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Archiv "Hemmung der Progression von chronischen Nierenerkrankungen: Therapie durch Blockierung des Renin-Angiotensin-Systems" (04.08.2003)

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D

ie Zahl der terminal niereninsuf- fizienten Patienten in Deutsch- land steigt stetig. Mehr als 57 000 Patienten sind zurzeit in Deutschland dialysepflichtig. Im Jahr 2001 betrug die Inzidenz von Patienten mit dialyse- pflichtigem Nierenversagen 184 pro eine Million Einwohner. Somit waren mehr als 15 000 Patienten betroffen. Gleich- zeitig stagniert die Zahl der Nierentrans- plantationen beziehungsweise ist wegen dem Mangel an Spenderorganen sogar rückläufig. Die durchschnittliche Warte- zeit von Beginn der Dialysepflichtigkeit bis zur Transplantation einer Leichen- niere beträgt rund sechs Jahre. Da die Funktionsdauer einer transplantierten Niere begrenzt ist und die Halbwertszeit etwa zehn Jahre beträgt, kommen Pati- enten mit Funktionsverlust des Trans- plantats wieder an die Dialyse. Die ter- minale Niereninsuffizienz stellt damit nicht nur ein individuelles, sondern auch ein erhebliches finanzielles Problem für das Gesundheitswesen dar.

Progression von Nierenerkrankungen

Patienten mit Nierenerkrankungen büßen die Nierenfunktion selbst dann ein, wenn die ursprüngliche Erkran- kung ausgeheilt ist, weil nach einem in- itialen Schaden Nephrone untergehen.

In den verbleibenden gesunden oder nur teilweise geschädigten Nephronen finden kompensatorische Anpassungs- vorgänge statt, die die Nierenfunktion aufrechterhalten (3, 4). Die Nephrone hypertrophieren, und es kommt zur glomerulären Hyperperfusion und Hy- perfiltration. Bei diesen Vorgängen spielt die Aktivierung des Renin-An-

giotensin-Systems eine zentrale Rolle (40). Angiotensin II induziert kompen- satorische Wachstumsprozesse der Nephrone (40). Im Glomerulus erhöht Angiotensin II den transkapillären Druck und trägt zur Hyperfiltration bei (Grafik 1). Dieser zunächst sinnvolle Mechanismus ist jedoch auf Dauer schädigend. Die Angiotensin-induzier- te gesteigerte glomeruläre Hämodyna- mik und die strukturellen Veränderun- gen der Filtrationsbarriere führen zur Proteinurie (40). Angiotensin II hat zu- sätzlich proinflammatorische und pro- fibrotische Eigenschaften und kann ei- ne glomeruläre und tubuläre Entzün- dung über Induktion von proinflamma- torischen Zytokinen und Chemokinen vermitteln (38, 40). Das Zusammen- wirken dieser Mechanismen zerstört schließlich die Nephrone. Morpholo- gisch sind solche Nieren durch Glome- rulosklerose, tubulointerstitielle Fibro- se und Atrophie von Tubuli gekenn- zeichnet.

Hemmung der Progression von chronischen

Nierenerkrankungen

Therapie durch Blockierung des Renin-Angiotensin-Systems

Zusammenfassung

Die Zahl der Patienten mit dialysepflichtigem Nierenversagen steigt stetig an. Die chronische Dialysebehandlung ist kostenintensiv, und Dia- lysepatienten haben eine hohe Morbidität und Mortalität. Chronische Nierenerkrankungen ver- laufen langsam progredient, es kommt zu einer zunehmenden Verschlechterung der Nieren- funktion selbst bei ausgeheilter initialer Erkran- kung. Angiotensin II spielt bei diesen Prozessen eine entscheidende Rolle. Klinische Studien zei- gen, dass eine Therapie mit ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptorblockern bei Patienten mit Nieren- erkrankungen teilweise blutdruckunabhängig zu einer Verlangsamung des Fortschreitens der Niereninsuffizienz führt. Häufig werden ACE- Hemmer bei Patienten mit chronischer Nierenin- suffizienz nicht eingesetzt, da befürchtet wird, dass sich die Nierenfunktion verschlechtert oder eine Hyperkaliämie auftritt. Diese Befürchtung ist nicht gerechtfertigt. Klinisch relevante Ne-

benwirkungen treten oft durch unsachgemäße Komedikation auf. Gerade Patienten mit schon eingeschränkter Nierenfunktion profitieren am meisten von der Therapie mit ACE-Hemmern, denn diese Medikamente sind evidenzbasierte nephroprotektive Substanzen und nicht nur ein- fache Antihypertensiva.

