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Archiv "Kunst und Psyche: Narren- oder Krönungskappe?" (23.05.2003)

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A1458 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2123. Mai 2003

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ach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik litt Blalla W. Hall- mann bald wieder an einem Vergiftungswahn. Eine para- noid-halluzinatorische Psy- chose, die infolge von Ent- behrungen und reichlichem Drogengenuss 1968 in den USA ausgebrochen war, kam auch Anfang der 70er-Jahre nicht zur Ruhe. Als Freunde ihn 1971 besuchten, fanden sie ihn abgemagert und ent- kräftet vor. Da er, wie er sel- ber später erzählte, ausgese- hen habe wie „das Leiden Christi“, überredeten ihn die Freunde, einen Gipsabdruck von seinem Kopf zu machen.

Hallmanns Aussage nach sol- len in den folgenden Jahren im süddeutschen Raum meh- rere große Kruzifixe mithilfe dieses Gipsmodells gefertigt worden sein, unter anderem eines im Regensburger Dom.

Während nachfolgender stationärer Aufenthalte strick- te sich der Künstler eine Müt- ze, die er mit einem breiten Rand und Sehschlitzen ver- sah. Wird der Rand hochge- krempelt, ähnelt sie einer Pu- delmütze, allerdings in auffäl- liger Weise bestickt und be- stückt mit Federn, Knöpfen, Geldstücken und Kronkor- ken. Diese Kappe trug Hall- mann in der Klinik und später, wenn er mit Freunden in die Kneipe ging. Die Mütze stellte für ihn einerseits eine bewuss-

te Identifikation mit seiner Erkrankung dar, damit ver- bunden mit seiner Außensei- terrolle in der Gesellschaft als schizophrener Künstler. Blal- la W. Hallmann krönte sich mit dieser Kappe zum Herr- scher im Lande der uneinge-

schränkten Fantasie. Gleich- zeitig gab die Mütze ihm Schutz, da sie, wenn er den Rand herunterkrempelte und die Sehschlitze sichtbar wur- den, wie eine Gesichtsmaske wirkte, die andere Menschen erschrecken konnte.

Viele Jahre später, als der Künstler seine Erkrankung überwunden und mit seinen ebenso poetischen wie ag- gressiven Bildern Erfolg auf dem Kunstmarkt hatte, setzte er die Mütze auf den Gipsab- druck seines Kopfes und er- klärte die so entstandene Skulptur zum Kunstwerk.

Im Grenzbereich zwischen Kunst und Psychiatrie gehört diese Skulptur zu den ein- dringlichsten und den Be- trachter in Bann ziehenden Werken. Hartmut Kraft

Kunst und Psyche

Narren- oder Krönungskappe?

Foto:Eberhard Hahne

Biografie Blalla Hallmann:Gebo- ren 1941 in Quirl/Kreis Hirschberg in Schlesien. Studium an der Kunstakade- mie in Nürnberg 1960 bis 1965. Aufent- halt in den USA 1967 bis 1969, dort Aus- bruch einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Mehrere Klinikaufenthalte, zeitweise Versiegen der künstlerischen Produktivität. Ende der 70er-Jahre be- ginnt die bis zu seinem Tode 1997 über- aus kreative und künstlerisch erfolgrei- che Lebensphase.

Literatur

Hallmann B W: Arbeiten 1958–1990.

Ausstellungskatalog der Kunstvereine Emsdetten und Rosenheim, Albrecht-Dürer-Gesellschaft Nürnberg, Emsdetten 1991.

Hallmann B W: Der Weg, die Wahrheit und das Leben. Köln: Verlag der Buch- handlung Walter König, 1995.

Kraft H: Grenzgänger zwischen Kunst und Psychiatrie. Köln: DuMont, 1998.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeute- te auch für viele Ärzte das berufliche Ende. In Berlin wurden 1933 von den 334 Hochschullehrern der Medi- zin 139 entlassen. Die mei- sten emigrierten, viele ka- men (gewaltsam) zu Tode.

Auch viele Krankenhäuser erlitten einen Aderlass; das Krankenhaus Berlin-Moabit zum Beispiel entließ 56 Pro- zent seiner Ärzte.

An die Schicksale verfolg- ter Ärzte in Berlin erinnert ei- ne kleine, ergreifende Ausstel- lung, die das Robert Koch-In- stitut (RKI) initiiert hat. An- hand von sieben rekonstruier- ten Lebenswegen werden dem Besucher Schicksale und Geschichte nahe gebracht.

Denn „Geschichte wird an Einzelschicksalen plastisch“, erläutert Dr. Bärbel-Maria Kurth vom RKI und erinnert zugleich an eine verschüttete sozialmedizinische Tradition, die mit den Biografien ver- bunden ist, nämlich Ansätze von Public Health, praktisch umgesetzt in Beratung und Behandlung von Patienten in

Ambulatorien. In Berlin gab es 1924 42 solcher Ambulato- rien mit 650 000 Patienten.

Mit der Verfolgung sozialisti- scher und jüdischer Ärzte en- dete dieser Ansatz abrupt.

Das RKI kam durch Zufall auf dieses kombinierte The- ma von Verfolgungen und sozialmedizinischem Modell:

Eine Abteilung des Instituts war zeitweise auf dem Gelän- de der früheren SA-Kaserne Papestraße untergebracht. In den Kellerräumen dieser Ka- serne, die heute zu einem Kleingewerbegebiet mutiert ist, wurden 1933 Sozialisten, Kommunisten und Juden, darunter viele Ärzte, einge-

sperrt, verhört und gefoltert.

Dank der Beharrlichkeit ein- zelner Mitarbeiter des Insti- tuts wurden solche Schicksale rekonstruiert und in einer Ausstellung, zunächst in den RKI-Räumen, öffentlich. Die Ausstellung hat nunmehr ei- ne vorläufige neue Heimat im Gesundheitsamt von Tempel- hof/Schöneberg (Rathaus- straße 27, 12105 Berlin) ge- funden. Zu der Ausstellung gibt es eine aufschlussreiche, wissenschaftlich zuverlässige Broschüre (kostenlos), er- hältlich beim RKI, Nordufer 20, 13353 Berlin (zu Hän- den von Herrn Dr. Thomas Ziese). Norbert Jachertz

NS-Zeit

Abruptes Ende

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