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Archiv "Alle Macht im Gesundheitswesen liegt beim Regionalverband ... (Teil 1)" (17.04.1975)

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Die Information:

Bericht und Meinung

zung auf die Preise hat man dort wohl noch nie gehört. Oder soll das Überwälzen schlicht verboten werden? Doch auch in einer total sozialisierten Wirtschaft, in der eine offene Überwälzung unterbunden werden könnte, muß letztlich einer bezahlen. Wer aber wird das sein, wenn — wie die Judos fordern — jeder nur mehr 6 Stunden und 30 Minuten täglich arbeiten darf?

Sowohl die ASG wie Jusos und Ju- dos sind sich im klaren darüber, daß ihre Vorstellungen Widerstän- den begegnen werden. Sie orten sie, entsprechend ihrer Ideologie, bei Kapitalinteressen und dem Dünkel von „ständischen Ärzten und Apotheker-Organisationen".

Gegner sieht hier auch der SPD- Parteivorsitzende Willy Brandt. Auf dem Kongreß der „Arbeitsgemein- schaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen" ahnt er voraus,

„daß beträchtliche Widerstände bei denen zu überwinden sein werden, die, wie es in ihrer Sprache heißt

— ihren ,Besitzstand' erhalten wol- len." Doch „fortschrittliche Ge- sundheitspolitik" setzt wie aller Fortschritt auf die Jugend. Die Verfasser des „OR '85" der SPD hoffen auf die steigende Zahl medi- zinischer Hochschulabsolventen, de- ren Wunsch nach mehr ärztlicher Zusammenarbeit und eigener Frei- zeit einem integrierten System durchaus entspricht". Was die Kooperation angeht, so haben die OR-Verfasser sicher recht, und da dürfen sie sogar dte „Alten" einbe- ziehen. Aber welch materialistischen Auffassungen huldigen die Verfas- ser, wenn sie glauben, mit mehr Freizeit junge Ärzte veranlassen zu können, einen großen Teil der Frei- heit, die sie heute haben, aufzuge- ben? Sollte es freilich so weit ge- kommen sein, dann ist es zur „Bra- ve New World" nicht mehr weit.

(Die gesundheitspolitischen Pro- gramme von ASG, Jusos und Ju- dos werden nachfolgend und in den nächsten Heften im einzelnen dokumentiert und kommentiert.

Die Originalzitate sind durch einen kleineren Schriftgrad kenntlich ge- macht.) Norbert Jachertz

Der Entwurf für „Gesundheitspoliti- sche Leitsätze" der bisherigen Ar- beitsgemeinschaft sozialdemokrati- scher Ärzte und Apotheker (ASÄ), über den bereits in Heft 7 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES vom 13. Februar auf den Seiten 405 und 406 referiert worden ist, wurde bei einer Delegiertenversammlung der ASÄ Anfang März in Arbeitskreisen und Plenum diskutiert. Die Tagung stand unter dem Motto „Medizini- sche Versorgung: Reform mit Au- genmaß". Die ASÄ änderte bei die- sem Kongreß ihren Namen in „Ar- beitsgemeinschaft der Sozialdemo- kraten im Gesundheitswesen — ASG" und nahm einen Sozialarbei- ter und einen Gewerkschaftsfunk- tionär in den Vorstand auf. ASÄ- Vorsitzender Dr. Hans Bardens MdB hatte nicht mehr für den Vor- stand kandidiert. Die Delegierten- konferenz beschloß, den Entwurf der Gesundheitspolitischen Leitsät- ze „tendenziell zu billigen"; er soll von verschiedenen Gremien weiter überarbeitet und dem Bundesvor- stand der SPD als Arbeitsmaterial zugeleitet werden.

Der Entwurf wird im folgenden in Auszügen in der Form dokumen- tiert, wie er der Delegiertenver- sammlung vorgelegt worden ist.

Formelle Änderungsbeschlüsse wurden dort nicht gefaßt; die ver- schiedenen in den Arbeitskreisen erarbeiteten Änderungsvorschläge sind dem Entwurf lediglich als Ma- terial beigegeben, zum Teil auch gar nicht ausformuliert worden. Die Dokumentation konzentriert sich auf diejenigen Abschnitte, die mit der ärztlichen Versorgung in Praxis und Krankenhaus sowie der Orga- nisation und Finanzierung des „Sy-

stems der integrierten medizini- schen Versorgung" zusammenhän- gen.

