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Archiv "Was tun bei Heparinallergie?" (27.10.2006)

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S

ubkutan oder intravenös injizierte Heparine er- möglichen eine einfach steuer- und kontrollier- bare Antikoagulation für stationäre und ambulante Patienten. Heparine sind sulfatierte, anionische Poly- saccharide, die in ihrer chemischen Struktur und Zusammensetzung variabel sind. Nach der mittleren Molekülmasse unterscheidet man zwischen unfraktio- nierten, hochmolekularen Heparinen (Molekularge- wicht 10–20 kDa) und fraktionierten, niedermoleku- laren Heparinen (Molekulargewicht 4–6 kDa).

Bei einer Spättypallergie gegen subkutan injizierte Heparine kommt es nach einer Latenzzeit von ein bis zwei Wochen zu juckenden oder brennenden, erythe- matös-infiltrierten, manchmal ekzematösen Plaques an den Einstichstellen (1, 2) (Abbildung a). Eher selten wird ein generalisiertes Ekzem oder Exanthem mit aber deutlich erkennbarem Punktum maximum an den Injek- tionsstellen beobachtet (3, 4). Diese Erythem- und Ek- zemplaques sind Symptom einer T-Lymphozyten-ver- mittelten allergischen Reaktion vom Spättyp, wobei die antigenen Determinanten im Heparinmolekül bisher

nicht genau bekannt sind. Der Nachweis dieser Spättyp- allergie gelingt durch allergologische Hauttests (Intra- kutan- und Epikutantest) oder, falls die Hauttests mögli- cherweise falsch-negativ sind, durch einen subkutanen Provokationstest.

Die wichtigste Differenzialdiagnose zur Spättypall- ergie gegen subkutan injizierte Heparine ist die seltene- re heparininduzierte Hautnekrose, eine klinische Mani- festation der heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) (5). Nach einer Latenzzeit von ein bis zwei Wo- chen treten an den Einstichstellen, selten auch dissemi- niert, initial Erytheme, dann scharf abgegrenzte, schmerzhafte Nekrosen auf (Abbildung b). Durch IgG- Antikörper gegen den Komplex aus Heparin und Plätt- chenfaktor 4 kommt es zu einer Aktivierung der Throm- bozyten mit dem Risiko venöser und arterieller Throm- boembolien (6). Bei einer heparininduzierten Haut- nekrose ist sowohl die weitere Applikation von unfrak- tionierten oder niedermolekularen Heparinen als auch eine Allergiediagnostik mit Heparinen kontraindiziert.

Als therapeutische Alternativen können zum Beispiel ÜBERSICHT

Was tun bei Heparinallergie?

Zeno Gaigl, C. Eberhard Klein, Ralf Großmann, Petra Pfeuffer, Petra Raith, Eva-B. Bröcker, Axel Trautmann

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Das Auftreten einer allergischen Reaktion ge- gen subkutan appliziertes Heparin wirft die klinisch wichti- ge Frage auf, ob der Patient intravenöses Heparin verträgt.

Hierzu gibt es bisher nur wenige Daten. Methoden: Studie mit 38 Patienten mit Spättypallergie gegen subkutane He- parine. Alle Patienten erhielten eine standardisierte stufen- weise Allergiediagnostik mit Hauttests, subkutanen und in- travenösen Provokationstests. Ergebnisse: Die Diagnose Spättypallergie gegen subkutane Heparine konnte bei 27 Patienten nach positiven Hauttests gestellt werden. Bei 11 Patienten wurde die Spättypallergie nach positiven subku- tanen Provokationstests diagnostiziert. Den intravenösen Provokationstest mit Heparin tolerierten alle 38 Patienten.

Diskussion: Eine intravenöse Heparintherapie wird trotz ei- ner Spättypallergie gegen subkutane Heparininjektionen in der Regel symptomlos toleriert. Das Risiko einer generali- sierten Reaktion nach intravenöser Gabe scheint minimal zu sein. In dringenden Fällen ist der Wechsel von subkuta- ner zu intravenöser Heparingabe auch ohne vorherige All- ergiediagnostik möglich und sinnvoll. Die Frage, warum diese Patienten nur gegen subkutan injizierte Heparine All- ergiesymptome entwickeln, die intravenöse Gabe aber to- lerieren, kann nur hypothetisch beantwortet werden.

Dtsch Arztebl 2006; 103(43): A 2877–81.

