwen- dung der Mittel willen erreicht werden muß, führt unvermeidlich auch zur Ver- minderung der Zahl der Ärzte in der stationären Versorgung. Den Kranken aber könnte nicht damit genutzt sein, daß — als Folge mindestens auch da- von — Assistenten während ihrer Fach- arztausbildung die ambulante Versor- gung wahrnehmen, wo erfahrene Fach- ärzte benötigt werden.

Auch stört die Belastung mit dem am- bulanten Betrieb die straffe Organisa- tion des Krankenhauses. Sie führt un- vermeidbar zu erhöhten Kosten, wo ra- tionelle Gliederung der Aufgaben vor- dringliche Forderung sein muß.

Physisch aber käme die generelle Be- teiligung der Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung stets nur dem kleinen Teil der Bevölkerung zugute, der in der Nähe von Krankenhäusern wohnt, dort aber (mangelt) es auch jetzt nicht an niedergelassenen Fach- ärzten."

Der nächste Unterabschnitt befaßt sich mit der stationären Versor- gung. Er wird eingeleitet mit einer Definition der Aufgaben des Kran- kenhauses:

„6.2. Stationäre Versorgung

Das Krankenhaus wird im Integrierten System der Medizinischen Versorgung durch Medizintechnische Zentren und durch die Abgabe des größten Teils der Diagnostik an den ambulanten Be- reich instand gesetzt, seine Kräfte ganz der Behandlung derjenigen Kranken zu widmen, die der besonderen Mittel des Krankenhauses zur optimalen Behand- lung bedürfen.

6.2.1 Krankenhaus als Therapeutikum Im Integrierten System ist das Kranken- haus im allgemeinen ein reines Thera- peutikum, also Stätte der Behandlung, nicht der Diagnostik."

Hierzu heißt es im Ergänzungs- band:

„Stationäre Diagnostik, also die Auf- nahme in ein Krankenhaus zur Klärung der Diagnose kann im Integrierten Sy- stem seltene Ausnahme sein, von den Notaufnahmen selbstverständlich abge- sehen. Denn selbst wo im Zuge diagno- stischer Maßnahmen die begleitende oder nachfolgende Überwachung des Kranken zur Vermeidung von Zwi- schenfällen geboten ist (,invasive Dia- gnostik' u. dgl.), genügen Beobach- tungszimmer in Hotels, die räumlich, technisch und personell sehr viel weni- ger aufwendig sein dürfen als die Kran- kenhausstation. Für die Einsparung von Krankenhausleistungen und damit Ko- sten ist dies ein besonders gewichtiger Punkt.

Verlaufsbeobachtung andererseits mit den Mittel der Medizintechnik ist nicht Diagnostik. Sie gehört zur Krankheits- behandlung."

Man muß dies im Zusammenhang sehen, um zu bemerken, daß die Vermengung von Ideologie und Theorie hier unversehens nicht zu einer Vereinfachung, sondern zu einer Vermehrfachung der Einrich- tungen führt — und das zum Zweck der „Rationalisierung".

Denn: Die Diagnose soll Aufgabe des ambulanten Bereichs sein, was auch heute der Fall ist. Bestimmte Teile der Diagnostik sollen aller- dings vom ambulanten Bereich und vom Krankenhaus an die Medizin- technischen Zentren abgegeben werden — die zweite Säule. Die

„Verlaufsbeobachtung" aber wird kurzerhand zu einem Bestandteil der Therapie erklärt. Daß jedoch ein großer Teil der diagnostischen Einrichtungen der Krankenhäuser gerade der Verlaufsbeobachtung dient, wird dabei nicht berück- sichtigt. Das Ganze bedeutet also, daß es diagnostische Einrichtun- gen in den Gruppenpraxen, in den Medizintechnischen Zentren und im Krankenhaus geben muß — es ist schier unverständlich, daß die- selben Leute so etwas erfinden, die sich heute über „Doppeldiagno- stik" beklagen.

Die weiteren Absätze dieses Ab- schnittes befassen sich mit der ge- stuften Pflege von der Intensivpfle- ge bis zur Minimalversorgung, mit der Gliederung der Krankenhäuser

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 17. April 1975

1105

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

ASG-Gesundheitsprogramm

vom Allgemeinkrankenhaus bis zum Spezialkrankenhaus, mit teil- stationären Einrichtungen, mit der stationären Versorgung 'von psy- chisch Kranken und mit der inneren Organisation der Krankenhäuser.