Schlüsselwörter: Niereninsuffizienz, ACE-Hem- mer, Angiotensin, Hypertonie, Dialysepatient, chronische Erkrankung

Summary

Inhibition of the Progression of Chronic Renal Failure Through Blockade of the Re- nin-Angiotensin System

The number of patients with end stage renal disease is increasing. Dialysis is expensive, and dialysis patients have a high morbidity and mortality. Chronic renal diseases are often

progressive and lead to a continuous decline of renal function even if the primary renal disease has been resolved. Angiotensin II plays a pivotal role. Clinical studies have demonstrated that therapy with ACE-inhibitors or AT1-receptor antagonists slow the progression of various chronic renal diseases. Not every patient with chronic renal failure is currently treated with an ACE-inhibitor because of fear of a decline in renal function and/or hyperkalemia. However, relevant adverse events are rare and caused mainly by improper comedication. Especially, patients with moderate to severe reduction in renal function exhibit the greatest benefit of an ACE-inhibitor therapy. Therefore, these drugs should be considered as evidence based nephroprotective compounds and not only as antihypertensive drugs.

Key words: renal insufficiency, ACE-inhibitor, angiotensin, hypertension, dialysis, chronic dis- ease

1Zentrum Innere Medizin, Medizinische Klinik IV (Direk- tor: Prof. Dr. med. Rolf A. K. Stahl), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

2Pharmakologisches Institut (Direktor: Prof. Dr. med. Pe- ter Dominiak) der Universität Lübeck

3Medizinische Klinik mit dem Schwerpunkt Nephrologie (Leiter: Prof. Dr. med. Hans-H. Neumayer) der Humboldt- Universität Berlin, Campus Charité Mitte

Ulrich Wenzel

1

Peter Dominiak

2

Hans-Hellmut Neumayer

3

Gunter Wolf

1

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Rezeptoren für Angiotensin II

Die Hauptwirkungen von Angiotensin II wie Vasokonstriktion und profibro- tische Effekte werden in der Niere über AT1-Rezeptoren vermittelt (38, 40).

Hingegen ist die Rolle des AT2-Rezep- torsubtyps, der während der Embryo- nalentwicklung stark in der Niere ex- primiert wird, weniger gut charakteri- siert.

Experimentelle Daten weisen dem AT2-Rezeptor eine wesentliche Rolle bei der Hemmung des Zellwachstums, Induktion von Apoptose, Zelldifferen- zierung und auch Entzündung zu (39, 40). Die noch nicht vollständig geklär- te Rolle des AT2-Rezeptors ist für die Klinik nicht unerheblich, da in der Ge- genwart von AT1-Rezeptorblockern erhöhte Konzentrationen von Angio- tensin II an nicht blockierte AT2-Re- zeptoren binden können.

Arterielle Hypertonie und Proteinurie

Die arterielle Hypertonie und die Pro- teinurie sind die beiden wichtigsten Faktoren für das Fortschreiten von Nierenerkrankungen (12, 14, 29). Bei- de sind im Schädigungsmechanismus additiv. Die arterielle Hypertonie kann die Hyperfiltration verstärken und die Filtrationsbarriere schädigen, sodass die Proteinurie steigt (28). Der unterschiedliche Effekt von niedriger (0,5 bis 2 g/Tag), mittlerer (2 bis 4 g) und hoher (> 4 g) Proteinurie auf das Überleben der Niere wird in der Gra- fik 2 erklärt.

Während man früher davon aus- ging, dass die Proteinurie nur ein Mar- ker der Nierenschädigung ist, weiß man heute, dass die Proteinurie selbst den progressiven Funktionsverlust der Niere beschleunigen kann. Eine große Proteinurie aktiviert das tubuläre Re- nin-Angiotensin-System (28). Sie ist auch direkt tubulotoxisch und indu- ziert die Freisetzung von chemotakti- schen Substanzen und profibrotischen Zytokinen, die zu einer Entzündung im Tubulointerstitium mit einer an- schließender Vernarbung führen kön- nen.

