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Archiv "Klinik der Kollagenosen" (23.07.1982)

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Heft 29 vom 23. Juli 1982 Aktuelle Medizin

Klinik der Kollagenosen

Kordt Rehn

Aus dem Bathildiskrankenhaus Bad Pyrmont

und aus der Medizinischen Universitäts-Poliklinik Heidelberg (Direktor Professor Dr. med. Werner Hunstein)

Die Symptomatologie der Kol- lagenosen umfaßt alle Organ- systeme und beruht auf dem gemeinsamen Befund einer systemischen Vaskulitis. Das Erkennen der zentralen Stel- lung der Vaskulitis innerhalb der Pathogenese erleichtert dem Kliniker die Einordnung und richtige Interpretation der Symptome. Trotz der ge- meinsamen pathologisch-ana- tomischen Basis bieten die einzelnen Kollagenerkrankun- gen unterschiedliche Krank- heitsbilder, für die es kaum pathognomonische Einzelbe- funde gibt. Durch Zusam- menarbeit mit dem klinischen Immunologen und dem Ra- diologen kann der Kliniker Befundmuster erarbeiten, die präzise Diagnosen erlauben.

Acht Krankheitsbilder wer- den vorgestellt: der Lupus erythematodes disseminatus (LED), das Pseudo-LE-Syn- drom, die Sklerodermie oder treffender die progressive Systemsklerose, Dermato- myositis und Polymyositis — dabei handelt es sich um eine ganze Gruppe von Krankhei- ten, ferner Mischkollage- nosen und das Sharp-Syn- drom, Vaskulitiden, die Arteri- itis temporalis oder Riesenzel- lenarteriitis, die Panarteri- itis nodosa und die We- gener'sche Granulomatose.

Die Kollagenosen sind für den Klini- ker ein ebenso faszinierendes wie anspruchsvolles Arbeitsgebiet. Ihre beeindruckende Symptomatologie erfordert vom betreuenden Arzt the- rapeutische Maßnahmen, die — bei richtig gestellter Diagnose — heute tatsächlich Erfolg versprechen. Im- munpathologische Aspekte bei Kol- lagenerkrankungen ziehen den klini- schen Forscher an, der, wahrschein- lich zu Recht, auf der Suche nach ätiologischen Faktoren Erkenntnis- se über immunologische Prinzipien und deren Beziehungen zur Genetik erwarten kann. Auf der anderen Sei- te stellen sich sowohl durch die Viel- falt als auch durch die Ähnlichkeit der Symptome oft unlösbare diagno- stische Aufgaben. Das wundert um so weniger, als schon die Begriffs- bestimmung „Kollagenose" proble- matisch ist, wie von H. P. Seelig ein- leitend') umrissen wurde.

Im folgenden Beitrag soll versucht werden, die Symptome einiger Kol- lagenosen vor dem Hintergrund ih- rer Pathogenese zu ordnen und ver- ständlich zu machen, um damit — unter Auslassen der Therapie, über die eine eigene Arbeit folgt — das Repetitorium bekannter Einzelhei- ten zu erleichtern.

1. Lupus erythematodes disseminatus (LED)

1.1 Vorkommen und Häufigkeit: Die Krankheit kann in allen Lebensaltern auftreten. Überwiegend erkranken

Frauen im generationsfähigen Alter, am häufigsten im 3. und 4. Lebens- jahrzehnt (Verhältnis Frauen zu Männer 5:1). Der Erythematodes gilt als die häufigste Kollagenose (ist aber dennoch eine relativ seltene Krankheit). Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen dürfte in Deutsch- land kaum mehr als 5-10 pro 100 000 Einwohner betragen.

1.2 Ätiologie und Pathogenese:

Neuere experimentelle Ergebnisse sprechen dafür, daß autoaggressive zelluläre und humorale Immunreak- tionen gegen körpereigenes Gewe- be entstehen können, wenn dieses durch Virusinfektionen oder be- stimmte Arzneimittel, wie Hydantoin, verändert und dadurch vom körper- eigenen Immunsystem als „nicht selbst" eingestuft wird. Die hieraus—

bei einer wahrscheinlichen geneti- schen Disposition — entstehenden, immunpathologischen Reaktionen (H. P. Seelig), münden beim LED in eine Immunvaskulitis ein. Je nach Lokalisation verursacht diese an Haut, Gelenken, an serösen Häuten (Pleura, Perikard) oder inneren Or- ganen (Nieren, ZNS) Entzündungen, die zu verschiedenartigen Krank- heitsbildern führen (Darstellung 1).

