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Archiv "Gendiagnostikgesetz: Hohe Hürden und große Lücken" (25.04.2008)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1725. April 2008 A855

S E I T E E I N S

M

it seinen Mitte April beschlossenen Eckpunkten zur Gendiagnostik setzt das Bundeskabinett ho- he Hürden für den Einsatz von Gentests. Noch weist das Papier Lücken auf, doch der ausdrückliche Wille der Bundesregierung, in dieser Legislaturperiode ein Gen- diagnostikgesetz zu verabschieden, ist sehr zu be- grüßen. Wären die Eckpunkte bereits Gesetz, hätte es vor einigen Jahren der Klage der hessischen Lehrerin wahrscheinlich nicht bedurft. Ihre Verbeamtung auf Probe war abgelehnt worden, weil ihr Vater an Hunting- ton-Chorea leidet, sie die Frage nach erblichen Erkran- kungen in der Familie bei ihrer Einstellungsuntersu- chung wahrheitsgemäß beantwortet hatte, sich jedoch weigerte, einen Gentest zu absolvieren. Die junge Frau klagte und bekam 2004 recht: Der hessische Schul- dienst musste sie aufnehmen.

Das Beispiel ist kein Einzelfall. Im Bereich der Gen- diagnostik gibt es viele rechtliche Grauzonen, die es endlich zu regeln gilt. Ein Gendiagnostikgesetz, das die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer gene- tischen Veranlagung ausschließt, ist längst überfällig.

Eine Gesetzesvorlage der rot-grünen Regierung verfiel 2005 wegen des vorzeitigen Endes der Legislaturperi- ode. Einen erneuten Gesetzentwurf legte das Bündnis 90/

Die Grünen im vergangenen Frühjahr vor. Die Eck- punkte des Kabinetts sind im Vergleich zu dem Entwurf viel weniger ausführlich und stoßen auf harsche Kritik der Opposition. Sie seien „Stückwerk“ und Ausdruck dafür, dass die Koalition weder eine gemeinsame bioethische noch eine gemeinsame forschungspoliti- sche Linie habe, heißt es bei den Grünen.

In der Tat: Besonders im Bereich der Forschung be- steht noch Regelungsbedarf zum Umgang mit gendia- gnostischen Daten. Die Eckpunkte konzentrieren sich auf die Rechte der Individuen. Deutlich im Gesetz ver- ankert werden soll die Freiwilligkeit der Teilnahme an genetischen Untersuchungen, das Recht auf Nichtwis- sen und Beratungsverzicht sowie ein Diskriminierungs- verbot wegen genetischer Eigenschaften. Ferner sehen die Eckpunkte vor, dass Gentests künftig nur von Ärz- tinnen und Ärzten mit der entsprechenden Qualifikation vorgenommen werden dürfen. Bei prädiktiven und vor- geburtlichen genetischen Tests sollen sie verpflichtet werden, ihre Patienten ausführlich zu beraten. Eine zen- trale Gendiagnostik-Kommission soll in Zukunft Richt-

linien für die Aufklärung und Beratung sowie die Durchführung von Gentests erarbeiten.

Gentests bei Feten oder Embryonen sollen nur ge- stattet sein, wenn sie auf den Gesundheitszustand vor oder nach der Geburt abzielen. Tests zur Geschlechts- bestimmung sollen verboten werden. Offen bleibt in den Eckpunkten allerdings noch, wie genetische Unter- suchungen definiert werden sollen. Eine eng gefasste Definition bei der Pränataldiagnostik würde beispiels- weise die Ultraschalluntersuchung zur Nackenfalten- dichte, aus der auf Trisomie 21 geschlossen werden kann, nicht mit einbeziehen.

Unpräzise sind die Eckpunkte auch im Hinblick auf die Versicherungswirtschaft. Arbeitgebern und Versi- cherungsunternehmen will die Koalition zwar klare Grenzen setzen. Den Eckpunkten zufolge sollen sie künftig keine Gentests oder Auskünfte über bereits durchgeführte genetische Untersuchungen verlangen dürfen. Doch dann lässt die Koalition ein Schlupfloch:

Ausgenommen werden sollen Lebensversicherungen mit sehr hohen Versicherungssummen. Angaben über die Höhe des Betrags fehlen jedoch.

Völlig unerwähnt in den Eckpunkten bleiben leider konventionelle labordiagnostische Untersuchungen.

Sie können ebenso wie gendiagnostische Tests auf Risi- ken für Krankheiten hinweisen, die erst weit in der Zu- kunft ausbrechen. Auch diese sensiblen personenbezo- genen Daten bedürften eigentlich eines Schutzes.

Trotz aller noch bestehenden Mängel – die Eckpunk- te sind ein guter erster Schritt auf dem Weg zu einem dringend benötigten Gesetz.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin

GENDIAGNOSTIKGESETZ

Hohe Hürden und große Lücken

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

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