Hemmung der Progression von Nierenerkrankungen

Der fortschreitende Funktionsverlust bei Nierenerkrankungen kann aufge- halten werden. Vor mehr als 20 Jahren wurde beobachtet, dass der Nierenfunk- tionsverlust bei Patienten mit diabeti- scher Nephropathie durch Senkung des Blutdrucks verlangsamt werden kann (21). Zielblutdruck ist bei Patienten mit Nierenerkrankungen < 130/80 mm Hg, bei einer Proteinurie > 1 g/Tag sogar

< 125/75 mm Hg (6).

Inzwischen liegen mehrere placebo- kontrollierte Studien vor, die zeigen, dass

eine Hemmung des Renin-Angiotensin- Systems durch Therapie mit ACE-Hem- mern oder AT1-Rezeptorblockern die Progression von chronischen Nierener- krankungen unabhängig von der Blut- drucksenkung verlangsamen oder sogar aufhalten kann.

Vor zehn Jahren erschien die erste große Studie, die zeigte, dass die The- rapie mit dem ACE-Hemmer Captopril bei Patienten mit Typ-1-Diabetes-melli- tus die Progression der diabetischen Ne- phropathie verzögert (16). Später konnte

dies auch bei Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen unterschiedlichster Ätiologie mit dem ACE-Hemmer Bena- zepril demonstriert werden (17). In bei- den Studien war der Blutdruck jedoch unter ACE-Hemmermedikation signifi- kant niedriger als nach Gabe eines Place- bos. Die erste große Studie, die nachwei- sen konnte, dass ACE-Hemmer unab- hängig vom Blutdruck die Progression von Nierenerkrankungen verzögern, war die in Italien mit dem ACE-Hemmer Ramipril durchgeführte REIN-Studie („ramipril efficacy in nephropathy“) (26, 36). Nachfolgestudien zeigten, dass nach vielen Jahren einer ACE-Hemmerthe- rapie nicht nur der Verlust der glomerulären Filtrationsra- te (GFR) verlangsamt wird, sondern die GFR sogar stabil bleibt, also eine Remission er- reicht wird. Bei wenigen Pati- enten konnte sogar eine Ver- besserung der Nierenfunktion im Sinne einer Regression er- reicht werden (25, 27).

Erste klinische Studien wei- sen auch auf einen protektiven Effekt von ACE-Hemmern bei der chronischen Trans- plantatnephropathie hin (7).

Die chronische Transplantat- nephropathie ist durch immu- nologische und nichtimmuno- logische Faktoren bedingt und führt zum Verlust des Trans- plantates. Vermutlich spielt auch bei diesen pathophysiolo- gischen Vorgängen Angioten- sin II, auch als eine das Immun- system aktivierende Substanz, eine entscheidende Rolle, so- dass eine Hemmung des Re- nin-Angiotensin-Systems pa- thophysiologisch sinnvoll ist.

Jedoch ist noch unklar, ob eine Therapie mit ACE-Hemmern bei gleicher Blut- drucksenkung anderen Antihypertensi- va nach einer Nierentransplantation überlegen ist (7, 23).

Für die Gruppe der AT1-Rezeptor- blocker ist ein nephroprotektiver Ef- fekt weniger gut belegt. Es liegen we- der für Patienten mit Typ-1-Diabetes- mellitus noch für die nichtdiabetische Nephropathie große placebokontrol- lierte Studien zur Nephroprotektion vor. Allerdings haben die AT1-Rezep- A

A2074 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 31–324. August 2003

Grafik 1

a) Normaler Glomerulus mit Vas afferens und Vas effe- rens, den glomerulären Kapillarschlingen und dem Tubu- lus. b) Nach Untergang von Nephronen kommt es kom- pensatorisch in den verbleibenden gesunden Nephronen zur glomerulären und tubulären Hypertrophie. Angio- tensin II führt zu einer Vasokonstriktion der afferenten und efferenten Arteriole. Jedoch ist diese Vasokonstrik- tion an der efferenten Arteriole ausgeprägter. Hierdurch wird der intraglomeruläre Druck erhöht, und es kommt zur Hyperfiltration. Diese Veränderungen führen auf Dauer zur Proteinurie und Vernarbung der Kapillar- schlingen (schwarz). Aus Wenzel UO: Progression von Nierenerkrankungen. In: Franz HE: Dialyse 2001, 73–81, mit freundlicher Genehmigung Pabst Science Publishers, Lengerich

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torblocker eine Studienlücke genutzt:

