THEMEN DER ZEIT AUFSÄTZE
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Kunst im Wartezimmer und Krankenhaus
Seele im Aufwind
Gegenstand ihrer Arbeiten als De- signerin und Malerin ist — unter ande- rem — die künstlerische Ausgestaltung von Arztpraxen und Krankenhäusern mit dem Ziel, die Psyche des Patienten im visuellen Bereich positiv zu beein- flussen und damit dem Patienten gleichsam seelischen Aufwind zu geben.
Die Rede ist von Carmen Berck, Jahr- gang 1954. Sie hat in 52104 Herzogen- rath, Neustraße 87, ein Designstudio für kommunikative Malerei und farbli- che Umweltgestaltung aufgebaut. Nach
Abitur und Besuch der Fachhochschule Aachen legte Carmen Berck im Jahre 1982 an der FH Aachen ihr Diplom zur Produkt-Designerin mit Auszeichnung ab. Seither ist sie als Designerin und Malerin freiberuflich tätig.
In diesem Bericht über ihre Arbeit soll der Bereich Arztpraxen und Kran- kenhäuser im Mittelpunkt stehen. Den von Carmen Berck erarbeiteten Lösun- gen liegt die Idee zugrunde, ausgewähl- te Beispiele aus der Kunstgeschichte mit erwiesen positiver, entspannender
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A1-3050 (26) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 46, 19. November 1993
7N - EMEN DE El7 AUFSATZE
Rezept für Praxen:
Farbe vitalisiert
Wirkung auf die Psyche des Menschen einzubeziehen, wenn es gilt, Hinweisschilder oder Bilderschmuck auch flä- chendeckend zu entwickeln.
Da entstehen zunächst Kopi- en in üblichen Maltechniken Weiterentwickelt werden sie durch Kombination mit hin- weisenden Wörtern, herge- stellt in neuartiger Kunst- stofftechnik mit Materialei- genschaften, die alle Anfor- derungen an die Praxismöbel erfüllen. Den notwendigen Praxisschildern wird so durch das Einbeziehen der Kunst zusätzliche Qualität ver- schafft — die Kunst erhält ei- ne Chance, dem Menschen in einem Augenblick zur Verfü- gung zu stehen, in dem ihre Wirkung ihm unmittelbar nützen kann.
Geeignet für diese Werke sind beispielsweise Motive von Joan Miro. Aber eine Tischplatte mit Werken Pi- cassos ist ebenso herstellbar wie abwaschbare Wandver- kleidungen oder Raumteiler mit Motiven von Otmar Alt
• Intensive Farbklänge set- zen starke Akzente. Goldgelb symbolisiert als Sonnenlicht wohlige Wärme und Weite.
Leuchtendes Rot im Wechsel mit Hellgrün und Blau stärkt die physische Kraft.
(I) Farben geben einen bele- benden Impuls, das Motiv ist Aufheitern. Erlebt der Pa- tient beim Betrachten des Bil- des positive Gefühle, stärkt es ihn wie positive tatsächliche Erlebnisse. Die Phantasie wird höchstmöglich angeregt, was die direkte Umgebung ei- ne Zeitlang vergessen läßt.
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Reine leuchtende Farben besitzen höchstmögliche Reiz- energie. Sie wirken stärkend bei Erschöpfungszuständen.O Dieses Motiv ist eine angsthemmende Kombinati- on: Strahlendes, anregendes, sich öffnendes Reingelb um- faßt das ungewisse, nach in- nen sich kehrende Violett und überwindet es.
oder Niki de Saint Phalle. Ei- gene Entwürfe von Carmen Berck entstehen selbstver- ständlich ebenfalls (siehe Ab- bildungen). Kunst wird von ihr in den Alltag integriert mit den Zielen: empfangen — entspannen — begleiten — erheitern — führen — ver- gnügen — gestalten — unter- halten — benützen — gene- sen.
Carmen Berck hat Raum- projekte in Kindergärten und Schulen, Bodenbemalungen für Schulhöfe und Radwege, Brunnenbemalung, Gestal- tung einer Bunkerfassade oder von Schallschutzwänden realisiert und des weiteren vierzehn Plakatwände künst- lerisch gestaltet. Sie plante Kinderspielplätze und Schul- höfe und schuf Bilder und Schilder für Arztpraxen und Krankenhäuser. In Fachzeit- schriften und anderen Publi- kationen wurde die junge Künstlerin mit diesen Schwerpunkten vorgestellt, desgleichen in mehreren Aus- stellungen. Kaspar Vallot
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Das Selbstbewußtsein wird von diesem Motiv ge- stützt: Hellrot (Kraft, Dyna- mik, Energie) und Rotviolett (starkes Ich-Gefühl, Ich-In- tegration) stimulieren das ZNS.O Besonders Kinder lieben dieses Blau, das gefühlsmäßig und sinnbildlich inneres Erle- ben, Glauben und Vertrauen ausdrückt.
