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Archiv "Regenerative Medizin: „Wir haben Goldadern aufgedeckt“" (16.11.2007)

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A3154 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4616. November 2007

M E D I Z I N R E P O R T

E

in neues Zeitalter hat begon- nen: Das Zeitalter der regene- rativen Medizin 2.0. Der britische Stammzellforscher Prof. Chris Mason benutzt diese Bezeichnung in Anlehnung an den technischen Sektor, in dem auf diese Weise neue Versionen gekennzeichnet werden.

Regenerative Medizin 2.0 signali- siert den Start der kommerziellen Umsetzung von Produkten der rege- nerativen Medizin, den Sprung von der Grundlagenforschung zur brei- ten klinischen Anwendung. Für Mason erfolgte er bereits im Jahr 2006. „Von 1995 bis 2002 wurde fast ausschließlich Grundlagenfor- schung betrieben, jetzt aber kann die Industrie Fuß fassen“, sagte Mason bei dem 3. Weltkongress für Rege- nerative Medizin in Leipzig.

In der Tat ist die Publikationsrate auf dem Gebiet der regenerativen Medizin in den letzten Jahren ex- ponentiell gewachsen. Mittlerweile gibt es mehr als 9 000 Veröffentli- chungen pro Jahr. Auch erste An- wendungen von Methoden des Tis- sue Engineering und der Stammzell-

forschung waren bereits erfolgreich.

„Jetzt ist die Zeit da, in der automa- tisiert werden muss und die For- schungsergebnisse in der Breite si- cher, klinisch effektiv und günstig umgesetzt werden müssen“, ist Ma- son überzeugt. Sechs Milliarden Dollar koste die Forschung derzeit, der Nutzen für die Menschheit sei jedoch noch gering.

Haut- und Gewebezüchtung

230 Millionen Euro stellten das Bun- desministerium für Bildung und For- schung (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 1990 für die Grundlagenforschung zur Ver- fügung. Die größten Entwicklungs- hemmnisse bei Produkten sieht eine BMBF-Studie vom April 2007 in der Erstattungspraxis der Krankenkassen, den geltenden Zulassungsverfahren für medizinische Produkte sowie den Anforderungen an klinische Studien.

Unterdessen kommen die For- scher dem Traum, Ersatzgewebe zu züchten, tatsächlich näher – diesen optimistischen Eindruck vermittelte der diesjährige Weltkongress. Etwa

1 000 Wissenschaftler aus 33 Natio- nen berichteten über ihre Erfolge bei der Haut- und Geweberegenera- tion, dem Einsatz von Stammzellen bei der Therapie von Herzinfarkt, Schlaganfällen sowie Diabetes mel- litus sowie bei der Gewebezüchtung und Bildgebung.

„Wir haben wissenschaftliche Goldadern aufgedeckt“, charakteri- sierte der Kongresspräsident, Prof.

Dr. med. Frank Emmrich, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Zellthe- rapie und Immunologie, Leipzig, und Direktor des Instituts für Immu- nologie und Transfusionsmedizin an der Universität Leipzig, die herr- schende Aufbruchstimmung und verwies auf die Industrieausstel- lung. „Vom Labor zum Patienten lautet unsere Devise“, erklärte der Wissenschaftler.

Emmrich selbst erforscht zellba- sierte Behandlungen für Schlagan- fallpatienten. Ein in seiner Arbeits- gruppe entwickeltes Großtiermodell konnte bereits die Wirksamkeit der autologen Transplantation mononu- klearer Zellen aus dem Knochenmark

Regenerative Medizin

„Wir haben Goldadern aufgedeckt“

Die regenerative Medizin boomt. Die ersten Produkte gehen bereits in die klinische Anwendung. Doch der Weg zur Automatisierung ist noch steinig.

Züchtung nach Maß:Blick in ein Labor des Fraun- hofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig

Fotos:IZI

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A3156 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4616. November 2007

M E D I Z I N R E P O R T

bestätigen: Nach mikrochirurgischem Verschluss der mittleren Hirnarterie bei Schafen ließen sich durch die Stammzelltherapie nahezu alle aus- gefallenen Funktionen wiederherstel- len. Die klinische Rückbildung von Lähmungen konnte auch mit bildge- benden Verfahren (Magnetresonanz- und Positronenemissionstomografie) dokumentiert werden. Bei der Zell-

therapie scheint es sich allerdings um ein zeitlimitiertes Verfahren zu han- deln. Das Zeitfenster ist jedoch im Vergleich zur konventionellen Thera- pie deutlich länger (wahrscheinlich drei Tage) und könnte die Einbezie- hung von etwa 90 Prozent aller Schlaganfallpatienten ermöglichen.

Bislang erhalten weniger als zehn Prozent aller Patienten eine ursachen- orientierte Therapie durch Thrombo- lyse, da diese auf ein Zeitfenster von maximal drei Stunden begrenzt ist.

Emmrich ist optimistisch: Durch die enge Zusammenarbeit mit Leipziger Stroke-Units könne das Verfahren in den kommenden zwei Jahren in die Klinik gehen.

Bereits in orthopädischer Anwen- dung sind dreidimensionale, mit adulten Stammzellen besiedelte Zell- gerüste, die Patienten mit größeren Knorpeldefekten implantiert wer- den. Sie wurden von Prof. Dr.

