Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 22|
4. Juni 2010 A 1127 PULMONALE HYPERTONIESeltene und schwere Erkrankung
Die neue europäische Leitlinie schafft Klarheit hinsichtlich Definition, Klassifikation und Therapiezielen. Sie lässt aber auch Raum für individuelle Behandlungsansätze.
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s gibt zwar Fortschritte bei der Therapie des Lungenhoch- drucks, ein Problem bereitet jedoch nach wie vor die frühzeitige Diagno- se dieser seltenen Krankheit, da die ersten Anzeichen sehr unspezifisch sind: Luftnot bei Belastung, chroni- sche Müdigkeit, Schwäche, Schmer- zen im Brustkorb und Heiserkeit können erste Symptome sein. Bis zur korrekten Diagnosestellung verge- hen oft mehrere Monate bis Jahre.„Eine pulmonale Hypertonie liegt bei einem mittleren pulmonal- arteriellen Druck von mindestens 25 mmHg vor“, zitierte Prof. Dr.
med. Ekkehard Grünig (Universi- tätsklinikum Heidelberg) aus der Leitlinie. Beträgt dabei der pul - monal-kapilläre Verschlussdruck (Wedge-Druck) mehr als 15 mmHg, handelt es sich um eine postkapillä- re pulmonale Hypertonie, etwa bei einer Linksherzerkrankung. Liegt der Wedge-Druck niedriger, ist es eine präkapilläre Form; dazu gehö- ren auch die pulmonal-arteriellen Hypertonien (PAH).
Algorithmus folgt der Dana-Point-Klassifikation
Der komplizierte Algorithmus der Leitlinie für die Diagnose der pul- monalen Hypertonie (PH) folgt der neuen Dana-Point-Klassifikation:Schritt für Schritt werden die ver- schiedenen PH-Erkrankungen aus- geschlossen oder bestätigt. Handelt es sich um eine PAH, wird in weite- ren Schritten die Ursache ermittelt;
wird keine gefunden, steht am Ende des Diagnosewegs die idiopathi- sche PAH.
„Für bestimmte Risikogruppen, etwa Sklerodermiepatienten, wird ein jährliches Screening auf PAH mittels Echokardiographie empfoh- len“, sagte Grünig. Überhaupt kom- me der Echokardiographie eine wich- tige Rolle zu: „Sie hat die größte
Sensitivität und Spezifität. Man kann damit die Herzhöhlen ausmes- sen und zuverlässig die systolischen pulmonal-arteriellen Drucke be- stimmen.“ Allerdings sei die Me- thode noch nicht ausreichend stan- dardisiert. Deshalb werde die Ar- beitsgruppe Pulmonale Hypertonie der Deutschen Gesellschaft für Kar- diologie bis Ende 2010 ein Positi- onspapier zu den einzelnen Techni- ken zur Verfügung stellen.
„In der Diagnose der PH bezie- hungsweise PAH, aber auch in der Verlaufskontrolle und bei je - der Therapieumstellung spielt die Rechtsherzkatheter-Untersuchung ei- ne wichtige Rolle“, fügte Grünig hinzu, „sie erlebt in der aktuellen Leitlinie eine Renaissance.“
PAH-Patienten werden mit PDE- 5-Inhibitoren, Prostacyclinderivaten oder Endothelin-Rezeptorantagonis- ten behandelt. Oft werden Zwei- oder Dreifachkombinationen einge- setzt, aber auch diese können nicht bei allen Patienten die Erkrankung aufhalten.
Priv.-Doz. Dr. med. Hans B.
Lehmkuhl (Berlin) setzte bei vier austherapierten Patienten ein in die- ser Indikation ungewöhnliches The- rapieverfahren ein: die Immunad- sorption. „Wir hatten zuvor ent- deckt, dass 94 Prozent unserer PAH-Patienten Autoantikörper ge- gen den Endothelin
A- und/oder den Alpha
1-adrenergen Rezeptor hat- ten“, berichtete er. „Diese Autoanti- körper aktivieren offenbar die je- weiligen Rezeptoren und setzen da- mit eine pathophysiologische Kas- kade in Gang. Deshalb haben wir sie mit unspezifischer Immunad- sorption ausgewaschen.“
Drei Wochen später waren Lehm- kuhl zufolge der pulmonal-arterielle Druck, der rechtsventrikuläre Dia- meter, die maximale Sauerstoffsätti- gung, das Schlagvolumen und die
NYHA-Klasse der Patienten verbes- sert. Bei drei der vier Patienten hielt der Behandlungserfolg an. Lehm- kuhl möchte nun Patienten für eine größere klinische Studie rekrutieren.
Pulmonale Hypertonie bei Linksherzinsuffizienz
Für Patienten mit pulmonaler Hy- pertonie durch Linksherzerkran- kungen (PH der Gruppe 2) emp- fiehlt die Leitlinie lediglich die ad - äquate Therapie der Grunderkran- kung. „Damit wird die PH tatsäch- lich gebessert, aber nicht bei jedem in ausreichendem Maß“, erklärte Priv.-Doz. Dr. med. Stephan Rosen- kranz (Köln). Und weitere, spezifi- sche Therapieoptionen würden nicht genannt. Dabei sei die PH bei Linksherzinsuffizienz um ein Viel- faches häufiger als etwa die PAH.
Einige Patienten mit linksherz - insuffizienzbedingter PH könnten aber von typischen PAH-Medika- menten profitieren, genauer gesagt von PDE-5-Hemmern wie Sildena- fil (Revatio®). Rosenkranz stellte Daten einer Studie mit 34 Patienten vor. Alle hatten eine systolische Herzinsuffizienz mit PH, die Hälfte von ihnen bekam dreimal täglich bis zu 75 mg Sildenafil. „Nach zwölf Wochen waren die maximale Sauerstoffaufnahme und auch die körperliche Leistungsfähigkeit der Behandelten signifikant verbessert“, konstatierte Rosenkranz. Diese Be- handlung werde derzeit in der Leit- linie nicht empfohlen, wohl aber als Ausnahme „in besonderen Fällen“
erwähnt. „Solche Therapieversuche sollten allerdings in spezialisierten PH-Zentren durchgeführt werden“, forderte der Internist. ■
Simone Reisdorf
Symposium „PAH – Aktuelle Entwicklungen und Therapiekonzepte“ in Mannheim im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kar- diologie, Veranstalter: Pfizer