Es existieren keine großen Studien zur Nephroprotektion mit ACE-Hemmern beim Typ-2-Diabetes (31). Es war daher bisher unklar, ob bei dieser Patienten- gruppe, die wegen der dramatischen Zunahme des Typ-2-Diabetes von ho- her ökonomischer Relevanz ist, eine Blockade des Renin-Angiotensin-Sy- stems für die Niere vorteilhaft ist. In- zwischen konnte in drei großen place- bokontrollierten Studien eine blut- druckunabhängige Nephroprotektion für AT1-Rezeptorblocker belegt wer- den (5, 15, 22). Ein Einsatz zur Nephro- protektion bei Patienten mit Typ-2-Dia- betes-mellitus mit Mikroalbuminurie oder diabetischer Nephropathie ist also gerechtfertigt (40).

ACE-Hemmer und AT1- Rezeptorblocker bei

chronischer Nierenerkrankung

Jeder Patient mit einer chronischen Nierenerkrankung mit der Gefahr des fortschreitenden Funktionsverlustes sollte mit einem ACE-Hemmer behan- delt werden. Gemäß der Studienlage kann bei Typ-2-Diabetikern mit Mikro- albuminurie oder diabetischer Nephro- pathie alternativ ein AT1-Rezeptor- blocker verwendet werden. Insbeson- dere Patienten mit großer Proteinurie profitieren von der ACE-Hemmerthe- rapie (11, 32). Die Ergebnisse der REIN-Studie haben gezeigt, dass auch bei Patienten mit weit fortgeschrittener Niereninsuffizienz ein terminaler Or- ganverlust verhindert werden kann. Be- sonders im unteren Bereich der glome- rulären Filtrationsrate mit Clearance- Werten zwischen 10 und 30 mL/min, entsprechend einem Serumkreatinin von 3 mg/dL, war die ACE-Hemmer- therapie in der Risikoreduktion beson- ders effektiv (24).

Klinisch relevante Nebenwirkungen

Die Sorge um einen Kreatininanstieg nach Gabe von ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptorblockern ist vermutlich der wichtigste Grund, dass diese krank- heitsmodulierenden Medikamente vie-

len Patienten mit Funktionseinschrän- kung der Niere vorenthalten werden (37). Bei normotensiven nierengesun- den Patienten autoreguliert die Niere über einen großen Druckbereich die glomeruläre Filtrationsrate (Grafik 3).

Bei Patienten mit Hypertonie und Nie- reninsuffizienz ist die Kurve aber steiler und nach rechts verschoben. Eine Sen- kung des systemischen Druckes, insbe- sondere mit einem ACE-Hemmer, muss also fast zwangsläufig zu einem Abfall der GFR und damit zum Kreati-

ninanstieg führen (20). Wenn man bei einem Patienten mit eingeschränkter Nierenfunk- tion mit einer ACE-Hemmer- oder AT1-Rezeptorblocker- therapie beginnt, muss man nach 7 bis 10 Tagen Kreatinin und Kalium kontrollieren.

Prinzipiell gibt es drei Mög- lichkeiten wie sich die Kon- zentration von Kreatinin nach dem Beginn mit einem ACE- Hemmer oder AT1-Rezeptor- blocker ändern kann (Grafik 4) (1, 37):

>Das Kreatinin bleibt sta- bil. Man kann die Dosis des ACE-Hemmers steigern und sollte weiter in regelmäßigen Abständen kontrollieren. Je nach Stabilität der Nieren- funktion können die Kontrol- len nach ein bis drei Monaten erfolgen.

> Das Kreatinin steigt um weniger als 30 Prozent an. Ein Anstieg dieser Größenord- nung ist insbesondere bei hy- pertensiven nierenkranken Patienten gemäß der in der Grafik 3 gezeigten verschobe- nen Autoregulationskurve zu erwarten. Bei Therapie mit Antihypertensiva ist die Com- pliance des Patienten ein wichtiges Problem. Wenn das Kreatinin nach Neubeginn ei- ner ACE-Hemmertherapie steigt, kann man sich sicher sein, dass der Patient das Me- dikament eingenommen hat.

Beim Nichtanstieg von Krea- tinins muss in Betracht gezo- gen werden, dass der Patient den ACE-Hemmer nicht ge- nommen hat. Bei leichtem Kreatininan- stieg sollte also die ACE-Hemmerthe- rapie nicht beendet werden. Die Thera- pie sollte fortgeführt und Kreatinin und Kalium regelmäßig kontrolliert wer- den. Langfristig haben diese Patienten aber wegen der nephroprotektiven Ei- genschaften der ACE-Hemmer einen langsameren Funktionsverlust als Pati- enten, die nicht mit einem ACE-Hem- mer behandelt werden.