Dies macht den Symptomenreich- tum des LED verständlich.

1.3 Klinisches Bild: Die Häufigkeit der Organmanifestationen zeigt Ta-

1) Die einführende Arbeit von Professor H. P.

Seelig, Immunpathologie der Kollageno- sen, wurde in Heft 6/1980, Seite 231 ff.

veröffentlicht.

(2)

45 30 80 0 unter 10 bis 60 20 bis 80 0 bis 60 70 Gelenke

Haut Nieren Pleura Lymphknoten Muskulatur Lunge Herz Perikard ZNS

Magen, Darm

60 bis 90 65 bis 75 60 bis 80 45 bis 60 35 bis 60 ca. 50 30 bis 50 25 bis 40 20 bis 30 10 bis 25 15 bis 20

LED (%) Panarteriitis nodosa (%)

*) Modifiziert nach Bull. rheum. Dis. 91 (1971) 643

LED flüchtig und wandernd häufig oligo-

oder monoarthritisch Gelenkdestruktionen sehr selten

PCP

persistierend polyarthritisch Gelenkdestruktionen die Regel

bei LED und PCP gleichartig Schwanenhalsdeformität

Ulnardeviation

Tabelle 1: Organbeteiligung bei LED und Panarteriitis nodosa

Tabelle 2: Arthritis bei LED und PCP belle 1. Darüber hinaus können Au- toantikörper gegen Blutzellen Thrombo- und Lymphopenie hervor- rufen. — Begleitende Allgemeinsym- ptome sind: Starkes Krankheitsge- fühl, Inappetenz, Gewichtsabnahme und — nicht selten — hohe Tempera- turen, die differentialdiagnostisch an eine Sepsis denken lassen.

Arthritis: Die hochakute Verlaufs- form ist durch den Nachweis von Antikörpern gegen native Doppel-

strang-Desoxyribonucleinsäure (DNS) vom rheumatischen Fieber zu unterscheiden. Die subakute oder chronische LED-Polyarthritis kann aufgrund ihrer geringen Aggressivi- tät und ihres Befallsmusters von der primär chronischen Polyarthritis (PCP) abgegrenzt werden (Tabelle 2). Seltener zu finden, aber kenn- zeichnend für die LED-Arthropathie, sind aseptische Knochennekrosen.

Erytheme: Je akuter der Verlauf, um so weniger scharf begrenzt ist in der Regel das Erythem. Bei hochakuten Erkrankungen werden zuweilen nur flüchtige (flush-artige) Rötungen be- obachtet. Zuweilen lassen Hautbe- fund und Fieber an ein Erysipel den- ken. Die geringste Akuität besitzt die chronische, diskoide Verlaufsform (Erythema chronicus disseminatus), bei der meistens Organbeteiligung fehlt. Das schmetterlingsförmige Ex- anthem (Abbildung 2) 2 ) findet man bei akutem bis subakutem Krank- heitsverlauf. Bei etwa einem Viertel der Fälle von akutem Erythematodes fehlt das Exanthem.

Polyserositis (Pleuritis, Perikarditis, Endokarditis): Die Pleuritis kann stark schmerzhaft („sicca") oder mit Ergußbildung verlaufen und erfor- dert eine sorgfältige Differentialdia- gnose. Die Perikarditis führt oft über

ein schmerzhaftes Initialstadium mit Crepitatio und elektrokardiographi- schen Außenschichtschäden zu er- heblichen Perikardergußbildungen.

Dagegen hat die verruköse „Lib- man-Sacks"-Endokarditis nur eine geringe klinische Bedeutung.

Nephritis: Die Immun komplex-Ne- phritis, herdförmig oder diffus, be- stimmt die Prognose. Erkennbar wird sie durch Proteinurie, Erythro- zyturie und Zylindrurie und ist in 50 Prozent der Fälle von einer Hyperto- nie begleitet. Ein Drittel der LED- Todesfälle ist durch die terminale Niereninsuffizienz bedingt.

