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Archiv "Neue Sprache" (21.10.1994)

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sehen Befunde zu der Beurteilung, daß bei Anwendung CPA-haltiger Arzneimittel ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung von Lebertumo- ren gegeben ist." Und, als Auflage für die Fachinformation von An- drocur: "Cyproteronacetat ist als genatoxisches Leberkanzerogen einzustufen."

Offensichtlich ist also die spe- kulative Überinterpretation eines prinzipiell ubiquitären Phänomens die ausschließliche Grundlage für das Stufenplanverfahren. Die ge- gensätzlichen epidemiologischen Daten werden dabei vollständig ig- noriert. Verschwiegen wird auch,

~ daß die "tumorigene Wir- kung von CPA in der Leber" nur für Hepatome von Ratten zutrifft, die bis 24 Monate lang 50 mg CPA pro kg pro Tag (3 500 mg pro 70 kg pro Tag!) erhielten;

~ daß CPA bei Mäusen nur nicht-signifikante und bei Hunden (CPA-Gabe bis sieben Jahre lang) und Affen (CPA-Gabe bis zehn Jahre lang) keine tumorigene Wir- kung hatte;

~ daß auch andere, zum Bei- spiel in oralen Kontrazeptiva ent- haltene Steroide bei Ratten tumori- gen sind;

~ daß alle bisherigen Muta- genitäts-Tests mit CPA negativ ver- liefen.

Warum schließlich sollen, wenn denn CPA ein "Leberkanzerogen"

sein soll, Diane-35 und Androcur 10 widerrufen werden, Androcur (50 mg) und Androcur-Depot (300 mg) aber, wenn auch mit eingeschränk- ter Indikation, im Handel bleiben?

Übrigens wurde bisher kaum beachtet, daß neben CPA und zwei häufig verordneten Gestagenen auch Äthinylöstradiol in Ratten- Hepatozyten DNA-Addukte bildet.

Wenn also Diane-35 aus dem Han- del gezogen würde, müßten dann nicht konsequenterweise auch die Zulassungen für sämtliche konven- tionellen OC widerrufen werden?

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Wolfgang Nocke Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bann-Venusberg (Literatur beim Verfasser)

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KOMMENTAR

Neue Sprache

Im Krankenhaus werden seit einigen Jahren Strukturveränderun- gen inszeniert, die mit dem Werte- wandel in unserer Gesellschaft ein- hergehen. Dem Fortschritt der Me- dizin in Diagnostik und Therapie weitgehend Rechnung tragend, ha- ben sich die Krankenhäuser zu hochspezialisierten Gesundheits- einrichtungen entwickelt. Sie haben dabei aber auch stets die gestiege- nen Ansprüche der Patienten nach sofortiger Verwirklichung eigener Wünsche und Vorstellungen be- rücksichtigt. Dieses hohe Niveau medizinischer Versorgung und Un- terbringung war nur durch immense Investitionen möglich. Die Frage nach der Bezahlbarkeit wurde akut, der Ruf nach Steuerungsmechanis- men wurde laut. Managementstruk- turen der Industrie in das Kranken- haus zu übertragen, hieß die Zau- berformel. Damit fand eine andere Sprache Eingang in den sensiblen Bereich Krankenhaus - die seelen- lose Sprache der Wirtschaft. Diese wurde von einigen Ärztinnen und Ärzten ohne inneren Zweifel begie- rig aufgenommen mit der Begrün-

dung, daß das Krankenhaus ein Ab-

bild der modernen, organisierten Industriegesellschaft sei.

Doch ist diese neue Sprache überhaupt dem Krankenhaus ge- mäß? Ich meine: Nein!

Historisch und ausgehend vom Wesensverständnis ist das Kranken- haus der Idee der Wertschätzung, Achtung und Toleranz des Men- schen gegenüber dem Menschen verpflichtet. Es ist der Ort, wo Kranke und Leidende - aus ihrem gewohnten Lebensraum gerissen - vorübergehend zu Hause sind und Heilung suchen.

Leid ist dabei unvermeidlich, denn Beeinträchtigung der Gesund- heit bedeutet Leid, das im Kranken- haus durch die Hoffnung auf Gene- sung erträglich wird.

Da Leid in sich keinen Sinn birgt, kann ihm nur Sinn gegeben werden durch tätige Hilfe, mensch- liche Zuwendung und Zuspruch in der Sprache. Sprache aber hofft auf Hören und Verstehen. Ihre Kraft

liegt in der Macht der Worte. In ihr werden, wenn sie ehrlich gemeint ist, Denken und Gesinnung deut- lich. Mit der Übernahme von Mana- gementsprache in den ärztlichen und pflegerischen Bereich wird auch die Denkweise einer rationa- len, gewinnorientierten Industriege- sellschaft der primär humanen Idee der menschenfreundlichen Hilfelei- stung übergestülpt Der Patient steht dann nicht mehr im Mittel- punkt, sondern ökonomische Über- legungen.

Begriffe wie Dienstleistungsbe- trieb, Produktion, Budgetkontrolle, Steuerung, Unternehmen Kranken- haus, und Leerformeln: Die Zielde- finition als Leistungsaufgabe - Be- tonung der Leistung erfordert in der Regel Stärke - werden kritiklos aus dem Wirtschaftsleben übernom- men, um den Arzt seiner neuen Funktion als Medizin-Manager an- zupassen. Doch im Krankenhaus wird kein Produkt produziert; Ärz- te, Pfleger und Schwestern sind kei- ne Produzenten. Krankheit, Wie- derherstellung der Gesundheit und psychisches Wohlbefinden sind nicht plan- und steuerbar, weil von vielen menschlichen Faktoren ab- hängig.

Sollte das die neue Sprache des ärztlichen Denkens sein?

Wenn Sprache das Ereignis des Denkens offenbart, dann muß der Urgrund, die Motivation, erleuchtet werden, dem Denken entspringt.

Denn mit dem Fortgang des Den- kens wandelt sich auch die Sprache des Denkenden. Um dieser techni- sierten, kalten, leidenschaftlosen Sprache nicht zu verfallen und sie zum Ausdruck unseres Denkens zu machen, müssen wir uns auf die In- halte rückbesinnen, die der ur- sprünglichen Idee des Krankenhau- ses zugrunde liegen - und sie in un- sere Sprache wieder aufnehmen.

Jeder kann schon morgen Pati- ent sein, an dem dieses neue Den- ken in die Tat umgesetzt wird - in einem nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten, in- humanen Krankenhaus.

Gerhard Stübner, Hannover Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 42, 21. Oktober 1994 (29) A-2821

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