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Archiv "Psychosomatische Erkrankungen: „Schieflage“ in der Versorgung" (14.11.2003)

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atienten mit somatoformen Störun- gen suchen im Durchschnitt 10 bis 14 verschiedene Ärzte auf, bevor die richtige Diagnose gestellt wird. Dabei vergehen rund sieben bis acht Jahre.

Darauf machte Priv.-Doz. Dr. med.

Ulrich T. Egle, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklini- kum Mainz, beim 11. Kongress der Deut- schen Gesellschaft für Psychosomati- sche Medizin und Psycho-

therapie e.V. (DGPM)* in Mainz aufmerksam. „Für die Patienten sind diese jahrelangen Fehldiagnosen und -behandlungen – ganz abgesehen von den Kosten für das Gesundheitswesen – eine große Stresserfahrung, die die früheren Stresser- fahrungen wiederholt“, er- klärte Egle. Denn inzwi- schen sei nachgewiesen, dass traumatische Erlebnis- se in der Kindheit wie kör- perliche Misshandlung und

sexueller Missbrauch oder auch eine misslungene frühkindliche Bindung die Stressverarbeitung ein Leben lang beeinträchtigen können (siehe auch

„Kindheit hat Folgen“, DÄ, Heft 20/2003).

Diese frühen Stresserfahrungen hin- terlassen „Narben“, sowohl im Ver- halten als auch im Hirnstoffwechsel, die biologisch nachweisbar sind. Die Be-

troffenen sind dann ein Leben lang stressvulnerabler und reagieren in Bela- stungssituationen mit körperlichen Sym- ptomen, wie zum Beispiel Schwindelge- fühlen, Herzrasen oder Reizdarm, ohne dass es dafür organische Ursachen gibt.

Egle führt sowohl die beim Fibromyal- giesyndrom empfundenen Schmerzen als auch die übermäßige Müdigkeit beim Chronic Fatigue Syndrome auf eine sol- che gestörte Stressverarbeitung zurück.

Nach epidemiologischen Untersu- chungen erkrankt jeder siebte Bundes- bürger einmal im Leben an einer So- matisierungsstörung. Darauf wies Priv.- Doz. Dr. med. Ralf Nickel, Mainz, hin.

Schätzungen zufolge gingen 30 bis 50 Prozent der Arztbesuche bei Allge- meinärzten auf Beschwerden zurück, für die es keine organische Ursache gibt.

Doch auch bei den Fachärzten sei der Anteil der Patienten mit ursächlichen psychischen Erkrankungen hoch. Frühe Stresserfahrungen können auch das Risiko erhöhen, an einer Konver- sionsstörung oder einer dissoziativen Störung zu erkranken. Die durch

„pseudoneurologische“ Symptome, wie Lähmungen, Sensibilitätsstörungen oder

Seh- und Hörstörungen, gekennzeichne- ten Konversionsstörungen treten zwar deutlich seltener auf als die Somatisie- rungsstörung. Doch auch sie müssen richtig diagnostiziert werden, um dem Patienten helfen zu können.

Ralf Nickel kritisiert die „Schieflage“

in der Versorgung der Patienten mit psychosomatischen Störungen: „Nur bei gut der Hälfte der Betroffenen erkennen Hausärzte das Vorliegen einer psycho- somatischen Erkrankung.“ Die Ur- sachen dafür sind vielfältig. Bei den Ärz- ten trage die einseitig akut- und organ- medizinisch ausgerichtete Aus- und Weiterbildung dazu bei. Bereits im Stu- dium würden psychosoziale Faktoren der Krankheitsentstehung zu wenig berücksichtigt. Das oftmals rein biolo- gische statt bio-psycho-soziale Krank- heitsverständnis vieler Haus- und Fach- ärzte korrespondiere mit dem organ- orientierten Krankheitsverständnis der Patienten. „Lange Verweildauern in rein somatisch orientierten Kliniken und unsinnige chirurgische Eingriffe sind bei somatoform Kranken leider keine Seltenheit“, beklagt Nickel. Egle spricht provozierend von einer „Misshandlung der Patienten durch die invasiven Maß- nahmen“ vieler Ärzte. Auch suchtför- dernde Opiatgaben seien bei somato- formen Störungen kontraindiziert.

Verbessert werden müsste die psycho- somatische Kompetenz aller Ärzte, darin waren sich die DGPM-Vertreter einig.

Für den Hausarzt bedeutete das, sich in Kursen zur Psychosomatischen Grund- versorgung** fortzubilden oder die Zusatzbezeichnung Psychotherapie zu erwerben, um sich in Psychodiagnostik und Gesprächsführung weiterzubilden.

„Auch eine frühzeitige Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Psychosomati- sche Medizin kann die Versorgung ver- bessern“, sagte Nickel. Der Vorsitzende der DGPM, Prof. Dr. med. Paul L.

Janssen, Bochum, wies allerdings auch darauf hin, wie schwierig es für den somatisch behandelnden Arzt sein kann, die Patienten zu einer Psychotherapie zu motivieren. „Die Patienten nehmen Psychotherapie nur zu 30 Prozent an“, kritisierte er. Die Folgen seien Chro- nifizierungen, eventuell weitere Fehl- diagnosen – oder der Ausstieg aus dem Versorgungssystem hin zu alternativen Heilmethoden. Petra Bühring P O L I T I K

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A2986 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4614. November 2003

Psychosomatische Erkrankungen

„Schieflage“ in der Versorgung

Die Fachärzte für Psychosomatische Medizin beklagen die

häufigen Fehldiagnosen bei Patienten mit Somatisierungsstörungen.

* Vormals Deutsche Gesellschaft für Psychotherapeu- tische Medizin e.V.

** Mit der neuen (Muster-)Weiterbildungsordnung (ver- abschiedet auf dem 106. Deutschen Ärztetag 2003) wur- de die psychosomatische Grundversorgung für den neu- en Facharzt „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“ und für den Facharzt „Frauenheilkunde und Geburtshilfe“

verpflichtend eingeführt.

An der Psychosomatischen Universitätsklinik in Mainz wird seit 20 Jahren insbesondere über (stressbedingte) Somati- sierungs- und Konversionsstörungen geforscht.

Foto:Universitätsklinikum Mainz

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