Zentralnervensystem: Eindrucksvoll zeigt sich die Symptomenvielfalt des Lupus erythematodes disseminatus am ZNS-Befall: Er imitiert nahezu al- le neurologischen Krankheitsbilder, von der peripheren Neuritis über fo- kale und generalisierte Krampf- anfälle bis zu Psychosen (etwa 20 Prozent).

1.4 Laborbefunde:

DNS-Antikörper: Antikörper gegen native Doppelstrang-DNS sind für den LED kennzeichnend und in na- hezu 100 Prozent der Fälle nach- weisbar. Sogenannte „falsch positi- ve" Ergebnisse kommen praktisch nicht vor. Lediglich bei der Sklero- dermie sind in Einzelfällen Doppel- strang-DNS-Antikörper in niedriger Konzentration meßbar.

LE-Zellen: Ihr diagnostischer Wert tritt hinter dem des DNS-Antikörpers zurück, weil LE-Zellen in höchstens 80 Prozent florider Krankheitsfälle zu finden sind, andererseits bei In- fektions- und Tumorkrankheiten schwierig abgrenzbare „Pseudo-LE- Phänomene" vorkommen können.

Sonstige Immunphänomene: Ty- pisch für den LED ist die Bildung verschiedenartiger Autoantikörper (zum Beispiel Rheumafaktoren, Kryoglobuline, Schilddrüsen-Anti- körper — vergleiche auch H. P. See-

2) Für die Abbildungen sei Frau Dr. R. Schrö- ter, Universitäts-Hautklinik, Heidelberg, gedankt.

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Nephritis

Polyserositis Arteriitis des ZNS

Immun- vaskulitis

Polyarthritis Erytheme

Lunge (>80%)

Intestinum Herz (ca 30%) (90%)

Nieren (8%) Haut

(obligat)

Knochen Haug

Unterhaut

Verdickung Basalmembran

Kapillaren Arteriolen

Muskulatur

Pathologisch-anatomisch wird die Krankheit erkennbar an einer Verdickung der Basalmembran von Kapillaren und Arteriolen (innerer Kreis). Daraus ent- stehen Zirkulationsstörungen und kollagene Proliferation (mittlerer Kreis).

Eine Sklerose ausgedehnter Gewebsbezirke schließt sich an. In manchen Regionen führt die Sklerose zur Gewebsatropie (Haut, distale Extremitäten, Knochen)

lig). Prognostisch ungünstig sind dabei Coombs-positive, autoimmun- hämolytische Anämien und die anti- körperbedingte thrombozytopeni- sche Purpura. In einer Häufigkeit von 15 bis 20 Prozent finden sich falsch positive Lues-Reaktionen bei negativem Nelson-Test. Die Bestim- mungen des Serumkomplementes dienen der Kontrolle des Krankheits- verlaufes. Ein plötzliches Absinken des Komplementes zeigt eine Ex- acerbation an.

Allgemeines Labor: Bei floridem dis- seminiertem LE entwickeln sich im- mer humorale Entzündungszeichen:

Stark erhöhte BKS, niedriges Se- rumeisen und Serumalbumin, er- höhte Alpha-1, Alpha-2 und Gamma- globuline.

Bioptische Befunde: Immunglobu- linniederschläge an der Basalmem- bran der Epidermis gesunder Haut sind starke Verdachtsmomente aber kein Beweis für den LED. Nieren- biopsien sichern weniger die Dia- gnose als vielmehr das Ausmaß der Organbeteiligung.

1.5 Diagnose und Differentialdia- gnose: Gesichert ist der LED, wenn bei verdächtigen klinischen Sympto- men Antikörper gegen native Dop- pelstrang-DNS nachgewiesen wer- den. Findet man diesen Antikörper in nur geringer Menge und fehlen weitere Krankheitssymptome, so be- steht Krankheitsverdacht.

Das Pathogeneseschema (Darstel- lung 1) und die Häufigkeitstabelle des Organbefalles sollen helfen, die vielfältigen differentiald iag nosti- schen Möglichkeiten selbst ableiten zu können.