> Die Konzentration von Kreatinin steigt um mehr als 30 Prozent an. In die- Grafik 2

Funktionsfähigkeit der Niere nach initialer Proteinurie.

Bei niedriger Proteinurie (0,5–2 g/Tag) waren nach 4,5 Jahren nur 10 % der Patienten dialysepflichtig, bei hoher Proteinurie (> 4 g) hingegen 70 %. Aus: Ruggenenti et al.:

Kidney Int 1998; 53: 1209–1216 (29), mit freundlicher Ge- nehmigung: Kidney International St. Louis, USA

Grafik 3

Eine gesunde Niere hält den glomerulären Druck und da- mit die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) über einen wei- ten Blutdruckbereich durch Autoregulation aufrecht. Bei arterieller Hypertonie und geschädigter Niere ist die Auto- regulationskurve nach rechts verschoben und steiler. Eine Senkung des arteriellen Mitteldrucks führt zwangsläufig zum Abfall des glomerulären Drucks und der GFR. Aus: Pal- mer BF: N Eng J Med 2002; 347: 1256–1261, (20) mit freund- licher Genehmigung der Massachusetts Medical Society

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sem Fall sollte als erstes die Komedikati- on auf Nephrotoxizität überprüft wer- den. Nichtsteroidale Antiphlogistika sind hier an erster Stelle zu nennen. Häufigste Ursache ist jedoch eine Volumendepleti- on durch zu intensiven Diuretikage- brauch. Bei einem volumendepletierten Patienten führt eine ACE-Hemmerthe- rapie zur überproportionalen Nieren- funktionsverschlechterung, da die Niere auf das Renin-Angiotensin-System un- ter diesen Bedingungen zur Aufrechter- haltung der glomerulären Filtrationsrate besonders angewiesen ist. Der Volumen- haushalt des Patienten und die Diureti- katherapie sollten überprüft werden.

Wurden keine nephrotoxischen Me- dikamente eingenommen und liegt ein ausgeglichener Volumenhaushalt vor, muss bei einem Kreatininanstieg > 30 Prozent der ACE-Hemmer abgesetzt oder zumindest die Dosis reduziert wer- den und eine Nierenarterienstenose aus- geschlossen werden. Ein- und beidseiti- ge Nie-renarterienstenosen finden sich insbesondere bei Patienten mit ausge- prägter Arteriosklerose, erkennbar an Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizi- enz, koronarer Herzkrankheit, arteriel- ler Verschlusskrankheit oder Karotisste- nosen. Es liegt dann häufig das Bild der ischämischen Nephropathie vor. Verur- sacht werden kann die ischämische Nephropathie auch durch intrarenale Stenosen, die auf dem Boden einer langjährigen Hypertonie und Arterio- sklerose entstanden sind.

Bei einseitiger Nierenarteriensteno- se und gesunder Niere auf der Gegen- seite kommt es während der ACE- Hemmertherapie häufig nicht zum Kreatininanstieg, da die gesunde Niere den Funktionsverlust der stenosierten Niere kompensieren kann. Der Funkti- onsverlust durch ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker kann dann unbe- merkt zur ischämischen Atrophie der stenosierten Niere führen.

Risiko der Hyperkaliämie

Auch bei fortgeschrittener Einschrän- kung der Nierenfunktion liegt während der ACE-Hemmer- oder AT1-Rezep- torblockertherapie das Kalium im nor- malen oder hochnormalen Bereich (Grafik 5a). In den ACE-Hemmerstu-

dien lag die Zahl der Hyperkaliämien, die zum Abbruch der ACE-Hemmer- therapie zwangen, bei 1 bis 3 Prozent und war teilweise nicht höher als in der Placebogruppe. Eine lebensbe- drohliche Hyperkaliämie wird in der Regel durch falsche Komedikation ver- ursacht. Kaliumsubstitution und kali- umsparenden Diuretika insbesondere Spironolacton sind häufig Ursache der Hyperkaliämien bei Niereninsuffizienz (Grafik 5b) (41).

