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Archiv "Kongress der International Society of Hypertension: Auch die leichte Hypertonie ist eine komplexe Erkrankung" (06.10.2000)

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lettert der systolische Blutdruck nach sechs Minuten ergometrischer Belastung mit 100 Watt über 200 mmHg, kann dies neben dem erhöhten Ruheblutdruck von über 140 mmHg nach einer norwegischen Untersuchung als unabhängiger Risikofaktor für kar- diovaskuläre Mortalität eingestuft wer- den. In die Untersuchung, die Prof. S. E.

Kjeldsen (Oslo) in Chicago vorstellte, waren 1 999 offensichtlich gesunde Män- ner zwischen 40 und 59 Jahren einbezo- gen worden. Nach 21 Jahren hatten sich 255 kardiovaskuläre Todesfälle ereignet.

Das Risiko für einen kardiovas- kulären Tod wurde durch einen systoli- schen Ruheblutdruck von 140 mmHg ebenso um 40 Prozent erhöht wie durch einen Belastungs-Blutdruck über 200 mmHg – nach Korrektur für andere Ri- sikofaktoren. Der Anteil solcher „Kan- didaten“ unter Männern in mittlerem Alter betrug immerhin 15 Prozent des Gesamtkollektivs. Zur Risikoevaluati- on lohnt es sich deshalb, zusätzlich eine Ergometrie durchzuführen, so Kjeldsen.

Bisher stützen sich die Richtlinien zur Beurteilung der Therapiebedürf- tigkeit der Hypertonie nur auf den sy- stolischen und diastolischen Blutdruck.

Der Pulsdruck scheint jedoch eine en- gere Korrelation mit dem kardiovas- kulären Risiko aufzuweisen, wie eine Metaanalyse der EWPHE-Studie, der Syst-Eur-Studie und der Syst-China- Studie ergab. Ein erhöhter Pulsdruck – das heißt, eine vergrößerte Differenz zwischen diastolischem und systoli- schem Blutdruck – kommt bei älteren Patienten besonders häufig vor. Dies ist auf die nachlassende Elastizität großer Arterien zurückzuführen.

Eine Zunahme des Pulsdrucks um 10 mmHg erhöhte nach der Metaanalyse das Risiko für koronare Ereignisse um 13 Prozent, für Schlaganfälle um 17 Prozent, für kardiovaskuläre Mortalität um 22 Prozent und für Gesamtmorta- lität um 15 Prozent. Der mittlere arteri- elle Blutdruck korrelierte dagegen nicht mit dem kardiovaskulären Risiko.

Eine neuere Metaanalyse von sieben Studien bestätigte dies im Prinzip:

Doch nur auf Gesamtmortalität und kardiovaskulärer Mortalität wirkte sich der Pulsdruck signifikant aus.

Das Risiko für beide Endpunkte nahm durch einen Anstieg des Puls- drucks um 10 mmHg um sechs bis sieben Prozent zu. Der Einfluss auf das Schlag- anfallrisiko fiel dagegen nicht signifikant aus. Dies scheint mehr vom mittleren Blutdruck abzuhängen, wie auch eine italienische Studie demonstrierte, die Prof. P. Verdecchia (Perugia) vorstellte.

Den Rat, auf Salz zu verzichten, soll- ten sich auch salzresistente Hypertoni-

ker durchaus zu Herzen nehmen. Denn eine hohe Salzzufuhr verstärkt offenbar den Effekt des Blutdrucks auf die links- ventrikuläre Hypertrophie und die Nephropathie, wie Wissenschaftler aus Montpellier in einer Untersuchung an 836 Männern und Frauen fanden.

Zwei Drittel waren unbehandelte Hy- pertoniker, der Rest normoton. Die Na- triumausscheidung mit dem Urin korre- lierte mit der linksventrikulären Masse.

Bei beiden Geschlechtern stiegen die Albuminausscheidung und die links- ventrikuläre Masse mit der Natrium- ausscheidung auch unabhängig vom Blutdruck. Der blutdruck- abhängige Anstieg von linksven- trikulärer Masse und Albumin- ausscheidung fiel umso steiler aus, je mehr Natrium mit dem Urin ausgeschieden wurde. Dies wäre ein starkes Argument dafür, dass auch salzunempfind- liche Hypertoniker ihren Salz- konsum einschränken sollten, um ihr kardiovaskuläres Risiko zu vermindern, meinte Prof. G.

du Cailar (Montpellier).