2. Das Pseudo-LE-Syndrom Das Pseudo-LE-Syndrom (Pseudolu- pus) gleicht dem LED klinisch wie laborchemisch weitgehend, ist aber ein eigenständiges Krankheitsbild.

Drei Befunde erlauben die Dia- gnose:

0 Beim Pseudolupus erythemato- des fehlt fast immer die Nephritis.

Darstellung 1: Symptomenkomplex des Erythematodes visceralis (LED)

Darstellung 4: Pathogenese der progressiven Systemsklerose

(4)

Abbildung 2: Lupus erythematodes disseminatus, schmetterlingsförmiges Exanthem

Abbildung 4: Progressive Systemsklerose, Stadium atrophicum

Abbildung 1: Progressive Systemsklerose, Teleangiektasien und periorale Enge

Abbildung 3: Progressive Systemsklerose, Rattenbiß- phänomen

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Abbildung 5: Pathogenese der Arteriitis temporalis (Riesenzellenarteriitis) Die Intima ist verdickt und fibrotisch. Die Media wird teilweise nekrotisch und wird ebenso wie die benachbarte Adventitia von Lymphozyten und Plasmazellen infiltriert. Das für die Diagnose entscheidende Kriterium bilden die Riesenzellgranulome in den intimana- hen Schichten der Media. Zirkulationsstörungen bis zur Obliteration sind die Folge und führen je nach Lokalisation zu Funktionsstörungen des versorgten Gewebes. Sie erklären die Vielfalt der Symptome und deren z. T. lebensbedrohlichen Charakter.

Bevorzugter Sitz der Entzündung sind die kleinen und mittleren Äste der Arteria carotis. Prinzipiell kann aber jede Arterie befallen sein

Statt Antikörpern gegen Doppel- strang-DNS werden antimitochon- driale Antikörper (AMAK) in hoher Konzentration (höher als bei der pri- mären biliären Zirrhose) gemessen.

(i)

Meistens besteht eine Leukozy- tose (LED: Leukopenie).

Pathologisch-anatomisch liegt eine medikamentös ausgelöste Immun- komplexvaskulitis vor, die überwie- gend durch das Präparat Venopyron verursacht worden zu sein scheint.

3. Sklerodermie

(progressive Systemsklerose) Die Sklerodermie, oder treffen- der „progressive Systemsklerose"

(PSS), ist eine generalisierte Erkran- kung von Bindegewebsstrukturen und parenchymatösen Organen un- bekannter Ätiologie. Sie ähnelt darin dem LED.

3.1 Häufigkeit und Vorkommen:

Man rechnet jährlich mit 4 bis 5 Neu- erkrankungen auf 1 Million Einwoh- ner. Frauen erkranken 2 bis 3 mal häufiger als Männer. Der Erkran- kungsbeginn liegt meist zwischen dem 3. und 6. Lebensjahrzehnt, sel- ten in der Kindheit.

3.2 Pathogenese:Den einzelnen pa- thogenetischen Schritten lassen sich Symptome und Krankheitssta- dien zuordnen (Darstellung 2).

3.3 Klinisches Bild:

Integument und Bewegungsappa- rat: Krankheitsbeginn mit Raynaud- Symptomen, Morgensteifigkeit, Te- leangiektasien und ödematösen Schwellungen an Handrücken, Fin- gern und Gesicht (Stadium oedema- tosum — vaskuläre Dysfunktion).

Danach einsetzende kollagene Proli- feration und Sklerose mit tast- und sichtbarer Sklerodactylie.

Abnahme der Fingerbeweglichkeit.

Typische Nekrosen an den Finger- kuppen (Abbildung 3), sogenanntes Rattenbißphänomen, Verdickung des Zungenbändchens und periora-

le Enge (Abbildung 1). Die fort- schreitende Sklerose kann zur Be- wegungslosigkeit ganzer Gliedma- ßen und zur Atembehinderung füh- ren (Stadium indurativum).

Die Druckwirkung des schrumpfen- den Bindegewebes verursacht Atro- phien. Sie manifestieren sich vor al- lem an Haut (Abbildung 4), Muskula- tur und Knochen.