In diesem Abschnitt ist ein Mitbe- stimmungsmodell niedergelegt, das allerdings bei der Delegierten- konferenz derart heftig umstritten war, daß es nicht lohnt, es hier zu dokumentieren.

Ein weiteres Element des vorge- schlagenen Systems ist der Be- triebsmedizinische Dienst:

„6.4. Betriebsmedizinischer Dienst Die Einrichtungen des Betriebsmedizini- schen Dienstes bilden ein Netz unter- nehmensunabhängiger Arbeitsgruppen von Ärzten und Angehöriger anderer medizinischer Fachberufe, die alle Ar- beitnehmer ihres regionalen Bereiches unabhängig von der Betriebsgröße ar- beitsmedizinisch betreuen."

Damit wird das gerade durch das neue Betriebsärztegesetz einge- führte System von Werksärzten kurzerhand in den Papierkorb ge- worfen und ein neuer spezieller Apparat für die Arbeitsmedizin ge- schaffen. Ob die Unternehmer bei dieser Gelegenheit von den Kosten des werksärztlichen Dienstes be- freit werden würden, steht nicht im Entwurf.

Doch damit nicht genug: Daneben wird noch ein weiteres Netz aufge- spannt:

„6.6. Kommunaler Gesundheitsdienst und Vorsorge-Beratungsstellen

Vorsorgeberatung und Jugendgesund- heitsdienst — unter Einschluß der Ju- gendarbeits- und der Musterungsunter- suchungen — sowie Schwangerenbera- tung und Mütterschulung werden von den Einrichtungen des Kommunalen Gesundheitsdienstes gelenkt und weit- gehend auch durchgeführt.

Alle genannten Aufgaben werden im In- tegrierten System der Medizinischen Versorgung in sehr viel engerer Ver- flechtung mit der ambulanten Versor- gung erfüllt, als das bisher der Fall

war. Der kommunale Gesundheitsdienst wird dabei die Ausführung nur dann selbst übernehmen müssen, wenn sie anderweit nicht wahrgenommen wer- den können, insbesondere nicht von den Ärzten der Gruppenpraxen.

Im Jugendgesundheitsdienst wird das häufig der Fall sein. Für ihn muß ein neues Fachgebiet des Jugendarztes herausgebildet werden, das durch Wei- terbildung von verschiedenen Fachge- bieten aus erreichbar sein sollte."

Immerhin: Zumindest theoretisch kann danach sogar die Musterung für die Bundeswehr von den Allge- meinärzten in den Gruppenpraxen ausgeführt werden.

Die vom Wirtschafts- und wissen- schaftlichen Institut des DGB vor längerer Zeit propagierten „MTZ"

stellen auch für die ASG ein we- sentliches Element ihres Systems dar:

„6.7. Medizintechnische Zentren Alle Apparaturen der diagnostischen Technik jeder Subregion werden in Me- dizintechnischen Zentren zusammenge- faßt, und zwar in räumlicher Nachbar- schaft zum Krankenhaus, aber unter gesonderter Betriebsführung und unter Mitwirkung der Ärzte der ambulanten und stationären Versorgung an der Lei- tung.

Die Medizintechnischen Zentren stehen allen Einrichtungen der ambulanten und der stationären Versorgung wie auch den medizinischen Diensten ihrer Subregion zur Verfügung.

Medizintechnische Zentren nehmen nicht selbst ärztliche Diagnostik wahr, sondern sie liefern dafür die Unterla- gen. Sie ermöglichen damit dem ambu- lanten Bereich vollwertige Diagnostik chancengleich mit dem stationären Be- reich. Das ist Voraussetzung einer Überwindung der Kluft zwischen den Bereichen. Die Medizintechnischen Zentren ermöglichen die kollegiale Ent- scheidung aller im individuellen Fall beteiligten Ärzte an der Entscheidung darüber, ob Krankenhausbehandlung erforderlich ist oder ob die Behandlung ambulant geführt werden kann. Sie las- sen beim Übergang zur Krankenhaus- behandlung die Wiederholung diagno- stisch-technischer Maßnahmen vermei- den.

