Die Information:
Bericht und Meinung
Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen
erfolgt." Andererseits gab Ehren- berg deutlich zu verstehen, daß die Aktion unter Erfolgszwang steht: wenn sie nicht zu den Emp- fehlungen komme, falle diese Auf- gabe an Kassen und Ärzte, so ließ Ehrenberg durchblicken, zurück (Bundesempfehlung). Zudem müsse er bis 31. Dezember 1981 dem Bundestag einen Erfahrungs- bericht abgeben und (so ließ der Minister durchblicken), wenn die- ser Bericht nicht positiv ausfalle, dann werde es notfalls weitere ge- setzliche Bestimmungen geben.
Doch einstweilen hofft Ehrenberg auf freiwillige Einsicht aller Betei- ligten. Dazu rechnet er auch die Krankenhäuser, denn diese müs- sen nach seiner (und nach Auffas- sung auch der anderen Teilneh- mer der Aktion) voll ins Konzertie- ren einbezogen werden (KHG-No- velle!). Vertrauen auf Einsicht und Kooperationsbereitschaft zeigte sich am 12. Dezember im Bonner Haus der Behinderten auch darin, daß die Konzertierte Aktion darauf verzichtete, sich eine Geschäfts- ordnung zu geben. Über Empfeh- lungen soll auch nicht — gab Eh- renberg zu — nach Mehrheiten ab- gestimmt werden. Vielmehr scheint die Arbeit in der Konzer- tierten Aktion auf ein Auspalavern herauszulaufen. Ehrenberg konze- dierte schließlich den Hauptbe- troffenen — Kassen und Ärzten;
wenn es einmal dazu kommen sollte, vermutlich auch den Kran- kenhäusern — eine Art Veto in sol- chen Fragen, die sie unmittelbar angehen.
Bei aller verbalen Konzilianz in der Eröffnungssitzung — die grund- sätzlichen Positionen, die die Bun- desregierung in Sachen Kosten- dämpfung vertritt, sind völlig un- verändert. Ehrenberg bekräftigte vor den Teilnehmern der Konzer- tierten Aktion und später vor der Presse noch einmal, daß er die
„Belastungen ausgewogen vertei- len" wolle. Damit meint er, daß
„die Ausgabenentwicklung der gesetzlichen Krankenversiche- rung in Übereinstimmung mit der Einkommensentwicklung der Ver-
sicherten" gebracht werden soll.
Oder noch anders ausgedrückt:
nach Ehrenbergs Auffassung geht der Gesetzgeber von der „Zielvor- stellung einer tendenziellen Bei- tragssatzstabilität" aus.
Auf dieses Ziel scheint Ehrenberg so fixiert zu sein, daß er alles an- dere dem unterordnen will. Worte wie „bedarfsgerechte Versor- gung", „Stand der medizinischen Wissenschaft", „humaner Auftrag der Medizin", mit denen Ehren- berg und sein Haus gewiß nicht geizen, muten demgegenüber al- lenfalls als Bezeigungen eines gu- ten Willens an. Weit ehrenberg- scher ist da die Mahnung an die Konzertierenden, es gehe darum, auch im Gesundheitswesen „das kleine Einmaleins der Ökonomie populär zu machen".
Angesichts des Fixpunktes „Bei- tragssatzstabilität" kommen Hin- weise auf den (teuren) medizini- schen Fortschritt oder ein Überan- gebot an Ärzten Ehrenberg (aber nicht nur ihm) höchst ungelegen.
Bei Politikern scheint es Mode zu werden, über solche Tatsachen hinwegzuhuschen: der Fortschritt wird mit Medizintechnik gleichge- setzt (und die ist ja seit kurzem verdammenswert); vor den Folgen einer Ärzteschwemme werden die Augen fest verschlossen. Der Bun- desarbeitsminister zum Beispiel, von der Presse darauf angespro- chen, daß mehr Ärzte zu mehr Nachfrage nach Gesundheitslei- stungen und damit zu mehr Kas- senausgaben führen müssen, er- klärte schlicht: Wenn in einer Ge- gend mehr Dachdecker tätig wür- den, dann würden ja auch nicht mehr Dachpfannen nachgefragt.
Einer solchen Haltung werden die
„Leistungserbringer" im Gesund- heitswesen bei ihren Verhandlun- gen und die Konzertierte Aktion bei ihren Beratungen über Struk- turfragen gewärtig sein müssen.
Das Strecken nach der Decke ist nun einmal das wesentliche Ziel des „Kostendämpfungsgeset- zes". NJ
DER KOMMENTAR
Gezinkte Karten aufgedeckt
Die Krankenkassen haben 1976 et- wa drei Milliarden DM Überschüs- se erzielt und trotz der zur Jahres- mitte 1977 einsetzenden Kosten- verlagerung in der Krankenversi- cherung der Rentner im laufenden Jahr weitere 1,6 Milliarden DM mehr eingenommen als ausgege- ben. Wie der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Ortskran- kenkassen, Hans Töns, kürzlich vor der Presse erklärte, war den Kassen diese günstige Entwick- lung als Folge der Honorardiszi- plin und Preisdisziplin ihrer Ver- tragspartner bereits während der
Beratungen des Kostendämp- fungsgesetzes bekannt, doch hät- ten sie es für taktisch klüger ge- halten, die Zahlen nicht „hinaus- zuposaunen".
Da man davon ausgehen muß, daß auch dem Bundesarbeitsministe- rium nicht verborgen geblieben war, welche Geldschwemme sich bei den Kassen anbahnte, ist die Unbekümmertheit erklärt, mit der man die Warnungen der Kassen vor höherem Beitragsbedarf infol- ge der Kostenverlagerung in den Wind schlug und die Verabschie- dung des Gesetzes betrieb.
Man wußte eben um die Erfolge der freiwilligen Kostendämpfung, man wußte, daß die Kassen infol- gedessen Mehrlasten von sechs Milliarden DM jährlich eine Weile würden ertragen können und daß der angemeldete zusätzliche Bei- tragsbedarf von 1,1 Prozentpunk- ten wider besseres Wissen ange- droht wurde. Man war sich einig, über die wahre Finanzsituation nicht zu berichten, ebenso wie man sich einig war, eine freiwillige konzertierte Aktion als „nicht aus- reichend" zu verdammen und ge- setzliche Handhaben gegen die Vertragspartner der Kassen zu for- dern.
Mit anderen Worten: es wurde au- genzwinkernd mit gezinkten Kar- ten gespielt. Hanns Meenzen/asa
3026 Heft 52 vom 29. Dezember 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT