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Archiv "Hausärzte in Grossbritannien: Qualität wird extra vergütet" (21.09.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007 A2607

S T A T U S

E

in „Qualitätsvertrag“ hat den Allgemeinärzten (General Practitioners = GPs) im britischen Ge- sundheitssystem neue, leistungsbe- zogene Vergütungskomponenten be- schert. Der Vertrag ist Teil der aktuel- len NHS-Reform, mit der unter ande- rem die Qualität der ambulanten Ver- sorgung verbessert und die Angebote der Praxen für ihre Patienten verbes- sert werden sollten. Erste Ergebnisse aus der Erprobung der Neuregelung, an der mehr als 8 000 Praxen teilnah- men, zeigen, dass die gesetzten Qua- litätsziele erreicht wurden. Zur Fi- nanzierung der leistungsbezogenen Vergütung wurde das Honorarbudget für die britischen Hausärzte um mehr als 20 Prozent erhöht.

Die britischen Hausärzte sind Be- schäftigte des NHS, und die meisten von ihnen arbeiten in Gruppenpra- xen mit bis zu sechs Ärzten. Durch- schnittlich waren im Jahr 2005 je Arzt 1 613 Patienten eingeschrie- ben. Die Hausärzte haben im NHS eine zentrale Funktion, weil das System durch eine strikte Trennung zwischen „primärer“ (hausärztli- cher) und „sekundärer“ (fachärztli- cher, krankenhausgebundener) Ver- sorgung gekennzeichnet ist. Der Hausarzt ist einerseits der Lotse, der die Patienten im Erkrankungsfall durchs System leitet, andererseits aber auch der „gatekeeper“, der den Zugang zur weitergehenden Dia- gnostik oder Behandlung regelt.

Die Vergütung der Hausärzte richtete sich vor der Reform aus- schließlich nach der Zahl der zur Versorgung eingeschriebenen Patien- ten, gewichtet mit soziodemografi- schen Merkmalen wie das Alter. Das Durchschnittseinkommen der GPs lag im Jahr 2006 bei 106 000 briti- schen Pfund. Die Teilnahme am

neuen Qualitätsvertrag ist freiwillig.

Der Vertrag legt fest, dass den Praxen zusätzlich zur Vergütung für die Ver- sorgung eingeschriebener Patienten ein Honorarbonus gezahlt werden soll, und zwar in dem Maß, wie sie bei der Versorgung ihrer Patienten vorgegebene Qualitätsziele einhalten und dokumentieren. Die Versor- gungsqualität wird dabei unter Bezug auf evidenzbasierte Qualitätsindika- toren in vier Bereichen gemessen:

>mit klinischen Qualitätsindika- toren, bezogen auf die Versorgung einer Auswahl verbreiteter chroni- scher Erkrankungen,

>mit Indikatoren bezogen auf die Qualität der Praxisorganisation,

>mit Indikatoren bezogen auf die Patientenzufriedenheit und

>mit Indikatoren bezogen auf ein zusätzliches Leistungsangebot.

Bestandteil des Qualitätsvertrags ist die Richtlinie „Quality and Out- comes Framework“ (QOF). Dem- nach wird mit einem Punktesystem der Grad an Versorgungsqualität, die eine Praxis für ihre Patienten er- reicht, quantifiziert. Auf der Basis einer entsprechenden Summe von Leistungspunkten lässt sich die Höhe ihres leistungsabhängigen Einkom- mensbestandteils bestimmen. Je Praxis können für dokumentierte Versorgungsqualität 1 050 QOF- Punkte erreicht werden. Für die verschiedenen Leistungsbereiche gliedert sich die Gesamtpunktzahl wie folgt:

>Für die Patientenbehandlung gibt es maximal 550 Punkte. Sie wer- den angerechnet, wenn die Behand- lung von zehn verbreiteten chroni- schen Krankheiten entsprechend den jeweils evidenzbasierten Qualitätsin- dikatoren (für die zehn Krankheiten 76 Indikatoren) durchgeführt wird.

>Für die Praxisorganisation (elek- tronische Patientenakte, Patienten- kommunikation, Patientenschulun- gen, Medikamenten-Reviews, Praxis- management) gibt es bis zu 184 Punk- te. Mit 56 Indikatoren wird gemes- sen, wie gut die Praxis organisiert ist.

>Für die Patientenzufriedenheit gibt es maximal 100 Punkte, bis zu 70 für Patientenbefragungen und weitere 30 Punkte, falls der Zeit- raum zwischen zwei Terminen zehn Minuten und mehr beträgt.

> Für zusätzliche Leistungsan- gebote, wie Krebsvorsorge, Schutz- impfungen oder Schwangerschafts- und Verhütungsberatung, gibt es weitere maximal 36 Punkte.

Was die klinischen Indikatoren betrifft, so entspricht die Zahl der zu- geteilten Punkte dem Anteil von Pati- enten einer Praxis, für die das betref- fende Qualitätsziel erreicht wurde.

Als Beispiel der Asthmaindikator Nr. 6: Praxen können Punkte erhalten, wenn sie mindestens 25 Prozent ihrer Asthmapatienten in den vergangenen 15 Monaten nachuntersucht haben.

Die für diesen Indikator maximale Anzahl von 20 Punkten erhält eine Praxis dann, wenn sie mindestens 70 Prozent ihrer Asthmapatienten nachuntersucht hat. Nach diesem Prinzip werden alle 76 klinischen Indikatoren angewendet.

Im Rahmen des Qualitätsvertrags bringt jeder QOF-Punkt, der aufgrund dokumentierter Versorgungsqualität für die Vergütung angerechnet wird, einer durchschnittlich großen Praxis mit drei Ärzten ein Zusatzhonorar von 120 Pfund (180 Euro). Für das Zusatzhonorar nehmen Ärzte aller- dings auch einen zusätzlichen Doku- mentationsaufwand in Kauf. Zudem entstehen den Praxen personelle und administrative Kosten.

HAUSÄRZTE IN GROSSBRITANNIEN

Qualität wird extra vergütet

Die Hausärzte im National Health Service (NHS) profitieren vom neuen Qualitätsvertrag.

Foto: Fotolia Kapp [m]

(2)

A2608 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007

S T A T U S

Zentraler Bestandteil des Qua- litätsvertrags ist eine neue Informa- tionstechnologie. Für die fortlaufen- de Dokumentation der Versorgungs- qualität in den Praxen wurde eine systemübergreifende Datenbank mit integriertem Qualitätsmanage- ment entwickelt. Damit werden die Leistungsergebnisse genau erfasst.

Die so erhobenen Daten werden von den Primary Care Trusts, das sind Einrichtungen mit ähnlicher Funkti- on, wie sie die deutschen Kas- senärztlichen Vereinigungen haben, zum Zweck der qualitätsbezogenen Vergütung der Praxen genutzt.

Die Summe von Leistungspunk- ten, die eine Praxis im Rahmen die- ses Systems erreicht, ist öffentlich einsehbar: Das Informationszen- trum des NHS hat eine Website (www.qof.ic.nhs.uk) eingerichtet, auf der Patienten leicht Zugang zu re- levanten Informationen über ihre Praxis finden. So können sie die jährliche Summe von QOF-Punkten ihrer lokalen Praxis mit dem ver- gleichen, was andere Praxen in der Region erreicht haben, oder sie kön- nen ihre lokale Praxis mit dem na- tionalen Durchschnitt englischer Pra-

xen vergleichen. Auch eine Aufschlüs- selung der Praxisleistung nach den verschiedenen klinischen Indikato- ren ist Außenstehenden möglich.

An der Erprobung des Qualitäts- vertrags haben mehr als 8 000 Haus- arztpraxen teilgenommen. Nach Ablauf des ersten Jahres musste die- sen aufgrund ihrer Leistungsdoku- mentation 95,5 Prozent der maximal erreichbaren Punkte zugesprochen werden. Damit wurde bezogen auf die Qualitätsziele des Vertrags eine hohe Leistung erbracht. Bei den Verhandlungen zu diesem Vertrag war zuvor ein Zielerreichungsgrad von 75 Prozent für realistisch gehal- ten worden. Entsprechend waren auch die Kosten für das Programm höher als vorher veranschlagt.

Auf die Einkommen der Haus- ärzte wirkte sich der hohe Er- reichungsgrad vorgegebener Qua- litätsziele positiv aus: Nach der Einführung leistungsabhängiger Zu- satzhonorare erhöhte sich das Brut- toeinkommen der Hausärzte im ersten Abrechnungsjahr um durch- schnittlich 23 000 Pfund gegenüber dem Jahr zuvor. Sie mussten aller- dings gewisse Zusatzkosten für län-

gere Behandlungszeit und höheren Verwaltungsaufwand übernehmen.

Das Indikatorensystem, mit dem man die hausärztliche Versorgungs- qualität misst, wird fortlaufend wei- terentwickelt. 2006 wurden weitere klinischen Indikatoren für bisher nicht erfasste Krankheiten, darunter Demenz, Depression und Adipositas, neu eingeführt. Für 2007 ist geplant, für die Realisierung kürzerer Warte- zeiten auf einen Termin und entspre- chend angemessene Praxisöffnungs- zeiten zusätzliche 72 Millionen Pfund zur Verfügung zu stellen, wo- mit je Praxis etwa 8 000 Pfund aus- geschüttet werden könnten.