An der Leitung der Medizintechnischen Zentren müssen die Ärzte beider Berei- che, die im Versorgungsbereich tätig sind, gleichrangig beteiligt sein. Das bestimmt die Organisation des Trägers, der im allgemeinen aus Krankenhaus und Gruppenpraxen zu gleichen Teilen gebildet sein wird. Allenfalls in Ausnah- mefällen sollte der Regionalverband der Medizinischen Versorgung selbst Träger sein."

Hier eine Zwischenbemerkung:

Dies ist eine derjenigen Stellen, welche die oben zitierte Einleitung über die Beibehaltung der „ge- wachsenen" Vielfalt der Einrichtun- gen im ambulanten und stationären Bereich und die unter 6.1.1 konzi- dierte „Berechtigung" aller Formen der ärztlichen Praxis entlarvt: Aus dem ambulanten Bereich werden nur die Gruppenpraxen als Mitträ- ger der MTZ genannt. Weiter geht es in Abschnitt 6.7.:

„Die Betriebsorganisation der Medizin- technischen Zentren muß den Bedarf von Nacht- und Notfalldiensten an dia- gnostischer Technik Rechnung tragen.

Dieser Bedarf kann hier mit geringem Personalaufwand rationell gedeckt wer- den, zumal für diesen Bedarf mehr und mehr einfache Verfahren entwickelt werden.

Schließlich werden die Medizintechni- schen Zentren den steigenden Bedarf der Präventivmedizin an diagnostischer Technik im Rahmen von Vorsorgeunter- suchungen (Filteruntersuchungen) ra- tioneller decken können."

Bemerkenswert war bei der Dele- giertenversammlung in der Diskus- sion zu diesem Punkt die Frage ei- nes Teilnehmers, wie es denn in diesem zukünftigen System mit der Röntgenologie stünde. Mitglieder des Arbeitskreises, der das Modell erarbeitet hatte, erklärten auf diese Frage ganz offen: Die Röntgendia- gnostik in der ambulanten Praxis ist damit tot. Und man betonte, daß dies durchaus gewollt sei.

Schließlich gehört noch das „ZIS"

zum System:

„6.8. Das Informationssystem

Für Informationsaustausch und Infor- mationsspeicherung als wesentlichen

1106 Heft 16 vom 17. April 1975

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Die Information:

Bericht und Meinung

Teil der Integration der medizinischen Versorgung wird ein Netz von Informa- tionsdiensten gebildet. Es stellt die Technologie der Datenverarbeitung und der Informationsübermittlung allen Ein- richtungen der medizinischen Versor- gung unter strenger Beachtung des Da- tenschutzes zur Verfügung und ver- knüpft in jeder Region die Medizintech- nischen Zentren zusammen mit all ih- ren Benutzern.

Rationelle medizinische Versorgung ist

— im Krankenhaus wie im ambulanten Bereich — nicht mehr ohne Datenver- arbeitung möglich. Sicherung des Da- tenschutzes, also des Verschwiegen- heitsanspruchs jedes Bürgers, ist dabei oberstes Gebot. Ohne Zustimmung des Betroffenen darf über identifizierbare Daten niemand verfügen."

Es ist kaum vorstellbar, daß die Verfasser über den Sprengstoff, den sie in diese wenigen Sätze hin- einbrachten, überhaupt nachge- dacht haben. Durch das Informa- tionssystem, das die Medizintech- nischen Zentren miteinander ver- knüpft, wird ein Apparat aufgebaut, der in sich über das ganze Bun- desgebiet hin verzahnt sein kann.

Da die Personenkennzahl als Iden- tifizierungsmerkmal zur Verfügung steht, ist es theoretisch möglich, falls ein solches System durchkon- struiert ist, daß ein Kranker in Gar- misch-Partenkirchen Unterlagen über eine frühere Behandlung in Hamburg blitzartig zur Verfügung gestellt bekommt. Dies hört sich ganz phantastisch an. Nun wird die Benutzung dieses Systems einge- schränkt durch die für jeden Fall verlangte Zustimmung des Betrof- fenen. Was geschieht, wenn dieser eine solche Zustimmung zu geben entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage ist? Ein „rationelles" Sy- stem erzwingt von seinen Benut- zern die Anpassung an dessen Ra- tionalität. Was für Sanktionen muß es geben, um die Anpassung zu er- zwingen?") Und wie will in einem solchen Falle Hamburg kontrollie-