O Auch ein Motiv mit Hu- mor kann Kraft geben, sich gegen die Widrigkeiten des Schicksals durchzusetzen.
Für die Farbanspielungen Hellrot und Rotviolett gilt das Gleiche wie für die Abbil- dung 5.
O Motiv und Farben haben das Ziel, den Betrachter aus dem Dunkel (Violett-Blau), über aktives, mitreißendes Fühlen (Rot) wieder zu Froh- sinn und Gesundheit (strah- lendes, warmes Gelb) zu lei- ten. Fotos: Kaspar Vallot
Für eine Arztpraxis ist gu- te Gestaltung auch die Frage guten Geschmacks. Gut ge- staltete Räume setzen keine Neueinrichtung voraus. Gera- de alte übernommene Praxen sind Pflegefälle, die nicht nur durch medizinisches Wissen, Instrumente, neue Geräte und EDV aktualisiert werden können. Zusätzlich lassen sie sich durch Farbe und dekora- tive Details wieder in Schwung bringen. Damit müssen sie keiner modern eingerichteten Praxis nach- stehen. Farbig gestaltete Räu- me sind keine Kostenfrage, aber eine wirksame Medizin, die alten und neuen Praxen verordnet werden muß!
Mit Farben werden ver- schiedenartige Wirkungen auf Gehirn und Gemüt er- zielt. So können Farben psy- chosomatisch positiv beein- flussen oder umgekehrt. Die vitalisierenden Kräfte von Farben haben einen wesentli- chen Einfluß auf das Wohlbe- finden von Patienten und Personal. Sie schaffen eine angenehme Atmosphäre und ein gutes, aktivierendes Ar- beitsklima.
Der Patient wird durch verschiedene Erlebnisberei- che (Empfang, Warte-, Be- handlungsbereich) stimuliert.
Alle Räume müssen ihrer Funktion entsprechend über Fußböden, Wandfarben, Gar- dinen, Kunst farbstrategisch abgestimmt sein.
Schon eine geschmackvol- le Einrichtung im Empfang spricht den Patienten freund- lich an, baut Spannungen und Blockaden ab. Zu dunkle, un- sympathische, charakterlose Farben wie Schwarz, Braun, Grau wirken negativ. Sie as- soziieren u. a. Schmutz, Angst, Tod und sind großflä- chig ungeeignet.
Im Wartebereich ist der Patient mit seinem Schmerz, seiner Angst sich allein über- lassen. Hier dürfen Zeit-
schriften und Hydrokultur nicht die einzigen Hilfen sein.
Vielmehr lenkt auch hier eine farbige behagliche Atmo- sphäre ab, beruhigt und weckt Vertrauen. Vorausge T setzt, daß sich die farbliche Gestaltung bis in die Behand- lungsräume fortsetzt! Hier unterstützt sie den Arzt. Der Patient wird von Instrumen- ten, Angst und Schmerzen abgelenkt und kann sich leichter entspannen.
Krankheit, Sterilität wer- den durch die Nichtfarbe
„weiß" noch stärker assozi- iert. Weiß wirkt kalt, verhär- tet Situationen und Umge- bung auf unangenehme Wei- se. Außerdem: Weiß ist pfle- geintensiv, verliert an Rein- heit, Klarheit, vergilbt und vergraut. Daher sollte, bis auf den Arztkittel und kleine Flä- chen (Geräte, Schränke), Weiß den Raum nicht bestim- men.
In Krankenhäusern wird seit langem mit Farben prak- tiziert, um den Patienten während der Krankheit einen angenehmeren Aufenthalt zu bereiten. Diese Hilfe sollte auch in der Praxis geboten werden.
Nach einem Gesamtkon- zept, auf die Praxis zuge- schnitten, wird die entspre- chende Dosis den Farbträ- gern (Fußböden, Wänden, Mobiliar, Gardinen und De- korationen) verordnet. Durch Kenntnis des umfangreichen Angebots von Materialien und der psychologischen Wir- kung der Farbe kann. der Farbberater ein gezieltes Konzept erstellen. Nach ge- nauen Vorgaben können dann die Handwerker das Farb- und Materialkonzept realisieren, das abschließend durch Kunst vervollständigt wird.
Helmi Böttrich, Farbberaterin,
Hauptstraße 29, 45219 Essen, Tel und Fax 02054/80340
Zu den Abbildungen:
Wirksamkeit der Motive und Farben
A1-3052 (28) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 46, 19. November 1993