Ausgangspunkt für das „Integrier- te" System ist die Feststellung im Absatz 4.2.:

„Heutige Mängel:

Fehlende Verflechtung

Die jetzige medizinische Versorgung in der Bundesrepublik ist charakterisiert durch die starre Abgrenzung zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich. Ihr fehlen Kontinuität, Kommu- nikation und Kooperation. Daraus fol- gen Lücken im Behandlungsverlauf, vermeidbare Wiederholungen medizini- scher Leistungen, unverhältnismäßig lange Dauer der Krankenhausbehand- lung, übermäßige Kosten, vermeidbare finanzielle Belastungen der Versicher- ten und der öffentlichen Haushalte und

vermeidbare zeitliche Belastung der Patienten."

Der Begriff der „Integration", der diesen „Mißständen" abhelfen soll, wird folgendermaßen definiert:

„5.1 Integration

der medizinischen Versorgung Die verhängnisvollen Folgen des Feh- lens der Verflechtung können nur durch Integration des Systems der me- dizinischen Versorgung überwunden werden.

5.1. Mittel der Integration

Die Teilbereiche der medizinischen Versorgung müssen durch organisatori- sche und technische Mittel, insbeson- dere durch zentrale Informationssyste- me und durch Medizintechnische Zen- tren miteinander verzahnt werden. >

Alle Macht im Gesundheitswesen liegt beim Regionalverband ...

... postuliert das Programm der

„Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen"

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 17. April 1975 1099

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung ASG-Gesundheitsprogramm

5.2. Dezentralisation

Soll Integration mit Bürgernähe einher- gehen, so muß das System der Medizi- nischen Versorgung dezentral organi- siert werden."

Der Abschnitt 6., der die Einrich- tungen der medizinischen Versor- guhg nach dem ASG-Modell im einzelnen aufzählt, wird durch eine salvatorische Generalklausel ein- geleitet, die jedoch insgesamt in den folgenden Einzelziffern wider- legt wird:

„Die Integration der medizinischen Ver- sorgung soll die wachsende Vielfalt der Einrichtungen im ambulanten und im stationären Bereich nicht aufheben."

Der Teil des Abschnittes über die ambulante Versorgung wird einge- leitet mit der Ziffer 6.1.:

„Ambulante Versorgung

Die Erweiterung der Aufgaben der am- bulanten Versorgung in einem Integrier- ten System erfordert neue Formen der Kooperation der Ärzte untereinander und das partnerschaftliche Zusammen- wirken zwischen den Ärzten und allen anderen Fachberufen des Gesundheits- wesens. Sie erfordert auch neue Ein- richtungen."

Als erste Einrichtung wird genannt:

„6.1.1 Ärztliche Praxen

Regelform der ärztlichen Berufstätigkeit in der ambulanten Versorgung soll im integrierten System die Kooperation in der fachübergreifenden Gruppenpraxis sein, der mindestens die Ärzte in der primärärztlichen Versorgung angehö- ren, also Allgemeinärzte und Interni- sten, Kinder- und Frauenärzte sowie Zahnärzte, darüber hinaus je nach der Einwohnerzahl des Versorgungsberei- ches auch die Ärzte der anderen Fach- gebiete. In kleineren Gruppenpraxen, wie sie zumal in den zentralen Orten der dünnbesiedelten Gebiete benötigt werden, halten die Fachärzte regelmä- ßige Sprechstunden ab.

In die Arbeit der Gruppenpraxen muß die Kooperation der Ärzte mit Sozialar- beitern und Psychologen organisch ein- bezogen werden."

In einem Ergänzungsband, den die Arbeitsgruppe „Leitsätze" der ASG in der Delegiertenkonferenz zu- sätzlich vorgelegt hatte, heißt es hierzu noch:

„Die besondere Förderung der fach- übergreifenden Gruppenpraxis soll nicht zur Unterdrückung von Einzelpra- xis und fachspezifischer Gruppenpraxis führen. Mindestens in den Kernstädten und Außenzonen der Verdichtungsge- biete können alle Formen der ärztli- chen Praxis ihre Berechtigung haben.