Vielleicht sagt Ziffer 7.4.8 genügend darüber aus? Da heißt es nämlich:

„ Ein Versicherter, der hartnäckig der Mitwirkung an seiner Wiederherstel- lung ... sich entzieht ...., kann zu den entstandenen und entstehenden Kosten bis zur Hälfte herangezogen, die ihm zustehenden Barleistungen kön- nen bis zur Hälfte gekürzt werden ..."

ren, ob eine rechtsgültige Zustim- mung vorliegt? Es ist vorausseh- bar, daß ein solches System sich gegenüber seinen Benutzern in kurzer Zeit verselbständigt.

Diese einzelnen Elemente ihres Sy- stems will die ASG nun in einem strenggeplanten Netz einer neuarti- gen Organisationsstruktur zusam- menfassen. Über diese Organisa- tionsstruktur heißt es einleitend:

„7. Organisationsstruktur

Alle Einrichtungen der Medizinischen Versorgung im Bundesgebiet werden zusammengefaßt in einem nach bun- deseinheitlichen Regeln organisierten

und einheitlich nach Regionen und Sub- regionen gegliederten System. Sie werden dezentral geleitet von einer ge- meinsamen Selbstverwaltungsorganisa- tion.

Das Grundgesetz (Artikel 72) gebietet, die ,Einheitlichkeit der Lebensverhältnis- se' zu wahren. Im Bereich der sozialen Infrastruktur, zu der die medizinische Versorgung gehört, ist dies — ange- sichts der schwerwiegenden Unter- schiede zwischen Ballungsgebieten ei- nerseits, den dünnbesiedelten Gebieten andererseits — nur mehr möglich, wenn die medizinische Versorgung nach einheitlichen Prinzipien neugeord- net wird.

7.1. Planung

Das Ziel einer in allen Teilen des Bun- desgebietes und dabei rationell arbei- tenden medizinischen Versorgung kann ohne Planung und ohne Sicherung des Planvollzuges nicht erreicht werden."

Warum in Absatz 2 von Ziffer 7

„schwerwiegende Unterschiede"

auch „einheitliche Prinzipien" er- fordern, bleibt offen — vernünfti- gerweise würde man sagen, daß solche „schwerwiegenden Unter- schiede" auch unterschiedliche, an die jeweiligen Bedürfnisse ange- paßte Maßnahmen bewirken müß- ten. Offenbar soll diese sehr ideo- logisch aussehende Formulierung jedoch äußerst Praktisches vorbe- reiten, nämlich die Berechtigung liefern für die Ziffer, die dann folgt:

„7.1.1 Bundesrahmenplan

Die Aufstellung eines Rahmenplanes und die Festlegung von bundeseinheit- lichen Normen für die medizinischen Einrichtungen wie von Standards der medizinischen Leistungen obliegt der Bundes-Selbstverwaltungskörperschaft für die Medizinische Versorgung. Pläne, Normen und Standards bedürfen je- doch der Zustimmung der Bundesregie- rung und des Bundesrates und der Feststellung durch den Bundestag."

Die Zuständigkeit der Länder für das Gesundheitswesen, wie sie das Grundgesetz festlegt, wird zwar an- erkannt, jedoch durch die Defini- tion der Aufgaben der Länder prak- tisch ausgehöhlt:

„7.1.2 Länderzuständigkeiten

Sache der Länder ist, die Anwendung der bundeseinheitlichen Normen den regionalen Besonderheiten gemäß zu sichern und die medizinische Versor- gung mit der gesamten Infrastruktur je- des Landes zu koordinieren. Den Län- dern obliegt auch, in ihrem Bereich zu sichern, daß alle weiteren Aufgaben, die den Einrichtungen der medizini- schen Versorgung übertragen werden, einheitlich erfüllt werden können."

Mehr als Ausführungsbehörde ein- heitlicher Richtlinien werden die Länder danach nicht mehr sein.

