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Archiv "Nachwuchsmangel: Selbstkritik tut not" (08.01.2007)

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A28 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 1–2⏐⏐8. Januar 2007

T H E M E N D E R Z E I T

te verbergen: Die Chirurgen hatten das 19. Jahrhundert hindurch ge- glaubt, bereits ein Nadelstich führe zum sofortigen Herzstillstand, ob- wohl es weder klinische noch expe- rimentelle Belege dafür gab.

>> Der Erfolg scheint recht zu

geben: Trotz des Bruchs eines Jahr- hunderttabus wurde Rehn nicht be- straft und verlor nicht die Achtung seiner Kollegen.

>> Nur ein geringfügiges Weiter-

schreiten über Anerkanntes hinaus wird akzeptiert. Veränderung bei ethischen Beurteilungen vollziehen sich in kleinen Schritten. Wie hätten die Mitglieder der Deutschen Ge- sellschaft für Chirurgie wohl re- agiert, hätte Rehn 1897 in Berlin an- gekündigt, nach der Herznaht nun als Nächstes künstliche Herzklappen einzusetzen (vor den Antibiotika waren schadhafte natürliche Herz- klappen häufiger als heute)?

>> Rehns Tat war kein ethischer

Dammbruch, in dessen Folge Frivo- lität und Verantwortungslosigkeit in der Chirurgie eingerissen wären.

Genauso wenig sollte man anneh- men, die nach uns kommenden Ge- nerationen seien bioethisch weniger urteilsfähig, weniger sensibel als wir, auch wenn sie Eingriffe in Na- turprozesse billigen werden, die wir heute ablehnen.

Die energischen – und bemer- kenswert erfolgreichen – Bestre- bungen, medikamentöses Doping aus dem Leistungssport zu entfer- nen, zeigen im Gegenteil, dass die Gesellschaft sehr wohl in der Lage ist, auch in Medizin und Pharmazie vom technisch Möglichen Abstand zu nehmen, wenn es aus der Ethik des Heilens nicht zu rechtfertigen ist. Die Herznaht war aber aus der Ethik des Heilens zu rechtfertigen – sobald ihre technische Mach- barkeit erwiesen war, war sie in der Fachöffentlichkeit mit einem Schlag gerechtfertigt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2007; 104(1–2): A 26–8

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. Dr. med. Ulrich Mueller Institut für Medizinische Soziologie und Sozialmedizin

Humanmedizin – Universität Marburg Bunsenstraße 2, 35033 Marburg E-Mail: mueller2@mailer.uni-marburg.de

Immer mehr junge Ärztinnen und Ärzte kehren Deutschland den Rücken und arbeiten lieber in Skandinavien, England oder der Schweiz. Viele Medizinabsol- venten ziehen alternative Berufsfelder dem Krankenhaus vor. Nachwuchssor- gen plagen mittlerweile nicht mehr nur Fächer wie Arbeitsmedizin oder Patholo- gie, sondern auch die Chirurgie. Zu we- nig junge Ärzte wollen Chirurgen wer- den, beklagt die Deutsche Gesellschaft

für Chirurgie (DGCH) und hat einige Gründe für die schwindende Attraktivität der Fachrichtung ausgemacht: eine un- zureichende Vergütung, Fremdbestim- mung, überbordende Bürokratie und ungünstige Zukunftsperspektiven. „Wir brauchen keine weiteren Analysen, son- dern tragfähige Handlungsoptionen“, fordert DGCH-Generalsekretär Prof. Dr.

med. Hartwig Bauer.

Mit ihrer Kritik hat die DGCH recht.

Allerdings hat sie einige Ursachen über- sehen, die junge Ärzte ins Ausland oder andere Berufsfelder abwandern lassen – abgesehen von den ungünstigen Rahmenbedingungen. Weitere Analysen sind deshalb sehr wohl erforderlich.

Doch diese gehen ans Eingemachte und sind unangenehm für die Ärzteschaft.

Wenn man Assistenzärzte nach ihrer Motivation fragt, warum sie Deutschland verlassen, dann geht es um Geld und Bürokratie. Keine Frage. Aber ganz oben auf der Liste der Kritikpunkte steht auch die vielfach unbefriedigende Ausbildung.

Solange eine Station einigermaßen läuft und die Mitarbeiter „funktionieren“, ist es vielen Chefärzten ziemlich egal, ob die Assistenten während ihrer Weiterbil- dung etwas lernen oder nicht. In vielen Abteilungen gibt es nach wie vor kein strukturiertes teaching. Fortbildung – wie übrigens auch Forschung – hat oftmals in der Freizeit stattzufinden. Die Kosten für Fortbildungsveranstaltungen tragen vielfach die Assistenzärzte. Dass

es Defizite in der praktischen Ausgestal- tung der Weiterbildung gibt, hat offen- bar auch die DGCH bemerkt, spricht es allerdings nicht offen an. Zumindest aber hat die Fachgesellschaft angekün- digt, sie wolle ihre Anstrengungen ver- stärken, „die Weiterbildungsstrukturen und die Attraktivität des Berufbildes des Chirurgen zu verbessern“. Gut so.

Damit ist es allerdings nicht getan.

Noch weitere Motive treiben den Nach-

wuchs ins Ausland: Es ist der Wunsch nach einem guten Arbeitsklima und einer flachen Hierarchie. Die Mediziner wollen sich nicht damit abfinden, dass unbezahlte Überstunden von vielen Chefärzten als eine Selbstverständ- lichkeit betrachtet werden. Wer einigermaßen geregelte Arbeitszeiten fordert, gilt mancherorts noch immer als unengagiert.

Kuriose Auswüchse hierarchischer Strukturen waren während des Streiks an kommunalen Krankenhäusern und Unikliniken zu beobachten. Ganz nach

„Gutsherrenart“ setzten manche Chef- ärzte Assistenten unter Druck, damit sie sich nicht an den Protesten beteiligten.

Eine solche Haltung ist absolut nicht nachvollziehbar, ging es doch bei dem Arbeitskampf gerade um die Rahmen- bedingungen, über die sich die Ärzte- schaft immer wieder beklagt hat.

Einen weiteren Punkt hat die DGCH in ihrer Kritik schlicht vergessen: Wer Ärztemangel wirksam bekämpfen will, muss vor allem die Ärztinnen im Blick haben. Mehr als die Hälfte der Medizin- studierenden sind weiblich. Was aber hat die Chirurgie in den vergangenen Jahren unternommen, um mehr Frauen für sich zu gewinnen? Der Anteil von Ärztinnen in chirurgischen Abteilungen ist nach wie vor gering.

Die von der Politik vorgegebenen Rah- menbedingungen mögen an vielem schuld sein – aber eben nicht an allem. I

KOMMENTAR

Dr. med. Birgit Hibbeler

NACHWUCHSMANGEL

Selbstkritik tut not

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