Schlüsselwörter: Heparin, heparininduzierte Hautnekrose, Heparinoid, Provokationstest, Spättypallergie

SUMMARY

MANAGING ALLERGY TO HEPARINS

Introduction: The occurrence of an allergic reaction to sub- cutaneous heparin raises the clinically important question as to whether intravenous heparin would be tolerated, but few data are available to date. Itchy erythematous or eczematous plaques at the injection site are side effects of heparin administration, and denote a delayed-type hypersensitivity reaction. Methods: Case series of 38 patients wit heparin allergy. All patients received standardized stepwise allergy testing including skin tests and provocation tests. Results:

The diagnosis of delayed-type hypersensitivity to heparin was made in 27 patients on the basis of skin tests alone and in a further 11 after subcutaneous provocation tests. All 38 patients tolerated an intravenous provocation test.

Discussion: Intravenous heparin therapy is in general well tolerated even where there is a delayed hypersensitivity type allergy against heparin injection. The risk of generalized reaction following intravenous treatment appears to be mini- mal. In an emergency situation, a switch from subcutaneous to intravenous heparin is is both acceptable and advisable even prior to formal immunological investigation and diag- nosis. The reason why patients allergic to subcutaneous heparin tolerate intravenous administration is uncertain.

Dtsch Arztebl 2006; 103(43): A 2877–81.

Key words: heparin, heparin induced skin necrosis, hepari- noid, provocation test, delayed hypersensitivity reaction

Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venero- logie und Allergologie, Universität Würzburg (Dr. med. Gaigl, Pfeuf- fer, Raith, Prof. Dr. med. Bröcker, PD Dr. med. Traut- mann)

Praxis für Dermatolo- gie, Phlebologie und Allergologie, Heiden- heim an der Brenz (Prof. Dr. med. Klein) Institut für Klinische Biochemie und Patho- biochemie, Universität Würzburg (PD Dr. med.

Großmann)

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Lepirudin, Danaparoid oder Argatroban eingesetzt wer- den. Weitere Differenzialdiagnosen zu Erythem- oder Ekzemplaques an Injektionsstellen sind im Einzelfall Hämatome, eine Infektion oder ein allergisches Kontakt- ekzem gegen Hautdesinfektionsmittel.

Die Spättypallergie gegen subkutan injizierte Hepari- ne impliziert bei Arzt und Patient die Diagnose Hepa- rinallergie und zumindest ein Teil der Patienten be- kommt einen Allergiepass. Diese Patienten werden nicht mehr mit Heparinen behandelt; wegen des theore- tischen Risikos einer hämatogenen generalisierten Re- aktion wird insbesondere auch auf eine intravenöse He- paringabe verzichtet. Die vorliegende Arbeit beschreibt einerseits die Diagnostik der Spättypallergie gegen sub- kutane Heparine, andererseits das wichtigste Ergebnis – nämlich dass diese Patienten intravenöses Heparin trotzdem vertragen (7–10).

Methode

Von 1998 bis 2005 erhielten an der Klinik der Autoren Patienten, bei denen der Verdacht auf eine Spättypaller- gie gegen subkutane Heparine bestand, eine standardi- sierte stufenweise Allergiediagnostik mit Hauttests (In- trakutan- und Epikutantest) und subkutanen Provokati- onstests (Grafik 1). Bei allen Patienten mit einer gesi- cherten Spättypallergie gegen Heparine wurde nach Aufklärung und schriftlichem Einverständnis ein intra- venöser Provokationstest mit Heparin durchgeführt.

Hauttest

Die Intrakutantests am volaren Unterarm (0,02 bis 0,05 mL/Injektion) wurden mit 1 : 10 in NaCL 0,9 Prozent verdünnten Heparinpräparaten durchgeführt. Für die

mit Hornschichtabriss (Stripping) modifizierten Epiku- tantests am Rücken wurden unverdünnte Heparinpräpa- rate verwendet. Die Testareale wurden nach zwei, drei und vier Tagen gemäß internationalen Empfehlungen abgelesen (11). Die einzelnen Testsubstanzen waren ein unfraktioniertes Heparin, die niedermolekularen Hepa- rine Nadroparin, Dalteparin und Enoxaparin, die Hepa- rinoide Danaparoid und Pentosanpolysulfat und seit 2002 Fondaparinux.

Provokationstest

Die subkutanen Provokationstests erfolgten durch In- jektion am Unterbauch mit Hauttest-negativen Heparin- präparaten in therapeutischer Dosierung. Für die intra- venösen Provokationstests erhielten die Patienten ein unfraktioniertes Heparinpräparat. Am ersten Tag wurde Heparin-Natrium in einer Dosis von 2 500 internationa- len Einheiten (I.E.) als Bolus injiziert. Am zweiten Tag wurden 5 000 I.E. als Bolus gefolgt von 7 500 I.E. über sechs Stunden infundiert. Die Beobachtungszeit war drei Tage, und alle Patienten wurden instruiert, sich auch bei späterem Auftreten von Symptomen wieder in unserer Klinik vorzustellen.