Die Salzempfindlichkeit des Hypertonikers scheint mit einer Endotheldysfunktion assoziiert zu sein, wie eine spanische Studie mit 37 noch nie behandelten Hypertonikern ohne Hinweis auf Endorganschäden nahelegte. Zunächst wurde die Salz- empfindlichkeit bestimmt: Der 24- Stunden-Blutdruck wurde im An- schluss an eine salzarme und eine salz- reiche Diätphase zu je sieben Tagen bestimmt. Dabei konnten 21 Hy- pertoniker als salzempfindlich iden- tifiziert werden. Nur bei diesen Pa- P O L I T I K

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A2592 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 40½½6. Oktober 2000

Kongress der International Society of Hypertension

Auch die leichte Hypertonie ist eine komplexe Erkrankung

Systolischer und diastolischer Blutdruck sind vielleicht nicht genug, um das kar- diovaskuläre Risiko eines Hypertonikers zu bestimmen. Nach Vorträgen auf

dem 18. Kongress der International Society of Hypertension in Chicago geben der Pulsdruck und der Belastungsblutdruck wertvolle Zusatzinformationen.

In Chicago wurde auch salzunempfindlichen Hochdruck- patienten empfohlen, ihren Salzkonsum einzuschrän-

ken. Foto: Eberhard Hahne (mh)

Medizinreport

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tienten war die endothelabhängige Va- sodilatation signifikant vermindert, er- klärte Prof. E. Bragulat (Barcelona).

Wie Prof. Stevo Julius (Ann Arbor) ausführte, ist auch eine leichte Hyperto- nie bereits eine komplexe metabolische Erkrankung. Das kardiovaskuläre Risi- ko dieser Patienten ist zwar nur gering er- höht. Da jedoch der überwiegende Teil der Hypertoniker in diese Kategorie gehört, hat die leichte Hypertonie erheb- lichen Einfluss auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität der Bevölke- rung, betonte Julius. Auch der Effekt von Antihypertensiva auf kardiovaskulä- re Endpunkte ist bei leichter Hypertonie nicht groß. Über längere Zeiträume hin- aus und angesichts der hohen Zahl der Betroffenen resultiert aber unter dem Strich ein deutlicher Nutzen.

Etwa die Hälfte der Patienten mit leichter Hypertonie wird nicht von selbst wieder normoton, sondern entwickelt ei- ne schwere Hypertonie. Die Blutdruck- Selbstmessung identifizierte Julius in ei- ner Auswertung der Tecumseh-Studie über drei Jahre als gutes Mittel, um die Patienten herauszufiltern, die später ei- ne anhaltende Hypertonie entwickeln:

Misst der Patient selbst zu Hause Blut- druckwerte von über 128/83 mmHg, so spricht dies mit 48 Prozent Sensitivität und 93 Prozent Spezifität für eine anhal- tende Hypertonie. Zumindest diese Pati- enten mit leichter Hypertonie sollte man

unbedingt medikamentös behandeln, er- klärte Julius. Prof. Lawrie Beilin (Perth) sprach sich gegen eine generelle medi- kamentöse Therapie der leichten Hyper- tonie aus. Er machte darauf aufmerksam, dass nach den aktuellen WHO/ISH- Empfehlungen zur Hochdrucktherapie zunächst nicht-pharmakologische Maß- nahmen angewendet werden sollen, um den Blutdruck zu senken. Außerdem ließen sich damit auch zusätzliche nützli- che Effekte, zum Beispiel auf den Fett- und Glukosestoffwechsel sowie das Thromboserisiko erzielen. Somit könne der Einsatz von Medikamenten vermie- den oder zumindest begrenzt werden.

Julius hielt dem entgegen, dass nicht- medikamentöse Maßnahmen in der Praxis fast immer scheitern und nur un- ter den streng kontrollierten Bedingun- gen einer Studie funktionieren: „Wir dürfen uns selbst und den Patienten nichts vormachen und müssen die Chancen realistisch betrachten.“

Der am wenigsten spezifische Weg, Angiotensin II zu hemmen, ist die Blockade des Konversionsenzyms. Ne- ben der Bildung von Angiotensin II wird durch dieses Enzym auch der Abbau von Bradykinin gehemmt. Dies trägt nicht zum hämodynamischen Effekt bei, bringt aber Nebenwirkungen wie Angio- ödeme und – relativ häufig – Husten mit sich. „Husten sollte man nicht in Kauf nehmen, wenn es auch ohne geht“, so Prof. Hans Brunner (Lausanne).