In den ländlichen, vor allem in den dünnbesiedelten Gebieten allerdings wird eine allgemeinärztliche und fach- ärztliche ambulante Versorgung, die der in den Verdichtungsgebieten gleichkommt, nur durch Zentralisierung der Ärzte in Gruppenpraxen an den Siedlungsschwerpunkten erreicht wer- den können. Durch Außensprechstun- den kann das Netz der ärztlichen Ver- sorgung verdichtet, durch ein speziel- les Bussystem kann den Bürgern auch kleiner Gemeinden zumindest an je be- stimmten Wochentagen der Weg auch zum Facharzt erleichtert werden.

Kerngruppe jeder fachübergreifenden Gruppenpraxis sollten die Ärzte für All- gemeinmedizin (Allgemeinärzte) sein.

Ihre Arbeit, zunächst aber ihre Heran- bildung und Fortbildung, müssen des- halb besonders gefördert werden."

Hier taucht also eine „Regelform"

für die Gestaltung der ärztlichen Praxis auf. Daß dies nicht nur eine unverbindliche und auch noch un- klar ausgedrückte Empfehlung ist, ergibt sich erst aus dem Zusam- menhang mit den später folgenden Zulassungsbestimmungen, in de- nen sichtbar wird, daß als „Grup- penpraxis" eine Gemeinschaftspra- xis gedacht ist, deren Rechtsform ganz unterschiedlich sein kann:

Auch Vereine, Institutionen, die öf- fentliche Hand, ja sogar die Ge- werkschaften könnten Besitzer ei- ner solchen Gemeinschaftspraxis sein; es wird (siehe unten) ledig- lich festgelegt, daß der Leiter ein

qualifizierter Arzt sein muß.

Der nächste Abschnitt umreißt die Aufgaben einer von der ASG neu- erfundenen Einrichtung, bei der man sich gerne auf ausländische Beispiele bezieht. Allerdings ist

selbst das schwedische oder briti- sche Vorbild hier „übertroffen" — denn die ASG will die Station der Gemeindeschwester nicht in die ärztliche Versorgung einfügen, sondern selbständig daneben stel- len; der Schritt zu einer Position, die schließlich die ärztliche Tätig- keit überlagert oder gar überwacht, ist dann nicht mehr weit:

„6.1.2 Medizinische Gemeindezentren Medizinische Gemeindezentren nehmen in enger Zusammenarbeit mit den Gruppenpraxen Aufgaben der Vorsor- geberatung und der medizinischen Grundversorgung wahr. Dieses letztere besonders in dünnbesiedelten Gebie- ten, in denen die Ärzte der Primärver- sorgung regelmäßige Sprechstunden in den medizinischen Gemeindezentren abhalten.

Gemeindeschwestern und ihre Hilfs- kräfte bilden ihren festen Stab. Sozial- arbeiter haben hier den Stützpunkt und den Ort der regelmäßigen Sprechzeiten inmitten ihres Bezirks. Ernährungsbera- ter, Gruppentherapeuten u. a. halten hier ihre Kurse zur Vorsorgeberatung ab und machen diese damit auch der Bevölkerung der Problemgebiete zu- gängig.

Medizinische Gemeindezentren gehö- ren zu den unentbehrlichen Gliedern eines integrierten Systems der medizi- nischen Versorgung, wenn die einheitli- che und gleichmäßige medizinische Versorgung in allen Teilen des Bundes- gebietes erreicht werden soll, also auch in den Problemgebieten. Sie müs- sen deshalb von ,Sozialstationen' klar unterschieden werden.

Besondere Bedeutung wird den Medizi- nischen Gemeindezentren in der Not- fallversorgung — neben dem Notfall- Rettungsdienst — zukommen: Der gut- ausgebildeten Gemeindeschwester kann nach wissenschaftlich gesicherter internationaler Erfahrung die Entschei- dung übertragen werden, ob für den Kranken ein ärztlicher Hausbesuch er- forderlich ist und ausreicht, oder ob der Kranke besser zu umfassender Un- tersuchung in die Räume der Gruppen- praxis verbracht wird, vor allem aber, ob er nicht besser ohne Zeitverlust ins Krankenhaus überführt wird. Ein großer Teil der Hausbesuche wird allenthalben

• Fortsetzung auf Seite 1105

1100 Heft 16 vom 17. April 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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