Die praktische Tätigkeit wird viel- mehr ganz neuen Instanzen über- tragen:

„7.2. Regionalisierung

Gliederungseinheit der medizinischen Versorgung für ihre Verwaltung wie für die Beschlußorgane ihrer Selbstverwal- tung sollen Regionen sein, wie sie in der Raumordnung und Landesplanung der Länder bereits gebildet oder vorge- sehen sind, also regionale Einheiten von in der Regel etwa 1 bis 1,5 Millio- nen Einwohnern.

Für die medizinische Versorgung müs- sen diese Regionen untergegliedert werden in Subregionen mit etwa 100 000 bis 150 000 Einwohnern..."

und im Ergänzungsband geht es weiter entsprechend den Großkreisen u. ä., die die Länder im Zuge der Ge-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 17. April 1975 1107

(4)

Die Information:

Bericht und Meinung

ASG-Gesundheitsprogramm

bietsneugliederung der kommunalen Körperschaften geschaffen haben. Die regionale Gliederung der medizini- schen Versorgung soll sich also soweit wie möglich decken mit der künftigen Verwaltungsgliederung der Länder."

Subregionen dieser Größenord- nung gibt es bereits in dem Ge- setzentwurf für die Einführung ei- nes staatlichen Gesundheitsdien- stes, den vor Jahren der italieni- sche Linkssozialist Mariotti zum er- stenmal eingebracht hat und der in variierter Form noch immer dem italienischen Parlament vorliegt.

Auch die Verwaltungs- und insbe- sondere Selbstverwaltungsstruktu- ren entsprechen weitgehend die- sen italienischen Modellen der

„Unita Sanitari Locali":

„7.2.1 Regionalverband der medizinischen Versorgung

Verwaltungseinrichtung für die medizi- nische Versorgung der Region ist der Regionalverband als Fachselbstverwal- tung. Ihm obliegen die Organisation und die Finanzierung. Er stellt die medizini- sche Versorgung in der Region sicher und ist berechtigt, Einrichtungen auch selbst zu schaffen und zu unterhalten."

Hierzu gibt es im Ergänzungs- band allerdings einen recht seltsa- men Zusatz, der mit dem vorherge- henden Text nicht ganz vereinbar ist:

„Die Fachverwaltung des Regionalver- bandes soll Einrichtungen der medizini- schen Versorgung zwar schaffen, wenn die Initiative anderer Stellen nicht aus- reichend geweckt werden kann. Sie soll jedoch nicht als Träger solcher Einrichtungen fungieren, sondern hier- für dezentrale Betriebsgesellschaften u. ä. ins Leben rufen.

Es wird davon ausgegangen, daß auch in Zukunft kommunale Körperschaften und gemeinnützige Verbände ihre Auf- gabe in der Schaffung und im Betrieb von Krankenhäusern u. dgl. sehen, und daß die freiberuflich niedergelassenen Ärzte ihre Gruppenpraxen selbst schaf- fen und geeignete Rechtsträger für sie

— unabhängig von der unvermeidli- chen Fluktuation der darin tätigen Ärzte

— entwickeln werden."

Weiter in dem Organisationssy- stem:

„7.2.2 Rechtsstellung

und Selbstverwaltungsorgane

Jeder Regionalverband der Medizini- schen Versorgung ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. Seine Selbstver- waltungsorgane sind die Delegierten- versammlung und der Vorstand.

Die Delegiertenversammlung wird zu je einem Drittel gebildet von gewählten Repräsentanten der Krankenversiche- rung (Versichertenvertreter), der in der medizinischen Versorgung Tätigen und der Kommunalparlamente.

Der Vorstand besteht aus hauptberuf- lich tätigen Fachleuten, die von der De- legiertenversammlung auf Zeit gewählt werden."

Die Einführung einer Drittelparität mit Hilfe der Kommunalparlamente steht auch in den italienischen Ent- würfen. Sie politisiert die Selbst- verwaltung der medizinischen Ver- sorgung institutionell. Aber auch noch andere Institutionen reden hinein:

„7.2.3 Planung und Planvollzug

Für die medizinische Versorgung jeder Region wird ein Plan der Medizini- schen Versorgung vom Planungsstab beim Regionalverband der Medizini- schen Versorgung aufgestellt und pe- riodisch der Entwicklung angepaßt. Der Plan bedarf jeweils der Zustimmung der kommunalen Gebietskörperschaften der Region, soweit ihr Bereich davon betroffen ist, und der Zustimmung der Delegiertenversammlung.

