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Archiv "Familienplanung" (28.02.1980)

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DIE GLOSSE

Familienplanung

Die Natur hat die Nachwuchschan- ce der menschlichen Art freizügig und verschwenderisch angelegt, so freizügig und verschwende- risch, daß in einer immer mehr vom Menschen selbst gestalteten Umwelt ein immer langlebigeres Völkergemisch sich multipel ver- mehrt. Die Natur treibt die Men- schen vielfältig zueinander; sie treibt sie zur Vereinigung mitein- ander, in schicksalhafter Zufällig- keit Nachkommenschaft und diese pflegende Familien stiftend.

Seit Jahrtausenden versucht der Mensch, diesen biologischen Pro- zeß freizügiger Fülle und Zufällig- keit zu steuern. Patriarchalisch planend und despotisch bestim- mend werden Gattenwahl und Fortpflanzungschance klassen- spezifisch manipuliert, werden Na- tur und Glück korrigiert: Familien- planung als Instrument klassenbe- wußter Herrschaftspraxis.

Aufklärung und „Modernität" ha- ben sich demgegenüber auf die Seite der Natur geschlagen, beja- hen das Spiel der freien Kräfte und nehmen die Liebe gegen despoti- sche Familienplanung in Schutz.

Und erst recht in der Lebenswirk- lichkeit wird in prägender Fülle aus dem freien, „zufälligen" Zu- einander dauerhaftes Miteinander.

Familien entstehen und werden einfach gelebt, ohne geplant und programmiert zu sein. Wieviel un- gewollte Kinder begründen noch heute glückliche Familien!

Vorübergehend wurde in Deutsch- land versucht, anstelle patriarcha- lischer Zielvorgabe rassenhygieni- sche Zuchtwahl zum Planziel staatlich gesteuerter Familien- und Vermehrungspolitik zu ma- chen. Auch diese Familienplanung sollte die Willkür der Natur ein- grenzen, auch sie war Instrument ideologisch gesteuerter Herr- schaftspraxis. Der völlig andere Ansatzpunkt genetischer Bera- tung heute macht dies besonders deutlich.

Was ist der Vergangenheit gegen- über Ziel von Familienplanung heute? Weit überwiegend wird Fa- milienplanung in der Bundesrepu- blik Deutschland zur Zeit durch Dringlichkeitsprioritäten individu- eller Konsumwünsche gesteuert.

Automobil und Wohnungseinrich- tung konkurrieren mit dem unge- borenen Leben. Gesellschaftlich geprägte Vorstellungen von „Le- bensqualität" sowie der erreichte oder erwünschte Platz in der Wohlstandspyramide bestimmen die Familienplanung heute.

Der einzige Unterschied zur histo- rischen Motivation patriarchali- scher Familienplanung und -steuerung ist, daß an die Stelle klassenspezifischer Gruppeninter- essen der individuelle Egoismus

Ferndiagnose

Im mittleren Südengland und in Südfrankreich haben zwei Fern- diagnosezentren eröffnet, die schon in wenigen Jahren etwa 10 000 Klienten in ganz Europa be- dienen wollen. Der Computer und der telefonische Selbstwählver- kehr machen's möglich. Der Klient wird sich allerdings nicht direkt an die Diagnosezentren wenden kön- nen, sondern er muß die nächstge- legene Geschäftsstelle des Sy- stems beauftragen. Das ist not- wendig einmal aus Gründen des.

Datenschutzes und zum anderen deswegen, weil der Klient nicht selbst die für die Diagnose not- wendigen Daten eingeben kann.

Das Diagnosezentrum kann be- reits nach etwa 15 Minuten ent- scheiden, ob ein sofortiger Be- such des ambulanten Dienstes er- forderlich ist. Anderenfalls über- nimmt das Zentrum selbst die wei- teren diagnostischen Maßnah- men, wobei es auch auf früher ge- speicherte Angaben über den je- weiligen Klienten zurückgreifen kann. Auf Wunsch kann sich der Klient ein detailliertes Protokoll

getreten ist. Wo früher der indivi- duelle Wunsch nach Miteinander klassenegoistisch begrenzt und gesteuert wurde, wird heute das ungeborene Leben durch indivi- duelle Konsumwünsche auf die Warteliste gedrängt.

Die Hybris des Menschen gegen- über der Natur, diese betieff- schen, lenken, steuern und unter- laufen zu wollen, ist geblieben. Die Vokabel „Familienplanung" ist da- mit Signum der gleichen Hybris, mit der die Konsumgesellschaft im Fortschritt ihrer Maßlosigkeit die Biozöse der menschlichen Mitwelt zerstört. Dennoch sind es die glei- chen Leute, die sagen, „Atom- kraft — nein, danke" und „An- spruch auf Schwangerschaftsab- bruch nach Fristentscheidung der Mutter — ja!" FM

über den Diagnose-Ablauf und über den Nachrichtenverkehr mit dem Computersystem im Ferndia- gnosezentrum erstellen lassen.

Utopie? 1984? Weder noch, son- dern Wirklichkeit im Jahre 1980!

Nur an einer Stelle wurde hier bei der Wiedergabe dieser Fakten (sic) gemogelt: es wurde nämlich nicht verraten, daß es um die Be- hebung technischer Störungen bei Computer-Systemen geht.

Aus irgendwelchen Gründen kommt in der hier zitierten Presse- mitteilung aber der Begriff „Thera- pie" nicht vor (noch nicht?), son- dern da ist noch ganz altmodisch von „Reparaturarbeiten", „Ersatz- teilen" und „Kundendiensttechni- ker" die Rede.

Wenn alles repariert ist, kann bei der Ferndiagnosezentrale ein ab- schließender Systemtest veranlaßt werden, ob auch alle Störungen behoben sind. Vermutlich läßt sich das periodisch sowieso machen, als routinemäßiger Check-up.

Das Erschreckende ist: So, genau so stellen sich viele Leute die mo- derne Medizin vor ... gb

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 28. Februar 1980 505

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