Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 16½½20. April 2001 AA1017
S E I T E E I N S
Krankenkassen
Training für Shareholder M
anche Krankenkassen kommenauf die ausgefallensten Ideen, um sich mit Marketing und Image- pflege vor Konkurrenzkassen her- vorzutun. Aktuelles Beispiel, wie Ersatzkassen sich bei ihren Versi- cherten und präsumtiven neuen Kli- enten mit Aktionen beliebt machen wollen, die haarscharf neben ihrem gesetzlichen Auftrag liegen: Die Barmer in Heilbronn schrieb An- fang März ihre freiwillig Versicher- ten (darunter auch Ärzte) an und lud diese zu einer Abendvortragsveran- staltung in ihre Geschäftsräume zu einer Vortragsreihe zu „steuerrecht- lichen Themen“ ein. Ein Steuerbera- ter, der im selben Verwaltungsge- bäude wie die Ersatzkasse seine Kanzlei unterhält, war Referent des
Abends zum Thema „Grundzüge der Erbschaftsteuer“. Ein weiterer Steuerberater (der allerdings entge- gen der Ankündigung nicht auftrat) wollte die höher verdienenden frei- willig Versicherten über „Private Veräußerungsgeschäfte und Neure- gelungen zur Aktienbesteuerung“
informieren. Das Ganze war „selbst- verständlich kostenfrei“ – allerdings offerierte die Barmer einen kleinen Imbiss. Ersatzkassenmitglieder und aufmerksame Chronisten müssen stutzig werden und bei solchen Events nachhaken: Ist es denn Auf- gabe einer gesetzlichen Krankenkas- se, sich – trotz knapper finanzieller Mittel und drohender Beitragser- höhungen, trotz des Wehklagens über den Risikostrukturausgleich –
wie Krämer, Steuerexperten oder Banken auch um die Finanzen ihrer Klientel zu kümmern? Gewiss hat diese Kundenbetreuung und Image- pflege der Ersatzkasse nichts mit dem gesetzlichen Auftrag von § 20 SGB V – der gezielten Gesundheits- förderung – zu tun. Es sei denn, der Informations- und Präventionsauf- trag der Kasse wird in der Weise er- weitert, die fortbildungsbeflissenen Ersatzkassenversicherten vor den gesundheitlichen Folgen zu hoher Steuern zu schützen. Mit der Recht- fertigung der Kasse, sie sei verpflich- tet, freiwillig Versicherte auch über Finanzangelegenheiten zu informie- ren, hat die Sache wohl nichts zu tun.
Zumindest ist dieses Argument weit hergeholt. Dr. rer. pol. Harald Clade
Stammzellforschung
Der einfachste Weg B
isher waren es Einzelstimmen –jetzt hat sich die gesamte FDP- Bundestagsfraktion in einem Be- schluss für die Zulassung der Prä- implantationsdiagnostik, eine er- leichterte Patentierung biotechno- logischer Erfindungen und das the- rapeutische Klonen zur Forschung an embryonalen Stammzellen aus- gesprochen. „Wir brauchen einen Modernisierungsschub statt Fort- schrittsverweigerung“, sagte der Fraktionsvorsitzende Dr. Wolfgang Gerhardt in Berlin.
Die FDP sehe in der Stammzel- lenforschung eine große Chance, Heilungsmöglichkeiten für schwere Krankheiten zu finden, begründete die Fraktion ihren Vorstoß. Um die Zellprogrammierung zu verstehen, sei die Forschung an embryonalen
Stammzellen unverzichtbar. Diese hätten erheblich mehr Potenzial für die Forschung als adulte Stammzel- len.
Obwohl diese bislang als Alter- native gelten (galten), betonen Wis- senschaftler in den letzten Wochen verstärkt, dass zunächst adulte und embryonale Stammzellen parallel erforscht werden müssten. Vorha- ben gehen auch in diese Richtung:
So liegt der Deutschen Forschungs- gemeinschaft derzeit beispielsweise ein Antrag vor, in dem um Gelder für den Import embryonaler Stamm- zell-Linien gebeten wird. Die For- schung an embryonalen Stammzel- len ist nach geltendem Recht in Deutschland erlaubt, nicht aber ih- re Gewinnung. Dies will die FDP ändern. Die wenigen Zell-Linien,
die benötigt würden, könnten die Wissenschaftler aus Embryonen ge- winnen, die bei der In-vitro-Fertili- sation nicht implantiert würden, meinte Gerhardt. An diesen sollte eine Forschung bis zum Blastozy- stenstadium (14. Tag) möglich sein, im „ersten Schritt nur an einzelnen unter besonderer Aufsicht stehen- den Instituten“. Deutschland dürfe sich nicht aus einem wichtigen For- schungsgebiet abkoppeln. Deshalb sollte auch das Embryonenschutz- gesetz geändert werden.
Die Forschung an embryonalen statt an adulten Stammzellen mag günstiger und zielgerichteter sein.
Doch wenn es um ethische und mo- ralische Werte geht, ist der einfach- ste und schnellste Weg nicht immer der beste. Dr. med. Eva A. Richter