Ergebnisse Anamnese

Die 36 Frauen und zwei Männer waren im Alter zwi- schen 36 und 94 Jahren (Mittelwert 63 Jahre). Die Be- handlung von 24 Patienten erfolgte mit niedermolekula- ren Heparinen, bei elf Patienten mit unfraktionierten Heparinen. Bei drei Patienten konnte die Art des He- parins nicht mehr ermittelt werden, jedoch hatten alle drei Patienten subkutane Injektionen zur Thrombose- prophylaxe erhalten. Die Erythem- oder Ekzemplaques waren innerhalb einer Woche (n = 31) beziehungsweise zwei Wochen (n = 6) nach Beginn der subkutanen Injek- tionen aufgetreten. Bei einem Patienten war dieses Zeit- intervall nicht bekannt. Der Body-Mass-Index (BMI) war nur bei einem Patienten normal (18,5–24,9), 13 wa- ren übergewichtig (25–29,9) und 24 waren adipös (größer gleich 30,0).

Allergiediagnostik

Die Ergebnisse der Allergiediagnostik sind in Grafik 1 und Grafik 2 zusammengefasst. Die Diagnostik konzen- trierte sich dabei auf die Verträglichkeit der intravenö- Abbildung

a) Juckende Erythem-/Ekzem- plaques zwölf Tage nach Beginn sub- kutaner Dalteparin- injektionen b) Schmerzhafte heparininduzierte Hautnekrosen an den Einstichstellen zehn Tage nach subkutanen Enoxa- parininjektionen

a

b

Dalteparin Subkutan-Injektionen

Enoxaparin Subkutan-Injektionen

GRAFIK 1

Stufendiagnostik und Ergebnisse

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sen Heparingabe nicht bei allen Patienten wurden alle theoretisch möglichen Haut- und Provokations- tests durchgeführt. Die Stufendia- gnostik sollte zunächst nur die Dia- gnose Spättypallergie gegen Hepa- rine sichern und endete daher ent- weder an Stufe 2 oder erst bei Stufe 3; bevor danach die 4. Stufe, die Provokation, folgte (Grafik 1). Die Diagnose Spättypallergie gegen subkutane Heparine konnte bei 27 Patienten bereits nach positiven Hauttests gestellt werden. Bei den übrigen elf Patienten wurde die Spättypallergie erst nach positiven subkutanen Provokationstests dia- gnostiziert. Den dann folgenden in- travenösen Provokationstest mit Heparin tolerierten alle 38 Patienten ohne Nebenwirkungen. Bei 37 Pati- enten war das Intervall zwischen Hauttest und intravenöser Provoka- tion mehr als sechs Wochen, bei ei- ner Patientin nur vier Wochen. Hier beobachteten die Autoren am zwei- ten Tag der intravenösen Provokati- on Aufflammreaktionen („flare up reactions“) an den ehemaligen Haut- testarealen.

Diskussion

Die Autoren konnten zeigen, dass Patienten mit einer Spättypallergie gegen subkutan injiziertes Heparin die intravenöse Heparingabe vertra- gen, dies bestätigt auch die Literatur (7–10). Diese Patienten sollten da- her nicht nur die Information be- kommen, dass sie eine Heparinaller- gie haben oder einen Allergiepass erhalten, in dem nur „Heparinaller- gie“ dokumentiert ist. Ein Provoka- tionstest zeigt, dass intravenös ap- pliziertes Heparin toleriert wird. Ein entsprechender Negativeintrag in den Allergiepass ermöglicht dann

auch zukünftig eine einfache intravenöse Antikoagulati- on. In dringenden Fällen (zum Beispiel bei operativen Eingriffen mit extrakorporalem Kreislauf) ist bei bekann- ter Heparinallergie mit Erythem- oder Ekzemplaques ei- ne Antikoagulation mit intravenösem Heparin auch ohne vorherige Allergiediagnostik gerechtfertigt.