Im Extremfall verschwinden ganze Endphalangen (Stadium atrophi- cum).

Parenchymatöse Organe: Die Häu- figkeitsangaben zur Organsklerose basieren auf pathologisch-anatomi- schem Material. Symptome treten erst relativ spät auf.

lntestinaltrakt: Erst bei stärkerer Sklerosierung kommt es zu Schluck- beschwerden. Dagegen setzen rönt-

genologisch erkennbare Motilitäts- störungen schon frühzeitig ein. Bei Dünndarmbefall können sich Malab- sorptionssyndrome entwickeln.

Lunge: Im Frühstadium der Erkran- kung symptomlos. Der alveoläre Gasaustausch kann indessen schon gestört und durch Blutgasanalyse erkennbar sein.

Dyspnoe stellt sich erst in fortge- schrittenen Stadien ein. Postmortal werden Lungenfibrosen in etwa 90 Prozent der Fälle gefunden.

Herz und Nieren: Verlauf und Pro- gnose der Erkrankung sind abhän- gig vom Grad des Parenchymbefalls beider Organe. Kontraktilitäts- und Rhythmusstörungen des Herzens sowie maligne Hypertonie und Nie- reninsuffizienz bei Nephrosklerose sind die häufigsten Todesursachen bei der PSS.

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CRST-Syndrom: in einzelnen Fällen findet man die Symptomenkombina- tion Weichteilverkalkungen (Calci- nose), Raynaud-Phänomen, Sklero- daktylie, Teleangiektasie (Abbildung 1) und bezeichnet sie als CRST-Syn- drom. Hierbei kann das Intestinum mitbetroffen sein, doch bleibt die Symptomatik in den meisten Fällen auf das Integument begrenzt.

3.4 Laborbefunde: Laborbefunde sind uncharakteristisch. Die BKS kann leicht bis mäßig beschleunigt oder normal ausfallen. Sonstige Ent- zündungszeichen (Abfall des Se- rumeisens, Anstieg der Alpha-1- und Alpha-2-Giobuline) fehlen nicht sel- ten, die Gamma-Globuline sind leicht bis mäßig erhöht. Rheumafak- toren können in 20 bis 25 Prozent der Fälle positiv sein.

Nachweisbar sind oft antinukleäre Faktoren, vor allem Antikörper ge- gen Ribonucleinsäure (ANS-Antikör- per), selten DNS-Antikörper.

3.5 Diagnose: Sie ist in fortgeschrit- tenen Stadien einfach zu stellen. in Frühstadien dagegen ist das Krank- heitsbild - wie bei anderen Kolla- genasen - uncharakteristisch. Pa- thognomonische Röntgenbefunde werden bei G. Baldauf3) erörtert.

Der histologische Befund sichert die Diagnose. Bei vorherrschendem Or- ganbefall (besonders der Nieren) kommen differential-diagnostisch oer LED oder Arteriitiden in Be- tracht.

3.6 Maßnahmen zur Frühdiagno- stik:

Folgende Untersuchungen haben sich bewährt:

~ Röntgenuntersuchung des Öso- phagus,

~ Ösophagus-Manometrie,

~ Lungenfunktionsprüfung mit Blutgasanalyse.

Riesenzellenarteriitis

Extrasystolie Infarkt

Darstellung 3: Dermatamyositis

/ schmerzen

. : . ·. · Doppelbilder

~ : : Visusverlust

.. I . . .

Kopfschmerz Depressionen Ischämie (Insult)

4. Dermatamyositis - Polymyositis Hierbei handelt es sich nicht um zwei klar abgegrenzte Krankheitsbil- der, sondern um eine ganze Gruppe von Krankheiten. Sie treten teils ei- genständig, teils als Begleitkrank- heiten auf (Tabelle 3).

4.1 Ätiologie und Pathogenese: Bei unbekannter Ätiologie entwickeln sich Hautödeme und parivaskuläre Infiltrate, die zur Fibrosierung nei- gen. Parallel oder als Folge entste- hen Muskelfaserdegenerationen.