Der Plan wird, wenn er den bundesein- heitlichen Normvorschriften und den Richtlinien der Landesplanungsbehörde entspricht, von der Landesregierung dem Landesparlament zur Feststellung vorgelegt.

Für den Planvollzug müssen dem Re- gionalverband der großmedizinischen Versorgung die Instrumente in die Hand gegeben werden, mit denen er Verteilungsschwierigkeiten bewältigen kann, wie auch Steuerungsprobleme bei Überhang von medizinischen Fach- kräften, insbesondere von Ärzten.

7.3. Einbezogene Körperschaften Der Regionalverband der Medizini- schen Versorgung hat mit den Verbän- den der Träger der Krankenversiche- rung, dem Regionalverband der Kran- kenhäuser und mit der Kassenärztli- chen und Kassenzahnärztlichen Verei- nigung eng zusammenzuarbeiten.

7.3.1 Krankenkassen

Die gesetzliche Krankenversicherung und ihre Gliederung werden nicht ein- geschränkt.

Die Krankenkassen bilden in jeder Re- gion einen Verband jeder Kassenart und diese Verbände einen regionalen Spitzenverband der gesetzlichen Kran- kenversicherung."

Der Abschnitt über die Kassenärzt- lichen Vereinigungen ist einer der längsten Einzelparagraphen im ganzen Entwurf. Mit der heutigen KV ist das von der ASG geplante Gebilde jedoch kaum mehr zu ver- gleichen:

„7.3.2 Kassenärztliche Vereinigungen Die Kassenärztlichen und die Kassen- zahnärztlichen Vereinigungen werden nach Regionen strukturiert. Sie sind Abrechnungsgenossenschaften der Kassenärzte (Kassenzahnärzte). Jede Kassenärztliche Vereinigung in der Re- gion ist Körperschaft des öffentlichen Rechts."

Im folgenden wird aus Vereinfa- chungsgründen das Wort Kassen- zahnarzt und Kassenzahnärztliche Vereinigung weggelassen. Übri- gens: Eine einfache Division ergibt, daß es damit statt der bisherigen 18 zwischen 45 und 60 Kassenärzt- liche Vereinigungen geben wird.

Weiter:

„Die Kassenärztlichen Vereinigungen aller Regionen bilden gemeinsam die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Jeder Kassenarzt wird mit der Zulas- sung ordentliches Mitglied der Kassen- ärztlichen Vereinigung seiner Region."

• Wird in Heft 17/1975 fortgesetzt

1108

Heft 16 vom 17. April 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Man unterscheidet zwei Arten von Pillen, die sich in ihrer Zusammensetzung und auch hinsichtlich ihrer Wirkung und Sicherheit unterscheiden – es sind die Mikro- und die Minipillen?.

Selbst als sie sich nach dem Tod Friedrich Hoffmanns ohne Zögern mit all ihren Kennt- nissen und Erfahrungen, aber auch mit der ganzen Strenge ihrer christlichen Gewissen-

Bei Überempfindlichkeit gegen Acetylsalicylsäure oder andere nicht- teroidale Entzündungshemmer (z. in Form von Asthmaanfällen, Hautreaktionen, akuter Rhinitis) nur unter

Der Schmetterling hatte herrliche Farben: grün, blau, gelb und schwarz.. Der Schmetterling hatte herrliche Farben: hellgrün, blau, gelb

Schutzimpfung gegen Masern: Häufig gestellte Fragen und Antworten. Bayerisches Ärzteblatt 5/2015: Masern-Infektion, Folgeerkrankungen und

Während Hausärzte künftig grund- sätzlich eine Kopfpauschale erhalten sol- len, werden die Fachärzte nach Fallpau- schalen und Leistungskomplexen hono- riert.Auch hier findet sich

Allgemeine Ärztliche Ge- sellschaft für Psychotherapie, Berufsverband Deutscher Nervenärzte, Deutsche Ge- sellschaft für Analytische Psy- chotherapie, Deutsche Ge- sellschaft

Beim RVR haben sich seit der Neugründung die Verwal- tungsspitze sowie die Politik für die Berücksichtigung von Gender Mainstreaming entschieden und setzen diesen Leitgedanken