Weibliches Geschlecht und Adipositas sind Risiko- faktoren für die Entwicklung einer Spättypallergie ge- gen subkutane Heparine; ein Einfluss von hormonellen und metabolischen Faktoren ist denkbar (12, 13). Die Frage, warum diese Patienten nur gegen subkutan inji- zierte Heparine Allergiesymptome entwickeln, die in- travenöse Gabe aber tolerieren, kann nicht eindeutig

beantwortet werden. Entscheidend sind wahrschein- lich einerseits die unspezifische Bindung der Heparine an Proteine oder andere Makromoleküle nach subkuta- ner Injektion, andererseits Unterschiede in der Prä- sentation beziehungsweise Prozessierung von Hepa- rin-Antigenen je nach Applikationsmodus (intravenös oder subkutan). Der Unterschied zwischen Sensibili- sierung des Immunsystems/Immunisierung gegen He- parine (nachweisbar durch Hauttest, T-Lymphozyten, Antikörper) und einer Allergie, das heißt einer Krank- heit mit Symptomen, wird bei dieser Heparinallergie und intravenöser Heparingabe besonders deutlich (Grafik 3).

GRAFIK 2

a) Ergebnisse der Epikutan-, b) Intra- kutan- und c) sub- kutanen Provokati- onstests mit Hepari- nen, Heparinoiden und Fondaparinux.

(4)

Immunreaktionen sind keine „Alles-oder-Nichts-Re- aktionen“. Auch eine Immunreaktion gegen Heparine ist nicht immer gleich ausgeprägt, sondern imponiert als ein Spektrum mit erheblichen quantitativen Unterschie- den. So haben Patienten mit geringgradiger Immunisie- rung gegen Heparine nur diskrete Erythemplaques an den Einstichstellen, die Hauttests sind häufig negativ und die Diagnose lässt sich nur nach einer positiven sub- kutanen Provokation stellen. Eine hochgradige Immuni- sierung gegen Heparine zeigt sich klinisch als ausge- prägte Lokalreaktion mit infiltrierten Ekzemplaques auf denen dichtstehende Papulovesikel zu größeren Blasen konfluieren können. Die positiven Reaktionen in den Hauttests gegen alle Heparine sind dann in der Regel mindestens zweifach-, häufig dreifach-positiv. Diese Patienten können während der intravenösen Provokati- on an ehemaligen Ekzemplaques oder positiven Haut- testarealen so genannte Aufflammreaktionen („flare up reactions“) zeigen, insbesondere wenn zwischen Abhei- lung und Provokation weniger als vier Wochen liegen.

Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass nach intravenö- ser Heparingabe in ehemals positiven Hauttestarealen verbliebene spezifische T-Lymphozyten aktiviert wer- den, ähnlich wie das auch für das fixe Arzneiexanthem diskutiert wird. Ein Einzelfallbericht über ein generali- siertes Ekzem nach intravenöser Heparingabe beruht möglicherweise auch auf einem zu kurzen Intervall zwi- schen positiven Hauttests/positiven subkutanen Provo- kationstests und der intravenösen Heparingabe (14).

Unsere Daten belegen bei der Spättypallergie gegen subkutane Heparine erneut die ausgeprägte Kreuzreak- tivität zwischen allen unfraktionierten und niedermole- kularen Heparinpräparaten. Heparinähnliche, potenziel- le Ausweichmedikamente sind die Heparinoide Dana- paroid und Pentosanpolysulfat. Heparinoide sind semi- synthetisch hergestellte, anionische Polysaccharide (15).

Heparinoide, insbesondere Pentosanpolysulfat, sind in den Hauttests in der Tat häufig negativ. Jedoch sind vie- le dieser Hauttests falsch-negativ, denn in den subkuta- nen Provokationstests manifestiert sich die Spättypall- ergie und damit die Kreuzreaktivität. Die Verträglich- keit eines einzelnen subkutanen Provokationstests darf nicht überinterpretiert werden. So entwickelten mehrere unserer Patienten trotz einer negativen subkutanen Pro- vokation mit Heparinoiden nach längerer Therapiedauer und zunehmender Anzahl an Heparinoid-Injektionen wieder Erythem-/Ekzemplaques. Letztendlich sind, wie aufgrund der chemischen Struktur nicht anders zu er- warten, Kreuzallergien zwischen Heparinen und Hepa- rinoiden häufig (16).