Die klinische Erfahrung mit An- giotensin-II-Antagonisten zeigt durchwegs eine placebogleiche Verträglichkeit.

Bisher weisen auch alle Daten darauf hin, dass Angiotensin-II- Antagonisten klinisch ebenso wirksam sind wie ACE-Hem- mer. Beide verringern dosisab- hängig die Intima-Media-Dicke, die Proteinurie und die kardiale Hypertrophie. Die erste klini- sche Endpunkt-Studie ELITE-II fand für Captopril und Losartan eine vergleichbare Abnahme der Mortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Gleichzei- tig bestätigte die Studie den ein- deutigen Vorteil in der Verträg- lichkeit. „Möglicherweise wäre auch im klinischen Ergebnis ein Vorteil für Losartan herausge-

kommen, wenn eine höhere Dosis ge- wählt worden wäre“, spekulierte Brun- ner. Denn die eingesetzten 50 mg Losar- tan bringen mit Sicherheit nicht die ma- ximale Rezeptorblockade. Für die Zu- kunft sieht Brunner die ACE-Hemmer ganz von der Bildfläche verschwinden.

Gleichwertigkeit bisher noch nicht eindeutig belegt

Nach den Worten von Prof. Norman Kaplan (Dallas) haben ACE-Hemmer den Angiotensin-II-Antagonisten ein- deutig voraus, dass bereits eine 20- jährige klinische Erfahrung vorliegt.

Der klinische Nutzen ist bei Hyperto- nie, Herzinsuffizienz und Nephropathie mannigfaltig bestätigt. ACE-Hemmer verringern das Risiko, dass sich aus ei- ner Mikro- eine Makroalbuminurie ent- wickelt, um 65 Prozent. Gefäßprotekti- ve Effekte wurden für Ramipril in der HOPE-Studie sogar weitgehend unab- hängig vom Blutdruck gefunden.

Die bisherigen klinischen Daten ge- ben noch keine ausreichende Sicherheit für die Gleichwertigkeit der Angioten- sin-II-Antagonisten. Der Unterschied zwischen Losartan und Captopril im Einfluss auf die Gesamtmortalität in der ELITE-II-Studie war zwar nicht signifikant. „Doch betrachtet man das Konfidenzintervall, so war Losartan im besten Falle fünf Prozent besser als Captopril und im schlimmsten Falle 35 Prozent schlechter.“

Und generell austauschbar sind ACE- Hemmer und Angiotensin-II-Antagoni- sten durchaus nicht. In einer Vergleichs- studie über sechs Wochen an 82 Hyperto- nikern wurde das Ansprechen auf Lisi- nopril und Candesartan verglichen. Nur auf den ACE-Hemmer sprachen 18 Pro- zent der Patienten, nur auf den Angio- tensin-II-Antagonisten 15 Prozent an.

Die übrigen Patienten sprachen entwe- der auf beide an, oder auf beide nicht an.

Bevor nicht weitere Belege aus klini- schen Endpunktstudien vorliegen, die die Gleichwertigkeit der Angiotensin-II- Antagonisten belegen, ist es nach An- sicht von Kaplan zu früh für eine Ablö- sung der ACE-Hemmer. Angiotensin-II- Antagonisten bleiben daher für die Pati- enten reserviert, die unter ACE-Hem- mern husten. Dr. med. Angelika Bischoff P O L I T I K

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A2594 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 40½½6. Oktober 2000

Weniger Kapillaren in der Haut

Bei Hypertonikern beobachtet man häu- fig eine Ausdünnung von Kapillaren und Arteriolen in vielen Geweben, auch in der Haut. Es ist allerdings nicht klar, ob die Rarefizierung eine Konsequenz der Hy- pertonie ist oder etwa schon vorher be- steht. Deshalb verglichen T. Antonius und Mitarbeiter (London) die Hautkapillar- dichte von 21 normotonen Nachkommen von Hochdruckpatienten und 21 normo- tensiven Kontrollen mittels intravitaler Videomikroskopie. Bei den Sprösslingen von Hypertonikerfamilien fand man eine signifikant geringere Kapillardichte als bei den Kontrollen. Dies weist darauf hin, dass es sich um einen primären Defekt handelt, der familiär bedingt ist und dem Beginn der Hypertonie vorausgeht.

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