4.2 Klinisches Bild: Allen Krank- heitsbildern dieser Gruppe gemein- sam sind uncharakteristische Sym- ptome, wie Gewichtsabnahme, Krankheitsgefühl, erhöhte BKS und humorale Entzündungszeichen. Die Dermatamyositis (DM) (Abbildung 5) wird gekennzeichnet durch

a) Erytheme:

Periorbital, flächenhaft, violett ge- tönt, an Gesicht, Nacken, Oberar- men und Rumpf.

b) Muskelschmerz und -schwäche:

Schultergürtel, Beckengürtel, Rumpfmuskulatur, Pharynx und La- rynx.

Im Herzmuskel können interstitielle Infiltrate zu Insuffizienz, Reizlei- tungs- und Rhythmusstörungen führen .

4.3 Laborbefunde:

erhöht:

BKS, GOT, CPK, LDH, Aldolase Anämie

Leukozytose erniedrigt:

Serumeisen erhöht:

Kreatin inausscheidung Alpha-1-, Alpha-2-Giobulin antinukleäre Faktoren in 10 bis 20 Prozent (s. H. P. Seelig) Myosin-Antikörper

3) Der Aufsatz ist in Heft 11/1981, Seite 503 ff., dieser Zeitschrift veröffentlicht.

(7)

Elektromyogramm: Wird das EMG von einem erkrankten Muskel abge- leitet, so kann die DM meistens gesi- chert und von einer primären Mus- keldystrophie (zum Beispiel Myato- nia congenita) ohne Schwierigkei- ten abgegrenzt werden.

4.4 Diagnose: Zur Sicherung der Diagnose sollten die Befunde fol- gender Untersuchungen zusammen- gefaßt werden:

l> Klinisches Bild

l> Muskelenzymbestimmung

l> Elektromyographie

l> Muskelbiopsie

4.5 Differentialdiagnose: Die Der- matomyositis ist abzugrenzen ge- genüber der progredienten Muskel- dystrophie, die sich typischerweise im Schultergürtel oder Beckengürtel manifestiert. Die Polymyalgia rheu- matica kann aufgrundfehlender Fer- menterhöhungen unterschieden werden. Auch Myopathien, zum Bei- spiel bei der Hyperthyreose können zur Verwechslung mit einer Poly- myositis führen.

Kombinationen von Symptomen der PSS und DM prägen das Krankheits- bild der Mischkollagenose.

4.6 Dermatamyositis und maligne Neoplasmen: Neben akut verlaufen- den Fällen von Polymyositis und Dermatemyositis sollten auch Kran- ke mit weniger schweren Sympto- men aufmerksam beobachtet wer- den. Bei etwa 20 Prozent der Patien- ten mit Dermatamyositis jenseits des 40. Lebensjahres werden maligne Tumoren gefunden, bei Männern jenseits des 50. Lebensjahres sogar in etwa 70 Prozent. Am häufigsten entstehen maligne Lymphome, Bronchial-, Ovarial-, Prostata-, Mam- ma- und Darmkarzinome.

5. Mischkollagenesen - Sharp-Syndrom

Krankheitsbilder, die Symptome von 2 oder 3 Kollagenesen gleichzeitig aufweisen, werden als Mischkolla-

I. sogenannte "reine" . Polymyositis

II. Dermatamyositis 1. beimEnvachsenen mit malignen Tumoren ohne maligne Tumoren 2. beim Kind

111. Polymyositis mit Symptomen anderer Bindegewebskrankheiten z. B. Sklerodactylie

Raynaud-Syndrom Polyarthritis Sjögren-Syndrom

IV. Bindegewebskrankheiten mit begleitender Polymyositis z. B. PCP; PSS;

LED.

Tabelle 3: Polymyositis und Dermatamyositis

0

Vorwiegend nekrotisierende Vaskulitiden.

~ Panarteriitis nodosa und ähnliche Syndrome

~ Hypersensibilitätsvaskulitiden

z. B. Serumkrankheit; Purpura Schönlein-Henoch; Vaskulitiden der

Haut; andere organbeschränkte Vaskulitiden (Giomerulonephritis)

Medikamenten-Überempfindlichkeit

~ bei Autoimmunität

z. B. LED; Goodpasture-Syndrom; essentielle Kryoglobulinämie;

f) Granulomatöse Vaskulitiden

~ Wegener'sche Granulematose f) Riesenzellenvaskulitiden

~ Arteriitis temporalis

Tabelle 4: Auswahl einiger Vaskulitissyndrome (modifiziert nach Zubler)

genasen bezeichnet. Der Verlauf wird von dem jeweils vorherrschen- den Krankheitsbild bestimmt.