Seit 2002 ist in Deutschland Fondaparinux zugelas- sen, ein synthetisches Heparinanalogon, das nur aus ei- ner Pentasaccharidsequenz besteht (Molekulargewicht 1,7 kDa) und spezifisch den Faktor Xa hemmt. Fondapa- rinux wurde als Ausweichpräparat zu subkutanen Hepa- rinen untersucht (17, 18). Wir beobachteten bei sechs von 16 Patienten (37,5 Prozent) mit einer Spättypallergie gegen Heparininjektionen positive Hauttests auch gegen Fondaparinux und inzwischen zeigen mehrere Publika- tionen, dass nur maximal 50 Prozent der Patienten mit ei-

ner Spättypallergie gegen subkutane Heparine Fondapa- rinux symptomlos tolerieren (19–22). Für die subkutane Antikoagulation stehen als sichere Ausweichpräparate also nur die Hirudine zur Verfügung, die als Proteine ei- ne gänzlich andere chemische Struktur haben.

Rekombinante Hirudine (Lepirudin, Desirudin, Bi- valirudin) und andere direkte Thrombininhibitoren wie Argatroban sind mögliche therapeutische Alternativen zur intravenösen Antikoagulation mit Heparin. Bei der Anwendung dieser Substanzen besteht grundsätzlich das Problem der fehlenden Neutralisierbarkeit, ein Ant- idot existiert nicht. Lepirudin ist zugelassen zur Thera- pie von thromboembolischen Erkrankungen sowie bei der HIT. Lepirudin hat eine relativ enge therapeutische Breite und das Therapiemonitoring mittels Thrombin- zeit und PTT ist nicht zuverlässig, idealerweise sollte die Behandlung mit einem spezifischen Test, beispiels- weise der Ecarin-Gerinnungszeit, überwacht werden (23). Bei bis zu 40 Prozent der Patienten kommt es zur Bildung von Lepirudin-spezifischen IgG-Antikörpern (24). Desirudin, Bivalirudin und Argatroban weisen ei- ne enge Indikationsstellung auf: Desirudin ist zur Pro- phylaxe tiefer Beinvenenthrombosen nach Hüft- und Kniegelenkersatzoperationen, Bivalirudin als Antikoa- gulans zur perkutanen Koronarangiographie und Arga- troban zur Antikoagulation bei Patienten mit HIT zuge- lassen. Es ist daher erkennbar, dass Heparine auch mit der Zulassung neuerer Antikoagulanzien (direkte Thrombininhibitoren, Inhibitoren von Faktor Xa) Medi- kamente der Wahl bleiben, insbesondere für die intra- venöse Antikoagulation (25).

Schlussfolgerungen

Erythem-/Ekzemplaques nach subkutaner Injektion sind Symptom einer Spättypallergie gegen Heparine.

Was tun, wenn die Antikoagulation möglichst sub- kutan fortgeführt werden soll?

– Für die subkutane Injektion besteht eine ausgepräg- te Kreuzreaktivität zwischen allen unfraktionierten und den niedermolekularen Heparinpräparaten. Werden die Heparininjektionen trotzdem fortgesetzt, besteht das Ri- siko eines generalisierten Ekzems oder Exanthems.

Das „Eisberg- modell“ verdeutlicht den Unterschied zwischen Sensibilisierung des

Immunsystems/

Immunisierung und Allergie.

GRAFIK 3

(5)

– Die Heparinoide Danaparoid und Pentosanpolysul- fat haben zu den Heparinen eine Kreuzreaktivität von über 80 Prozent und sind keine geeigneten Ausweich- präparate.

– Fondaparinux-Injektionen können versucht wer- den. Aufgrund der ähnlichen chemischen Struktur ist – zumindest bei längerer Therapiedauer – eine Kreuzreak- tivität ebenfalls möglich.

– Subkutan injizierte Hirudine werden vertragen.

Was tun, wenn eine intravenöse Antikoagulation notwendig ist?

– Intravenös appliziertes Heparin wird trotz dieser Spättypallergie in der Regel symptomlos toleriert. Das Risiko einer generalisierten Reaktion nach intravenöser Gabe scheint minimal zu sein.

– In dringenden Fällen ist der Wechsel von subkuta- ner zu intravenöser Heparingabe auch ohne vorherige Allergiediagnostik möglich und sinnvoll.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 23. 3. 2006, revidierte Fassung angenommen: 7. 6. 2006

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Anschrift für die Verfasser PD Dr. med. Axel Trautmann Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Josef Schneider Strasse 2 97080 Würzburg

E-Mail: trautmann_a@klinik.uni-wuerzburg.de

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McFarland LV et al.: Meta-analysis of probiotics for the prevention of antibiotic associated diarrhea and treatment of Clostridium difficile disease. Am J Gastroenterol 2006; 101; 1348–53. Dr. L.V.

McFarland, VA Puget Sound Health Care System, S-152, Metropolitan Park West, 1100 Olive Way, Suite 1400, Seattle, WA 98101. E-Mail: lvmcfar@u.washington.edu

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