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Archiv "Risikomanagement: Den Ursachen auf der Spur" (27.04.2007)

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A1140 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 17⏐⏐27. April 2007

P O L I T I K

W

enn Johann Neu von Fehlern als „Schattenseite ärztlichen Handelns“ spricht, schwingt in die- ser Aussage nichts Anklagendes mit. Schließlich geht es dem Ge- schäftsführer der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der nord- deutschen Ärztekammern seit Jah- ren darum, Licht in das Dunkel die- ser Thematik zu bringen – mit Er- folg: Die Statistik zum bundeswei- ten Vorkommen ärztlicher Behand- lungsfehler für das Jahr 2006 er- möglicht erstmals qualitative Aus- sagen zu den erhobenen Anträgen.

Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Lan- desärztekammern erstellen seit 1979 jährlich Statistiken zum ärztlichen Fehleraufkommen. Hierin ging es bislang nur um zweierlei: Wie viele Anträge Patienten pro Jahr stellten und ob sich Fehler als berechtigt er- wiesen haben, erläuterte Neu bei der Vorstellung der neuen Statistik am 18. April in Berlin (siehe auch DÄ, Heft 45/2006). Um die Aussagekraft der Erhebungen zu erhöhen, ent- wickelten Neu und weitere Mitarbei- ter der norddeutschen Schlichtungs- stelle ein einheitliches Berichtssys- tem – MERS. Mithilfe des „Medi-

cal Error Reporting Systems“ erfas- sen nun bundesweit acht Gutachter- kommissionen und Schlichtungsstel- len die Daten, die bei ihnen eingehen, nach einem einheitlichen Muster. So wird beispielsweise ermittelt, welche Vorwürfe Patienten gegen Ärzte er- heben, welche Diagnosen zur An- tragstellung führen und bei welchen Krankenheitsbildern es am häufigs- ten zu Behandlungsfehlern kommt (Tabelle 3). Die Gutachterkommis- sionen und Schlichtungsstellen über- mitteln diese Angaben anonymisiert der norddeutschen Schlichtungsstel- le in Hannover. Die dortigen Mitar- beiter bereiten die Daten auf und

führen sie zur bundeseinheitlichen Statistik der Bundesärztekammer (BÄK) zusammen. „Damit leisten wir auch einen Beitrag zur Patienten- sicherheit und Fehlerprophylaxe“, betont BÄK-Vizepräsident Dr. med.

Andreas Crusius. Die bayerischen Kollegen benutzen derzeit noch ihr eigenes System und werten ihre Da- ten auch selbst aus. Die BÄK hofft allerdings, dass sie sich 2008 MERS anschließen.

Nach Schätzungen des Robert- Koch-Instituts, Berlin, liegt die Zahl aller vermuteten Arzthaftungsfälle in Deutschland bei rund 40 000 jährlich.

Mit rund 10 000 dieser Verfahren pro Jahr beschäftigen sich die Gutachter- kommissionen und Schlichtungsstel- len. Nachdem die Anträge von Pati- enten bei den Stellen eingegangen sind, versuchen dort arbeitende Ärz- te und Juristen außergerichtlich zu schlichten. Sie erstellen ein schriftli- ches Gutachten zu der Frage, ob eine gesundheitliche Komplikation tat- sächlich auf einer haftungsbegründe- ten fehlerhaften ärztlichen Behand- lung beruht. In 2006 sei es in circa 7 200 Fällen zu gutachterlichen Be- scheiden gekommen, erläuterte Neu.

Behandlungsfehler stellten die Ein- richtungen in 1 913 Fällen fest, aller- dings hatten die festgestellten Be- handlungsfehler oder Aufklärungs- mängel nur in 1 562 Verfahren einen Gesundheitsschaden zur Folge.

Bei gutachterlich anerkannten Schäden sei allerdings zu bedenken, dass sie „nur die Spitze des Eisber- ges“ darstellen, ergänzte Dr. med.

Jörg Lauterberg vom Aktionsbündnis Patientensicherheit. Das 2005 ge- gründete Bündnis, dem die BÄK an- gehört, erarbeitet Handlungsempfeh- RISIKOMANAGEMENT

Den Ursachen auf der Spur

Erstmals ermöglicht eine bundeseinheitlich erstellte Statistik zu ärztlichen Behandlungsfehlern in 2006 neben quantitativen Angaben auch konkrete Aussagen zum Inhalt erhobener Vorwürfe.

Jeder Fehler zählt, lautet das Credo der Bundesärzte- kammer beim Umgang mit Behandlungsfehlern.

Foto:dpa

TABELLE 1

Im Vergleich: Anträge und Entscheidung in 2005 und 2006

Anträge und Entscheidungen 2006 2005 Veränderung Anzahl der gestellten Anträge 10 280 10 482 –1,9 % Anzahl der erledigten Anträge 10 255 10 912 –6,0 % Anzahl aller Sachentscheidungen* 7 201 7 768 –7,3 % (z. B. gutachterliche Bescheide)

Anteil der Sachentscheidungen an 70,2 % 71,2 % –1,0 % Erledigungen

*Sachentscheidungen (gutachterliche Bescheide nach medizinisch-rechtlicher Begutachtung des Sachverhalts)

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A1142 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 17⏐⏐27. April 2007

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lungen zur Fehlervermeidung. Was der Mitarbeiter des AOK-Bundesver- bandes damit meint: Allein im Kran- kenhausbereich summiert sich die Zahl der Behandlungen pro Jahr auf 17,5 Millionen; in jedem zehnten Fall kommt es zu einem „unerwünsch- ten Ereignis“. Davon als „Fehler“ an- erkannt werden 175 000 Ereignisse, 17 500 davon enden tödlich.

Die Behandlungsfehlerstatistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für 2006 sagt auch etwas über die Art der Patien- tenvorwürfe: diese betrafen in der

Hälfte der Fälle die operative Thera- pie. Darüber hinaus warfen Patien- ten Ärzten diagnostische Fehler vor, mangelnde Aufklärung sowie fal- sche Medikation. Zu den häufigsten Diagnosen, die zur Anzeige von ärztlichen Behandlungsfehlern führ- ten, zählten Hüftgelenkarthrosen, Kniegelenkarthrosen sowie Fraktu- ren an Unterschenkel, Sprunggelenk und Unterarm. Auch bösartige Neu- bildungen von Mammakarzinomen, lumbale Bandscheibenschäden und traumatische Kniebinnenschäden ver- anlassten Patienten dazu, sich an die

Gutachterkommissionen und Schlich- tungsstellen zu wenden.

Erstmals mittels MERS bestim- men ließ sich auch der Ort und die Art des Fehlervorkommens: Wäh- rend sich mehr als 2 400 Beschwer- den auf eine zurückliegende Behand- lung in einer ambulanten Praxis be- zogen, betrafen 5 300 Anträge sta- tionäre Behandlungen. Bei einem Großteil der stationären Vorkomm- nisse handelte es sich um die unfall- chirurgische Orthopädie (1 063), ge- folgt von der Allgemeinchirurgie, der orthopädischen Chirurgie und der Frauenheilkunde. Im ambulanten Be- reich betrafen die meisten Anträge Behandlungen von hausärztlich täti- gen Ärzten, gefolgt von niedergelas- senen orthopädischen Chirurgen und Allgemeinchirurgen.

Die Dominanz chirurgischer Feh- ler ist für Heinrich Schlüter schnell erklärt: „In diesem Fachbereich fal- len Fehler einfach stärker auf“, sagte der Leiter des Behandlungsfehler- Serviceteams der AOK Rheinland/

Hamburg im Rahmen des „Berli- ner Patientenfürsprechertags“ am 20.

April. Auch das erhöhte Fehlerauf- kommen in stationären Einrichtungen hält Schlüter nicht für verwunderlich:

„Hier werden kompliziertere Fälle be- handelt. Und die Patienten erwarten mehr.“ Ähnlich den Gutachterkom- missionen und Schlichtungsstellen helfen Serviceteams bei einzelnen Kassen, im Auftrag von Patienten mögliche Fehler nachzuverfolgen.

Auf den Ergebnissen der ersten einheitlich erstellten Fehlerstatistik will sich die BÄK nicht ausruhen:

Nachdem Fehlerursachen ausge- wertet worden sind, sollen die Er- gebnisse für die Fortbildung und Qualitätssicherung genutzt werden.

Darüber hinaus unterstützt die Kammer Fehlermeldesysteme wie CIRS (Critical Incident Reporting System). Ein Beirat der BÄK küm- mert sich darum, die CIRS-Daten systematisch auszuwerten. All das trage dazu bei, Fehler zu akzeptie- ren und aus ihnen zu lernen, ergänz- te BÄK-Hauptgeschäftsführer Prof.

Dr. med. Christoph Fuchs bei der Vorstellung der neuen Statistik – auch wenn dieses Credo noch nicht in den Köpfen der Ärzteschaft ange- kommen sei. Martina Merten TABELLE 3

Die häufigsten fehlbehandelten Krankheiten 2006

Praxis Klinik

Zahlen ohne Bayern, da nicht mittels MERS ermittelt

Mamma, Neubildung, bösartig 48 Koxarthrose 57

(Brustkrebs) (Hüftgelenkarthrose)

Karpaltunnelsyndrom 15 Unterschenkel- und 49

Sprunggelenkfraktur

Unterarmfraktur 14 Unterarmfraktur 43

Rückenschmerzen 12 Femurfraktur 36

(Oberschenkelbruch)

Hand- und Handgelenkfraktur 12 Cholelithiasis 34 (Gallensteinleiden)

Unterschenkel- und 12 Gonarthrose 34

Sprunggelenkfraktur (Kniegelenkarthrose)

Thrombose (Venenverschluss), 10 Schulter- u. Oberarmfraktur 25 Phlebitis und Thrombophlebitis

(Venenentzündung)

Deformität, Zehen/Finger 10 Hand- und Handgelenkfraktur 25 Kniebinnenschaden (traumatisch) 10 Uterus myomatosus (gutartige 24

Gebärmuttergeschwulst)

Bereich Familienplanung 10 Kniebinnenschaden (traumatisch) 23 Die häufigsten fehlbehandelten Krankheiten; angegeben sind – unterteilt nach den Versorgungsbe- reichen Praxis und Krankenhaus – die zehn Krankheitsbilder, bei den am häufigsten Behandlungsfehler oder Mängel der Risikoaufklärung festgestellt worden sind, unabhängig davon, ob der festgestellte Behandlungsfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden war oder nicht.

TABELLE 2

Ärztliche Behandlungsfehler im Berichtsjahr 2006

Behandlungsfehler bejaht/verneint 2006

Zahlen ohne Bayern, da nicht mittels MERS ermittelt

Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmangel verneint 4 767

Nur Risikoaufklärungsmangel bejaht 52

Behandlungsfehler bejaht 1 913

Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmangel bejaht und 422 Kausalität verneint

Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmangel und 1 562 Kausalität bejaht*

*Zahl der Verfahren, in denen die festgestellten Behandlungsfehler oder Risikoaufklärungsmängel ursächlich für einen Gesundheitsschaden waren.

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