Ernährungsfehler, also eine kalium- reiche Kost, können ebenfalls zur Hy- perkaliämie führen. Kaliumreiche Le- bensmittel wie Obst, Nüsse oder Scho- kolade sind in kleinen Mengen erlaubt.

Werden sie aber in größeren Mengen zugeführt, kann das zur bedrohlichen Hyperkaliämie führen. Ob bei einem Patienten eine exzessive Kaliumzufuhr durch die Ernährung vorliegt, kann durch die Messung der Kaliumaus- scheidung im 24-Stunden-Urin festge- stellt werden. Liegt bei einer Hyperka- liämie eine Exkretion von weniger als 50 mmol Kalium pro 24 Stunden vor, so kann durch diätetische Maßnahmen

keine weitere Senkung der Hyperkaliämie erwartet wer- den. Finden sich hingegen im 24-Stunden-Urin mehr als 50 mmol Kalium, so liegt bei dem Patienten ein hoher Ka- liumkonsum vor, und die Hyperkaliämie kann durch Ernährungsumstellung ver- mindert werden (8). Weiter- hin kann versucht werden, durch zusätzliche Gabe eines Thiazids oder eines Schlei- fendiuretikums das Kalium zu senken.

Sollten die genannten Maß- nahmen nicht greifen, muss der ACE-Hemmer nicht zwangs- läufig abgesetzt werden. Durch die Komedikation mit oral ein- nehmbaren Kationenaustau- schern wie zum Beispiel Poly- styroldivinylbenzolsulfonsäu- re (beispielsweise Resonium, Anti-Kalium) kann bei Pati- enten mit schwerer Nierenin- suffizienz die Hyperkaliämie während der ACE-Hemmer- therapie gesenkt werden. Es gibt Hinweise, dass der An- stieg des Kaliums nach Gabe von AT1- Rezeptorblockern geringfügig kleiner ist als nach ACE-Hemmern (2). Gege- benenfalls kann also durch Wechsel auf einen AT1-Rezeptorblocker die Hy- perkaliämie vermindert werden.

Wahl des Medikamentes zur Primärtherapie

Es ist bedauerlich, dass es bisher keine direkt vergleichende Studie für ACE- Hemmer und AT1-Rezeptorblocker zur Nephroprotektion mit harten Endpunkten gibt (9). Da für viele ACE-Hemmer, nicht aber für die AT1- Rezeptorblocker der Patentschutz ab- gelaufen ist, besteht vonseiten der In- dustrie auch kaum ein Interesse an ei- nem solchen Vergleich. Kleinere, bei- de Substanzgruppen direkt verglei- chende Untersuchungen über kürzere Zeit zeigen jedoch eine ähnlich poten- te Senkung des Surrogatparameters Proteinurie bei Patienten mit Nieren- erkrankungen (9, 19). Es muss aber of- fen bleiben, welche Medikamenten- A

A2078 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 31–324. August 2003

Grafik 4

Nach Neubeginn einer ACE-Hemmer- oder AT1-Rezeptor- blockertherapie gibt es drei Möglichkeiten für den Krea- tininverlauf. Das Kreatinin bleibt stabil, es steigt leicht (< 30 %) oder es steigt um mehr als 30 % an. Modifiziert nach (37).

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gruppe in Bezug auf die Nephropro- tektion überlegen ist. Da ACE-Hem- mer deutlich preisgünstiger sind, sollte die Wahl nach Art der Nieren- erkrankung, den Nebenwirkungen und der ökonomischen Situation ge- troffen werden (10). Ein ganz neues Therapiekonzept ist die Doppelblock- ade des Renin-Angiotensin-Systems mit einer Kombinationsbehandlung aus ACE-Hemmer und AT1-Rezep- torblocker (13, 18, 19, 30). Dieses Kon- zept berücksichtigt pathophysiologi- sche Überlegungen (33, 34, 40). Angio- tensin II kann lokal auch unter Umge- hung von ACE gebildet werden. Die zusätzliche Gabe eines AT1-Rezeptor- blockers würde Angiotensin II, das lo- kal trotz ACE-Hemmertherapie noch gebildet wird, am Rezeptor antagoni- sieren.