Dietmar Hutmacher entwickelt, der seit 1999 Direktor der Tissue- Engineering-Gruppe an der Nationa- len Universität Singapur ist. Eine Rückkehr nach Deutschland kann sich der deutsche Wissenschaftler derzeit nicht vorstellen. „In Singapur ist die Grundlagenforschung besser mit der Anwendung verknüpft. Wir

arbeiten dort eng mit Chirurgen und Orthopäden zusammen“, erläuterte er. An die deutsche Politik appellierte Hutmacher, die Prüfung von Produk- ten des biomedizinischen Enginee- rings zu beschleunigen und die Zu- lassungsdauer zu verkürzen.

„Gewebe sind keine Medikamen- te, wir können deshalb zum Teil nicht den langen Weg der arzneimittel- rechtlichen Zulassung ge- hen, sondern brauchen Mög- lichkeiten des Versuchs an Menschen“, erläuterte Prof.

Dr. rer. nat. Heike Mert- sching (Leiterin der Abtei- lung für Zell- und Tissue- Engineering am Fraunhofer- Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik, Stuttgart) die rechtliche Pro- blematik des Tissue Engi- neerings in Deutschland.

Mertsching entwickelte eine vaskularisierte Kolla- genmatrix, mit deren Hilfe sich implantierbare Gewebe zum Ersatz von Leber, Trachea und Speiseröhre züchten lassen. Die Ma- trix verfügt über einen arteriellen Zufluss und einen venösen Rück- fluss. Sie wird mit adulten Stamm- zellen und endothelialen Vorläufer- zellen besiedelt, die sich zu funktio- nalen Endothelzellen differenzieren.

Die Perfusion der Matrix mit fri- schem Medium sowie der Abtrans- port von verbrauchtem Medium und Abbauprodukten erfolgt über einen computergesteuerten Bioreaktor.

Stammzellgesetz: Plädoyer für Verschiebung des Stichtags

Vorgestellt wurden auf dem Kon- gress auch erste Forschungsansätze mit embryonalen Stammzellen. Die- ser Forschungsbereich sei zwar noch weit von der Anwendung entfernt, trotzdem müsse endlich das Stamm- zellgesetz gelockert werden, so Emmrich, der für eine Verschiebung des Stichtags plädiert und eine Strei- chung der Strafe für Forscher, die im Ausland mit nach dem Stichtag etablierten Stammzelllinien arbei- ten. Bisher dürfen deutsche Wissen- schaftler nur an menschlichen em- bryonalen Stammzellen forschen, die vor dem 1. Januar 2002 im Aus- land gewonnen wurden.

Zustimmung erhielt Emmrich in dieser Frage von Prof. Bernat Soria Escoms, dem neuen spanischen Gesundheitsminister. Soria gilt als einer der weltweit führenden Stamm- zellforscher und publiziert in nam- haften Journalen. In Andalusien leitete er das 2006 fertiggestellte Zentrum für Molekularbiologie und Regenerative Medizin, eines der vier in Spanien lizenzierten For- schungsprojekte an embryonalen Stammzellen. In Leipzig sprach Soria über den Schwerpunkt seiner For- schung: den Diabetes mellitus.

Mit entscheidenden Durchbrü- chen auf diesem Gebiet rechnet der Wissenschaftler in den nächsten zwei Jahren. Die Forschung an em- bryonalen Stammzellen hält Soria dabei für ethisch gerechtfertigt. Erst vor wenigen Wochen verabschiede- te Spanien ein neues Gesetz zur bio- medizinischen Forschung. Dieses erlaubt unter Auflagen erstmals das therapeutische Klonen und treibt die Schaffung von Biobanken voran.

Die anwesenden deutschen Poli- tiker äußerten sich bei dem Kon- gress nicht zur Frage der Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen. „Die Erwartungen der Bevölkerung in der regenerativen Medizin sind sehr hoch“, betonte indes Dr. Klaus Theo Schröder (Staatssekretär im Bundesgesund- heitsministerium). „Hier ist das Fundament, dass sich diese Hoff- nungen erfüllen.“ Besonders wür- digte Schröder die enge Vernetzung von Forschung und Industrie, die eine Umsetzung der Forschungs- ergebnisse beschleunige.

Ministerialrat Dr. Peter Lange hob hervor, dass das BMBF seit Ende 2006 rund 15 Millionen Euro für den Aufbau eines Translationszentrums für Regenerative Medizin in Leipzig zur Verfügung stellt. Dieses beschäf- tigt sich mit der Entwicklung von In- vitro-Gewebekultur-Systemen, Bio- reaktoren, neuen Material- und Oberflächenkonzepten, Stammzel- len unterschiedlicher Herkunft sowie ihren Einsatzmöglichkeiten für me- dizinische Therapien. Neben dem Leipziger Zentrum fördert das BMBF weitere Translationszentren in Ber- lin, Dresden und Hannover. n Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Protagonisten der

regenerativen Medizin:

Prof. Dr. med. Frank Emmrich (links) im Gespräch mit dem spanischen Ge- sundheitsminister Prof. Dr. Bernat Soria Escoms

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