Das Sharp-Syndrom kann als Son- derform der Mischkollagenasen an- gesehen werden und ist immunolo- gisch charakterisiert durch hochtit- rige antinukleäre Faktoren mit ei- nem großen Anteil extrahierbarer nukleärer Antikörper (ENA).

Vaskulitiden

Die Klassifizierung von Vaskulitis- syndromen ist schwierig, weil die meisten ätiologisch ungeklärt sind.

Für ihre Einteilung ausschlagge-

bend sind deshalb das histologische Bild und die vorherrschende Lokali- sation.

Auch die Manifestationsform als iso- lierte Vaskulitis oder als Symptom im Rahmen einer Grundkrankheit wird berücksichtigt (Tabelle 4).

ln wechselnder Anzahl und Auswahl werden Vaskulitiden den Kollageno- sen zugerechnet. Hier sollen erörtert werden die Arteriitis temporalis, die Wegener'sche Granulematose und die Panarteriitis nodosa.

C>

Sie sind - die Panarteriitis ausge- nommen- sicher zu diagnostizieren und gut zu behandeln.

(8)

6. Arteriitis temporalis (Riesenzellenarteri itis)

6.1 Vorkommen und Häufigkeit: Es handelt sich um eine ausgesproche- ne Alterserkrankung unbekannter Ätiologie. Manifestationsmaximum im 6. Lebensjahrzehnt Erkrankun- gen vor dem 50. Lebensjahr sind die Ausnahme. Frauen erkranken vier- mal häufiger als Männer. Mit jährli- chen Neuerkrankungen kann in Eu- ropa zwischen drei und zwölf je 100 000 Einwohnern gerechnet werden.

6.2 Pathogenese (Siehe hierzu Dar- stellung 3, Riesenzellenarteriitis) 6.3 Klinisches Bild: Leitsymptome sind akut auftretende, starke Nak- ken-, Schulter- und Beckengürtel- schmerzen (90 Prozent), Kopf- schmerzen und depressive Verstim- mung (50 Prozent). Hinzu kommen Gewichtsverlust und Adynamie. Ein richtungsweisender Tastbefund ist an der Arteria temporalisnur in etwa 40 Prozent zu erwarten. Das klini- sche Bild ist identisch mit der Poly- myalgia rheumatica, bei der in der Hälfte der Fälle eine Riesenzellen- arteriitis gefunden wird. - Je nach Lokalisation der Arteriitis kann es zu gefährlichen Komplikationen kom- men: Herzinfarkte (5 Prozent), zere- braler Insult (3 bis 4 Prozent), Visus- verlust (2 Prozent).

6.4 Laborwerte: Maximal beschleu- nigte BKS, hypo- (normo-) chrome Anämie, Leukozytose, häufig auch Eosinophilie und nicht selten eine Thrombozytose. Ausdruck der aku- ten Entzündung sind die Erhöhung der Alpha-2-Giobuline, das ernied- rigte Serumeisen und das erhöhte Serumkupfer. Auch die alkalische Phosphatase kann leicht bis mäßig- gradig ansteigen. Die Muskelfer- mente sind im Normbereich. 6.5 Diagnose: Die Riesenzellenarte- riitis wird durch Histologie und lm- munhistologie aus Probeexcisionen -zumeist der Temporalarterien- ge- sichert. - Differentialdiagnostisch kommen in Betracht: Maligne Tu- moren, Panarteriitis nodosa, LED, Dermatomyositis. Ferner die Periar-

thritis humeroscapularis, Einklem- mungsneuropathien und Polyneuri- tiden.

7. Panarteriitis nodosa

Die Panarteriitis nodosa ist eine ge- neralisierte Erkrankung der kleinen und mittleren Arterien unbekannter Ätiologie.