Auf der anderen Seite wird durch die Gabe eines AT1-Rezeptorblockers systemisch ausgeschüttetes Renin sti- muliert und damit auch Angiotensin II erhöht, da der negative Rückkopp- lungsmechanismus durch AT1-Rezep-

toren vermittelt ist. Dieses durch die AT1-Rezeptorblockade erhöhte An- giotensin II würde durch eine gleich- zeitige Gabe von ACE-Hemmern ver- mindert werden. In der Tat zeigen klei- ne klinische Studien bei Patienten mit verschiedenen Nierenerkrankungen (13, 18, 19, 30) einen additiven Effekt der Doppelblockade auf die Protein- urie. In einer in Japan durchgeführ- ten Studie konnten sogar harte End- punkte wie Verdopplung des Kreatin- ins und terminale Niereninsuffizienz durch die Doppelblockade halbiert werden (18). Der interessante Ansatz einer Doppelblockade kann noch nicht allgemein empfohlen werden, sollte aber im Weiteren klinisch überprüft werden (9, 33).

Schlussfolgerung

ACE-Hemmer verlangsamen die Pro- gression von Nierenerkrankungen bei Typ-1-Diabetes-mellitus und bei nicht- diabetischer Nephropathie. Für AT1- Rezeptorblocker ist eine Nephropro- tektion beim Typ-2-Diabetes gut belegt.

Beide Substanzgruppen sind unabhän- gig von der Blutdrucksenkung nephro- protektiv. ACE-Hemmer und AT1- Rezeptorblocker sind krankheitsmodu- lierende Medikamente. Die Furcht vor der Hyperkaliämie oder einem Kreati- ninanstieg nach Therapiebeginn ist in der Regel unbegründet. Eine Blockade des Renin-Angiotensin-Systems darf Patienten mit chronischen Nierener- krankungen nicht vorenthalten werden.

Manuskript eingereicht: 7. 2. 2003, angenommen:

24. 3. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2072–2079 [Heft 31–32]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3103 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich O. Wenzel Zentrum Innere Medizin,

Medizinische Klinik IV mit den Schwerpunkten Nephrologie, Osteologie Rheumatologie und Allgemeine Innere Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52, N26

20246 Hamburg

E-Mail: Wenzel@uke.uni-hamburg.de Grafik 5

Auch bei eingeschränkter Nierenfunktion liegt während einer ACE-Hemmertherapie das Kalium im normalen oder hochnormalen Bereich. b) Erst die Komedikation mit kalium- sparenden Diuretika oder Kaliumsubstituti- on führt zur lebensbedrohlichen Hyperkali- ämie.

Nur in großen Kliniken wird ein 24- Stunden Notfall-Endoskopie-Service vorgehalten, um bei akuter gastroin- testinaler Blutung eine umgehende Diagnostik anbieten zu können. Die- ser Service ist aber bei vielen Patien- ten gar nicht erforderlich, wie eine Analyse griechischer Autoren gezeigt hat.

Sie bestimmten bei 190 konsekuti- ven Patienten, von denen 51 (26,8 Pro- zent) aktiv bluteten, vier Variable als unabhängige Prädiktoren. Anhand dieser Ergebnisse stellten die Autoren ein Punktesystem auf: Sechs Punkte für frisches Blut in der Magensonde, vier Punkte für hämodynamische In- stabilität, vier Punkte für ein Hämo- globin unter 8 g/dL, 3 Punkte für eine Leukozytose über 12 000/µL.

Wiesen die Patienten weniger als sieben Punkte auf, lag keine aktive Blutung vor, über 11 Punkte deutete auf eine aktive Blutung hin. Das Punk- tesystem wies eine Sensitivität von 96 Prozent, eine Spezifität von 98 Pro- zent, einen positiven prädiktiven Wert von 96 Prozent und einen negativen prädiktiven Wert von 98 Prozent auf.

Mit diesen einfachen Parametern kann festgelegt werden, ob bei einem Patienten mit gastrointestinaler Blu- tung eine Diagnostik innerhalb von 12 Stunden dringend erforderlich ist oder ob gewartet werden kann. w Adamopoulos A B, Baibas N M, Efstathiou S P et al.: Dif- ferentiation between patients with acute upper gastro- intestinal bleeding who need early urgent upper ga- strointestinal endoscopy and those who do not. A pros- pective study. Eur J Gastroenterol Hepatol 2003; 15:

381–387

Dr. A. B. Adamopoulos, Lecturer in Medicine & Ga- stroenterology, 3rd Department of Medicine, University of Athens Medical School, Building Z, Sotiria General Hospital, Mesogion 152, 11527 Athen, Griechenland, E-Mail: gpp@hol.gr

Wann Notfall- Endoskopie?

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