Vieles spricht dafür, das briti- sche Experiment als erfolgreich zu bezeichnen. Eine Evaluation der Ergebnisse der neuen Vergütungs- ordnung wird aber durch fehlende Ausgangsdaten zur Versorgungs- qualität vor Inkraftsetzung des Vertrags beeinträchtigt. Möglicher- weise waren die vorgegebenen Qualitätsziele zu leicht erreichbar.

Für den nächsten Abrechnungszeit- raum wurden die Schwellen jeden- falls heraufgesetzt. I Ingbert Weber

GOÄ-RATGEBER

„Gebühren in besonderen Fällen“ – Abschnitt A übersehen?

Zum Gebührenrahmen der Amtli- chen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gab es zahlreiche GOÄ-Rat- geber, die auf den Internetseiten des Deutschen Ärzteblattes und der Bundesärztekammer (Rubrik:

Ärzte – Gebührenordnung – GOÄ- Ratgeber – § 5 „Bemessung der Gebühren …“) eingesehen wer- den können. Alle Ärzte, die ihre Abrechnung ohne spezielles Soft- wareprogramm erstellen, müssen sämtliche Allgemeinen Bestim- mungen vor den einzelnen Ab- schnitten der GOÄ, aber auch die speziellen Bestimmungen zu den Leistungen gut kennen, damit ih- nen keine Fehler unterlaufen.

Übersehen wird dabei der komplette Abschnitt A, den es be-

reits in der GOÄ 1982 gab. Den ersten Hinweis auf die Bedeutung des Abschnitts A findet man im Allgemeinen Teil der GOÄ, konkret im § 5 Absatz 3 GOÄ: „Gebühren für die in den Abschnitten A, E und O des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis Zweieinhalbfachen des Gebühren- satzes.“ Bekannt ist der ärztlich- technische Gebührenrahmen für den Abschnitt E (Physikalisch-me- dizinische Leistungen) und den Abschnitt O (Strahlendiagnostik, Nuklearmedizin, Magnetresonanz- tomografie und Strahlentherapie) der GOÄ.

Was aber versteckt sich hinter dem Abschnitt A? Die Überschrift lautet „Gebühren in besonderen Fällen“ und ist damit wenig auf- schlussreich. Der Text listet alle Leistungen auf, die nach „Maß-

gabe des § 5 GOÄ nur bis zum Zweieinhalbfachen des Vergü- tungssatzes“ berechnet werden dürfen. Hier findet man beispiels- weise das Rezept nach Nr. 2 GOÄ, die Verweilgebühr nach Nr. 56 GOÄ, venöse und Kapillarblutent- nahme (Nrn. 250 und 250 a GOÄ), Zuschläge aus dem Abschnitt Ul- traschall (Nrn. 402 und 406 GOÄ), einige Leistungen aus dem Be- reich der Lungenfunktion (Nrn.

605 bis 617 GOÄ), verschiedene EKGs (Nrn. 650 und 651 GOÄ) so- wie Leistungen aus dem Abschnitt F (Innere Medizin, Kinderheilkun- de, Dermatologie), den Abschnit- ten G (Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie), H (Geburtshilfe und Gynäkologie), I (Augenheil- kunde), J (Hals-, Nasen-, Ohren- Heilkunde) und die Nrn. 4850 bis 4873 aus dem Abschnitt N (Histo- logie, Zytologie, Zytogenetik) GOÄ.

Begründet wurde die Ein- schränkung des Gebührenrah- mens mit einem überdurch- schnittlich hohen Sachkostenan- teil der Leistungen und der Mög- lichkeit, diese mithilfe von Hilfs- kräften oder Apparaten erbringen zu lassen. In der Historie des Ab- schnitts A wurden immer wieder Leistungen gestrichen oder aufge- nommen, in der Regel jedoch des- halb, weil sich die Nummer durch die jeweilige Novelle geändert hat- te. Der Versuch, bei der Novellie- rung der GOÄ 82 bestimmte rein ärztliche Leistungen aus dem Ab- schnitt O (zum Beispiel Angio- grafien) herauszunehmen, um sie vom ärztlich-technischen Ge- bührenrahmen in den größeren ärztlichen Gebührenrahmen anzu- heben, sind am Finanzausschuss des Deutschen Bundesrates ge- scheitert. Dr. med. Anja Pieritz

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