7.1 Häufigkeit und Vorkommen: Seltener als der LED, tritt. sie drei mal häufiger bei Männern auf und wurde auch bei Kindern beobachtet.

7.2 Pathogenese: Neuerdings wird als pathogenetischer Faktor das He- patitis-B-Surface-Antigen (HBS-AG) diskutiert, das sich in Form von lm- munkomplexen in Gefäßläsionen der nekrotisierenden Arteriitis zeigt.

7.3 Klinik: Fast immer besteht Fie- ber (subfebril bis septisch- verglei- che LED!). Geprägt wird das Krank- heitsbild durch Symptome seitens der Nieren (Hypertonie und Nieren- insuffizienz), des ZNS (periphere Neuritis), des Herzens (Rhythmus- störungen, Herzinfarkt) und des Ma- gen-Darm-Traktes (Koliken, Mes- enterialinfarkte). Die Häufigkeit des Organbefalls zeigt Tabelle 1.

7.4 Labor: Erhöhung von BKS und Gammaglobulinen, Leukozytose mit relativer Eosinophilie, pathologi- sche Urinbefunde im Sinne der Nie- renbeteiligung; immunologisch fin- det man Rheumafaktoren in 25 Pro- zent, gehäuft HBS-AG, gelegentlich antinucleäre Faktoren.

7.5 Diagnose: Die histologische Si- cherung gelingt aus den befallenen Organen (Haut, Muskulatur, Darm- schleimhaut). Differentialdiagno- stisch sollte das Augenmerk beson- ders auf den LED, die Arteriitis tem- poralis und die Wegener'sche Gra- nulematose gerichtet werden.

8. Wegener'sche Granulomatose 8.1 Vorkommen und Pathogenese: Vorwiegend erkranken jüngere Pa- tienten (Erkrankungsmaximum zwi-

sehen 20. und 40. Lebensjahr) an einer ätiologisch unbekannten Vas- kulitis der Arterien und Venen, die im Respirationstrakt zu ulzerieren- den Granulomen führt und in den Nieren eine Glomerulanephritis her- vorruft.

8.2 Klinische Leitsymptome:

~ Sinusitis und/oder Nasepharyngi- tis mit ulzerierenden Granulomen (60 Prozent)

~ Nephritis (80 Prozent)

~ Pneumonie (30 bis 40 Prozent).

Weitere Symptome sind Fieber, Ge- wichtsverlust, Myalgien und peri- phere Neuropathien.

8.3 Labor: Hohe BKS, Leukozytose, Eosinophilie, pathologische Urinbe- funde, in vielen Fäll.en eine Erhö- hung der lgA-Giobuline und gele- gentlich ein positiver Rheumafaktor- Latextest Radiologische Lugenbe- funde werden in allen Fällen erho- ben (s. G. Baldauf).

8.4 Differentialdiagnose: Die schub- weise verlaufenden Entzündungen erwecken den Verdacht auf ein Anti- körpermangelsyndrom, während ul- zerierende Schleimhautgranulome in den oberen Luftwegen eine Tu- berkulose oder Karzinome vortäu- schen. Erleichtert wird die Diagnose durch die meist gleichzeitig ablau- fende Glomerulonephritis.

Literatur

(1) Hollander. J. L., Mc Carty jr. Dr. J.: Arthritis and Allied Conditions, Lea & Febiger (1972)- (2) Praxis der Immunologie, Herausgeber: K.

0. Vorlaender, G. Thieme, Stuttgart (1976)-(3) Gerber, N. J.: Polymyalgia rheumatica, Ein Teilaspekt der Riesenzellarteriitis, in: Erg. lnn.

Med. u. Kinderheilkunde 40 (1978) 86-149- (4) Rasenack, U.: Polymyalgia rheumatica, Dt.

Ärztebl. 40 (1979) 2561~4-(5) Zubler, R. H.:

Entzündliche Gefäßerkrankungen und ihre im- munologischen Aspekte, Internist, 20 (1979) 475-78.

Anschrift des Verfassers: Professor Dr. Kordt Rehn

Bathildiskrankenhaus Bad Pyrmont Medizinische Abteilung

Postfach 14 80 3280 Bad Pyrmont

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